Full text: St. Ingberter Anzeiger

. Indherter Amzeiger. 
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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895. 
Politische Uebersicht. 
Die Besserung im Befinden des Kai⸗ 
es halt derartig an, daß nunmehr auch die Aus⸗ 
nn taglichen Bulletins bis auf Weiteres hat 
t werden löͤnnen und steht alss nur noch eine 
mweisige Veröffentlichung officieller Mittheilungen 
n das Befinden des erlauchten Patienten zu er⸗ 
uen. Als besonders erfreulich ist die Wahr⸗ 
ing zu verzeichnen, daß der Kaiser seiner 
en Umgebung fich wieder mündlich verständlich 
den kann, allerdings klingt die Stimme nur 
m leise, aber die, Worte machen sich doch be⸗ 
aich, nicht nur duͤrch die bloße Lippenbewegung, 
Im auch phonetisch und die Familienangehörigen 
die Aerzie des Kaisers verstehen diese nur ge⸗ 
en Aeußerungen des hohen Kranken so gut, 
z sür den letzteren die immerhin anstrengenden 
Minheilungen fast unnöthig geworden sind. 
iu dieses relativ hefriedigenden Standes der 
iuse hat es denn auch die Kaiserin in voriger 
vhe wagen können, sich auf einen Tag von der 
n ihces kranken Gemahles zu entfernen und die 
agt projectirte Reise nach den Ueberschwemmungs- 
en der Elbe auszuführen. Auch auf dieser 
eise welche theilweise zu Schiff ausgeführt wurde, 
r hohen Frau an allen Orten, welche sie be⸗ 
ihie, ein jubelnder, begeisterter Empfang bereitet 
den und bewiesen die Kundgebungen der Be⸗ 
llerung, daß man auch in den überschwemmten 
lhniederungen die Theilnahme des Kaiserhauses 
n dem Unglück der Heimgesuchten, welche sich in 
n Vesuche der Kaiserin so thatkräftig ausspricht, 
uhl zu würdigen versteht. Die Monarchin hat 
ih det Rückkehr ihrem hohen Gemahl alle Einzel⸗ 
uen ihrer Fahrt ins überschwemmie Elbgebiet 
ahlt, wie berichtet wird, und mit herzlicher Freude 
sonders der ihr übermittelten innigen Wünsche 
n die Genesung des Kaisers gedacht; der Kaiser 
Adurch die Erzählung tief gerührt worden sein. 
*Die „Berl. N. Nachr.“ schreiben unter dem 
Rai: Das Befinden des Reichskanz⸗ 
us Fürsten Bismarck laßt seit einiger Zeit 
nwünschen übrig. Gegen den ausdrücklichen Rath 
ines Hausatztes ist derselbe, wie schon mitgetheilt 
uurde, in diesem Frühjahr in Berlin geblieben. 
nar haben fich die neuralgischen Schmerzen seit 
eujahr nicht wieder bemerkbar gemacht, doch zeigt 
din neuester Zeit ein merklicher Mangel an 
— welcher auf die ungenügende Bewegung 
n Iteien zurückgeführt wird. Es verlautet denn 
ih daß Furst Bismarch in den nächsten Tagen 
ud Varzin fich zu begeben gedenkt, vorausgesetzt 
ctütlich, daß der Gesundheitszustand des Kaisers 
ym Pflichtgefuhl des Fürsten die Entfernung von 
baln gestatiet. 
a Der preußische Kultusminister hat 
je Bezirksregierungen einen Erlaß bezüglich 
R deutscher Volksschullehrer in die 
wr Westpceuten und Posen, sowie den Be⸗ 
ppeln getichtet, in welchem den Regierungen 
8 gegeben wird, daß sie Verzeichnisse der in 
Distrilten zur Zeit erledigien Lehrerstellen 
wurden. Die sofortige Besetzung dieser 
sei unbedingt geboten. Die Regierungen 
abei. soweit es nöthig ist, durch unmittel⸗ 
— — Einwirkung eine entsprechende An · 
r Lehrern bestimmen, sich den betreffenden 
e Regierungen zur Verfügung zu stellen. 
hebt der Mimster besonders hervor, daß die 
dietungen der in Betracht kommenden Bezirke 
Montag, 7. Mai 1888. 
23. Jahrg. 
in die Lage versetzt sind, jedem Lehrer, welcher 
dorthin übertritt, ein Einkommen zu gewähren, 
velches das ihm in seiner jetzigen Heimathsprovinz 
ustehende um 800 Mark überschreitet. Mit Rück⸗ 
ächt hierauf sollen thunlichst solche Lehrer ausge⸗ 
vaͤhlt werden, deren Einkommen den Minimalsatz 
aicht oder doch nicht erheblich überschreitet. Sollte 
s nicht möglich sein, die vorhandenen vakanten 
Stellen mit den Lehrern, welche fich freiwillig zum 
lebertritte melden, zu besetzen, so sollen die Re⸗ 
sierungen schon jetzt prüfen, welche Lehrer ihres 
hezirkes sie zu einer Versetzung in einen der ge⸗ 
nannten Distrikte für geeignet halten. 
*Am vorigen Sonntag haben in ganz Frankreich 
-mit Ausnahme der Hauptstadt — die Gemeinde⸗ 
athswahlen stattgefunden und bei dem vorwiegend 
‚olitischen Charatter, den diese Wahlen befitzen, 
verden sie auch gezeigt haben, ob die Boulanger⸗ 
ewegung weitere“ Fortschritte namentlich in den 
andlichen Gemeinden verzeichnen kann. Zugleich 
vird der Ausgang der Gemeinderathswahlen auch 
inen gewissen Schluß auf den Charakter der im 
nächsten Jahre bevorstehenden allgemeinen Neuwahlen 
ur Deputirtenkammer gestatten. Denn aus den 
reuen Municipalräthen werden die Vorsitzenden 
ind Beisitzer bei den politischen Wahlen genommen 
ind diese officiellen Persönlichkeiten können wenig⸗ 
tens auf dem Lande, aber auch in den kleineren 
Ztädten, den Verlauf der Kammerwaählen in ihren 
Bezirken ungemein beeinflussen. Auch geben die 
delegirten der Gemeinderathe bei den Senatswahlen 
der Zahl nach den Ausschlag und so erhellt auch 
nach dieser Richtung hin die politische Bedeutung 
der französischen Gemeinderathswahlen. 
* Am 3. Mai ist dem englischen Parlament 
ie mit Spannung erwartete Wehrvorlage zugegangen. 
Dieselbe verfügt keine Vergrößerung der Landes- 
behrkraft, sondern ertheilt ohne Erhöhung des Heeres⸗ 
Jaushaltes den Heeresbehörden Vollmachten für 
Mobilisirung der gesamten Landstreitträfte in Not⸗ 
aͤllen. 
* Die am 15. Mai sattfindende Eroͤffnung der 
Weltausstellung in Barcelona wird den 
Anlaß zu einer internationalen Flottenbildung da⸗ 
elbst abgeben. Wie bekannt, werden sich in Bar⸗ 
elona zu diesem Zeitpunkte ein englisches, ein ita- 
ienisches und ein österreichisches Geschwader ein⸗ 
inden und auch ein deutsches Panzerschiff, der 
Kaiser“, ist bereits auf dem Wege nach der spa⸗ 
iischen Handelsmetropole. Außerdem aber verlautet 
etzt, daß zur Erbffnungsfeier der Ausstellung auch 
Frankreich ein Geschwader nach Barcelona entsenden 
vird, welches nicht weniger als 17 Schiffe um⸗ 
assen wird und wenn diese Nachricht wahr ist, so 
jegt es auf der Hand, daß Frankreich durch Ent⸗ 
endung einer so ungewöhnlich starken Flotte eine 
olitische Demonstration beabfichtigt. Es fehlte nur 
roch, daß auch Rußland mit einem Dutzend Pan⸗ 
erungethüme in Barcelona paradirte und daß viel⸗ 
eicht auch die Türkei, Griechenland und die scan⸗ 
inavischen Länder einige Kriegsschiffe nach Barce⸗ 
ona schickten und die Welt hätte da ein in seiner Art 
rinziges Schauspiel! 
*Mußland scheint für Bulgarien eine 
neue Auflage der Mission Kaulbars vorzubereiten. 
Der ehemalige bulgarische Kriegsminister, der rusfische 
Beneral Ernroth und der gewesene russische Gesandte 
in Montenegro, Jonin, sollen nämlich einer Peters⸗ 
urger Meldung zufolge demnächst im Auftrage des 
zaren nach Bulgarien gehen, um „die Gesinnungen 
es bulgatischen Volkes kennen zu lernen“. Daß 
ziese Emissäre Rußlands, falls sie die bulgarisch 
ftegierung überhaupt in das Land läßt, ein andereꝰ 
zchicksal haben werden, wie der bekannte Kaulbars, 
st kaum anzunehmen. — In Petersburg ist noch 
on einer anderen interessanten Reise die Rede. 
Dder in den letzten Tagen mehrgenannte General 
gogdanowitsch macht demnächst eine Urlaubsreise 
nach — Frankreich. Die Vergangenheit des Generals 
erechtigt zu der Annahme, daß diese „Urlaubsreise“ 
n dem Genre der Reisen Skobeleff's und Derou⸗ 
ode's gehalten sein wird. Die Wiederaufnahme 
Bogdandwitsch's in den Staatsdienst und die Gunst 
es Zaren würde durch diese Reise allerdings einen 
janz besonderen Hintergrund erhalten. 
* In einer uͤnterredung, welche der bulga⸗ 
rische Minister des Aeußern einem Times“⸗ 
Forrespondenten gewährte, erklärte Dr. Stransky, 
zaß die Lage in Macedonien immer verwickelter 
vürde. Die Türken weigern fich, in den bulga- 
rischen Eparchieen bulgarische Bischöfe zu ernennen, 
ind dieses verursacht einen Grad der Unzufrieden⸗ 
Jeit, welcher unter griechischen und rujsischen Ein⸗ 
üffen leicht zu vorschnellen Thaten reifen kann. 
Das einzige Mittel, Unheil abzuwenden, meinte 
Dr. Stransky, sei für die Pforte dem Verlangen 
der bulgarischen Eparchieen nachzugeben und den 
zulgarischen Metropoliten zu ernennen⸗ Mittler⸗ 
veile seien die Beziehungen zwischen den Türken und 
Bulgaren gespannt geworden wegen der Zolle, welche 
die onomanische Regierung an der rumelischen Grenze 
auf bulgarische Waaren erhebe. Der Minister meinte 
schiießlich, daß die bulgarische Regierung zu ener— 
gischen fiscalischen Gegenmaßregeln gezwungen sei, 
salls die Türken den dulgarischen Vorstellungen kein 
Gehöt schenken. 
* In der heiligen Grabeskirche zu Jerusa⸗ 
lem hat sich kürzlich eine große Rauferei zwischen 
griechischen und lateinischen Christen abgespielt, 
welche widerwärtigen Scenen sich an dieser geweih⸗ 
ten Stätte alljährlich wiedecholen, wenn zur Oster⸗ 
zeit die Pilger der verschiedenen christlichen Con⸗ 
jessionen nach Jerusalem wallfahrten. Türkische 
Soldaten mußten mit ihren Bajonetten der Schlägerei 
ein Ende machen — in der That ein erbauliches 
Schausviel“ 
DSeutsches Reich. 
Berlin, 6. Mai. Ein Bulketin erscheint 
Jeute nicht. Der Kaiser hatte infolge stärkerer 
Fiterung eine weniger gute Necht, da er durch 
Auswersen öfter erwedi wurde. Der Kaiser ist 
aber fieberfrei, die Temperatur war gestern Abend 
38,3. Auf Wunsch der Aerzte bleibt der Kaiser 
jedoch heuie im Bett, da er sich etwas matt fühlt. 
Hamburg, 5. Mai. Gestern haben saͤmmt⸗ 
iche Schauerleute an den brasilianischen Dampfern 
die Arbeit zu den früheren Bedingungen wieder 
aufgenommen. Heute folgten diesem Beispiel weitere 
200 Sirilende.“ Die Arbeitseinstellung scheint so 
aach mit der Niederlage der Strikenden zu enden. 
Lübeck, 5. Mai. Das Nordische Telegraphen⸗ 
hzureau meldet, daß die Sendung deutscher Kriegs⸗ 
chiffe zur Eröffnung der Kopenhagener Ausstellung 
m Kopenhagen große Anerkennung fiade. 
Ausland. 
Wien, 5. Mai. Schoenerer wurde wegen 
Verbrechens der öffentlichen Gewalithätigkeit und 
degen Wachebeleidigung zu vier Monaten schweren 
derkers, zwei Fasttagen monatlich und Adelsverlusi 
erurtheilt. GGetanntilich hatte der antisemitische 
Ibgeordnete Schoenerer seiner Zeit mit seinen An⸗ 
angern die Redakteure des „Neuen Tageblattes“ 
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