Full text: St. Ingberter Anzeiger

vt. Inghexter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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V 58. 
Dienstag, 20. März 1888. 
23. Jahrg. 
* Der Gedenktag Kaiser Wilhelms. 
Stels hat es jede edele Nation als eine Pflicht 
er Pietät und ais eine heilige Mahnung für die 
ufwachsenden Geschlechter angesehen, ihre großen 
Jodlen zu ehren und sicherlich ist es ein Herzens⸗ 
bedürfniß aller deutschen Patrioten, daß dem ver⸗ 
wigten Helden Kaiser Wilhelm ein Gedenktag ge⸗ 
veiht werde. Welcher Tag wäre dazu aber wohl 
Feigneter, als der 22. Marz, der Geburtstag des 
zuhschlafenen ? Hante dieser Tag doch im Leben 
deuischen Voikes bereits einen hohen Ehren⸗ 
zlaß erhalten, so daß man stets mit herzlichster 
Freude seiner gedachte und ihm frohe Feste nicht 
ur in ganz Deutschland, sondern auch in fernen 
ündern, wo Deuische wohnten, widinete. Der 
12. Marz ist daher bereits so voll und ganz als 
Frinnerungstag an Kaiser Wilhelm dem Gedächt- 
isse der Ration eingeprägt, daß es durchaus folge⸗ 
richtig ist, den 22. März überhaupt als weihevollen 
Bedenktag Kaiser Wilhelms zu feiern. 
Wenn wir uns so recht vergegenwärtigen, was 
zer verewigte erste Kaiser des neuen deutschen Reiches 
einem Vaierlande, ja der ganzen Kulturwelt war 
ind dabei erwägen, mit welcher Bescheidenbeit, ja 
ührender Demuth der Große Wilhelm über sein 
Witken urtheilte, so muß jeder ehrliche Mann ohne 
Weiteres zugeben, daß der entschlafene Held nicht 
nur das Muster eines Fürsten, sondern 
vor allen Dingen auch das Muster eines 
MNenschen war und daß es unsere heilige Pflicht 
st, Kaiser Wilhelms Lebensbild uns und unseren 
dindern an einem Gedenktage vor die Augen zu 
Ahren. 
Kaiser Wilhelm war der erste und beste Krieger 
des deuischen Heeres, er war der erste und treueste 
Beamte des Reiches, er war der erste und treueste 
bürger des Staates. Er sagte von sich: „Ich 
erblicke in allen Menschen meine Brüder und lege 
eden Herrscherstolz ab“, und doch hat er niemals 
einer Kaiser · und Königswücde auch nur das Ge⸗ 
ingsie vergeben. Kaiser Wilhelm durfte von seiner 
Regierungszeit, seinem hohen Amte, seinem segens⸗ 
reichen, unermüdeten Wirken zu allen Deutschen 
agen: „Ich habe für das Wohl des Vaterlandes 
nehr gearbeitet, mehr gesorgt, und mehr gewagt, 
ils Ihr Alle!“ Aber niemals hat man von dieses 
daisers Mund dergleichen Worte gehört, wohl aber 
zat er an seinen ruhmreichen Tagen Aussprüche 
jethan, welche seine lautere Herzensbescheidenheit, 
eine tiefe Demuth bekundeten. „Welche Wendung 
»urch Gottes Fügung, ihm gebührt die Ehre!“ 
elegtaphirte Kaiser Wilhelm nach dem Tage von 
Sedan an seine Gemahlin. Ferner hörte man bei 
Belegenheiten, wo dem Kaiser Wilhelm Huldigungen 
jargebracht wurden, von ihm nicht selten die Worte: 
„Was ich bin, bin ich durch Gottes Gnade! Wir 
ind nur die Werkzeuge Gottes und haben keine 
Ursache, stolz zu sein!“ 
Und wie muß der Mund der Zweifler und 
-pötter verstummen, wenn sie überblicken, welchen 
errlichen Segen die Pflichttreue, die Demuth und 
zie Gottesfurcht Kaiser Wilhelms seinem Wirken 
zebracht hat! Die Welt ist freilich undankbar und 
ür Großthaten leicht vergeßlich, aber man blättere 
iur nach in der Weltgeschichte, ob man einen ein⸗ 
zigen Herrscher findet, der solche Erfolge, solche 
»auernde, schoͤne, herzgewinnende Erfolge aufzu— 
veisen hat, als Kaiser Wilhelm. Obwohl Sieger 
n drei Feldzügen und Bezwinger der größten Kriegs 
nacht der Welt, legte sich Kaiser Wilhelm doch 
nach den blendendsten Erfolgen weise Maßigung 
nuf, er sah in den Kriegen nur ein nothwendiges 
Jebel, an Gottesgericht, ruhte nicht auf krieger⸗ 
schen Vorbeeren aus, sondern wandte sich sobald 
als moͤglich der Förderung der inneren Wohlfahrt 
des Landes wieder zu. 
Ohne irgend welche Uebertreibung darf man 
auch bon Kaiser Wilhelm sagen, daß er der ver⸗ 
sörperte deutsche Genius für ein ganzes Jahrhundert 
war. Als jammernden Knaben sehen wir Kaiser 
Wilhelm in der großen Leidenszeit Preußens und 
Deuischlands in den Jahren 1806 bis 1812. Aber 
1813 erwacht in dem fürstlichen Jüngling schon 
der deutsche Genius, der ihn auf die Schlachtfelder 
reibt und ihm zeigt, wo und wie die Schichale 
der Nation entschieden werden. Eine lange, lange 
Zeit der Prüfung muß er nun erst bestehen, ehe 
⁊, bereits ein Greis, zur Herrscherwürde gelangt. 
Doch der königliche Greis sühlte in sich die Kraft 
des fiegesbewußten Feldherrn und die gereifte Kunst 
des Siaatsmannes und kaum hat er zehn Jahre 
cegiert, so ist aus dem verkannten Preußen und 
em zersplitterten und verachteten Deutschland der 
rste Staat der Erde geworden. 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 16. März. Der Landtag, welcher, 
rachdem seine Dauer bereits dreimal verlängert 
vorden ist, am 25. d. M. schließen sollte, hat 
zurch des Kaisers Tod eine Unterbrechung erlitten, 
velche seine weitere Verlängerung bis in den April 
sinein nothwendig macht. 
Muͤnchen, 17. Marz. Der papfiliche Nuntius 
Fürst Ruffo Scilla ist wieder hier eingetroffen. Der 
seuernannte italienische Gesandte, Baron Cevar, ist 
sier angekommen. 
Stuttgart, 17. März. Konig Karl hat 
zestimmt, daß zum bleibenden Gedächtniß seines 
ohen Chefs das württembergische Infanterie⸗Regi⸗ 
nent Nr. 120 für alle Zeiten den Namen „Kaiser 
Wilhelm, König von Preußen“ führen soll. 
Berlin, 19. Maärz. Kaiser Friedrich 
jat gestern dem General der Kavallerie, Freiherrn 
». Schlot he im, Kommandeur des 11. Armee— 
orps, den Schwarzen Adlerorden, dem General 
er Kavallerie, Freiherrn v. Los, Kommandeur 
jes 8. Armeekorps, und dem General der Kavallerie 
». Albedyll, Chef des Militärkabineis, das 
ßroßkreuz des Rothen Adlerordens verliehen. 
Durch das Hinscheiden Kaiser Wil— 
selms verlieren folgende Regimenter 
hren Chef: Das 1. Garde⸗Regiment zu Fuß, 
as Regiment Grade du Corps, das Königs⸗ 
hrenadier⸗Regiment (2. Westpreußisches) Nr. 7, 
as Konigs⸗Husaren⸗Regiment (1. Rheinisches) Nr. 
', das Bayerische Infanterie-⸗Regiment „König 
on Preußen, Kaiser von Deutschland“, das Sächsisch 
zrenadiet⸗Regiment Nr. 101, das 2. Badischt 
ßrenadier⸗Regiment Nr. 110 außerdem das Russische 
Irdens — Dragoner -Regiment und das Russische 
znfanterie Regiment Kaluga — dessen siebzigjähriges 
Chef· Jubilaum Kaiser Wilhelm erst kürzlich feierte 
—, das Oesterreichische Infanterie Regiment „Kai⸗ 
er Wilhelmn, König von Preußen“ Nr. 34. Kaiser 
Friedrich wird nach altem preußischen militärischen 
zrauch durch seinen Regierungsantritt eo ipso Chef 
es 1. Grade Regiments zu Fuß und des Regiments 
zrade du Corps. Er war bereits schon Chef des 
ßrenadier ⸗ Regiments, Kronprinz“ (1. Ostpreußisches) 
ser. 1 — welches nunmehr eine andere Bezeichnung 
rhalten wird —, des 5. Westfälischen Infanterie⸗ 
qegiments Nr. 33. des 2. Schlesischen Grenadier⸗ 
stegiments Nr. 11, des 6. Badischen Infanterie⸗ 
degiments Ne. 114, des Sächsischen 2. Husaren⸗ 
egiments Nr. 19, des Bayerischen Ulanen· Regiments 
sr 1, des Russischen Dragoner Regiments „Isum“ 
Nr. 11. Außerdem ist er Inhaber des Oesterreichischen 
Infanterie · Regiments Nr. 20 und Chef des 1. Garde⸗ 
andwehr⸗Regiments. Kronprinz Wilhelm war seit⸗ 
er noch nicht Chef eines preußißischen oder irgend 
ines Regiments des deutschen Reichsheeres, sondern 
r stand nur a le suite des Gardes Husaren⸗Regi⸗ 
nents, des 2. Garde Landwehr Regiments, des 1. 
harde⸗Regiments zu Fuß, des Pommerschen Gre⸗ 
adier⸗Regiments Nr. 2. Dagegen ist Kronprinz 
wilhelm Chef des Russischen 85. Infanierie Regi · 
genis und Oberfl⸗Inhaber des Oesterreichischen 7. 
husaren⸗Regiments und steht 2 la suite des Rus⸗ 
ischen Greuadir-Regiments König Friedrich Wil- 
Jelm UIJ., sowie des Oesterreichischen Infanterie⸗ 
tegiments Wilhelm J., deutscher Kaiser und Koͤnig 
von Preußen. 
Ausland. 
Paris, 18. März. Die Agitation zu Gun⸗ 
ten Boulanger's nimmt immer bedrohlichere 
dimensionen an. Man verkennt in parlam entarischen 
dreisen nicht die große Gefahr derselben. Die ge⸗ 
ammie Presse erörtert die Frage mit besorgtem 
krnst. Cornely schreibt heute im „Matin“: „Ich 
Aldre auf Ehre und Gewissen, daß ich an die 
zukunft Boulanger's glaube; ich glaube, daß er 
dictator sein wird und daß nichts ihn daran ver⸗ 
sindern kann.“ Im Lauf der nächsten Woche 
verden die Unterzeichner des Protestes in Marfeille 
große Versammlungen abhalten. Laur ist bereits 
dort; morgen folgt ihm Laguerre. Ein radicales 
Wahlcomite hat angefragt, ob Boulanger ein Man⸗ 
dat annehmen würde; man weiß noch nicht, was 
er nach ertheilter abschlagiger Antwort thun wird. 
Die Wahl Boulanger's ist durchaus nicht zweifellos, 
zumal auch die Reactionäre, den Zwiespalt der 
sadicalen benutzend, Candidaten aufstellen. Der 
Rappel“ erörtert die Frage, ob die für Boulanger 
Abgegebenen Wahlzettel für ungiltig erklärt werden 
müßien, und schließt aus Präcedenzfällen, daß der 
GBenerai, wenn er die Majorität der Stimmen er⸗ 
halte, als gewählt zu betrachten sei und in die 
Fammer kommen dürfe, bis die Kammer die Wahl 
zur ungiltig erklärt habe. Man hat laut Fr. 
Z3.“ heute, am Jahrestag der Commune, umfassende 
Sichetheitsmaßregein ergriffen, um Manifestationen 
borzudeugen. Von den Freunden Boulanger's wurde 
die Varoie ausgegeben, bei dessen heutiger Abreise 
im Bahnhof nicht zu manifestiren. Abg. Peytral 
außerste Linke) antwortete dem revolutionären 
Wahl⸗Comite von Marseille, das ihn aufforderte, 
ich über die Situation auszusprechen, daß demselben 
zas Recht zu einer solchen Aufforderung nicht zu⸗ 
zehe, sowie daß die Candidatur Boulanger's illegal 
sei und die Freiheit bedrohe. 
Paris, 19. Marz. General Boulanger 
ceist nicht, wie die „Cocarde“ meldete, Vormittags, 
ondern mit dem heute Abend 8 Uhr hier abgehen- 
den Expreßzuge von Charenton aus nach Clermont 
ab. Weder hier noch in Charenton fand irgend 
welche Kundgebung statt. Das Wetter ist sehr schlecht. 
Pfälzisches Hypothekengesetz. 
ESchluß.) 
Art. 31. Soweit das der Verwaltung des Vor⸗ 
nunds unterliegende Vermögen des Mündels nicht 
n der in den Urt. 7, 27 bestimmten Weise sicher— 
estellt werden kann, kann der Familienrath unter