Full text: St. Ingberter Anzeiger

zl. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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6122. 
zum Rücktritte des Ministers von 
Puttkamer. 
Die letzten Tage haben für Preußen und folge⸗ 
chtig deshalb auch für das Reich überraschende 
mitische ee gebracht. Aenderungen, wie 
iche schließlich jeder Regierungs- und Thronwechsel 
sul sich bringt, erwartete man ja allerdings in 
Preußen und dem Reiche, zumal sich die Gesund⸗ 
i Kaiser Friedrichs wesentlich gebessert hat und 
e degelmaßige ·Theilnahme ¶ des Monarchen an 
om Regierungsgeschäften stattfindet, aber so rasch 
Hind zum Theil auch so überraschend, wie sie nun 
angeiroffen find, vermuthete man das Eintreten 
der Aenderungen nicht. Der preußische Staats⸗ 
zmnmister des Innern, von Puitkamer, hat seinen 
erbelenen Abschied erhalten, und man irrt sich nicht, 
venn man die Ursache des Rücktrittes dieses Mi⸗ 
istets in Zusammenhang mit dem kaiserlichen 
andschreiben an Herrn von Putttamer bringt, in 
elchem Handschreiben die Nothwendigkeit betont 
utde, daß gerade anläßlich der verlängerten Le⸗ 
laturperidden die Beamten sich jeder Wahlbeein⸗ 
assung streng zu enthalten hätten. Ob nun der 
dinisster von Puttkamer in dem betreffenden 
aandschreiben einen Tadel für seine Amts- 
gxung oder eine Differenz zwischen den 
agen und früheren Regierungsgrundsätzen erblickt 
u, wagen wir nicht zu entscheiden, die Thatsache 
eibt aber destehen, daß der Minister von Putt⸗ 
mmer nach Empfang eines oder auch zweier kaiser⸗ 
jer Handschreiben über die Haltung der Beamten 
Aden Wahlen seine Entlassung erbeten und er- 
Aten hat. Die große persönliche Tüchtigkeit des 
geschiedenen Ministers ist übrigens vom Kaiser 
itdorragend gewürdigt worden, denn Herr von 
uttkamer hat anläßlich seiner Abschiedsbewilligung 
8 des Hohenzollern · Ordens vom Kaiser 
alten. 
Ats eine hochwichtige Thatsache muß der Rück⸗ 
un des Ministers von Puttkamer aber zweifellos 
d unter allen Umständen deshalb gelten, weil 
uurch die dem Herrn von Puttkamer gewährte Ent 
afung ziemlich deutlich dargethan ist, daß der 
luiser und König Friedrich in der Aufrechterhalt⸗ 
ig einer extrem conservativen Politik, als deren 
rigter Verfechter im preußischen Ministerium 
tt d. Puttkamer galt, kein Heil für den Staat 
wartet. Man muß sich freilich noch jeder Mein⸗ 
uag darüber enthalten, ob das preußische Mini⸗ 
terium nunmehr in das gemaßigt conservative, in 
us freiconservative oder gar in das liberale Fahr · 
vaser einlenken wird, denn wir wissen noch nicht, 
art der Nachfolger des Herrn von Puttkamer sein 
uird und wissen auch micht, ob nichr auch noch 
dere Minister zuruͤcktreien. Officibsen Kund⸗ 
Zungen zufolge ist allerdings einf eigentliche 
cinisterkrisis nicht vorhanden, indem die übrigen 
nister mit dem Reichskanzler an der Spitze er⸗ 
haben, daß fie wegen der Wohlfrage ihre 
ung nicht nehmen würden. Auch kann man 
Fursten Bismard, welcher über (den Parteien 
und einst im Reichstage 8 politischen 
adpunkt dahin erläutert hat, „daß es Zeilen 
X diktatorisch regiert werden wnüsse und auch 
(en wo liberal regiert werden müsse“, erwarten, 
er nicht nur mit einem freiconservativen, son⸗ 
in unter Umständen auch mit/ einem national⸗ 
ideralen Cabinen die Regierungsgeschäfte weiter 
euen wird. Nimmt nm alsso als richtig 
daß Fürst Bismark Und die übrigen 
Montag, 11. Juni 1888. 
Minister im Amte bleiben, so könnte es sich wohl 
aur um eine Reconstruction des Ministeriums im 
freiconserbativen oder im nationalliberalen Sinne 
handeln, zumal bekanntlich die gemäßigt Conser⸗ 
hativen und Nationalliberalen im preußischen Land⸗ 
jage wie im Reichstage über die Mehrheit der 
ZStimmen verfügen. Es kann aber auch der Fall 
sein, daß der Rücktreitt des Ministers von Patt⸗ 
kamer der erste Anfang zu weiteren, wenn auch 
erst später folgenden weit und tief greifenden Um ⸗ 
inderungen in den Regierungskreisen Preußens 
und des Reichs ist. Grund zu Erregungen ist in 
dessen nicht vorhanden, da Preußen und das Reich 
auf festgefügter Grundlage stehen, und darf man 
deshalb der ferneren Eatwickelung der inneren 
Politik mit Ruhe entgegensehen. 
Deutsches Reich. 
* Graf Rantzau, der neue preußische 
Besandte in München, wurde am Sonn- 
abend behufs Uebergabe seines Beglaubigungs⸗ 
chreibens vom Prinz-Regenten in feierlicher Audienz 
mpfangen. 
Potsdam, 10. Juni. Die Kaiserin ist mir 
ver Prinzessin Victoria bald nach Mitternacht in 
Schloß Friedrichskron wieder eingetroffen. 
Elbing, 9. Juni. Die Kaiserin und die 
Prinzessin Victoria trafen um 11 Uhr 50 Min. 
im Bahnhofe ein, von den Spitzen der Behoörden 
mpfangen und von zahlreichem Publikum en ⸗ 
hufiastisch begrüßt. Im Cafinosaale hielt der erste 
Bürgermeister eine Ansprache an die Kaiserin, wo⸗ 
in er der Kaiserin für ihren Besuch dankte und 
nit heißen Segenswünschen des Kaisers gedachte. 
Die Kaiserin dankte hierauf und bemerkte, der 
aiser nehme lebhaften Antheil an dem Unglück, 
welches die Gegend heimgesucht hat. Um 1 Uhr 
nahm die Kaiserin das Diner bei dem Geheimen 
CToinmerzienrath Schichau ein, welcher einen Toafi 
auf den Kaiser ausbrachte. Die Kaiserin gedachte 
mit lebhafter Anerkennung des reichen Schmuckes 
der Stadt, begab sich um 29 Uhr in die Turn⸗ 
halle, wo 300 Ueberschwemmte untergebracht find, 
nachte daselbst einen Rundgang, sprach reichlich 
Troft zu und fuhr dann, mit enthufiastischem Jubel 
der Bedolterung begrüßt, zum Bahnhofe, von wo 
die Abreise um 3 Uhr erfolgte. 
Ausland. 
Rom, 9. Juni. (Kammer.) Bei Berathung 
des Sirafgesetzes beantragte Odescalchi Weglassen 
der Bestimmungen, wonach Priester anders behan⸗ 
delt werden als Laien, zog aber diesen Antrag, 
zachdem der Justizminister sich dagegen ausgespro⸗ 
hen hatte, zurück. Das ganze Strafgesetz wurde 
iñ geheimer Abstimmung mit 247 gegen 67 
Stimmen angenommen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 11. Juni. Heute Vor⸗ 
nittag wurden die katholischen Schüler der hiefigen 
dateinschule dutch Herrn Domkapitular Dahl aus 
Speyer einer Prüfung in der Religionslehre unter⸗ 
— hoͤhere 
Toͤchterschule ihren Fruͤhjahrsausflug; Ziel derselben 
ist Blieskastel. 
Z Rohrbach, 11. Juni. Ein sehr hübsches 
Fest deging gestern Nachmittag der hiesige Krieger- 
berein, das Fest der Fahnenweihe. Die Dorfftraße 
var zahlreich beflaggt und wies 3 Ehrenpforten 
auf. Nicht weniger als 14 auswärtige Vereine 
varen der Einladung zur Betheiligung gefolgt 
id daß der Zug durch den Ort nach dem Festplatz 
23. Jahrg. 
einen statilichen Anblick bot. Voran schritt die 
dapelle der Grube St. Ingbert, einen flotten 
Marsch spielend, sodann die Festjungfrauen, welche 
die verhüllte Fahne zwischen sich trugen. Ihnen 
ichlossen sich kleine Mädchen, einen Kranz tragend, 
und in der Folge die Vereine an. Nach Ankunft 
auf dem Festplatze oberhalb des Dorfes nahm der 
VBorstand mit der Fahne nebst der Musik auf der 
Tribüne Aufstellung. Die Fahne wurde enthüllt 
ind mit einem passenden Gedicht von einer Fest⸗ 
ungfrau dem Vereine übergeben. Hierauf hielt 
dert Fischer von St. Ingbert, Vorstand des dor⸗ 
uͤgen Kriegervereins und Präsidialmitglied der pfäl- 
zischen Kriegers und Kampfgenossenschaft, eine An⸗ 
sprache, worin er die Bedeutung der Fahne als 
Symbol der Einigkeit hervorhob und die Mitglieder 
des Vereins ermahnte, sich stets in Einigkeit und 
Treue um dieselbe zu schaaren, sich im Frieden 
als würdige gesinnungstreue Staatsbürger und in 
Zeiten der Gefahr als tapfere Krieger zu erweisen. 
Diese Fahne sei dem Vaterlande geweiht: 
Das Vaterland liebt allzeit treu 
Ihr Männer und ihr Frau'n 
So mahne uns die Fahn' aufs Neu 
So oft wir sie nur schau'n. 
Redner schloß mit einem begeistert aufgenomme⸗ 
nen Hoch auf S. Kgl. H. den Prinzregenten. Zu⸗ 
gleich heftete Herr Fischer der neuen Fahne als 
Pathengeschenk des Kriegervereins St. Ingbert eine 
blaue Schleife an. 
Dem Hoch auf unsern allgeliebten Kaiser folgte 
allgemeiner Gesang der Kaiserhymne. Verschiedene 
Toaste wechselten forlan mit Gesangsvorträgen und 
Musikstücken. Trotzdem die Menschenmasse auf dem 
Festplatze ziemlich groß war, gestaltete sich das 
Treiben wegen unguünstiger feuchter Witterung nicht 
jehr lebhaft. Abends fand im Vereinslocale des 
Festbereins „Zur Sonne“, ein Ball statt. — Die 
jeue Fahne des Kriegervereins Rohrbach zeigt auf 
der einen Seite das Landeswappen, auf der andern 
den Namen des Vereins, und ist von ein er Leipziger 
Fabrik um den Preis von 8340 Mk. bezogen. 
HM Ommersheim, 9. Juni. Heute Nach⸗ 
nittag wurde die ledige Tagnerin A. H. von hier 
vegen Sittlichkeitsverbrechens verhaftet und nach 
St. Ingbert hinter Schloß und Riegel verbracht. 
Seeibach, 10. Juni. Ein Radfahrer 
nus Saargemünd, welcher das heutige Rennen in 
Domburg zu besuchen gedachte, hatte das Unglück. 
zuf der sehr steilen Straße zwischen hier und Nieder⸗ 
würzbach, da die Bremsvorrichtung an seinem Velo⸗ 
iped (Zweirad) versagte, zu stürzen und sich nicht 
merhedlich an Kopf ünd Händen zu verletzen. Da 
auch die Maschine Schaden genommen hatte, war 
x genöthigt, sammt derselben den Rückweg nach 
Saargemund per Bahn anzutreten. 
— Speyer, 8. Juni. Nach Mitteilung des 
gl. Oberbergamtes sollen die in den Vorjahren 
begonnenen geognostischen Untersuchungsarbeiten in 
der Pfalz im Sommer d. J. fortgesetzt werden. 
Zur Bornahme derselben find der Kgl. Bergamts⸗ 
issesszr Dr. von Ammon und die funkt. Assistenten 
dr. Hans Türach und Dr. Otto Reis beordert 
vorden. Es soll hierbei nicht nur der bisher noch 
nicht im Detail geognostisch untersuchte Theil des 
Bfalzkreises aufgenommen, sondern behufs einer 
leichmähigen Darstellung das Gesamtgebiet des 
dreifes einer revisorischen Begehung unterzogen 
werden. (Sp. 3.) 
— Speyer, 8. Juni. Nach der soeben er⸗ 
olgten Bekanntgabe über die Verteilun g des Kreis⸗