Full text: St. Ingberter Anzeiger

Rirche einer eingehenden Untersuchung zu unter- 
zjiehen. Wie der „Pf. K.“ hört, findet bis auf 
Weiteres der protestantische Gottesdienst im Sißungs⸗ 
aal des Gemeindehauses, der katholische im Saale 
der Wirthschaft „jum grünen Baum“ statt. 
— Die von manchen Arbeitgebern zu wenig 
beachtete Vorschrift, daß man die Dienstboten 
dei ihrem Eintritt sowohl auf dem Polizei⸗ 
bureau als auch bei der Gemeinde—⸗ 
krankenversicherung anmelden muß, zieht 
häufig schwere Folgen nach sich, wie zwei 
Ludwigshafener Gewerbetreibende 
erst kürzlich wieder zu ihrem Nachtheil erfahren 
haben. Einem in Dienst genommenen Mädchen 
wurde bei seinem Eintritte in den Dienst der Auf—⸗ 
trag, fich auf dem Stadthause anzumelden, was 
auch geschah. Das Mädchen ging aber nur auf 
das Polizeibureau, wahrend es die Anmeldnng bei der 
Bemeindekrankenversicherung unterließ. Etliche Wochen 
später wurde das Mädchen krank, und als es sich 
um die Zahlung der Kurkosten handelte, wurde der 
Dienstherr erst gewahr, daß er versäumte, sich um 
die Krankenversicherung seines Dienstboten zu kümmern. 
Wohl oder übel mußte er, dem „G.A.“ zufolge, 
ich wegen dieser Unterlassungssunde zur Zahlung 
der Kurkosten im Betrage von über 100 Mt. be⸗— 
quemen. Em anderer Arbeitgeber, der in ähnlicher 
Lage war, hatte den gleichen Nachtheil. 
— In Frankenthal kam in der Zucker⸗ 
fabrik der Arbeiter Andreas Sturm aus Alberswei—⸗ 
ler zwischen die Puffer zweier Eisenba hnwagen 
und wurde getödtet. Der Verunglückte hinterläßt 
eine Frau mit 3 Kindern. 
— Grünstadt. Bei der Zwangsver⸗ 
teigerung des Heinrich Scheffel'schen Wohn⸗ 
jauses im Bockhausgässchen wurde dasselbe um 
875 Mk. von Gufstab Seelenberader er— 
tteigert. 
— Die am Reformationsfest in den protestan⸗ 
tischen Kirchen der Pfalz erhobene Kirchenkol⸗ 
hekte für Tischstipendien der protestantischen 
Pfarramtskandidaten hat den Betrag von 2202 
Mk. und 18 Pfg. ergeben, gegen voriges Jahr ein 
Mehr von 213 Mk. 88 Pig. 
Pfälziisches Schwurgericht. 
IV. Quartal. 
Zweibrücken. Für die am 9. Dezember 
aächsthin unter dem Vorsitze des Herrn kgl. Ober⸗ 
andesgerichtsrates Stisch ter beginnenden Schwur⸗ 
zerichtssitzungen wurden die nachgenannten Herren 
als Geschworene ausgelost: Napoleon Philipp Lud⸗ 
wig August Meyer, Ziegeleibesitzer in Edenkoben; 
Karl Diehl, Rentnet in Schopp; Wilhelm Augusi 
Theodor Catoir, Müller in Großkarlbach; Jatkob 
Rech, Oekonom in Albessen; Johann Jochum, 
Dekonom in Kerzenheim; Johann Buschmann, 
Ackerer und Bürgermeister in Bebelsheim; Heinrich 
Schwarz, Architekt in Landau; Joseph Weber, 
Müller jund Bürgermeister in Hornbach; Georg 
Ludwig Fath II., Gutsbesitzer in Quichhein; Wil⸗ 
helm Brenzel II., Adjunkt und Ackerer in Nieder⸗ 
moschel; Friedrich Wagner, Ackerer und Blrger⸗ 
meister in St. Julian; Educrd Dahm, Kaufmann 
in Dahn; Johann Rieger VI., Bürgermeister in 
Böhl; Nikolaus Buchheitt, Oekonom in 
Heckendalheimz; Ludwig Neumayer, Adjunkt 
und Rentner in Frankenthal; Christian Frank, 
Müller auf der Salomonsmühle, Gemeinde Lang⸗ 
meil; Karl Lehmann junior, Geschäftsmann und 
Bankier in Zweibrüccken; Dr. Friedrich Michel, 
Fabrikant in Ludwigshafen a. Rh.; Peter Mang, 
Bürgermeister und Kaufmann in Heltersberg; 
Clemens Grohe, Kaufmann in Ludwigshafen a. Rh.; 
Joseph August Pallmann, Kaufmann in LS dstuhl; 
Bustav Schellhorn ;Wallbillig, Gutsbesitzer in Forst; 
Abraham Jotter, Oekonom in Eppstein; Heinrch 
dudwig Braun, Kaufmann und Bücrgermeister in 
Wolfstein; Ludwig Appel, Uhrmacher in Pirma— 
jens; Lorenz Friedrich Riede, Oekonom in Oppau; 
Dr. med. Herrmann Müller, Rentner in Wein— 
garten; Johann Striebinger, Tabakshändler in 
Speyer; Jakob Beck, Kaufmann in St. Ing⸗ 
bert; Eugen Bumiller. Kaufmann in Kaisers⸗ 
lautern. 
In dieser Session kommen dem Vernehmen nach 
folgende Straffälle zur Verhandlung: 1. Montag 
den 9. Dezember, vormittags 8jz Uhr: Johann 
Peter Kiefer, 30 Jahre alt, Schneider von 
Bliesbrücken. Anklagesache: Notzuchtsversuch. Ver- 
reter der kgl. Staatsbehörde: Herr III. Staats- 
anwalt Wagner; Verteidiger: Herr Rechtspraktikant 
Dr. Braun. 2. Dienstag den 10. Dezember. vor⸗ 
nittags 812 Uhr: Wilhelm Niby, 19 Jahre 
alt, Fabrikarbeiter pbon Ludwigshafen a. Rh. An⸗ 
lagesache: Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode. 
Bertreter der kgl. Staatsbehörde: Herr II. Staats⸗ 
inwalt Wildt; Verteidiger: Herr Rechtspraktikant 
Brechbiehl. 3. Mittwoch den 11. Dezember, vor⸗ 
nittags 8*2 Uhr: 1. Andreas Kuhn, 47 Jahre 
ilt, Schuhmacher, und 2. Franz Schmitt, 57 
Jahre alt, Mühlarzt, beide von Maitammer. An⸗ 
lagesache: Münzverbrechen. Vertreter der igl. 
Staatsbehörde: Herr III. Staatsanwalt Wagner. 
Lerteidiger: ad J. Herr Rechtspraktikant Fitting, 
id 2. Herr Rechtspraktikant Müller. 4. Mittwoch 
den 11. Dezember, nachmittags 43 Uhr: Apollonia 
Stephan, 28 Jahre alt, Dienstmagd von 
Horsbach. Anklagesache: Kindsmord. Vertreter 
der kgl. Staatsbehörde: Herr U. Staatsanwalt 
Wildt. Verteidiger: Herr Rechtsanwalt Schuler. 
». Donnerstag den 12. Dezember, vormittags 8 
dhr: Karl Warschko, 21 Jahre alt, Tagner 
von Oppau. Anklagesache: Brandstiftung. Ver— 
reter der kgl. Staatsbehörde: Herr II. Staais- 
inwalt Wildt; Verteidiger; Herr Rechtsprattikant 
Vogt. 6. Freitag den 18. Dezember, vormittags 
31j3 Uhr. J. Nikolaus Biewer, 38 Jahre ait, 
Bergmann; 2. Margaretha Jung, 31 Jahre alt, 
Witwe von Mathias Schmitt, beide von Dudweiler. 
Antlagesache: Mord. Vertreter der kgl. Staats⸗ 
»chörde: Herr J. Stactsanwalt Tillmann; Vertei⸗ 
diger ad I.: Herr Rechtsanwalt Schuler, ad 2.; 
hderr Rechtsanwalt Trier. 
VBVermischtes. 
FSt. Johann. Sicherem Vernehmen nach 
jat das Kammergericht zu Berlin entschieden, daß 
hie in hiesiger Stadt gelegenen, vom Stift St. 
Arnual als sein Eigenthum behaupteten (und 
heilweise als Bauplätze bereits verkauften) Land⸗ 
»darzellen der evangelischen Kirchenge— 
meinde St. Johann angehören. Demgemäß 
ann letztere die betr. Grundstücke in Besitz nehmen 
ind dieselben als ihr Eigenthum ins Grundduch 
intragen lassen. Andererseits ist zu erwarten, 
»aß das Stift St. Arnual einen Prozeß gegen die 
bvang. Kirchengemeinde anstrengen und weitere 
Zeweismittel über sein angebliches Anrecht auf 
jesagte Grundstücke ins Feld führen wird. Dieser 
ieue Prozeß lann möglicherweise die jetzige Gene— 
ation überleben. — Der Herr Oberpräsident hat 
ine Kollekte genhmigt für den Bau einer alt⸗ 
atbolischen Kirche in St. Johann-Saar⸗ 
rücken. Altkatholische und protestantische Ein— 
vohner von Malstatt-Burbach, St. Johann und 
7darbrücken haben bereits bis jetzt ea. 22 000 Mt. 
usammengebracht, doch reicht dieser Betrag noch 
iicht hin. um eine Kirche zu erbauen. 
Fe Ueber eine an Se. Majestät den Kaiser 
ibgesandte Petition der Bergleute des 
S3aar⸗Reviers bringt die „Irkf. Ztg.“ folgende 
znhaltsangabe: 
Es sei seit Mai dieses Jahres eine kleine 
zesserung gekommen, „aber lange nicht genug, um 
em Arbeiter eine menschenwürdige Existenz zu 
nachen. Es werden in vielen Fällen noch immer 
döhne bezahlt, bei denen in hiesiger Gegend, wo 
illes so theuer ist zum Leben, der unverheirathete 
Hann nicht bestehen kann und noch weniger der 
Berheirathete. Auch die kürzere Arbeitszeit, welche 
die Petenten forderten, sei angemessen. „Wir 
vollen. gerne an gewöhnlichen Tagen neun Stunden 
mit Ein- und Ausfahrt und am Samstag und an 
den Tagen vor Feiertagen acht Stunden arbeiten. 
Es ist dort, wo zur Probe eine kürzere Arbeitszeit 
eingeführt worden ist, der Beweis gegeben worden, 
)aß in der kurzen Schicht ebensoviel Kohlen ge— 
ördert werden, als in der längeren Schicht. Diese 
ichtet den Ardeiter zu Grunde, körperlich und zer⸗ 
tört sein Familienleben, indem der Vater sich um 
ie Familie nicht kümmern kann.“ Auch bei dem 
knappschaftswesen sei bieles nicht in Ordnung. 
„odann die Behandlung der Arbeiter durch die 
zeamten. Mit Bezug hierauf heißt es: „Wir 
saben der Commission, welche von Ew. Majestät zu 
ins geschickt worden ist, viele Mißzustände angegeben 
ind auch Pflichtwidrigkeiten der Unterbeamten. 
Deshalb glaubt man jetzt, daß wir den Beamten 
Feind seien und behandelt uns mit Mißtrauen ohne 
hrund. Der Bergmann will jeden braven Beamten 
ails treuer Untergebener ehren und ihm auch ge⸗ 
jorchen, damit der Bergbau, von dem er lebt und 
nuf den er mit seiner Familie angewiesen ist und 
nuf den seine Kinder zu ihrer Zeit wieder an— 
Jewiesen sind, blüht und gedeiht für das große 
deutsche Vaterland. Aber man muß den Bergmann 
auch als Mann behandeln, mit Bertrauen, wie ein 
Rann fordern kann, der eiichts Schlechtes getha 
hat und jederzeit seine Schuldigkeit thut. Es find 
diele Kameraden aus der Arbeit entlassen worden 
und haben doch nichts gethan, als ein Wort ge⸗ 
prochen, wo sie den Auftrag hatten von ihren 
tameraden. Die meisten sind verheirathet um 
zaben zahlreiche Familie und können sie nicht mehr 
ernähren. Weil der Bergmann, welcher abgelegt 
ist, eine andere Arbeit nicht firdet und auswandern 
muß, wozu er kein Geld hat, oder verhungern. 
Das hat viel böses Blut gemacht, aber die, Behörde 
hört uns nicht.“ Geschlossen wird mit den Sätzen: 
„Man wird Ew. Majeststt vielleicht sagen, daß hier 
Politit oder Confession im Spiele sei. Das ist 
aer nicht wahr. Wir haben mit den politischen 
Parteiangelegenheiten nichts zu thun und auch keinen 
Tonfessionsstreit im Verein. Wir haben Mitglieder 
von allen Confessionen und nur die Noth hat uns 
zusammengebracht.“ 
F In Forbach ist eiue neugegründete Hand- 
verkerfortbildungsschule mit 80 Schülern 
röffnet worden, der beste Beweis, daß dieselbe 
inem dringenden Bedürfniß abhilft. Unterricht wird 
rtheilt im gewerblichen und Bouzeichnen, im 
Deutschen und im Rechnen. Die Stadigemeinde 
rägt die Kosten, zu welchen die Regierung einen 
»edeutenden Zuschuß gewährt. 
F Die Eisenbahnen im Deutschen 
Reich haben am Schluß des letzten Betriebsjahres 
1888) nicht weniger als 348,400 Beamte, Ünler⸗ 
deamte und Arbeiter gehäbt. Bei einer Bevölkee⸗ 
uing von 48 Millionen ist demnach jeder 140. 
Mensch Angehöriger einer Eisenbahn. 
F Würzburg. General der Infanterie von 
Derfff. Kommandierender des 2. Armeekorps 
jollendet am 10. Dezember sein 72. Leben s jahr. 
Der General sieht seinem Geburtsfeste in ungetrübter 
Frische des Geistes und Koͤrpers entgegen. Möge 
er der Armee noch lange erhalten bleiben! 
F Ueber das gemeldete Eplosions-Un; 
zlück in Nuüurnberg meldet der „C. b. u. f. D.“ 
olgendes nähere: „die Rangierlokomotive, welche 
55 Wagen zu ziehen hatte, platzte plötzlich unter 
anonenschlagähnlicher Erschütterung der ganzen 
Umgegend des Bahnhofes. Fenster am Gesellen⸗ 
sospiz wurden zertrümmert und samt dem Fenster⸗ 
tock herausgerissen, ein schweres Eisenstück wurde 
»is an den Stadtgraben, ein anderes bis in die 
Nähe des Sternthores geschleudert. Fünf Personen 
vurden verwundet, Niemand geltödtet oder ver—⸗ 
srannt, da die Explosion nach der Seite erfolgte; 
die Lokomotive ist gänzlich demoliert und bietet 
inen grauenhaften Anblick dar; die Verletzten sind: 
1. Lokomotivführer Holzer, Verwundung am Halse 
ind am Kopfe, 2. Stationsdiener Herding, Ver⸗ 
vundung am Kopfe und schwere Kontusion am 
ꝛechten Bein; derselbe wurde von der Maschine 
herab auf ein anderes Schienengeleise geschleudert, 
3. Zugbegleiter Weidert, Verletzungen im Gesicht 
uind am übrigen Körper, 4. Lokomotivbheizer Ziegjer, 
Berletzung am Kopfe mit Bloßlegung des Knochens, 
5. Adjunkt Hofbauer, Verletzung der Stirn. Aerzt⸗ 
liche Hilfe war sofort zur Stelle. Zwei der Ver— 
letzten wurden in's Krankenhaus verbracht, die 
Jebrigen befinden sich zu hause in ärztlicher Be⸗ 
jandlung. Nach Aussage der Aerzte werden sämt⸗ 
liche Verletzte in einigen Wochen wieder gene⸗ 
sen sein.“ 
F Dresden. (Frühe Altersgrenze. 
Auffallend ist im Königreiche Sachsen der Mangel 
un hochbetagten Leuten. Ungünstiger als Sachsen 
teht in dieser Beziehung in Europa nur England 
da, außerhalb Europas die englischen Kolonien 
ind die Vereinigten Staaten (auf tausend Bewoh⸗ 
ner kommen über 40 Jahre alte in Frankreich 
350, in Sachsen 248, in England 241, in den 
Zereinigten Staaten 210, in den englischen Kolo⸗ 
nien 203). Je höher die Altersklasse, desto slärker 
vird dieser Gegensatz. Vom 70 Jahre ab ist selbst 
die englische Ziffer günstiger als die sächsische, vom 
30. Jahre ab tritt die sächsische Zahl auch noch 
zjinter diejenige jener außereuropäischen Staaten 
zurlick und wird damit die ungünstigste der Welt. 
F Ein origineller Junggesellen⸗ 
Bund wurde im Jahre 1864 von sechs Jung⸗ 
gesellen in Berlin gegründet. Zunächst erpflichtete 
ich Jeder, niemals zu heirathen; sollte einer der— 
elben jedoch die Anerkennung dieses Bundes⸗ 
Paragraphen bereuen, so sollte die von ihm an 
ie Kasse des Bundes gezahlte Kaution von 10000