Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Ingberter — erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2 mal wöochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
san und Sonntags mit achtseitiger illustrirter g— Das Biait kostet vierteljährlich 60 3 anschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen LA. 75 einschließlich 
y Zusiellungsgebuhr. Die —6 für die Igespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Fnseralen aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 AReklamen 80 ⸗. Bei Amaliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
Donnerstag, 19. Januar 1888. 23. Jahrg. 
W 14. 
* Has neue Sozialiftengesetz. 
Der längst angekündigte neue Gesetzentwurf, 
etr. die Veriangerung des Sozialistengesetzes, wel⸗ 
her vom Bundesrathe noch vor Weichnachten ge⸗ 
jehmigt worden war, ist nunmehr auch dem Reichs⸗ 
age, uͤnmittelbar vor dessen Zusammentritte, zuge⸗ 
zangen. Bei der Wichtigkeit der Materie und in 
Anbetracht des Umstandes, daß sie im Reichstage 
ei den bestehenden Gegensätzen in dieser Frage 
edenfalls zu heftigen Debatten führen wird, dürfte 
ine nochmalige Hervorhebung der hauptsachlichsten 
Bestimmungen am Platze sein. — Zunächst schlägt 
er Entwurf die Verlängerung des bisherigen Aus- 
ahmezustandes bis zum 20. September 1893 vor, 
also auf fünf, anstatt, wie bisher nur auf drei 
Jahre. Weiter erfahren die bis jetzt in Geltung 
Agewesenen Bestimmungen, betr. die Verbreitung 
averbotener Druchschriften eine Verschärfung, indem 
die Geld- und Gefängnißstrafen nicht unwesentlich 
erhöht werden und außerdem bestimmt wird, daß 
Aneben der Freiheitsstrafe auch auf die Zulässigkeit 
der Einschränkung des Aufenthalts der betreffenden 
gZersonen erkannt werden kann. Die hauptsäch⸗ 
ichste Verschärfung und der Kernpunkt des ganzen 
Hesetzentwurfs liegt aber in der Bestimmung, daß 
»ei Betheiligung an verbotenen Verbindungen auf 
e Zulässiigkeit der Entziehung der Staatsange—⸗ 
origteit (Expatriirung) erlannt werden kann. Die 
Fentralbehörde des Heimathsstaates des Verurtheilten 
erhält durch ein solches Urtheil die Befugniß, den⸗ 
elben seiner Staatsangehörigkeit für verlustig zu 
erklären und aus dem Bundesgebiete auszuweisen. 
Dat auf eine solche Weise eine Person ihre Staats⸗ 
angehörigkeit in einem Bundesstaate verloren, so 
zilt dies auch für alle übrigen Bundesstaaten und 
jiermit ergiebt sich von selbst die Gültigkeit der 
Frpatriirung auch für das ganze Reich. Die 
—III 
niß erfolgt, kann mit Gefängniß von einem Monat 
uan bis zu drei Jahren bestraft werden. Freiheits⸗ 
“strafen und Entziehung der Staatsangehörigkeit 
reffen auch diejenigen Deutschen, welche im Aus ⸗ 
ande an Versammlungen zur Förderung der 
ozialistischen Bestrebungen in Deutschland theil⸗ 
zehmen (sozialistische Congresse). 
Dem Entwurfe ist eine längere Begründung 
veigefügt, welche zwar anerkennt, daß das bisherige 
Sozialistengesetz die sozialdemokratische Bewegung 
m Großen und Ganzen in gewissen Schranken zu 
alten vermocht hat, aber eine positive Besserung 
voch nicht erzielen konnte. Sowohl die Verbreitung 
oer verbotenen sozialdemokratischen Druchschriften 
wie auch die Theilnahme an geheimen Verbind⸗ 
ingen habe sich durch die bestehenden desetzlichen 
Zestimmungen nicht einschränken lassen und es sei 
ↄaher eine entschiedene Nothwendigkeit gewesen, 
nach beiden Richtungen mit verschärften Maßnahmen 
jorzugehen, wie es die Einschränkung des Aufent⸗ 
zaltes und der Verlust der Staalsangehörigkeit 
seien. Aus demselben Grunde habe auch die 
Theilnahme an den sozialistischen Conressen im 
Auslande eine Verschärfung der hierauf stehenden 
Strafen nothwendig gemacht. Die Verlaͤngerung 
»es Gesetzes auf fünf Jahre wird in den Moliden 
uuffallender Weise nicht näher erläutert. 
Der Entwurf enthalt also tiefe und eingehende 
naaßregeln, die auf jeden Fall eine streng sachliche 
o gründliche Prüfung seitens des Reichsiages 
ordern. Welchen Ausgang die Verhandlungen 
dließlich nehmen werden, läßt sich bei der Unklar— 
jeit der parlamentarischen Situation in dieser Frage 
tzzt noch nicht entfernt beurtheilen. Sollte der 
zutwurf aber doch in seiner jetzigen Gestalt Gesetz 
herden, so kann man nur wünschen, daß dessen 
Birlungen den verbündeten Regierungen keine 
nitauschungen bringen mögen, denn ob die vor⸗ 
eschlagene Verschärfung der Waffen in dem Kampfe 
er deutschen Polizei gegen die sozialistische Be— 
begung den an maßgebender Stelle erhofften 
urchschlagenden Erfolg bringen wird, muß noch 
ehr dahingestellt bleiben. 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 17. Jan. In der jungst er⸗ 
chienenen Kangliste der bayherischen Offiziere ist 
ei jedem Einzelnen auch das Geburtsjahr ange⸗ 
eben, und es ergiebt sich hiernach, daß die Generale 
m Lebensalter zwischen 69 und 70, die Obersten 
vischen 47 und 60, die Oberstlieutenants zwischen 
8 und 55, die Majors zwischen 38 und 531, die 
»auptleute (Kittmeister) zwischen 25 und 51, die 
Zzremierlieutenants zwischen 25 und 48 und die 
Secondelieutenants zwischen 18 und 36 Jahren 
tehen. 
Berlin, 17. Jan. Die „National-Zeitung“ 
chreibt: Dem Erscheinen des Reichskanzlhers 
m Reichstage werde mit um so größerer Erwar⸗ 
ung entgegengesehen, als man Aufklärung über 
ie vielfach unerklärliche auswärtige Situation er- 
vofft. Die Lage der Industrie, die sich für die 
ommende Sommer- und Herbstkampagne vorzu⸗ 
ereiten habe, sei unerfreulich, da sie gegenüber 
en widersprechenden Nachrichten den Weg nur 
hwer finden könne. 
Berlin, 17. Jan. Als ein Zeichen der Zeit 
arf es angesehen werden, daß das Herrenhaus 
inen der schroffsten Vertreter das Junkerthums den 
hemaligen Duellgegner Hinkeldeys, Hans v. Rochow, 
jer Akklamation zum ersten Vizepräsidenten erwählt 
sat. Man wird sich wohl noch der Zeit erinnern, 
oo der Uebermuth des Junkerthums so weit ging, 
aß Herr von Rochow den ehemaligen General⸗ 
olizeidirektor von Berlin, Herrn v. Hinkeldey, der es 
ewagt hatte, Gesetz und Recht auch gegen die vor- 
ehmen Herren zur Geltung zu bringen, und einen 
dligen Jockeyklul zu schließen, weil dort verbotenem 
zazardspiel gefröhnt wurde, zum Duell herausfor⸗ 
erte und erschoß. In dem Kampfe der brutalen 
zureaukratie mit dem anmaßenden Feudaladel nahm 
iber das Berliner Bürgerthum für jene Partei. 
das Herrenhaus aber, welches für den edlen Hans 
»on Rochow eintrat, bleibt allerdings seinen Tra— 
itionen getreu, indem es den damaligen Gegner 
es Herrn von Hinkeldey zu seinem ersten Vize— 
räsidenten wäklt⸗ 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 19. Jan. Der gestrige 
vie auch der heutige Tag sind als Erinnerungs⸗ 
age an die weltgeschichtlichen Ereignisse von 1871 
son ganz besonderer Bedeutung. Am 18. Januar 
erkündete der 74jährige König Wilhelm, nach 
orhergegangener kirchlicher Feier, zu Veriailles den 
fücsten, Würdenträgern und Offizieren aller Grade, 
aß er die ihm dargebotene Kaiserkrone annehme 
end ertheilte dem Kanzler Bismarck den Befehl, 
ie Proklamation an das deutsche Volk zu verlesen. 
dach Beendigung derselben brachte Großherzog 
rriedrich von Baden dem „Kaiser Wilhelm“ das 
iste Lebehoch aus, in welches die Versammlung 
nter den Klängen der Volkshymne begeistert ein⸗ 
ammte. Mit diesem welthistorischen Alt war das 
deutsche Reich und die deutsche Kaiserwürde zu 
vachsendem Glanz und Herrlichkeit wieder erstanden. 
189. Januar: der letzte Ausfall vor Paris mit 
iber 100,000 Mann unter General Trochu wird 
urückgeworfen. Die in drei Colonnen vorrückenden 
Franzosen nehmen die Höhen von Garches und die 
Schanze von Montretout, werden aber nach sieben⸗ 
suudigem furchtbaren Kampfe unter großen Ver⸗ 
justen zurückgeschlagen. An demselben Tage wird 
die Nordarmee unter General Faidherbe durch 
Heneral von Goeben fast vernichtet. St. Quentin 
wird erstürmt und 6 Geschütze und 9000 Ge⸗ 
angene fallen in die Hände der Sieger. 
St. Ingbert, 19. Jan. Die Neuwahl des 
dandraths der Pfalz wird an einem noch zu be— 
limmenden Tage des Monats März abgehalten. 
Zu wählen sind insgesamt 23 Mitglieder und eben 
d viele Ersatzleute und zwar für je zwei zu ge— 
neinsamener Wahlhandlung vereinigte Distrirtsge⸗ 
neinden ein Landraismitglied und ein Ersatzmann; 
erner haben die Vertreter des größeren Grundhe⸗ 
ißes in je drei Bezirksaämtern ein Landratsmitglied 
ind einen Ersatzmann zu wählen, außerdem ent⸗ 
allen auf die katholische Geistlichkeit zwei Mitglieder 
auf die protestantische ein Mitglied des Landraths 
ind die gleiche Zahl der Ersatzmänner. Wählbar 
st jeder zur Annahme der Wahl eines Distrikts⸗ 
athes berechtigter Gemeindebürger, der das 30. 
debensjahr erreicht hat. Die Wahl erfolgt auf die 
dauer von 6 Jahren. 
* St. Ingbert, 19. Januar. Gesitz⸗ 
vechssel.) Bei der gestern stattgehabten Versteige⸗ 
— 
brenden Wohnhauses, gelegen in der Kohlenstraße, 
sing dieses um die Summe von 5000 Mark in 
zen Besiß des Anstreichers Nilolaus Kimmel! über. 
Mittelberxbach, 17. Jan. Gestern 
nerunglückte der Bergmann Heinrich Müller in der 
doönigsgrube bei Neunkirchen dadurch, daß in einem 
tremsschachte ein Seil riß und ein herabstürzender 
dohlenwagen ihn so traf, daß er alsbald an den 
Berletzungen starb. Der Verunglückte war ein be⸗ 
orgtet Vater seiner Familie und ist der Fall ein 
im so beklagenswerther, als am 26. Dezember 
vorigen Jahres erst seine Frau ihm im Tode voran⸗ 
Jegangen war und nun Z unversorgte, vnmündige 
Zinder als Waisen den Tod ihrer Eltern beklagen. 
Zweibrücken, 17. Jan. Die Eröffnung 
der ersten im Geschäftsjahr 1888 abzuhaltenden 
Sitzungs⸗ Periode des Schwurgerichts bei dem kgl. 
daudgerichte Zweibrücken ist auf den 13. März l. 
J. festgesetzt und Herr Oberlandesgerichtsrath Kuhn 
um Vorsißenden dieser Schwurgerichtssitzungen er⸗ 
nannt. 
Die Generalversammlung der Düngerfabrik 
daiserslautern beschloß die Vertheilung einer 
Dipidende von 23 pCt. gleich 3.75 Mark pro 
Aktie. 
In dem Tunnel zwischen Kaltenbach und 
Münchweiler ging dem Bahnarbeiter Ludwig Koch 
‚on Petersbächel beim Sprengen eines Felsen ein 
Schuß ins Gesicht, der ihn erheblich verletzte. 
In Annweiler herrschen gegenwärtig, 
zleichwie in vielen anderen Orten, die Kinderkrank⸗ 
heiten so arg, daß nach dem dortigen Wochenblatt 
in der Volieschule nahe an 100 Kinder fehlen 
und die Kleinkinderschule ganz geschlossen werden 
mußte. 
— Speyer, 17. Jan. In der gestern in 
steustadt a. H. siatigehabten Sitzung des pfälz. 
Zundesthurnraͤthes wurde u. A—. beschlossen, im