Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Speher. In der letzten Schaffengerichts⸗ 
—V eine Frau von Dudenhofen wegen 
Verkaufs entrahmter Milch auf dem hiesigen 
Wochenmarkt zu 5 Mk. Geldstrafe und zu den 
Zosten verurtheilt. Nach einer bestehenden Ver⸗ 
oxrdnung ist das Feilhalten derartiger Milch nur 
gestattet, wenn durch einen auf das Milchgefäß 
gellebten Zettel die entrahmte Milch als solche be— 
zeichnet ist. 
— Dürkheim. An die hohe Kammer der 
abgeordneten hat der Vorstand des Verschönerungs- 
Beteins ein Gesuch mit zwei Anlagen um eine 
Unterstützung für die R-⸗novation der Mauerzinnen 
auf der Limb ur g eingereicht. Nach dem vom kgl. 
reisbauamte zu Sp her besorgten Kostenanschlag— 
macht diese Arbeit einen Kostenaufwand von 1550 
Mk. nothwendig. Voa dieser Summe sind z. 3. 
400 Mk. vorhanden und beim hiesigen Vorschuß—⸗ 
Vrrein berzinslich angelegt. Es ist zu hoffen, daß 
das Gesuch, welches mindestens 1000 Mk. verlangt, 
edenso wie vor zwei Jahren, von den Herren Ab— 
zeordneten Dr. E. Buhl Deibesheim und De. E. 
Jäger-Speyer, den verehrten Ehrenmitgliedern unseres 
Vereins, warm unterstützt werde. — Auch die Stadt 
hat für die Limburg in den letzten zwei Jahren be— 
deutende Opfer gebracht, nahezu 1300 Mk., so daß 
man derseben außerordentliche Opfer z. Z3. kaum 
zumuthen kann. 
— Bei Wachenheim ertappten gestern 
stacht in größter Dunkelheit die Jagdhüter Weber 
und Meyer mit Unterstützung von Waldaufseher 
deist den Wilderer Steinmetz von hier in 
dem Augenblicke, als derselbe eine Rehgaise aus 
der Schlinge nahm. 
— Ludwigshafen, 18. Nov. Vom J. 
Dezember ab wird auf dim hiesigen Postamt 
uin vierter Schalter eieffnet und das Per— 
sonal um zwei Assistenten vermehrt. Ferner ge—⸗ 
langen vom gleichen Zeitpunkt ab die Postsachen 
ür die Stadt nicht mehr bei dem Bahnpostamt, 
sondern bei der Hauptpost in der Stadt an die 
Postboten zur Vertheilung. — Im Rhein an der 
iog. „Hemshof⸗Schachtel“ wurde heute Morgen eine 
nännliche Leich e geländet, welche als diejenige 
zes Fabrikarbeiters Kröckel, auf dem Hemshof 
wohnend, erkannt wurde. Kröckel war gestern in 
herschiedenen Wirthschaften recht munter und fidel, 
jat dabei jedenfalls des Guten etwas zu viel ge— 
than und ist „im Nebel“ in das Wasser gerathen. 
— Ludwigshafen, 19. Nov. Gestern 
Abend entstand in einem Hause an der Bismarck⸗ 
traße durch Explodiren einer Petro leum- 
ampe ein Zimmerbrand. Derselbe konte 
edoch, ohne erheblichen Schaden anzurichten, bald 
wieder gelöscht werden. 
— Kindenheim, 17. Nov. Heute Nach 
mittag zwischen 3 und 4 Uhr wurde der elfjährige 
stealschüler Alb. Wohlgemuth von hier, wel—⸗ 
her über Bubenheim nach Weiherhof zurückwollte 
jon einem Stromer, der sich hinter einem Nuß 
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jeringen Baarschaft bera ubt. Auch Kragen und 
Unterkleider eignete sich der Wegelagerer an; zer- 
riß, wohl Papiergeld suchend, das Aufgabenbüchlein 
des Knaben, sowie einen französischen Leitfaden, 
der im Ranzen steckte. Da der Knabe sein Eigen⸗ 
hum vertheidigte, zerstach ihm der Räuber mit 
ꝛinem Pfriemen die Hände, bis er losließ. Nach 
volldrachter That nahm der Gauner die Richtung 
gegen Monsheim querfeldein, beständig den Knaben 
hedrohend. Dieser lief eiligst zu den Eltern zu— 
rück und dieselben erstatteten sofort bei der Behörde 
Unzeige von dem Vorfall. 
— Za Großkarlhbach wurde dieser Tage 
»in Brautpaar ehelich verbunden, welches zusam— 
nen das stattliche Alter von 117 Jahren reprä⸗— 
jsentirte. Die Neuverwäblte ist 58. ihr Herr Ge⸗ 
mahl 50 Jahre alt. 
Dermischtes. 
FDudweiler. Mit welchemungeheuren 
Leichtsinn manche Leute mit größeren Summen 
seldes umzugehen pflegen, zeigt ein an den letzten 
dirmeßtagen hier vorgekommener Fall. In einer 
ziesigen Wirthschaft hat ein Herr (wahrscheinlich 
ein Reisender aus Saarbrücken ˖ St. Johann) auf 
einer Bank, wo er gesessen hatte, ein Portemonnait 
mit 5—600 Mark in Gold liegen lassen. Der 
Wirth, welcher es kurz nachher fand, schickte dem 
detr. Herrn sofort das Portemonnaie nach, worauf 
derselbe sehr erschrockeu that und dem Ueberbringer 
jroßmüthig — 2 Mark schenkte. Wäre das Geld 
n unredliche Hände gefallen, hätte der Herr 
— —— 
vahrscheinlich das Nachsehen und vielleicht einen 
Denkzettel für die Zeit seines Lebens gehabt. 
GD. A.) 
F In Neun kirchlen fiel gestern das 2jährige 
Töchterchen des Bergmanns Bauer (auf der Scheib 
wohnhaft) rücklings in eine Bütte voll kochenden 
Wassers, und zwar in dem Augenblicke, als 
die Mutter fich herumwandte, um kaltes Wasser 
zu holen. Das Kind erlitt sy» schwere Brand⸗ 
wunden vom Kopf bis zu den Knieen, daß ganze 
Dauistreifen losgelöst waren und herunterhingen. 
OfOb das arme Geschöpf wieder aufkommt, ift 
zweifelhaft. 
F Mülhausen i. Els. Notar Möhler 
dahier ist wegen Unterschlagung verhaftet worden. 
Die unterschlagenen Summen sollen sich auf 40000 
Mk. belaufen. 
F Mannheim, 18. Nov. In der letzten 
Stadtrathssitzung hielt Herr Oberbaurath Lindley 
aus Frankfurt a. M. einen Vortrag über die 
Kanalisation unserer Stadt. Der Voran—⸗ 
schlag für den oberen Stadttheil ist auf 700,000 
Heark, für den unteren Stadttheil auf 720,000 
Mark angesetzt und werden demnach die Gesammt⸗ 
kosten 1,420,000 Mk. betragen. 
München, 18. Nov. Nach neunstündiger 
Verhandtung der Eisenbahn-Katastrophe 
bvon Röhrmoos wurden nach Vernehmung von 
10 Zeugen und 3 Sachverständigen, sowie einer 
glänzenden Vertheidigungs Rede des Rechtsanwalts 
für Tiefenbacher, in welcher Redner die Schuld 
des Organismus streifte, die 3 Ang'kllagten schuldig 
befunden. Taglöhner Müller wurde zu 15 Mo— 
naten, Hilfswärter Seidl zu 12 Monaten unter Ab— 
rechnung der viermonatlichen Uatersuchungshaft, 
Adjunkt Tiefenbacher zu 6 Monagten Gefängniß 
und sämmtliche zur Tragung der Kosten verur— 
theili. 
F Berlin, 18. Nob. Heute vor 50 
Jahren war. es, daß Professor Gneist in sein 
atkademisches Lehramt eintrat, dem Jubilar wurdt 
dahier beim Beginn seiner heutigen Vorlesung über 
„Deutsches Staatsrecht“ von seinen Zuhörern in 
dem Auditorium eine lebhafte Obation gebracht. 
Seitens der Studirenden wird ein Festkommers 
zu Ehren der Jubilars geplant. Auch von anderer 
Seite sind dem Jubilar an seinem heutigen Ehren 
zage zahlreiche Ovationen dargebracht worden 
Schon am frühen Morgen wurden herrliche Blumen⸗ 
penden überbracht. Die Depeschenboten waren 
fortgesetzt unterwegs, um alle die telegraphischen 
Glückwünsche zu überbringen, die aus allen Thei⸗ 
sen Deutschlands, dann aber auch vor Allem aus 
England eingegangen waren. Da der Jubilar den 
Wunsch geäußert hatte, die aitgewohnte Thätigkeit 
in keiner Weise zu unterbrechen, fanden sich am 
Vormittug nur wenige nähere Freunde zur persön— 
ichen Beglückwünschung ein. Um 2 Uhr Nachmit⸗ 
ags überreichte der Dekan Prof. Goldschmidt als 
Führer einer Deputation der iuristischen Fakultä 
eine kunstdolle Adresse. 
F Auch eine Ehrenrettung. Ein 
nteressanter Sühnetermin fand kürzlich vor dem 
Schiedsmann im Bezirk 186 in Berlin statt. Als 
dlägerin erschien die Fra u des früheren Scharf—« 
richters Julius Krauts, welche bekanntlich 
chon seit Jahren von ihrem Manne getrennt lebt. 
Dieselbe wird in einem bluttriefenden Kolportage— 
roman „Der Scharfrichter von Berlin“ als die Geliebte 
eines gewissen Reinhard bezeichnet, welchem in der 
Erzählung eine Heldenrolle beigem ssen ist. Darin, 
daß man sie, als verheirathete Frau, in solch 
zweifelhaftes Verhältniß zu einem Fremden brachte, 
erblickte sie eine Beleidigung und beschloß, gegen 
den Verleger die Klage anzustrengen. Zunächsl 
jand jedoch ein Sühnetermin statt. Der Beklagte 
erklärte, daß nicht er, sondern der Verfasser des 
stomans verantwortlich sei. Letzterer war gleich— 
'alls im Termin anwesend. Es kam nun nach 
rinigen Unterhandlungen ein Vergleich unter folgen⸗ 
»n Bedingungen zu Stande: Der besagte Schrift- 
teller stellt in Heft 17 oder 18 des Romans die 
die gekränkte Ehre und den geschädigten Ruf der 
lägerin daducch „wieder her, daß er den Helden 
Reinhard sterbend unter heiligem Eide die Ver— 
sicherung abgeben läßt: Zwischen mir und Frau 
Zrauts ist nichts geschehen, was vor Gott und 
den Menschen einen Makel auf ihre Ehre werfen 
önnte.“ Loöst der Verfasser dies Versprechen nicht 
ein, so zahlt er der Käzerin eine Buße von 500 
Mark; sofort erstattete er der Frau Krauts die ihr 
erwachsenen Auslagen im Betrage von 30 Mk. und trug 
die Kosten für den Rechtsanwalt und den Sühne⸗ 
termin. Die Klägerin ging auf diese Vorschläge 
ein und verzichtete auf die Klage. 
FDie Indianerromane haben über 
eine Berliner Familie großen Kummer gebracht. 
Der 16jährige Sohn wohlhahender Eltern in der 
Langestraße war ein äußerst aufgeweckter und be—⸗ 
zabter Knabe, der in der letzten Zeit garz beson 
ders gern die Romane über das Indianerleben las. 
Den Eltern fiel das veränderte Wesen ihres Lieb⸗ 
lings auf, ohne daß sie einen Gruad dazu finden 
konnten. Der Knabe ging mit einem Messer be— 
waffnet umher und wollte fich absolut nicht die 
Daare schneiden lassen. Va endstellte er sich vor 
einigen Tagen durch Tättowiren der Haut der⸗ 
maßen, daß er auf der Straße auffiel und die 
Aufmerksamkeit des Publikums erregte. Man brachte 
den unglücklichen Kraben nach Hause und hier 
mußten die hinzugezogenen Aerzte den Eltern die 
traurige Mittheilung machen, daß der Aermste in- 
folge der eifrigen Liktüre der Indianerromane 
wahnsinnig geworden war. 
F Einige interessante Heirathsda— 
ten hat ein Londoner Statistiker ausfiadig gemacht: 
Shakespeare heirathete mit 18 Jahren, Dante, 
Franklin und Bulwer mit 24 Jahren, Kepler, 
Mozatt, Burke und Walter Scott mit 26 Jahren, 
Tycho de Brahe, Washington, Napoleon J. und 
Lord Byron mit 27 Jahren, Rossini zum ersten 
Male mit 39, zum zweiten Male mit 54 Jahren, 
Schiller und Karl Maria don Weber mit 31, 
Chancer, Hogarth, Peel und Wieland mit 32, 
Wordsworih, de Dabi mit 34, Aristophanes mit 
36, Wellington mit 37, Talma mit 39, Martiin 
Luther mit 42, Addison mit 44, Young mit 47, 
Swift mit 49, Buffon mit 55 und Goethe mit 
57 Jahren. Es fragt sich sehr, ob Shakespeare 
oder Goethe der Gescheidtere war in diesem Punkte. 
Ruhiger gelebt hat wohl der Verfasser des „Faust“, 
während Shakespeare seiner Frau — durchging. 
AReeenstesnachrichten. 
Pfaälz. Eisenbahnen. Aufgenommen wurde 
der geprüfte Bahndienstaspirunt Max Brehm von 
Lautzkirchen als Diätar bei der Kontrolle. 
c7r lter nachrichten. 
Gestorben: Ja Branchweilerhof Anna 
Engel, geb. Schnau, 29 J. a.; in Frankenstein 
Kathurina Bauer, geb. Kirch, 41 J. a.; in Lan⸗ 
dau Babette Keller, geb. Kimich, 82 J. a. 
Neueste Nachrichten. 
München, 19. Nov. Auf der Tagesordnung 
der heutigen Sitzung der Kammer der Abge⸗ 
ordneten stand die Berathung des Militäer— 
etats. Abg. Jakob Bäurle GZenti.) beklagt 
die große Einquartierungslast in der Umgegend 
vom Lechfeld. Abg. Adam Haus (Gentrum) 
ergeht sich in Klagen wegen der Mißachtung der 
Sonntagsheiligung und Abg. Georg Orterer 
(Zentr.) weist auf die hehe Pensionslast und die 
vorgekommenen Soldatenmißhandlungen hin. Abg. 
Dr. Balthasar Daller (Zentr.) bringt die große 
Militärlast und die Stellung der Militärgeistlichen 
zur Sprache. Abg. Wilh. Burkhard (ib.) 
bespricht speziell die Verhältnisse in Würzburg 
betreffend die dortige protestantische Gemeinde. 
Der Kriegsminister erklärt, die Mißhandlungen 
von Soldaten würden sirengstens bestraft, Aus⸗ 
schreitungen seien aber troz aller Kontrole unver⸗ 
meidlich. Am Sonntag sei das Militär grund⸗ 
sätzlich dienstfrei, jedoch dann nicht, wenn zwei 
Feiertage hintereinander fielen. Die Militärgeist⸗ 
ichkeit fände fortgesetzt das Wohlwollen der Be⸗ 
hörden; Militärkirchen kenne Bayern nicht. Der 
direkte freihandige Ankauf der Lebensmittel verde 
hevorzugt; etwaige Wünsche bei Submissionen 
wurden berücksichtigt. 
Berlin, 19. Nod. Der Kaiser hat dem 
Contreadmiral Deinhardt, Chef des Kreuzer⸗ 
geschwaders an der ostafrikanischen Küste, in einer 
besonderen, aus Mytlilene, 1. November, datierten 
Dedre seine lebhafte Befriedigung für die That— 
kraft und Umsicht ausgesprochen, mit welcher der⸗ 
selbe die Blokade geleitet und bis zum Abschluß 
mit Erfolg durchg-führt hat. Gleichzeitig hat der 
Kaiser dem Contreadmiral Deinhardt den Kronen- 
orden 2. Klasse mit Schwertern verliehen. 
Für die Redaktion verantwortlich: F. X. Demetz