Full text: St. Ingberter Anzeiger

Gesetzentwurf eingebracht, wonach die Einwanderung 
bon chinesischen Arbeitern in die Vereinigten Staaten 
nerboten werden soll. — Mr. Nichols, Demokrat, 
vurde mit einer Majorität von 20,000 Stimmen 
zum Gouverneur von Louisiana gewählt. F 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 21. April. Wie schon in 
diesem Blatte bekannt gegeben, findet morgen Nach⸗ 
mittag am 3 Uhr im Lokale von Oberhauser eine 
rwrußerordentliche Generalversammlung 
des hiesigen Vorschußvereins behufs Wahl eines 
Direktors statt. — Vorhergehend von 1 Uhr ab, 
hält ebendaselbst der Kriegerverein eine Ge⸗ 
deralversammlung. Mit Rüchsicht auf die Wichtig- 
keit der Tagesordnung wünscht der Ausschuß eine 
ahlreiche Betheiligung seitens der Mitglieder. 
— Landau, 18. April. Heute wurde das 
letzte Stück des neu hergestellten Geleises Bieber— 
muͤhle-Rodalben dem Betriebe übergeben. Damit 
ist das zweite Geleis zwischen Germersheim und 
Zweibrücken vollendet und der zweispurige Betrieb 
inter Wegfall aller Kreuzungen vollkommen durch- 
Jeführt. Die Entfernung zwischen Germersheim 
ind Zweibrücken beträgt der Bahnlinie nach 93 
dilometer. Trotz vieler Schwierigkeiten, wozu 
namentlich die Erweilerung des Tunnels bei Münch—⸗ 
weiler gehört, wurde das neue Geleis auf diese 
zeträchtliche Lange im Verlaufe weniger Monate 
fertig gestellt. 
— Edenkoben, 20. April. Die gestrige Probe 
mit der Zinkfatel hat ergeben, daß sie die Leuchtkraft 
zleich einer elektrischen Bogenlampe von ca. 600 
erzenstärke besitzt, ein schneeweißes Licht spendet 
und sich ganz vorzüglich für Serenaden, Aufzüge 
c. eignet. Die Branddauer ist 28 Minuten. Die 
Zinkfackel erlischt weder durch Wind noch durch 
Wetter. Ebenso ist die Magnesiumfackel für Be— 
leuchtung und Fackelzüge zu empfehlen. Brand⸗ 
dauer 16 Minuten. (Ggw.) 
— Der Stadtrath von Neustadt hat be⸗ 
schlossen, an den Prinzregenten das unterthänigste 
Besuch zu richten, Se. Kgl. Hoheit möge eine Ein- 
adung der Stadt zu einem Essen nebst darauffol⸗ 
gender Beleuchtung der umliegenden Höhen und 
Bankett huldvoll annehmen. — Zur Beaufsichtigung 
und Anordnung der Arbeiten an den zur Villa 
Ludwigshöhe“ bei Edenkoben führenden Alleen, 
sowie Park⸗ Anlagen ꝛc. ist auch Obstbauschullehrer 
Rapp von Kirchheimbolanden beordert und in den 
letzten Tagen daselbst anwesend gewesen. 
— Speyer, 19. April. Das Anwesen des 
Bierbrauers Ab. Deutsch an der obern Langgasse 
„estehend aus Bierkeller, Biergarten und Tanzsaal, 
„Peterskeller“ genannt, sewie das Wohn⸗ und 
Brauhaus nebst Wirthschaft an der Breitenstraße, 
Ecke der Mehlgasse, Bierbrauerei zur „Stadt Nürn⸗ 
herg“, gingen um 80,800 Mt. an die Brauerei⸗ 
Besellschaft zum Storchen dahier über. Bei diesem 
Preis ist das Wirthschafts⸗-Inventar inbegriffen, 
das Brauerei⸗Inventar jedoch nicht. Herr Deutsch 
wird in genanntem Anwesen als Zapiwirth ver⸗ 
dleiben. Die Brauerei zum Landauer Thor, Be⸗ 
sitzer Herr A. Wirsing, wurde von der Brauerei- 
Besellschaft zum Storchen um den jährkichen Preis 
bon 6600 Mk. gepachtet. Herr Wirsing verbleibt 
als Zäpfler in der Wirthschaft. 
—A 
FEin Othello aus München. Ein 
Münchener Kindl stand in der Person des Arbei- 
sers Franz Schwarz vor dem Berliner Schöffenge- 
richt, um sich wegen Mißhandlung zu verantwor⸗ 
ten. — Praäs: Das ist wieder so eine Liebesge⸗ 
schichte, bei welcher sich das starke Geschlecht an 
dem schwachen vergreift. — Angekl.: Was g'schehg'n 
is, is a mal g'schehg'n und i kann's halt nit 
indern. — Pras.: Sie sollten sich doch aber 
chämen, an ein wehrloses Mädchen in so brutaler 
Weise Hand angelegt zu haben. — Angekl.: 
Jetzt wollt' i oa, scho' glei, dös i mi mit so an 
vwetterwendisch Weiberl gar nimmer einlassen hät'. 
Jessas, was thuat man aber nöt, woan Anem de 
Wuth am Herzen fressen thuat. — Präs.: In 
welchem Verhältnisse stehen Sie zur Winkler? Ist 
AVV 
Madl; wir plausch'n mitanand', i hab' das Madl 
gern, aber fie hat mie net gern, sie macht alleweil 
Faxen mit mi, und woan mi amal die Eifersucht 
olagt, nachher ist Alles z' End! — Präs.: Der 
Mensch muß sich aber beherrschen können. — Angekl.: 
J hab' sonst a guat's Gemüth, aber a hitzig's 
Bluat, das steigt mir all'weil glei z'Kopf. — 
Bräs.: Das ist keine Entschuldigung. Sie dürfen 
nicht schlagen und am allerwenigsten eine Frauens⸗ 
»erson. — Angekl.: J laß' mie net spötteln und 
venn i's mit'n Madl ehrlich im Sinn hoab' und 
ie mi verblüff'n will mit ihra Keckbeit, nachher 
an mer schon ferti mit anand.“ — Die Beweis⸗ 
rufnahme ergab eine Liebesgeschichte von geringer 
tomantik. Der Angeklagte war mit Bertha Winkler 
um Tanze gegangen, wo dieselbe gegessen und ge⸗ 
runken hatte, ‚was guat und theuer war.“ Sie 
at dann mit einem Grenadier etwas zu auffällig 
schön“ gethan, und als der Angeklagte auf dem 
zeimwege von ihr das Versprechen verlangte, nur 
nit ihm zu gehen, hatte sie schnippisch geantwortet: 
J pfeif' Dir was!, Da ist dem Angeklagten die 
zand ausgeglitten und hat die Nase des leicht⸗ 
bigen Mädchens mit solcher Wucht getroffen, daß 
as Blut in Strömen floß. Der Gerichtshof hielt 
wei Tage Gefängniß für eine hinreichende Sühne 
ieses Mangels an Ritterlichkeit, nnd der Ange— 
tagte fügte sich mit der Bemerkung: „Wenn's net 
nders sein kann, muß i mi drein geb'n!“ 
F Rodensteinfest. Kunftig soll nach einem 
zeschluß der Abtheilung Darmstadt des Odenwald⸗ 
clubs alljährlich Ende Auguf oder Anfangs Sep⸗ 
ember ein Rodensteinfest nach Art der Odenwalder 
Holksfeste gefeiert werden. — Im Thurme der 
dodenstein⸗Ruine, der noch baulicher Herstellungen 
edarf, plant man die Einrichtung eines Scheffel⸗ 
immers zur Aufnahme von Andenken an den 
„änger der Rodensteinlieder. 
F Die Domgemeinde zu Halle a. S. 
eierte am 16. April d. J. den Tag, an welchem 
yor 200 Jahren, es war der Osterfeiertag, Joh. 
Jak. Reich, ein Flüchtling aus der Pfalz, im Dom 
die erste reformirte Predigt hielt und damit die 
vangelisch⸗ reformierte Domgemeinde gründete, die 
Jauptsächlich aus versprengten reformierten Pfälzern 
estand. Reich war in Billigheim, Steinweiler, 
dambrecht und Frankenthal französischreformierter 
zfarrer. Wiederholt wurde er von den Franzosen 
erjagt, bis er endlich auf Verwendung des Kur⸗ 
ürsten von Brandenburg als Domprediger in Halle 
inen allerdings nur kurzen, von 1688 -90 wäb⸗ 
tenden ruhigen Lebensabend fand. 
fF Berlin, 19. April. Fürst Leopold 
von Hohenzollern spendete für die Ueberschwemmten 
3000 Mark. Nach Mittheilung des Unterstützungs⸗ 
omite's für die Ueberschwemmten sind bis 18. 
April 1,589,618 Mark eingegangen, wovon bereits 
332,000 Mark in das Ueberschwemmungs⸗Gebiet 
ibgesandt wurden. 
Wie den „B. N. N.“ gemeldet wird, mehrt 
ich der Zuzug solcher Personen und ganzer Fa— 
nilien nach Berlin, welche durch die Ueber⸗ 
ichwemmung ihrer gesamten Habe beraubt, die für 
ihre Verhältnisse schwersten Opfer an Fahrgeld 
bringen, um herzukommen und hier Arbeit zu 
suchen. Wie sie das Fahrgeld erschwingen, ist 
neist wahrhaft erschütternd zu hören und durchweg 
mit Verzicht auf den letzten Rest ihrer Chancen in 
dem alten Heim verknüpft; allein die Leute haben 
ein großes Vertrauen auf die Opferwilligkeit de: 
Keichshauptstadt, und „Berlin“ ist vielfach der 
Hipfel all' ihres Wünschens und Hoffens. Das 
Fine zieht sich zudem durch die Erzählungen Aller: 
daß die Unterstützungen äußerst spärlich gewährt 
verden — bei der Massenhaftigkeit des Nothstandes 
erklärlich genug — und die Verabfolgung nur 
ehr langsam vor sich geht. 
F Rotlebero de bei Nordhausen, 16. April. 
Fin gräßlicher Doppelmord und Selbstmord hat 
ich gestern Nachmittag 83 Uhr hierselbst ereignet. 
Der 28jährige einzige Sohn des hiesigen Schulzen, 
darl Fritsche, hatie ein intimes Verhältniß mit 
inem ärmeren Bauernmädchen, dem ein Kind ent⸗ 
prossen war. Die Eltern wollten trotzdem die 
—XVXXO 
sachmutag der Schulzensohn mit seiner Geliebten 
usammen auf dem Felde arbeitete, schickte die 
Nutter das Kind zum Vater mit den Worten: 
„Gehe zu Deinem Vater und laß dir ein paar 
Broschen geben.“ Das Kind that, wie ihm ge⸗ 
heißen. Der junge Bauer wurde dadurch so auf⸗ 
gebracht, daß er aus dem naheliegenden Hause eine 
Art herbeiholte und das Kind tödtete. Auch die 
jerbeieilende Mutter schlug er derart mit der Art, 
daß sie todt niedersank. Er selbst eilte nach voll⸗ 
zrachter That sofort nach dem benachbarten Teich 
ind ertränkte sich. 
7 In Hamburg ist der Passagier⸗ und 
Züter-Andrang nach Newyork augenblicklich so be⸗ 
deutend, daß die Hamburg⸗ Amerikanish 
ahrt⸗Altiengesellschaft sich genbthigt n Su 
xreitag einen ihrer größten Dampfet ns e 
hiff nach Newyort zu expediren. Img bosch 
voche sird dicht weniger als vöohhen 
damburg aus zu befördern. — 
FPrag, 17. April. Ein entsehlichs deh 
piel ereignete sich gestern in Welwaͤrn gen 
n Kludsky's Menagerie, wo sich der —8— 
olößlich öffnete und drei Löwen unter ——— 
prangen. Das Publikum flüchtete unta 
ichem Angstgeschrei. Der athletische nne 
Johann Schanda, versuchte, die wüthenden 5 
in den Käfig zurückzutreiben. Ein dn 
mit mächtigem Satz auf ihn zu, schmetlert 7 
Boden und begann, ihm das Fleisch hun 
dnochen zu reißen. Nach lebensgefahrlih 
trengungen gelang es seinen bewaffneten Kemen 
zas Thier don seinem Opfert loszureihen 
den anderen, bereits eingebrachten Löwen 
däfig zurückzutreiben. Der fürchterlich —* 
Thierbaͤndiger, ein erst 28jähriger junger hn 
vurde ins Prager Krankenhaus transͤpott 
Den „Münchener Neuesten Nachrichten hor 
aus Paris geschrieben: „Der Boulangernen 
mel hat schon mehr des Albernen und dinr 
utage gefördert, als vielleicht irgend eine gur 
»olitische Bewegung. Er hat vor allem den 
»ernen Apparat der politischen Reklame in in 
Umpfange in Bewegung gesetzt, der alles dir 
wesene weit überragt. Flugblätter, Vroschtr 
Tageszeitungen, Photographien, Bilder alle 
irbeiten für den General, auf Tabaksdosen 
onnieren und Zündholzschachteln fehlt er eb⸗ 
venig, als auf Schnupftüchern, Cravatten und di 
»ogen. Und nun das Corps, das hinter ihn 
Trüben fischt, ihm noch gar die Gloriole den 
ischen Märtyrers auf die pomadeduftenden! 
zedrückt hat, kennt die Reklamewuth der 
eine Grenzen mehr; wie frivol, albern und 
zhemisch so ein boulangistisches Flugblatt is 
nan fich kaum vorstellen. „II ressusciterat 
vird auferstehen!!! steht in zwei Zoll hohen Lr 
iber einem miserablen Zinkdruck geschrieben, 
nichts Geringeres darstellt, als Boulanget 
Zdreuze! Jawohl! Mit dem Ausdruch himmh 
Milde in dem seitwärts gesenkten Haupie h 
der Exgeneral in voller Uniform am Kreup, 
dut, Degen, Kanonenstiefeln und sämtlichen Ouf 
heller Schein sirahlt von dem „gekreuzigten“ 8 
andsretter aus. Und nichts fehlt, um die läßc 
Travestie vollständig zu machen: Da sieht 
Art Pilatus mit einem Decret in der Hande 
—XVV0—— 
Fivil beziehungsweise in der Toga — wen et 
tellt, konnien wir nicht errathen —, viellih 
zer Pilatus Herr Freycinet, der andere Hert Cr 
rin Kriegsinecht reicht dem General denk 
hwamm am Rohre, Soldaten würfeln auf 
Trommel — vermuthlich um die blinkenden 
liefel des Osterlammes. Und vor dem Kraß 
sänderingend eine überlebensgroße Maria g 
dnieen — die trauernde, reuige „France. 
der rechten Seite steht eine adlergeschmückte spn 
Wand — dahinter reiben sich Bismard und B7 
nit diabolischem Grinsen die Hände. Nat 
)er furchtbare Kriegsheld, der Retter seines 
Jüngt ja sterbend am Kreuze! Aber „on— 
ien content de le r'trouver?, beißt es unte 
Machwerk.“ 
FLondon, 18. April. Die zur Untn 
ing des Ausbeute⸗Systems (8weating) vom 
Jaůse eingesetzte Commission vernimmt Zeugen 
em Arbeitersiande, die fast sämtlich übereinstinn 
wssagen, daß fie niemals einen Geiwerkveren 
hrem Schutze zu Stande gebracht hanen 
Furcht, fie möchten sofort entlafsen werden. u 
u Ohren ihrer Arbeitgeber kaͤme. Wolle den 
ament ihnen helfen, so sei das Wesentlichse 
e Arbeilszeit gesehlich verkürzt würde. * 
vürden auch die frisch Eingewanderten iid 
inem Gewerlkverein anschließen. Im Uebrigen 
hüllen die Aussagen ein schreckliches Bild de 
ind rucksichtsloser Ausbeunung. Der Ungn 
nuel Wildmann hat für ein Zimmer, welche— 
Hhards im Geviert mißt und in welchem — 
einer Frau „und 6 Kindern wohnt, 4 s 
die Woche zu zahlen; 100 Personen leben un 
n demselben dreifenstrigen Hause. Ein geg 
Fharles Salomon, welcher sich selbst al⸗ r 
Lohnabschneider) beschrieb, bekannte selbst. 
die Anfertigung von Stiefeln conttackid