Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bei der Besprechung der Preßverhältnisse bezw. 
der so wichtigen Lokalpresse nahm Pfarrer Kapyser 
die Redakteure in Schutz. deren Last heutzutage 
eine zu große sei. (Sehr richtig! Ueber das Zeitungs⸗ 
wesen kritisieren können viele, besser machen oder 
wenigstens bessern helfen nur wenige. Mit reinem 
Geschwätz wird die Presse sicher nicht reformirt. 
Dazu bedürfen die Redakteure die nothige Unter⸗ 
stüßzung. Die Red.) Man solle dieselben mehr 
unierstutzen, dann würden die angeregten Mißstände 
auch teilweise verschwinden. Gerade die Geist⸗ 
lichen soblten durch Uebersendung 
von Lokalartikeln der Presse Vor— 
schubleisten. Dieses war auch die Ansicht der 
ganzen Versammlung. Sp. 31g.) 
— Speyer, 18. Juni. Gestern badeten 
zwei Bäckerburschen auf der Militärschwimmschule, 
ein Dritter versetzte einem derselben einen Stoß, 
damit er (fie waren bereits ausgekleidet) in's Wasser 
falle, er fiel richtig hinein, sank unter und kam 
nicht mehr zum Vorschein. Vergebens sprang ein 
Soldat in den Kleidern sofort ihm nach, alles 
Suchen war umsonst. Der Ertrunkene war der 
Bäckergeselle Gottlieb Kübler aus Zweren⸗ 
berg“ im Württemberg, 27 Jahre alt und bei 
Bäcker Vögeli dahier in Arbeit. Er war des 
Schwimmens kundig, erlitt aber bei dem plötzlichen 
dineinstoßen in das Wasser wahrscheinlich einen 
Herzschlag. Der andere Bäckerbursche. der ihn 
hineinstieß, ist verhaftet. 
— Speyer, 14. Juni. (Sp. Ztg.) Ein 
Freund übersendet uns aus Genug eine Nummer 
des dort erscheinenden „Corriero della Sera* vom 
11. d. M., welcher eine Notiz bringt, deren Ueber⸗ 
setzung also lautet: „Eine Dame aus guter Fa⸗ 
milie, Fräulein Marie Kärner, aus der Rhein—⸗ 
pfalz gebürtig, 19 Jahre alt, welche außer deutsch 
auch italienisch und franzoͤsisch spricht, und sich bei 
der Familie des Grafen Gambrini von Florenz. 
auf dessen Landsitz bei Bellagio (am Lago di Como) 
befand, ist auf bis jetzt unerklärliche Weise ver⸗ 
schwunden. Am 15. Mai — schreibt der „Araldo“ 
verließ sie Bellagio, kam nach Como, reiste 
dann nach Mailand und sandte von hier ihre Koffer 
an ihren Vater, welchem sie schrieb, daß fie ihrem 
Leben ein Ende machen wolle. Seit jenem Tag 
fehlt jede Spur von ihr. Der Vater Hermann 
Kärner, Sohn des Präsidenten der Rheinpfalz 
(tiglio del presidente del Palatinato renano) tam 
nach Mailand und forschte allerorts, jedoch vergeb- 
lich, nach seiner Tochter. Die junge Dame isi 
aroß, hat blonde Haare und blaue Augen. Wer 
Mittheilungen über den Verbleib der jungen Dame 
machen kann, oder auch nur Vermuthungen darüber 
hat, wird gebeten, dieselben dem unglücklichen Vater 
durch die Kgl. Polizeibehörden zustellen zu wollen.“ 
So der Bericht des italienischen Blattes. Wir 
fügen dem hinzu, daß es niemals einen Prasidenten 
der Rheinpfalz namens Kärner gegeben hat; wohl 
aber ist dies der Name einer in der Pfalz hoch⸗ 
angesehenen Familie. Der frühere Direltor des 
Appellationsgerichtshofes zu Zweibrücken hieß 
Kaͤrner; ein Sohn von demselben ist als Bezirks- 
Ingenieur an den Pfälzischen Bahnen angeftelll 
und hat seinen Wohnsitz in Dürkheim. Da nun 
dieser Herr Kärner mit Vornamen Hermann heißt, 
so wird es fast zur traurigen Gewißheit, daß er 
der unglückliche Vater ist, wenn sich überhaupt die 
ganze Nachricht bestätigt, woran leider kaum zu 
zweifeln sein dürfte 
— Ludwigsbafen, 14. Juni. Auf eine 
aus italienischen Blättern von der „Speyerer Zei⸗ 
tung“ übernommene Nachricht, daß eine Dame aus 
pfalzischer Familie, welche bislang bei der Familie 
des Grafen Gambrini in Florenz konditionierte, 
auf unerklärliche Weise verschwunden sei, können 
wir berichten, daß dieselbe bereits vor vierzehn 
Tagen wohldehalten bei ihren Eltern bier einge— 
woffen ist. 
f Nach dem Berihte des kgl. fiatistischen Bureaus 
hatien wir Ende 1886 in der Pfalz 48 Spar 
lassen, in die während des Jahres 2,470,039 Mt. 
eingezahlt wurden, während die Rückerhebungen 
1.447,8309 Mt. betrugen. Die Mehrung der bei 
den Sparkassen angelegten Gelder stellte ssich auf 
1,022,670 Mk. bei im Ganzen 83832,940 
Einlagen. Auf einen der 29,900 Einleger triffl 
ein Kapital von 419 Mt. — Von den 150 in 
Bayern bestehenden Pfennig- Schul- und Kinder⸗ 
Sparkassen befinden sich 70 in der Pfalz. Die 
VPerwaliunaskoften sämitlicher Kassen in der Pfal— 
betrugen 35,836 Mk. Von den Aktiv⸗-Kapitalien 
waren 37.,7 pCt. in Hypotheken angelegt. — 
Pfalzisches Schwurgericht. 
2. Quartal 1888. 
2 Zweibrücken, 13. Juni. (IV. Fall. 
Beginn Nachmittags 3 Uhr. 
Angeklagt: Wendelin Pfeifer, get. 1865 
Dienstknecht von Freckenfeld, zuletzt in Niederotter⸗ 
dach wegen Verbrechens des Raubes unter erschwe— 
cenden Umständen gem. 88 249, 250 3. 8 Str. G.B 
Gerichtshof: Dieselbe Besetzung wie heut 
früh. Staatsbehörde: Meier W. St.A 
Verteidiger: Rechtspraktikant Karl Luren⸗ 
burger. 
Geschworne: Theis, Heimsöth, Schickendanz. 
rehbiehi, Reither, Sauerbrunn, Trembel, Klein 
Köhler, Hoffmann, Christmann, Stein. 
Am Nachmittage des 4. März 1888 traf der 
Angeklagte den Dienstknecht Martin Kitt, 48 J. a. 
don Deutschhof bei Kapellen in der Engelhard'scher 
Wirtschaft zu Niederotterbach. Letzterer hatte sich 
an diesen Ort begeben, um sich ein paar Stiefel 
zu kaufen. Nach Erledigung dieses Geschäfts hatte 
er 15 Mk. 16 Pf. übrig und bewahrte diest 
Zumme in einem Geldbeutel in seiner linken Hesen⸗ 
jasche auf. In einem andern, den er in der rechter 
hosentasche trug, befand sich eine kleine Summe 
wie Kitt angibt, ein Thaler und einige Einmark 
tücke. Der Angeklagte trank mit dem letztern, ob⸗ 
wohl er ihn bis dahin nicht kannte. Als Kitt die 
Absicht bekundete nach Steinfeld zu gehen, schlof 
ich ihm der Angeklagte an, besuchte dort mit ihm 
verschiedene Wirischaften, wo Kitt bezahlte und auch 
sein Geld zeigte. Zuletzt waren beide in der Hirtz'scher 
Wirtschaft. Beim Verlassen derselben machte der 
Angeklagte den Vorschlag, einen Feldweg nach rück 
wärts vom Hirtz'schen Hofe einzuschlagen. Dit 
beiden gingen noch eine Strecke zusammen bis zru 
—X— 
Drtsstraße nach Steinfeld andrerseits gegen Nieder 
otterbach hinwendet. Hier sagte der Angeklagt 
dem Kitt „gute Nacht“. Kurz nachdem sie sick 
getrennt hatten, kehrte der Angeklagte um, lief dem 
itt nach, packte ihn am Hals, hielt ihm die linke 
Hand auf den Mund und nahm mit der rechter 
den Geldbeutel mit dem größern Betrage aus dessen 
Tasche. Als es dem Kitt trotzdem gelang, um 
Hilfe zu rufen, ergriff Pfeifer die Fucht. 
Der Angeklagte gesteht zu. daß er den Enb 
schluß zu dem begangenen Verbrechen im letzten 
Momente gefaßt und dasselbe in der von der An— 
klage aufgestellten Art und Weise zur Ausführung 
gebracht habe. Draußen auf der Chaufsee habe er 
das Geld gezählt, aber nur 50 Pfg. gefunden. 
Nach Entnahme dieser Summe habe er den Geld— 
beutel weggeworfen. 
Die k. Staatsbehörde weist nach, daß allé 
Tatbestandsmomente der 88 249, 250 3. 3 ge 
geben seien. Erschwerend falle noch ins Gewicht 
daß der Angeklagte mit großer Frechheit gerade 
den Kitt, der ihn den ganzen Nachmittag frei ge— 
halten habe, um eine für dessen Verhältnisse gan, 
beträchtliche Summe beraubt habe, daß er einen 
schlechten Leumund genieße und schon wegen Dieb⸗ 
stahls vorbestraft sei, was gewiß nicht für die An— 
aahme mildernder Umstände spreche. 
Die Verteidigung gibt zwar die Tat im allge⸗ 
meinen zu, glaubt aber Gründe genug als vor— 
handen nachzuweisen, die für eine Bejahung der 
Frage nach mildernden Umständen sprechen. Denn 
der Beraubte habe durch das öftere Vorzeigen seiner 
Baarmittel und durch sein Prahlen jedenfalls die 
Beldgier des Angeklagten, der von Jugend auf ir 
armlichen und dürftigen Verhälmissen lebe, gereizt 
so daß dieser zuletzt seiner Leidenschaft nicht mehr 
widerstehen konnte. Außerdem sei aber der Ange— 
klagte durchaus nicht so übel beleumundet und 
müsse man vieles auf Rechnung seiner schlechten 
Erziehung setzen. Jedenfalls sei er auch ziemlich 
betrunken gewesen. 
Nach ftattgehabter Beratung bejahen die Ge— 
schworenen die Schuldfrage (Raub auf öͤffentlicher 
Straße) unter gleichzeitiger Bejahung der Frage 
nach mildernden Umständen. 
Der Gerichtshof verurtheilt hierauf den Ange— 
klagten zu einer Gefängnißstrafe von vier 
Jahren unter Aberkennung der bürgerlichen 
Ehrenrechte auf die Dauer von fünf Jahren. 
Schluß der Verhandlung 6*s Uhr. 
2 Zweibrücken, 14. Juni. (V. Fall. 
Vormittags 8 Uhr. 
j Angeklagt: Werner Johannes n 
alt, Ackerer von Oberalben, wegen Maͤnn 68 
Gerichtshof: die HH.k. —— 
rat Scherrer als Vorsitzender, k. Land n 
Platz und Mohr, k. Sekretär a tichi 
Gerichtsschreiber. K. Staatabeheraene 
ner, U. St.A. Verteidiger;: S. 
Rosenberger, Rechtsanwalt. dJuin— 
Geschworne: Höfle, Köhler, Sthit 
Rapp. Weidmann, Eisele, Stein, Moht 
brunn, Simon, Exter, Golsen. evVn 
Der Tatbestand ist im wesentlichen fol 
Im Sommer 1885 waren die —S 
tigen von Dennweiler fast sämilich wegen 
er * chud 
einer öffentlichen Tanzmusik bestraft wotden 
der fälschlichen Vermutung, Lehrer Theis 
habe das veranlaßt, entstand großer Haß ge r 
in der Gemeinde. Er wurde öfters uh a 
nußie schüeblich lagend gegen einne 
Schultheis auftreten. Bei den Verhandune 
17. April bezw. 5. Juli 1886 vor dem enß 
gerichte Kusel mußte der Beklagte jedoch æ 
sprochen werden, da außer der eidlichen in 
des betr. Lehrers kein Beweis gegen ihn * 
werden konnte und andre Aussagen zu * 
Gunsten denen des letztern widersprachen. 
Es scheint sich nun in der Gemeinde eine fen 
liche Vereinigung zur Entfernung dieses Lihm 
gebildet zu haben. Unterm 1. August 1886 u 
eine Anzeige gegen ihn wegen Meineids — egw 
Bezug genommen auf die obige Verhandlung· 
an die k. Staatsanwalischaft Kaiserslautern, unr 
schrieben von dem heutigen Angeklagten. Dadde 
raufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren hatte de 
Resultat, daß das Verfahren eingestellt wurde, d 
sich keine Anhaltspunkte für die Aufstellungen de 
Anzeiger ergaben. 
Unterm 24. Februar 1887 gelangte eine * 
schwerde desselben Betreffs mit gleicher Unteischn 
an H. k. Oberstaatsanwalt zu Zweibrücken. d 
k. Staatsbehörde leitete hierauf eine Vorunterut 
ung gegen den Lehrer ein, die aber später u 
demselben Grunde, wie oben das Ermittlungton 
fahren, wieder eingestellt wurde. Im Jann 
dieses Jahres kam eine gleiche Beschwerde nochmu 
an den H. k. Oberstaatsanwalt, die aber gar pi 
berücksichtigt wurde. 
In der genannten Voruntersuchung kam w 
die Behörde zur Ansicht, daß der heutige An— 
klagte nicht der Verfasser der Anzeige un 
Beschwerde sei, sondern ein gewisser Peter The 
der inzwischen verssorben, und der genannte Sch 
heis, so daß Angeklagter die Schriftstüde nur w 
terschrieben habe. 
Am 22. August 1887 wurde er in sein 
Wohnung zu Oberalben von den H. k. Unkethn 
ungsrichier gerade über diese Punkte (behufs he 
beifuͤhrung einer wahrheitsgemäßen Aussage) ilt 
berhört und gab hier an: „Er habe die Arjei 
einzig und allein für sich eingereicht und a 
hierzu von andern nicht veranlaßt worden. 
Als er dann im Januar d. J. wegen ühih 
rischer Erpressung an Peter Theis verübl. n 
diesem beanzeigt und Untersuchung gegen ihn 
geleitet wurde, deponirte er, damals habe er rit 
die Wahrheit gesagt, denn der Peter Theis 
Schultheis hätten ihm die verschiedenen Schriflsi 
zugesandt und er sie nur unterschrieben und wen 
befördert, weil ihm Peter Theis gedrohl 
Weigerungsfalle werde ecr eine Burgschaftsscu 
die er an' den Angeklagten hatte, rüdsichtslon 
reihen. Jener faischen, eidlichen Aussage wer 
hat sich der Angeklagte heute zu verantwotten. 
Die gegen ihn eingeleitete Untersuchung u 
der Amts⸗ Erprefsung wurde, wegen Mange 
Beweis eingestellt. p 
Die heunige Beweisaufnahme ergab wen 
die Veftäligung des Tatbestandes. Peter 
det als Querulant in seinem Dorfe belannt 
ist an Pfiugsten d. J. dersiorbene und du 
Zeuge erschienene Schultheis will nur di⸗ 
zeige nach einem ihm vom Angeklagten ibean 
TConcepte geschrieben haben, ohne daß er aber de 
u dem Schrinte veranlaßt hätte. Bezoal. ä 
Theis sprechen die Zeugen meist ihre den 
dahin aus, daß er der Verfasser der Sdri 
wohl gewesen sei. jese 
Der Anugeklagte sagt heute, er habe diee 
unterschrieben. Sie seien auf — 
Peter Theis, mit besagter Drohung ihm —* 
sandt, teils auch von diesem seibs gebrad Der 
ebe i dine sie zu lesen, weileraeschict. 
33. 
sü