eine gewisse Disciplinargewalt eingeräumt erhalten,
die er nicht überschritten zu haben glaubt. Für
ärgere Mißhandlungen weiß er beim Vorhalt keine
andere Bemerkung, als er könne sich dessen nicht
erinnern. 22 Zeugen wurden im Laufe des Vor⸗
mittags vernommen. Die Plaidoyers nahmen den
ganzen Nachmittag in Anspruch. Dann wurden
den Geschworenen 37 Fragen vorgelegt, von wel
chen fsie 34 bejahten. Die Staatsanwaltschaft be⸗
antragte 2 Jahre 5 Monate Gefängniß und De⸗—
gradation, die Vertheidigung 7 Monate und Ab—
standnahme von der Degradation. Das um halb
Uhr gefällte Urtheil lautete auf 1 Jahr 1
Monat Gefängniß, Degradation und Verfällung
in die Kosten.
F Würzburg, 6. Mai. Rektor Burkard
vertritt die hiesige Universität bei dem Jubiläum
det Universität Bologna. Prof. Nieberding wird
provisorisch die Gynäkologische Klinik leiten.
F Bockbier. Die Frage, woher das Wori
Bockhier stamme, beantwortet Schmeller's bayerisches
Wörterbuch dahin, daß dieses starke Bier eigentlich
„Eimbecker“Bier war und hieß. Im Reichsarchiv
findet sich noch eine Vollmacht, ausgestellt auf einen
Bürger zu Erfurt, „von zwei Wagenschwer Aim⸗
peckhisch Bier“, das er weiter transpoitiren dürfe.
Dieses Gebrau, dessen ursprüngliche Heimath also
das Städichen „Eimbeck“ in Hannover war, siund
wahrend des gesamten Mittelallers in einem so an⸗
erkannten Rufe, daß sich kein anderes Bier, ja nicht
einmal der kostbare Wein, in der Beliebtheit mit
ihm müssen konnte. Bei der Freude, die der Gau—
nien des Deutschen allezeit am guten Gerstensaft
bekundet, suchte man dieses Bier auch sehr bald
an andern Orten nachzubrauen. Dabei ging die
Erinnerung an den ursprünglichen Namen allmälig
verloren, und aus „Eimbeck“ wurde nach und nach
„Eimbock“, und „Ein Bock“ wurde schließlich nu
„Bock“. Diese volksmäßige Umformung ist indessen
schon mehrere Jahrhunderte alt, denn bereils in
der Land- und Polizeiordnung von 1616 ist von
einem Bod⸗Meet die Rede, welcher „nicht anders
als zur Nothdurft der Kranken gesoiten werden sollte.“
Die größte Orgel Deutschlands
befitzt die Kloster· und Walfahrtskirche zu Wein⸗
garten in Württemberg. Sie wurde von 17386
bis 1750 von dem berühmten, später nach Frank⸗
reich ausgewanderten Orgelbauer J. Gabler aus
Ravensburg mit zwölf Gesellen erbaut und kostete
fast 18000 Guiden. Sie besitzt über 7000 Pfei
fen, von denen die größte zinnerne 82 See⸗Eimer
oder 1215 Hektoliter faßt. In den Jahren 1861
und 1862 mußte dieses Kunstwerk von Orgelbauer
Weigle in Stuttgart einer eingehenden Reparatur
unterzogen werden, welche 5000 Gulden kossete
Diesen Sommer wird derselbe Künstler die Wein
gartnet Orgel abermals einer gründlichen Rebisior
unterziehen.
F Ein sonderbarer Kauz, der 23 Jahrt
alte Gustav Dewald von Strümpfelborn, stand
am verflossenen Freitag vor dem Fotum der Mann.
heimer Strafkammer. Derselbe rebidirte unter der
Vorspiegelung, er sei Kriminalschutzmann in Heidel⸗
berg verschiedene Herbergen, nahm Haussuchungen
vor, ließ sich Papiere vorzeigen und verhaftete
auch einige junge Maädchen (auf solche hatte er es
hauptsüchlich abgesehen), die er des Diebstahls be⸗
zichtigte, und sperrte sie in Privatlokolen ein.
Irgend welche pekuniäten Vortheile erreichte der
Angeklagte durch dieses sonderbate Treiben nicht,
überhaupt find die Motive dazu unerfindlich; eine
deßhalb von Herrn Hofrath Knauf vorgenommene
Untersuchung, über welche derselbe in der Verhand⸗
lung sein Gutachten erstaltete, ergab jedoch keine
wesentlichen Defekte des Geisteszustandes. Vie An—
klage ist auf Grund der 88. 82 und 239 St. G..
B. (unbefugte Ausübung eines öffentlichen Amfes
und widerrechtliche Freiheitsberaubungh erhoben
Urtheil: 1 Jahr Gefängniß und Kostentragung
Dewald ist übrigens wegen ähnlicher Reate hereits
vorbestraft. (G. A.)
FWiesbaden, 5. Mai. Mr. Pendleion
der amerikanische Gesandte in Berlin, hat sich von
dem Schlaganfall, der ihn vor einigen Tagen hier
betroffen, erholt und wurde aus dem städtischen
Ktrankenhaufe entlassen. Er hat vorläufig in dem
Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“ Wohnung ge⸗
nommen und gedenkt sich demnächst hier anzukaufen.
tDas Hochzeitsgeschenkder Stadi
Darmstadt für Prinz Heinrich von Preußen und
seine Braut Irene von Hessen ist gegenwärtig im
Wuürttembergischen Kunstgewerbeberein in Stuttaart
ausgestellt. Cs ist dies ein im Atelier von Herrn
Paul Stotz dortselbst ausgeführte Bronceuhr im
edelsten Renaissancestil. Eine ähnliche Uhr ist von
Herrn Stotz seiner Zeit für den König von Rumänien
ausgeführt worden.
7 St. Johann, b. Mai. Im Tivoli hier
selbst findet am Himmelfahrtstage, Donnersiag den
10. d. M., vormittags halb 10 Uhr, eine Ver—
sammlung der Delegirten der zum Saar⸗, Blies
und Nahebezirk des deutschen Kriegerbundes (22
Bezirk) gehörigen Vereine statt, in welcher geschäft—
liche Angelegenheiten zur Erledigung kommen werden.
FSaarbrücken, 7. Mai. Ein rauriges
Geschick traf gestern Abend den Bahnschlosser Augusi
Hirtzel. einen braven, fleißigen Mann. Er wollte
sich Abends in der zehnten Stunde nach seiner
Alleestraße 10 gelegenen Wohnung begeben und
ging den Leinpfad entlang. Oberhalb der alten
Brücke stürzte er ins Wasser. Er schrie viel und
laut um Hilfe, die ihm leider nicht zutheil werden
konnte; jedenfalls hat der Unglückliche vergebens
versucht, die Böschung emporzuklimmen. Er ettrank
Ihn beweinen die Gattin und sieben Kinder. Di⸗
Leiche wurde heute Vormittag aufgefunden.
(S.S. A.)
FSaarlouis, 6. Mai. Eine recht empfind⸗
iche Strafe traf dem Vernehmen nach einen jungeren
Unteroffizier hiesfiger Garnison mit1 Jahr Ge⸗
fängniß und Degradation zum Gemeinen, wegen
Mißbrauch der Dienstgewalt au Untergebenen in
verschieden Fällen. Wie verlautet, soll die Be—
strafung mit dem kürzlich hier vorgekommenen Selbst⸗
morde eines Infanteristen in Verbindung stehen.
Me z. Zwei Pariser Zeitungen, „Le Clocher“
und der „Courrier français“ wurden neuerdingẽ
in den Reichslanden verboten. Mit diesen ist nun⸗
mehr im Ganzen 45 französischen Zeitungen der
Vertrieb hier untersagt.
F In der Sicherheitszünder Fabrik von Brück
ner u. Zinke in Cölln bei Meißen fand am 4.
dss. Mis. im Arbeitsraum eine Pulverexplofion
statt, durch welche zwei Arbeiterinnen gelödtet und
mehrere verwundet wurden.
x In einer bekannten vielbesuchten Coburger
Wirthschaft, in der namentich viele Offiziere ver⸗
ehrten, stellte sich auch öfters ein angesehener
Bürger ein und trank da seinen Schoppen. Es
irgerte ihn, daß die Offiziere stets ihre Hunde in
das Lokal mitbrachten, die ihn belästigten. Er bal
den Wirt um Abhilfe. Seine Bitten waren frucht
sos. „Die Herren sind meine Stammgäste“, sagte
er, „ich kann in der Sache nichts thun.“ Nach
einigen Tagen brachte unser Bürger seinen Ponny
ein niedliches, zahmes Tierchen mit in das Lokal
und stellte es an die Wand. ‚Was soll das?“
fragten die Offiziere. „Ich bin hier Stammgasi
und habe keinen Hund, deshalb bringe ich mein
Pferd mit.“ Von jener Zeit anblieben die
Hunde weg.
FAus Westfalen, 4. Mai. „Der dickt
Wilhelm fungirt als Kellner bei mir“ — so kün⸗
digte der Gastwirth H. zu Hagen in verschiedenen
Blättern öffentlich an, was denn auch viele Neu—
gierige nach seinem Local hinführte, da der dicke
Wilhelm“ eine weithin bekannte sehr kleine, aber
ungemein dicke Person war, welche wohl zum Be—
dientwerden, aber durchaus nicht zum Bedienen ge⸗
eignet erschien. Die Polizei aber trat der Sacht
näher, und da die Beweisaufnahme ergab, daß der
„dicke Wilheim“, wenn er auch hin und wieder
einem Gast ein Butterbrot oder ein Glas Bier
hatte bringen können, doch nicht als Kellner, sondern
höchstens als „interessanter Anblick“ verwendbar ge·
wesen war, so wurde der Gastwirth H. auf Grund
eines städtischen Reglements vom ö. Juli 1879
wegen ‚Veranstaltung einer Schaustellung“ ohne
polizeiliche Genehmigung und ohne Entrichtung der
vorgeschriebenen Armenabgabe sowohl vom Schöffen
gericht als in der Berufsinstanz von der Siraf—
kammer zu Hagen zu zehn Mark Geldstrafe ber—
urtheilt. Das Kammergericht hat gestern die hier
degen eingelegte Revision zurückgewiesen.
F. Berlin, 4. Mai. Zur Handhabung dee
englischen Markenschutzgesetzes werden bom Rhein
folgende Curiositäten der, Nordd. Allg. Ztg.“ be⸗
richtet: „Bekanntlich findet ein lebhafter Export von
Rhein- und Moselweinen seitens deutschet Firmer
nach England statt. Viele dieser Firmen erhalter
nun auch Aufträge in Frühstüdsweinen, namentlich
Sherrh, den sie von Spanien beziehen und dam
wieder exportiren. Nun schreibt das englisch⸗
Markenschutzgesetz vor, daß alle aus Deuisdlann
tommenden Waaren die Bezeichnung
Germany“ oder „German male nn
verlangt die englische Steuerbehörde an
weine, an deren Echtheit kein zanen
„Sherry qrôduced Germany“ ul'id de ba
recht empfehlenswerther in Titel. *
Steuerbehörde. verlangt, daß bei Wa
Dutzenden in derselben Schachtel dan
nicht allein die Schachtel, sondern jede
Bezeichnung „German make“ trage, u
also auch die sogenannten „Brieschens p
Naähnadeln enthalten. Daß auf cinemnd
Gegenstande die obige Bezeichnung h
groß gedrudt sein kann, liegt klar zu
noch sind kürzlich solche Sendungen
worden, weil man die betreffenden dih
zu klein hielt. Das sind Thatsachen, die n
als wirklich vorgekommen auf's besie verbütg
Gas Vermögendes Reichskan
Der Reichskanzler hat auf den —
zichtet, weil seine materiellen Verhalinisse ih
gestatteten, die ihm zugedachte Ehre angn
Angesichts dieser Erklaͤrung ist die Fra
höhtem Interesse: „Wie reich ist der dFic
Ueberweisung des Sachsenwaldes war der
desselben nach den Dotationsacten auf rum lo
Mk. veranschlagt. Zu dieser Staatsschenlun
der Fürst im Anfang der achtziger Jahre du⸗
liche Gut Friedrichsruh nebst dem benachbatin
mühle für 240000 Mtk. hinzu. Das Ertrdgn
Stammgutes Schönhausen wird auf 25 000
chätzt, Varzin soll ungefähr 10 000 Mi. einh
Alle diese Besitzungen ergeben eine Gesamm—
140000 Mt. Diese Angaben dürften nicht zu gu
nessen sein, da auf den Gütern des Kanglen
Hypothekenlast ruht, welche eine jährliche —
von 120000 Mt. erfordert. Zu den Cun
des Fürsten kommt aber noch sein Geholt
Keichskanzler bezieht er jährlich 84006
Die Vermögensverhaltnisse des Fürsten Bie
sind bei Gelegenheit von Veranlagungen un
kommensteuer wiederholt und eingehend
worden und haben im Wesentlichen das em
Resultat ergeben.
FGirkung einer Heiraths
nonce.) Das „Berl. Fremdenbl.“ schreibt
groß der Drang bei unseren heirathslußigen d
ist, in den Stand der Ehe zu treten, und
welcher Wirkung eine Heiraths⸗Annonce ist
mögen sfich die Leser einen Begriff durch seb
uns verbürgte Statistik machen: Auf die
eines in der Luisenstadt wohnenden Kaufnt
R. exlassene Heiraths-Annonce erfolgten nicht we
als 297 briefliche Offerten. Unter diesen besr
sich von 87 Witwen im Alter hon 25—51 31
42 derselben hatten ein disponibles Vermöger
3-20,000 Mlk.; auch 4 geschiedene Frauen
ten zum zweiten⸗ resp. drittenmale wiederum
Ehe eingehen. Von den 186 restirenden ju
Mädchen, unter welchen sich die Bekennerr
sämtlicher Konfessionen befinden, gaben meb
digerweise nur zwei ihr Alter über 80 Jahr
18 derselben sind „eben erst“ 16 Jahre ebh
worden; 71 Photographien lagen den bris
Offerten bei, und der gewissenhafte Stotisle
31als sehr hübsche Mädchen an. Derselde
schweigt aber wohlweislich, welcher derselben e
Herz und seine Hand angetragen hat.
feKiel, 6. Mai. Bezüglich der demn
beginnenden Erdarbeiten am Nord Ofsseenk
hat die Kanalbau⸗Kommision folgende Bestimmu
zetroffen: Von Seite der Unternehmer in
den einheimischen Arbeitern vor ausländisch
vonstiger gleicher Tüchtigkeit und Brauchbath
Vorzug zu geben. Um von vornherein je
etwaiger Uebervoriheilung und Ausbeutun
Kanalarbeiter vorzubeugen, dürfen Haufitu
Haändler auf den Arbeits- und Bauplatzen
keinen Umständen geduldet werden. Es find
männliche Arbeiter über 17 Jahre oder ne
gleitung ihrer Väter erscheinende Söhne von n
stens 15 Jahren einzustellen- Die ledigen 1
werden sämmtlich in den an verschiedenen
bereits im Bau begriffenen Baracen untetge
und verpflegt; verheirathete dagegen, welt
Familien mit sich fuhren, haben?feibst ftr
und Logis zu sorgen. Bei Burg wird .
nächsten Tagen die Errichtung einer Lazareth'
für erkrankte Kanalarbeiter in Angriff genon⸗
x An freiwilligen Gaben für die Rotleiden
in den Ueberschwemmungsgebieten,
deuischlands sind jetzt nahezu vier Millionen