Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒzt. Jugherter Atzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. I 
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Freitag, 8. Juni 1888. 
5. Jahrg 
Politische Ueberficht. 
. Mit der einstündigen Conferens, 
Ache am Dienstag Nachmittag in Schloß Frie⸗ 
idolron zwischen dem Kaiser und dem 
achskanzler siattgefunden hat, dürfte die 
ewartige innere Crisis, welche sich äußerlich 
Hen Ramen des Herrn v. Puttkamer knüpfte 
der glüdlich beschworen sein. Die lange Unter⸗ 
ung zwischen dem Monarchen und seinem ersten 
siolen Berather wird sicherlich zur völligen 
dereinstimmung Beider in der Fruge der Ver⸗ 
ngerung der hreußischen Legislaturperioden und 
let hiermit zusammenhängenden Spezialfragen 
uhrt haben. Es ist wohl kein Zufall, 
yfaft gleichzeitig mit der Audienz des 
usten Bismarck beim Kaiser die Veröffentlichung 
n die ganze „Puttkamer⸗Crisis“ eingehend er⸗ 
nden Arnkels in der „Nordd. Allg. Ztg.“ er⸗ 
agie, det in seiner ganzen Form und seinem In⸗ 
als vom Kanzler „inspirirt“ erscheint. In 
n Ankel wurde betont, daß ungeachtet noch 
nnchet obwaltenden Unklarheiten aus der Situ⸗ 
on doch unwiderleglich hervorgehe, daß von einem 
cinisterwechsel nicht die Rede sei und sich nichts 
aeignet habe, was mit den verfassungsmaßigen 
sisutienen in Widerspruch stehe. Es wird dies 
dn dem offizidsen Blatte im Einzelnen nachge⸗ 
riisen und erklärt es dann, es sei mit Freuden zu 
cüßen, daß die Vorrechte der Krone auf dem 
bleie det gesetzgeberischen Gewalt wieder einmal 
ih so deutlich gezeigt hätten. Bei einer Mein— 
uberschiedenheit zwischen Krone und Ministerium 
xsuͤglich des Gesetzes über die Verlängerung der 
Adislalurperioden würden die Minister zu erwägen 
then, ob der Nutzen dieses Gesetzes so hoch an⸗ 
ishlagen sei, daß sie die Veranwortlichkeit des 
Actrutes vor dem Lande übernehmen könnten 
de Minister müßten hierbei namentlich erwägen, 
delche Rückwirkung ein Ministerwechsel in Preußen 
uf die Freunde Preußens im Reiche und außer— 
ih desselben einerseits, auf die Gegner Deutsch 
as anderseits haben müußte. Jedenfalls ergebe 
„Situation glücklicher Weise, daß sich der preu⸗ 
ujte Staat eines energischen Monarchen erfreue, 
un persönlich in Verwaltung und Gesetzgebung ein⸗ 
nese, ein Vortheil, den schon der Reichskanzler 
n iner früheren Rede erwähnt habe. Dies müsse 
uh die Opposition anerkennen und sie solle des · 
ad nicht zu unwürdigen Mitteln greifen, um dem 
Ninifterium in derartigen Fragen entgegenzutreten. 
Ddie Parlamente in Wien und Pest sind 
aunmehr geschlofsen worden, um den beiderseitigen 
lugschüssen, den Delegationen, Platz zu machen, 
welche an diesem Sonnabend in der ungarischen 
Pupistadt zusammentreten. Noch kurz vor Thores⸗ 
dluß ist sowohl im ungarischen wie im österreich⸗ 
ihen Abgeordnetenhause das Spiritussteuergesetz 
3 Dach und Fach gekommen, von dessen An⸗ 
ne das Ministerium Taaffe sein Verbleiben im 
b abhängig gemacht hatte und das Versöhnungs 
* uünd mit ihm der Feiserne Ring 
hien — ist also wieder einmal glücklich 
et. Wenn mit dem Spiritussteuergesetz einer⸗ 
din großer Schritt zur Verbesserung der öster⸗ 
en und ungarischen Finanzverhältnisse gelhan 
den ist, so muß anderseits erwogen werden 
ß diese finanzi 
ue finanzielle Reform nur durch das Zuge⸗ 
d der Zahlung einer Million Gulden jährlich 
nr nichen Großbrenner in Galizien, fort⸗ 
nd bis zum Jahre 1901, errungen worden 
ist und ob da Graf Taaffe sich zu seinem Erfolge 
n der Branntweinsteuerfrage wirklich ohne allen 
Horbehalt beglückwünschen darf, möchte doch etwas 
u bezweifeln sein. Was nun die bevorstehende 
Delegationssession anbelangt, so wird sie jedenfalls, 
nach der Gepflogenheit der Delegationen zu ur⸗ 
heilen, wieder Erorterungen und Urtheile über die 
allgemeine Lage bringen. 
v Die zwischen Frankreich und Eng⸗ 
land schwebende zollpolitische Streitfrage wegen 
Fer englischerseits beabsichtigten Zölle auf feinere 
ranzosische Weine wird durch die Nachgiebigkeit 
xẽnglands ihre Beilegung finden. Nach einer Er⸗ 
larung des Finanzminisfers Goschen im englischen 
Unterhause soll dieser Zoll auf Schaumweine be⸗ 
schränkt werden und auch hier nur in sehr gemäßigter 
Weise zur Anwendung kommen. 
“In St. Louis jist am Dienstag der 
demseratische Nationaleonvent zur Wahl 
ines democratischen Prasidentschaftscandidaten unter 
zroßer Beitheiligung zusammengetreten. White aus 
ralifornien führte den Vorsizßz. Als derselbe in 
einer Rede den gegenwärtigen Präsidenten Cleve⸗ 
and als Candidaten nannte, erhob sich das ganze 
daus unter stürmischen Beifallsbezeugungen. Eben⸗ 
d sympathisch ward die Candidatur Thurmans 
zum Vizepraͤsidenten begrüßt. Die Sitzung schloß 
nit einer mit lebhaftem Beifall aufgenommenen 
Rede White's, in welcher derselbe namentlich der 
Reform des Zolltarifs Erwaͤhnung that. Am Mitt⸗ 
woch Vormitlag fand eine zweite Sitzung des 
Fonvents statt. 
Rom, 7. Juni. Der „Riforma“ zufolge 
hätte der Sultan von Sansibar auf die Ansage 
mes Schreibens des Königs von Jtalien an ihn 
in wenig correcter Weise erwiedert und diese Be⸗ 
eidigung durch eine längere Weigerung, das 
-„chreiben entgegenzunehmen, noch schwerer gemacht. 
Daraufhin habe der Consul Genugthuung gefordert. 
der Suͤllan habe sich zwar durch einen General 
mündlich entschuldigen lassen, der Consal habe je⸗ 
doch ein Entschuldigunsschreiben des Sultans an 
den Koönig gefordert. Infolge der Weigerung 
des Sultans soll der Consul die Flagge eingezogen 
vaben. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
Mittelberxbach, 7. Juni. Gestern 
Abend zog ein schweres Gewitter über unsere 
BHegend. In dem Orte Höchen war während des- 
Aben die Bergmannswitiwe L. Reiter mit ihrem 
18jahrigen Töchterchen beim Füttern des Viehes 
reschüftigt. Da fuhr der Blitz in den Stall und 
ras das Mädchen am Arme, der infolge dessen 
nit schwarzen und blauen Flecken bedeckt ist. Durch 
den Blitzschlag wurden 2 Kühe und ein Kalb der 
Winwe getödtet. Zum Glück zundete der Blitz 
nicht, so daß die allarmirte Feuerwehr keine Arbeit 
and. 
Walsheim, 6. Juni. Heute Mitiag brachte 
uns ein schweres Gewitter den laͤngst ersehnten Regen, 
aber auch eiwas Hagel. In mehreren Gewannen 
anserer Gemarkung hat das Korn großen Schaden 
erlitien; allemal der dritte Halm sei geknickt. Unsere 
Nachbargemeinden Gersheim, Medelsheim, Seyweiler 
und Neu⸗ Altheim sollen noch mehr geschädigt sein. 
Für manche unserer Landwirie wird dieser Verlust 
AIn Antrieb werden, noch für dieses Jahr gegen 
dagel zu versichern. 
Nach Pirmasens wird dieser Tage ein 
Deutfche Amerikaner in diese seine alte Heimath 
mit Frau und Kindern zum Besuche zurüchkehren, 
die derselbe vor nahezu 40 Jahren als politischer 
Flüchtling verlassen mußte. Es ist dieser Mann 
Herr Georg Schneider, der Praäsident der „National 
Zank of Illinois“, einer wohlhabendsten und an⸗ 
Jesehendsten Deutschen Chicagoꝰs. 
— Neustadt. Die Kreisvorstandschaft der 
ofälz. Kreisfechtschule veranstaltet ihr drittes Kreis⸗ 
fest, verbunden mit einem Waldfest am 8. Juli 
in Neustadt a. d H. 
— Speyer, 7. Juni. Vom 1. Juli ab 
abernimmt der bisherige Chefredakteur des Frank⸗ 
furter Journals“, Herr C. A. Patzig, das General⸗ 
relariat der nationalliberalen Partei. Man wird 
dem zurücktretenden Herrn Dr. Jerusalem, der seit 
dem Jahre 1884 die geschäftliche Leitung der 
Parteiangelegenheiten inne hatte, das wohlverdiente 
Zeugnis nicht versagen können, daß er mit besten 
raften das schwierige Amt versah und den Dank 
der Partei redlich verdient hat. Leider ließ aber die 
Beschäftsführung das Verirautsein mit den süd⸗ 
deutschen Angelegenheiten recht oft vermissen. In⸗ 
dem Herr Patzig das verantwortungsvolle Amt 
ubernimmt, isn die Gewähr gegeben. XXC 
suddeutschen Verhältnisse eine passende Vertretung 
n der Behandlung der laufenden Parteiangelegen⸗ 
heiten finden werden. Herr Patzig hat als Leiter 
des Frankfurter Blattes sowobi, wie auch durch 
tein ihatkräftiges Wirken in unserer Pfalz Gelegen⸗ 
Jeit gehabt, die süddeutschen Parteis und Preßver- 
jältnisse genügend kennen zu letrnen, sein Name 
teht unter der „Heidelberger Erklaͤrung“, zu deren 
Deutsches Reich. 
Berlin, 6. Juni. Nach einem Telegramm 
der „Post“ aus Elbing trifft die Kaiserin am 
Zamstag mit der Ostbahn dort ein. Der Aufent⸗ 
halt daselbst dürfte 2 Stunden dauern. 
Berlin, 7. Juni. Der „Reichs-Anzeiger“ 
beröffentlicht soeben das Gesetz über die Verlänger⸗ 
ung der Legislaturperiode für Preußen. 
Potsdam, 7. Juni. Der Kaiser hatte keine 
besonders gute Nacht, da der Schlaf durch Husten 
zofters unterbrochen wurde. Derselbe blieb in Folge 
dessen auf Anrathen der Aerzte bis 11 Uhr im 
Bette. Um 12 Uhr beginnen die Audienzen. 
Ausland. 
Rom, 5. Juni. Wie bereits telegraphisch 
zemeldet, hat fich der Prinz Amadeus, der Exlönig 
jon Spanien, mit der Prinxessin Latitia Bonaparte 
‚erlobl. Amadeus Ferdinand Maria, Herzog von 
Aosta, geboren am 80. Mai 1845, Generallieute⸗ 
an und Generalinspekteut der Cavallerꝛe, Bruder 
—— ehemals von 
870 1873 Konig von Spanien, war seit 1867 
nit der Prinzessin Maria dal Pozzo— welche ihm 
rei Söhne schenkte, vermählt und ist Witwer seit 
876. Seine Braut ist die am 20. December 
866 geborene Tochter des Prinzen Napoleon 
ind der Prinzessin Clotilde von Savoyen, einer 
Tochter des Königs Victor Emanuel. Sie ist mithin 
zie Nichte ihres Verlobten und zu der Ehe wird 
vegen dieser nahen Verwandischaft der papftliche 
dispens noͤtig sein. 
Rom, 6. Juni. Die „Agenzia Stefani“ 
meldet, der Sultan von Sansibar weigere sich, die 
bom früheren Sultan mit Italien abgeschlossene 
Fonvention wegen Abtretung einiger Theile seines 
Febieles auszuführen. Man glaube übrigens, daß 
ine freundschaftliche Losung dieser Frage erfolgen 
werde