Full text: St. Ingberter Anzeiger

sten des Unternehmens ausgesprochen haben, kann 
dasselbe als gesichert betrachiet werden. 
— Aus der Pfalz. In Kaiserslautern 
wurde vor etwa 15 Monaien eine täglich erschei ⸗ 
nende sozialdemokratische Zeitung begründet, „Pfäl⸗ 
zische Freie Presser genannt. Man hörte nicht 
eben viel von dem Blatte. Mit dem 1. Januar 
1888 siedelte das Blatt, das in der Kaiserslauterer 
Arbeiterschaft keinen Boden zu fassen vermocht hatte, 
nach Ludwigshafen über, jedenfalls in der Hoff⸗ 
aung, mehr Glück zu haben. Die Mittiel schienen 
aber vorerst nachzulassen; denn das täglich erschei⸗ 
nende Blatt verwandelte sich in eine Wochenschrift. 
Von den drei bis jetzt erschienenen Nummern sind 
bereits zwei dem Schicksale der Beschlagnahme ver⸗ 
fallen. Die erste Beschlagnahme erfolgie durch das 
Amtsgericht Ludwigshafen wegen Vergehens gegen 
8 130 des Strafgesetzbuches; die zweite durch das 
dortige Bezirksamt wegen Verletzung des 8 11 des 
Sozialistengesetzes. 
Vermischtes. 
F Mänchen, 24. Januar. Der I1djährige 
dateinschüler Fauner, welcher am 8. Nov. v. 
J. durch unvorsichtigen Umgang mit einem Revolver 
einen Schüler seiner Klasse erschoß, wurde vom 
Landgerichte dahier wegen fahrläsfiger Tödtung zu 
einer achttägigen Gefängnißstrafe verurtheilt. Der 
Vertheidiger rügte mit Recht die Unfitte, daß Ge⸗ 
schäftsleute an so junge Leute Schußwaffen ver— 
kaufen. 
fEine Erinnnerung an den bahye—⸗ 
rischen General v. d. Tann. Es war im 
Jahre 1856, als v. d. Tann beim Abschiede von 
jeiner an den elsässischen Baron v. Dietrich zu 
Niederbronn verheirateten Schwester halb im Ernft, 
dalb im Scherz sprach: „Schwesterchen, ich komme 
zu Dir erst, wenn ich Dich wieder erobere.“ Etr 
hielt auch Wort und sah die Schwester nicht eher, 
bis zu dem denkwürdigen Jahre 1870, wo er nach 
der Schlacht bei Wörth den fliehenden Feind ver— 
folgte und bei dieser Gelegenheit auch nach Nieder⸗ 
bronn kam, wo der Marschall Mac Mahon soeben 
bei Tann's Schwefter noch eine Mahlzeit einge— 
nommen, die man für ihn bereitet hatte. Da trat 
Tann in das Haus und begrüßte die Schwester 
gach so langer Zeit mit den Worten: „Siehst 
Du, Schwesterchen, nun haben wir Euch und lassen 
Euch nicht wieder los!“ 
Mallersdorf, 28. Jan. Der geistes— 
kranke Pfarrer Holzner in Hornbach hat sich mittels 
eines um die Thürangel geschlungenen Strickes er⸗ 
hängt. 
F Einen beherzigenswerthen Mahnruf richtete 
der Turnverein Bayreuth zu Neujahr an seine 
Mitglieder. In Anbetracht der gegenwärtigen 
politischen und gesellschaftlichen Verhälinisse wird 
darauf hingewiesen, daß in einer Zeit, in welcher 
unser deutsches Vaterland ringsum von beständigen 
Befahren bedroht ist und die gesunde Kraft des 
Volkes aufgeboten und gefördert werden müsse, um 
allen Angriffen kräftig begegnen zu können, die 
jungen Männer sich mehr als bisher an der Pflege 
der Leibes-⸗Uebungen betheiligen soliten. 
Alle jungen Männer, welchen die Ehre des Vater⸗ 
landes nicht gleichgültig sei, sollten sich Bestrebungen 
zuwenden, welche der Förderung der Volkskraft 
dienlich seien. Die in neuester Zeit ungewöhnlich 
stark grassirende Vereinsmeierei wird in dem Mahn⸗ 
ruf der Turner mit folgenden, zutreffenden Worten 
harakterisirt: „Ganz junge und unerfahrene 
Männer bilden heutzutage zwecklose und kostspielige 
Bereine, ohne daß es ihre Mittel, Kennmisse und 
zeschaftlichen Pflichten gestatten; wissen wir doch, 
daß junge Männer sich darin gefallen, in solch' 
autzlosen Vereinen Stellen zu bekleiden und hert⸗ 
cchen zu wollen, anstatt daß sie besser thäten, vor⸗ 
erst noch in den mannigfachen Verhältnissen des 
debens zu lernen und sich größeren und zwed ⸗ 
mäßigeren Vereinigungen als nützliche Glieder an⸗ 
zuschließen.“ 
FWürzburg, 24. Jan. (Militärbezirks- 
gericht.) Heute hatte sich zum wiederholten Mal 
der Landwehrbezirkkskommandeur Major a. D. Marc 
von Hof wegen Sittlichkeitsverbrechen zu verant- 
worten. Bekanntlich wurde Marc am 2. Dezember 
o. Is. wegen Verbrechen wider die Simlichkeit 
unter Annahme mildernder Umstände zu 1 Jahr 
3 Monaten Gefängniß, Verlust der bürgerlichen 
Ehrenrechte auf zwei Jahre, Verlust des Ofsiziers⸗ 
titels und sämmtlicher Orden und Ehrenzeichen 
oerurtheilt. Hiergegen legte er wegen eines Form⸗ 
fehlers Revision zum Generalauditoriat ein. welches 
in der Sitzung vom 30. Dezember das Urtheil 
aufhob und zur neuerlichen Verhandlung vor die 
BSeschworenen verwies. Das heutige Urtheil blieb 
zasselbe wie früher; 1 Monat 22 Tage Unter- 
uchungshaft kommen in Abzug. 
Von Räubern überfallen.) Ver— 
zaugenen Monat, so schreibt das „Würzb. Journ.“, 
ling der Sohn eines hiesigen Bürgers in die 
5remde. Es zog ihn nach Süden und so bereiste 
r denn — natürlich zu Fuße nach altem Hand⸗ 
verkerbrauch — die Schweiz und Jtalien. Fiorenz 
ind Rom waren besichtigt und nun war Neapel 
as nächste Reiseziel. Es war gerade Weihnachts⸗ 
ibend und eine bittere Kälte herrschte auch in jenen 
üdlichen Gefilden. Da wurde der junge Mann 
»on einer Bande Räuber überfallen, seiner Baar⸗ 
schaft beraubt und, blos mit Hemd und Hose be⸗ 
lleidet, gefesselt an einien Baum gebunden. Dort 
nußte der Unglückliche bei bitterer Kälte und Schnee⸗ 
zestöber die ganze Nacht und fast den ganzen 
nüchstfolgenden Tag verweilen, ein Opfer der Ver⸗ 
weiflung. Endlich gegen Abend kam ein Hirte 
des Weges, welcher den schon ganz Erstarrten los- 
hand und mit Hilfe einiger herbeigerufener Bauern 
in den nächsten Ort transportirten. Von dort aus 
kam er in ein römisches Spital und — als die 
Räume desselben wegen der Pilgerzüge zu klein 
vurden — in ein Krankenhaus nach Genua. Vor 
in paar Tagen nun ist der junge Mann endlich 
vieder bei seinen Eltern angelangt. Er ist noch 
mmer an beiden Beinen geläͤhmt und es wirv 
iner langen und sorgsamen Pflege bedürfen, bis 
er wieder seine vorige Gesundheit erlangt, was 
vir ihm von Herzen wünschen. 
F In Hornberg Gaden) ist die Wöhrle'sche 
nechanische Buntweberei die etwa 70 Arbeiler be⸗ 
chäftigt, vollftändig niedergebrannt. 
F Mannheim, 25. Jan. Als der erste 
inter den Jahresberichten der Handelskammern 
rrscheint in diesem Jahre derjenige des diesseitigen 
Bezirks. Er constatirt im Großen und Ganzen 
inen etwas günstigern Verlauf und nennt das 
zahr 1887 das weitaus beste unter den drei Jahren 
1885, 1886 und 1887. Leider aber hahbe der 
Aufschwung mehr den Verkehrsumfang als eine 
Zunahme an geschäftlichem Gewinn betroffen. da 
auf gar vielen Erwerbsgebieten über gedrückte Preise 
geklagt wird.“ 
F Irrthümlicher Wahrspruüch der 
Beschworenen. Eine Schwurgerichtssitzung in 
Münster, in welcher über eine Meineidssache 
derhaudelt wurde, hatte am 18. d. einen seltsamen 
Ausgang. Die an die Geschworenen gerichtete 
Frage lautete: Ist der Angeklagte schuldig, in der 
PBerhandlung ꝛc. wissentlich einen Meineid ge— 
chworen zu haben? Der Vertreter der Staals⸗ 
inwaltschaft forderte, nachdem er seine Darlegung 
»er Thatsachen beendet, die Geschworenen auf, diese 
Frage zu verneinen. Nun entwickelte sich ein 
zwischenfall, der in hohem Grade das Interesse 
»es Publikums in Anspruch nahm. Der Vorsitzende 
rinnerte den Staatsanwalt daran, daß er doch 
erschiedene belastende Momente hervorgehoben habe; 
ib er nicht das Schuldig des fahrlässigen Mein— 
eids antrage. Der Staatsanwalt erwiderte, er 
zleibe bei seinem Antrage; denn juristisch halte er 
die Sache für nicht genügend begründet. Er stellte 
s aber dem hohen Gerichtshofe anheim, die zweite 
Frage hinzuzufügen. Der Gerichtshof that dies 
ind nun beantragte der Erste Staatsanwalt, die 
erste Frage zu verneinen und eventuell die zweitt 
zu bejahen. Zur großen Ueberraschung lautete 
iber der Wahrspruch der Geschworenen auf Ja in 
der ersten Frage. Der Angeklagte war des wissent⸗ 
lichen Meineides für schuldig befunden. Nun 
nußte der Staatsanwalt ein Sirafmaß beantragen; 
exr forderte das Minimum, ein Jahr Zuchthaus 
Der hohe Gerichtshof aber verkündete folgenden 
Beschluß: „Die Geschworenen haben sich bei Ab⸗ 
chluß ihres Wahrspruches in einem Irrthum be—⸗ 
unden; die Verhandlung wird daher vertagt, und 
die Aburtheilung dem nächsten Schwurgericht über⸗ 
viesen.“ — Wir bemerken, daß eine solche Ver— 
veisung vor ein anderes Schwurgericht sehr selten 
st. Sie kann nach 8 317 Str.Pr.⸗O. nur er⸗ 
folgen, wenn das Gericht einstimmig der Ansicht ist, 
daß die Geschworenen sich in den Hauptsachen zum 
stachtheil der Angeklagten geirrt haben. 
F Elberfeld, 24. Jan. Die bekannten, 
nn fast allen frequenten Lokalen aufgestellten auto⸗ 
natischen Waagen wurde geute polizeilich beschlag- 
nahmt, weil sie nicht geaicht sind 
stellte es sich heraus, daß fast alle in 
Bewicht zeigten, welches bei 200 Kilb 
keit sogar 8 Kilo betrug. 
F Haßlinghausen Rheinbreuß 
Januar. Die unergiebigste Jagd iß 
ziesige. Bei der großen Treibjagd, die 
ind 17. d. M. in den drei Jagdrebiern 
zjausen J und I. und Duchholz abgeholh 
ist im Ganzen — ein Krametsvogel zu 
gebracht worden! 
Mühlhausen, 23. Jan. Ein 
mann aus dem benachbarten Uffheim wol 
mit dem Mittagszuge nach Hause fahren, 
elben beim Einsteigen in den Bahnwe 
Zrampfader sprang und das Blut dem 
dieser Stelle in Strömen entwich. Derz 
her sich bereits in Bewegung gesetzt hat 
ofort von Mitreisenden mittels der Noth 
gehalten. Der Verletzte wurde von einigen 
aus dem Wagenabtheil gehoben, worauf 
gleich ärztliche Hilfe zutheil wurde. Jed 
derselbe durch den erlittenen starken 9 
dereits so geschwächt, daß er in kurzer 9 
Die Leiche wurde in das Spital überges 
(Neue Muͤlh 
F. Metz, 25. Januar. Als Beleg 
mannigfaltigen Umgestaltungen der Befitzhe 
hiefiger Stadt mag gelten, daß das Wit— 
recht mit Gesammteinrichtung des 
„Hotel du Nord“ um den Preis von 
Mark aus den Händen des jetzigen Besiter 
Figenthum einer Munchener Bierbrauetei 
zangen ist. Letztere bezahlt dem Verkäufer 
ür das Recht der Ausübung des in 
Schwunge befindlichen Geschäftes eine Jal 
don 6000 Mk. und gedenkt ihrerseits den 
wiederzuverpachten. 
F Forbach. Ein eigenthümliqh 
fall ereignete sich am letzten Freitag 
niesigen Wohnung. Eben als die Familie 
Tische erhob und der Vater, ein Eisenbahr 
sich sein „Blech“ umschnallte, um an die! 
zehen, löste sich die Decke des Zimmers un 
Jerabzustürzen. Glücklicherweise war die 
sehr niedrig und der Mann ziemlich groß, 
er die ganze Last der fallenden Decke so lu 
—XDV 
Stube gerettet hatten. Dann ließ er die! 
Last fallen und rettete sich selbst ins Fro 
zing der Unfall noch ohne schlimme Fole 
die einzige Leiche, die zu beklagen war, 
des — Kanarienvogels, der in seinem HK 
chlagen worden war. Geschirr und Gläse 
lagen in Scherben, und eine Wolke dvon 
drang aus den Fenstern hervor. (Forb. 
Der Bierbrauerssohn Wagner, aus 
der unter dem Verdacht des Landesverra 
hjaftet worden war, ist gegen Bürgsch 
50,000 Mk. auf freien Fuß gesetzt worden 
die Gründe der kürzlich erfolgten Verhafn 
Fabrikanten chirurgischer Instrumente, Karl 
zuth von hier, ist noch nichts in die Oeffe 
zedrungen. Die Annahme, daß dieser 
der Verhaftung des Eisenbahnschreibers 
Zusammenhang stehe, erscheint der „K. 8 
weifelhaft. 
F Leipzig, 24. Jan. In der Nad 
Sonntag zum Montag sind aus einem Gold 
zeschäft in der Ritterstraße gegen 300 
Siegelringe mit verschiedenen Steinen, l 
goldene Armbänder, 10 Stück goldene 
uhren, 14 Stück goldene Damencolliers,! 
30 Stück Trauringe. 10 Diamantringe, 
Broschen, 12 Doubletten (Herren- und 
ketten) und eine größere Anzahl sogenanntet 
münzen gestohlen worden. Der Dieb ist 
noch nicht ermittelt. 
F Berlin, 24. Jan. Samstag iß 
seinem 71. Lebensjahre der Generalmajd 
Eugen Bock gesiorben. Mit ihm is 
eins der wenigen noch unter uns weilende 
glieder des ersten deutschen Parlaments hinge 
Als am 1. April 1885 dem Reichskanzler z 
70. Geburtstage eine Adresse der leßzite 
taiserlichen“ von 1848 überreicht wurde. 
ich auch Bock unter den 80 Unterzeichneck 
dem Letzteren sind außer dem jetzt Verf 
schon sechs geschieden, nämlich Max Duncket 
anwalt Hallbauer in Meißen, Dr. Löw 
Gerichtsrath a. D. Presting in Bischweilet 
Justizrath Simson in Berlin, der Brude