Full text: St. Ingberter Anzeiger

auszeichnungskreuzes 1. Classe und des kgl. würt⸗ 
embergischen Olga⸗Ordens. 
F München, 22. Jan. Seit einigen Tagen 
st es den einjährigfreiwilligen Aerzten, Apothekern, 
owie den Degenfähnrichen gestattet, die Pickelhauhe 
zu tragen. 
F Würzburg, 20. Jan. Militärbezirks- 
gericht.) Philipp Fuchs, lediger Fabrikarbeiter von 
Trippstadt, Gemeiner 2. Klasse des k. 2 Feldar⸗ 
tillerieregiments dahier, zur Zeit in Landau de—⸗ 
achirt, erst im Juli vorigen Jahres wegen eines 
seinem Kameraden zugefügten Gelddiebstahls von 
40 Mk. vom hiesigen Militärbezirksgerichte zu 8 
Monaf Gefängniß und Versetzung in die 2. Klasse 
des Soldatenstandes verurtheilt, öffnete am 28. 
November vorigen Jahres mittels falschen Schlüs- 
sels den Schrank des Sereganten Jakob Roth 
seiner Batterie und entwendete daraus den Betrag 
von 2 Mk. 80 Pf., welcher in der Tasche einer 
darin aufbewahrten Hose stack. Urtheil wegen 
Verbrechens des Diebstahls untec Annahme mildern⸗ 
der Umstände 9 Monate Gefängniß, Verlust der 
bdürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 8 
Jahren 6 Monaten und Entfernung aus dem 
Heere. — 1 Jahr 6 Monate Zuchthaus bei Verlust 
der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 4 
Jahren und Entfernung aus dem Heere wurden 
wegen Verbrechens des Diebstahls zugesprochen dem 
Bemeinen des k. 18. Infanterie Regiments in Landau, 
Jakob Hachtel von Göcklingen, welcher in der Nacht 
»om 25. auf den 26. Oktober vorigen Jahres 
durch ein Fenster eines zur ebenen Erde gelegenen 
Zimmers nach Eindrücken einer Scheibe in das 
Anwesen der Jakob und Maria Nuß'schen Eheleute 
in Heuchelheim einsteigend aus einem in dem 
Zimmer siehenden Pulte verschiedene darin aufbe⸗ 
wahrte Schmuckgegenstände und eine silberne 
Spindeluhr im Gesammtwerthe von 30 Mk. ent⸗ 
wendete. — Ludwig Eberhard lediger Fabrikschuster 
pvon Pirmasens, Gemeiner des k. 18. Infanterie⸗ 
Regiments in Landau, sollte am 1. November v. 
Is. auf Nachtposten an der weißen Kaserne ziehen. 
Da er betrunten war, schickte ihn der Wachkom⸗ 
mandant nach Hause. Diesem Befehle kam indeß 
Eberhard nicht nach, ebenso nicht jenem das Unter⸗ 
offizier du jour, vielmehr begab sich Eberhard in 
den nahe gelegenen Rathskeller, wo er vom Feld⸗ 
webel Hoenisch arretirt und auf die Wache verbracht 
wurde. Als der Feldwebel ihm befahl, abzu—⸗ 
schnallen, warf er unter Ausdruck des Zornes 
eine Armatur zur Erde und schrie, es sei eine 
Schande. unter den Bayern zu dienen. Urtheil 
wegen erschwerten Ungehorsams und Achtungsver ⸗ 
ietzung 4 Monate Gefängniß. 
f Der Erlöser. In einem oberbayerischen 
Ort sitzt der Herr Pfarrer am Schreibtisch und 
schreibt emsig an seiner Predigt. Es klopft. — 
„Herrein!“ Ein lediges Pfarrkind, 'stark in der 
Dreißigern, tritt ein. Der Herr Pfarrer schreibt 
veiter. — „Na was ist denn, Annamirlhl?“ fragt 
ex endlich — „3— u d- a Brautprüafung k—aam 
, hei —rat'n taat i'.“ — Der Herr Pfarrer nimmt 
das zur Kenntniß und schreibt weiter. Plößlich 
fällt ihm die Prüfung ein und er fragt: „Ra, 
Annamirl, sag' mir einmal, wer hat Dich denn 
erlöst?“ — „N ZTegernseer“, sagt's Annamirl 
und erröthet verschämt. 
F Stuttgart, 20. Jan. Heute hielt der 
Ausschuß der Weinverbesserungs-Gesellschaft eine 
Sitzung ab, in welcher der Beschiuß gefaßt wurde, 
daß dieselbe, an sie herantretenden Wünschen ent⸗ 
sprechend, den Interessenten des Weingärtnerstandes 
in einer Petition an den Reichstag Ausdruck geben 
solle. Diese Petition wird zum Gegenstand haben: 
1) Verbot des Kunstweines, 2) Declarationszwang für 
gallisirte, das ist durch Zuckerzusatz ꝛc. verbesserte 
und vermehrte Weine. Jusbesondere gegen die durch 
das Gallisirungssystem erzielte Vermehrung der 
Raturweine, die bis zur Verdoppelung des Quan⸗ 
zums geht, richtet sich die Petition. 
F Aus Bruchsal wird der „Irkf. Zig.“ 
zeschrieben, daß die dortige Firma Gros u. Cie. 
mn Zahlungs⸗verlegenheiten gerathen ist. Dieselbe 
betrieb früher eine Korsett-Weberer; vor eiwa 2 
Jahren erbaute sie eine Fabrik für Sammet 
Färberei und exportirte ihr Fabrikat nach England 
und Rußland, Die Pasiven werden mit zka. Mk. 
100.000 angegeben, als Hauptigläubigerin wird 
die Dentsche Unionbank in Mannheim mit Mk. 
100,000 genannt, wovon ein Theil gedeckt sein 
oll. Dem Vernehmen nach sind Bestrebungen im 
s 
Bange, auf Basis von 25 Prozent ein Arrange⸗ 
ment herbeizuführen. 
* Ein Bombardement mit Haud— 
käsen, welches beiläufig gegen eine Stunde 
)auerte, fand am Samstag Nachmittag zur größten 
Erheiterung der zahlreichen unbetheiligten Zuschauer 
auf der Gallerie jin der Frankfurter Markthalle 
tatt. Aus Gründen, die nicht bekannt geworden 
ind, geriethen ein Käsebauer und ein Käseweib in 
vüthenden Streit und alsbald begannen beide 
vackeren Kämpen aus ihren Körben ihre duftenden 
Beschofse hervorzuholen, mit denen sie sich so lange 
hewarfen, bis die Körbe leer und ihre Wuth ver⸗ 
caucht war. 
x Ein eigenthümlicher Unfall hat sich in Groß— 
Berau ereignet. Während der Eilzug Mainz- 
Darmstadt im Bahnhof durchfuhr, wurde, wie ge⸗ 
vöhnlich der Postbeutel herausgeworfen, flog aber 
nit solcher Heftigkeit dem diensthabenden Stations⸗ 
issistenten an den Kopf, daß der Beamte der Be— 
innung beraubt, zusammenstürzte. Es währte 
nehrere Stunden, bis das Bewußtsein wiederkehrte. 
Der Beschädigle leidet an heftigem Fieber und ist 
och nicht außer Gefahr. 
F Trier, 22. Jan. Der Güterzug Nr. 923 
darthaus⸗Coblenz ist heute früh 8 Uhr während 
»es Einfahrens im hiesigen Bahnhof entgleist. Die 
Woagen lagen drunter und drüber und es sind da⸗ 
jon achtzehn zum Theil schwer beschädigt. Ebenso 
sat der Zugführer, welcher im Packwagen hinter 
er Maschine arbeitete, darch den Ofen im Wagen 
rhebliche Brandwunden erlitten. 
F Gegen das Altersversorgungs-Programm 
)er Reichsregierung hat sich in Leipzing eine 
ffentliche Arbeiterversammlung. welche von etwa 
000 Personen besucht war, am Donnerstag aus⸗ 
esprochen. Die angenommene Resolution „erblickt 
n der Alters⸗ und Invalidenversorgung und der 
zamit verquickten Einführung der Arbeiterbücher, 
vie sie im Reichstag vorliegt, einen Eingriff in die 
stechte des freien Arbeiters. Die Versammlung er⸗ 
lärt lieber auf die Alters- und Invalidenver⸗ 
orgung zu verzichten, als sich durch derartige 
Naßnahmen an die Arbeitgeber zu verkaufen, und er⸗ 
ucht den hohen Reichstag, die jetzt schon so beschränkten 
dechte der Arbeiter nicht noch mehr zu verkürzen.“ 
die Arbeiter sollten aber auch positive Vorschläge 
aza machen, wie die ihnen mißliebigen Bestimm⸗ 
ingen aus den „Grundzügen“ auszumerzen und 
zurch bessere zu ersetzen sind. 
fBerlin. 20. Jan. Die Karbolsäure hat 
jeuerdings wieder mehrere Opfer gefordert. Dazu 
»emerkt die „Pharm, Ztg.:“ „Wohl 90 Prozent 
iller in der Häuslichkeit vorkommenden Arzneiver⸗ 
vechslungen mit tötlichem Ausgang entfallen auf 
enes Gift. Es ist seiner Zeit der Austrag abge⸗ 
ehnt worden, besondere Gläser für äußerliche Arz⸗ 
jeien in den Apotheken einzuführen, und in der 
that spricht ja manches dagegen, allein nach Mitteln, 
ie Karbolsäure in der Haushaltung kenntlicher zu 
nachen, sollte doch gesucht werden. Jedenfalls müßte 
ieselbe niemals, auch wenn ärztlich vorgeschrieben, 
hne warnenden roten Giftzettel in die Hände des 
Bublikums gelangen.“ — Ewas über zweieinchalbe 
Nillion Einpfennigstücke sind im vorigin Monat 
ieu geprägt worden, in der Berliner Münze allein 
ür mehr als zehntausend Mark. Ferner hat die 
Berliner Münze noch für 7,332,120 Mk. Doppel⸗ 
ronen auf Privatrechnung geprägt. 
Der Handwerkerverein in Oldenburg 
jatte jüngst eine heitere Festlichkeit, die bewies, daß 
n den Handwerkerkreisen ein gesunder Humor auch 
zute Pflege hat. Ein Mitglied des Vereins trug 
1. a. folgendes, mit stürmischem Beifall aufge⸗ 
iommene, selbstverfaßte Lied vor: 
Es zogen gen Rußland der Handwerker drei, 
Fin Kuürschner, ein Schuster, ein Schmied war dabei. 
Da sprach der Russe: „Was kommt ihr zu dritt? 
Was beingt ihr denn gleich für Handwerkszeug mit?“ 
Der Schmied, der zeigte den Hammer so hart: 
„Ich weiß zu schlagen nach deutscher Art!“ 
Der Kürschner rief: Kommt ihr ins deutsche Haus, 
Ich wasch euch den Pelz, dann klopf ich ihn aus!“ 
Der Schusler, der sprach verstohlen: 
.Ich möcht' mal so gern euch das Leder versohlen!“ 
„Drum kommt ihr aus euerm Rußland heraus, 
Wir schicken geklopft und versohlt euch nach Haus!“ 
F.Mit dem Spleen der Engländer, 
von dem immer gesprochen wird, muß es doch seine 
stichtigkeit häaben. Macht da in einer süddeutschen 
Stadt ein Sohn Albions einer jungen Dan— 
eit Wochen den Hof und endlich wagt er 
zändniß seiner Liebe und zwar auf offener ee 
Laut lachend anwortet die Schöne: „Spreche 
mit meinem Mann.“ „Sie seind vereiertad d 
der Liebhaber verblüfft, faßte sich aser sofone 
und sagte: „Mackt mix, werd' ich mit Ihr F 
preck'.“ — Richtig ging der edle Britte —9 
tellte sich vor und fragte rundweg: Wunhe 
Ihr Frau? Hier seind 500 Pfund.“ Der 
dem sein Frauchen schon mehrfach von dad 
pleenten Menschen erzählt hatte, lehnte die e 
ing ab, worauf sich der Verliebte, wie 
ehr betruübt entfernte. 
7 Kiel. Der Bau des Nordosn 
Tanals beginnt im Frühjahr auf der 
rinie. Es werden auf der 88 Km langen s 
ieben Barackenlager errichtet, in welchen im 64. 
1000 Arbeiter Platz finden können. gJe 
F Ostende, 19. Jan. Ein Mord —— 
ingfügiger Ursache, der hier in der Nache 
Mittwoch begangen wurde, hat die ganze 
in Aufregung versetzt. Ein vohlbekannter dute 
er Redakteur und Zeichner des illustrierten Iee— 
„Ostende ˖ Attraction“, Viktor Cremers, wunu 
»em Segel⸗Fabrikanten Jacques Dewend. 
Bayerischen Hof“ dahier am Dienstag Abamn 
inen heftigen Wortwechsel gerathen, in dessenr 
aufe Ersterer den Letzteren einen „Feigling“ ntget 
Deweert hatte die Beleidigung. um keinen EShin 
n dem Etablissement zu erregen, schweigendnif 
zenommen. Da jedoch Cremers Freundenm 
eiten des Beleidigten irgend welche Gewaltttto 
eit befürchteten, begleiteten sie den ersteren P 
dause. Auf dem Theaterplatze angekommen, m 
)»en fie von Deweert eingeholt, der, Cremer' 
die Schulter klopfend, sagte: „Sie haben missei 
ben einen „Feigling“ genannt; würden Siezja 
viederholen?“ Statt jeder Antwort, ließ Cuð 
ich auf ein Knie nieder, zog einen Revoldaga 
choß Dewert in den Unterleib. Deweert erlaslät 
weits gestern seiner Verletzung. Cremers wurdle 
elben Nachmitiage nach dem Gefängniß in vin 
ibgeführt. 
fF Ueberführung der Leiche Net 
gals. Vom Kap Palmas, 28. Dezember, sim 
man der „Köln. Ztg.“: Gestern Vormittag wia 
zier in Gegenwart des Gouverneurs von Kamgi 
Frhren. v. Soden, des Kapitäns und des kbe 
irztes der ‚Gertrud Woermann“ und eines E 
tellten der Firma C. Woermann die irdve 
Reste des dor mehr als zwei Jahren dort beene 
Afrikaforscherss Dr. Nachtigal ihrer bishcu 
Kuhessätte entnommen. Nachdem mit Miübfü 
Zementirung durchbrochen war, stieß mantä 
)»en sehr morsch gewordenen Sarg, welchner! 
noch das Skelett enthielt. Der martialische Stwi 
hart des Verstorbenen war noch vollständig erhew 
Von den Kleidern fanden sich nur noch if 
Fetzen. Die Ueberreste wurden sofort an Oui 
Stelle in einen eigens dazu mitgebrachten Zindi 
jelegt und mit der „Gertrud Woermann“ vf 
jach Kamerun befördert, wo sie in nächster * 
»es dort bereits errichteten Denkmals beb 
verden sollen. Die füc ein Nachtigal⸗Denlni 
dap Palmas bestimmte Summe soll, wie beh 
uur Errichtung eines Leuchthurmes in Ken 
erwandt werden. 
Paris, 21. Jan. Die Werkstäten“ 
Ftablissements Forges et chantiers de la u 
æerrance“ in Habre find gänzlich niedergehn 
Der Schaden ist durch die Versicherung g 
zie Gesellschaft erklärt. keinen Arbeiter entlase 
vollen. 
F Paris, 23. Jan. In einer Anarh 
Bersammlung in Havre feuerte ein Theiln 
der Versammlung namens Lucas 2 Revt 
chüsse auf Louise Michel ab. Eine? 
rang hinter dem Ohr der letzteren ein und 
ine schwere Verwundung verursacht zu haben. 
vurde verhaftet. 
F Eine unerfreuliche Statistik wir 
Baris mitgetheilt: Der Generalrath des 6 
Departements hat fünf Millionen für den 
iner sechsten Irren Anstalt bewilligen müssen. 
orhandenen fuͤnf Anstalten reichen nicht elh 
nehr aus, obwohl sie nicht alle Irren aufneh 
Das Seine⸗Departement zählt jetzt 100,000 
4870 waren es nur 6000 und 1804 nur 
In lehterem Jahre kostete die Irrenpflege 
00,000 Frks., jetzt über fünf Millionen. 
Desbres, seit Jahrzehnten Oberarzt der 66