Full text: St. Ingberter Anzeiger

welches eine machtige Urne von Metall enthielt. 
Zeider ist die Urne zerbrochen worden, weil man 
nicht ahnte, daß der Fund Wert habe. Die Stücke 
find aber sorgfältig aufgehoben und dem Direktor 
des Provinzial-Museums in Trier Mitteilung ge⸗ 
nachi worden. Das große Gewölbe bestand aus 
ultanischen Steinen, welche bei Strohn geworfen 
worden sind. 
pGEine Rabenmutter im wahren 
Sinne des Wortes stand letzter Tage wegen fort⸗ 
gesetzter Mißhandlung ihres Kindes vor den 
Schranken des Schöffengerichts zu Groß⸗Um- 
tadit in He ssen. Die Megäre hatte ihr zwei⸗ 
ahriges, im Witwenstand außerehelich geborenes 
Soͤhnchen in einer geradezu haarsträubenden Weise 
mißhandelt, so daß das Kind am ganzen Korper 
zlaue Flicken trug und ihm in Folge der Schläge 
zeide Äermchen gebrochen waren, außerdem war 
das arme Wurmchen, das zum größten Theil sich 
selbst oder zwei älteren Geschwistern überlassen war, 
jast bis zum Skelett abgezehrt. Um dem Leben 
ind Gesundheit des Kindes untergrabenden Ge⸗ 
dahren der unnatürlichen Mutter ein Ende zu 
machen, hatte die Ortspolizei unter Zuziehnng 
eines Arztes die gerichtliche Anzeige erhoben. Die 
Staatsanwaltschaft hielt für den Fall, der fast an 
das Unglaubliche grenzt, eine exemplarische Strafe 
aim Platz und beantragte 1 Jahr Gefängniß, 
welchem Antrag sich denn auch das Schöffengericht 
inschloß. 
Kassel, 10. Dez. Heute Nacht trat ein 
ungewöhnlich starker Schneefall ein. Der 
Schnee ist im Stadtgebiet fußhoch gelagert, der 
Straßenverkehr ist erschwert, die Pferdebahn sowie 
die Dampfirambahn haben den Betrieb bis auf 
Weiteres eingestellt. Die Eisenbahnzüge hatten 
Berspätungen. 
F München, 10. Dez. Friedrich 
Dahn, Ehrenmitglied der hiesigen Hofbühne, 
Vater des Breslauer Professors und Dichters 
Felix Dahn, ist gestern. 78 Jahre alt, hier ge⸗ 
dorben. 
F Chemnitz, 9. Dez. In den hiefigen 25 
Färbereien ist ein Streik ausgebrochen; nur 
zehn Prozent der Arbeiter arbeiten. 1800 der 
Sireikenden verlangen 33*2 Prozent Lohnerhöhung. 
F Eine Kirche aus Blech. Im Auftrage 
der Reichsregierung ist in Altona eine zerlegbare 
Kirche aus Wellenblech für Kamerun angefertigt 
und bereits dorthin verladen worden. Mit dem 
rächsten Dampfer folat auch eine kleine Orgel 
ach. 
In Lüttich hat die Droschken— 
Unstalt der Gebrüder Larock für den Winter 
geheizte Wagen eingeführt. Im Hintergrund 
zer letzteren ist ein Wärme ˖ Apparat angebracht, in 
welchen ein Kohlenziegel von zwölfstündiger Brenn—⸗ 
zauer geschoben wird. Die geheizten Wagen find 
m einer Aufschrift erkennbar. 
Paris. Weihnachtsbescheerung. 
Die Gemahlin des Präsidenten der Republik ha⸗ 
durch den Generaladjutanten Brugère die 20 
Bürgermeister der Stadt Paris eingeladen, aus 
eder Bürgermeisterei 20 arme Kinder von 8 bis 
10 Jahren, welche die Schule fleißig besuchen, in 
Vorschlag zu bringen, da sie am ersten Weih— 
nachtstage 500 armen Kindern eine Chrifbescheer- 
ung veranstalten will. 
Ein gefährlicher Verbrecher. 
zun Kreuzlingen Echweiz) wohnte vor 
Jahren ein ehrwürdig aussehender, älterer Herr 
der sein Schäfchen im Trocknen zu haben schien 
und nebenbei noch Versicherungsagent war. Herr 
Treichler ließ 1888 sein Haus anstreichen und 
machte, um dem Geruche der Oelfarben zu ent⸗ 
gehen, eine kleine Reise, auf welche er auch 
25,000 Frks. mitgehen hieß, welche er an seine 
Lersicherungsgesellschaft hätte abliefern sollen. Als 
er nicht zurückkehrte, stellten polizeiliche Nach— 
forschungen fest, daß die mitgenommene Summe 
zurch verschiedene Gaunereien auf 35,000 Frks. 
zestiegen war. Weitere Nachforschungen haben er⸗ 
geben, daß der gute Mann zu einer Zeit als 
dellner in einem Hotel zu Rom bedienstet war, 
ils dort ein Fremder unter eigenthümlichen Ver— 
zältnissen etmordet und beraubt wurde, während 
Treichler kurz darnach auffallender Weise 2000 fl. 
aach Hause schicken konnte. Nun wurde die Spur 
des Verbrechers in England, Amerika und Frank⸗ 
reich verfolgt und schließlich in Deutschland jetzt 
wieder aufgefunden. Treichler lebte, zum zweiten 
Male verheirasthet. als Vater zweier Kinder,. in 
Reine bei Alverdissen in Lippe Detmold, führte 
den falschen Namen Heinrich Scherer, angeblich 
zeboren am 5. Mai 1817 von Hutten (Kt. 
Zürich) und war Gutsbesitzer. Dieser Tage ifl 
der raffinirte Verbrecher, der sich jahrelanger 
Straflosigkeit erfreute und wohl vor allen Ver 
olgungen irdischer Gerechtigkeit sicher fühlte, ver⸗ 
jaftet worden. Die Auslieferung des Verbrechert 
auf diptomatischem Wege steht bebor. 
Wien, 9. Dez. Heute Morgen 1237 Uhr 
'und in Da matien, der Herzegowina und Bosnien 
ein ziemlich heftiges Erdbeben statt. Ein Un⸗ 
zlücksfall ist nicht vorgekommen. 
Wien, 10. Dez. Der Dichter Ludwig 
Anzengruber ist infolge eines Abszesses in der 
düftengegend, der wiederholt operirt werden 
nußte, in der vergangenen Nacht gestorben 
Ludwig Anzengruber war geboren zu Wien am 
39. Nobember 1839 als der Sohn eines niederen 
Beamten. Nach kurzer Studienzeit wurde er 
Buchhändler, dann Schauspieler (1860-1867), 
zann arbeitete er an Witzblänern mit und wurd— 
chließlich 1869 Kanzlist in der Wiener Polizei. 
Als er aber 1870 mit inem Volkeschauspiel 
Der Pfarrer von Kirchfeld'“ so bedeutenden Er⸗ 
iolg halte, war es mit der Polizeiarbeit vorbei 
er lebte fortan nur der Schriftstellerei, in welcher 
er auf dem Gebiete des Volksschauspiels die meisten 
Erfolge erzielte. Er schrieb „Die Kreuzel— 
chreiber“, „Gewissenswurm“, „Aus'm g'wohnter 
F'leis“ und viele andere. Auch Romane und 
Rovellen hat er geschrieben.] 
Millionen-Dieb. Wegen betrügerischer 
Manipulationen wurde der Chef des Bankhauses 
Bendler und Komp., Alfred von Bendler sen., in 
Wien verhaflet. Dieser hat nicht weniger als 
3,600,000 Gulden Depots unterschlagen und 
Jrößtentheils an der Börse verspielt. 
Schienenlegung auf dem Eisse. Im 
nüchsten Wenter sollen, wie der „Now. Tel.“ be—⸗ 
richtet, auf dem Dnjepr bei Jekaterinosssaw und 
iew Versuche mit der Legung von Schienengleisen 
auf dem Eise veranstaltet werden. Der Zweck dieser 
Versuche geht dahin, auf die Möglichkeit hinzu—⸗ 
veisen, wie die ebene Eisfläche der Flüsse des mitt⸗ 
seren Rußlands zweckmäßig ausgenutzt werden 
önnte. Die Unternehmer hoffen auf ein vollstän⸗ 
diges Gelingen ihres Versuchs und sind überzeugt, 
daß eine regelrechte Anwendung und Benutzung 
des neuen Beförderungsweges während der Winters—⸗ 
zeit thunlich sein werde. Die erforderlichen Wagen, 
welche in Belgien hergestellt werden, sollen sich 
durch außerorhdentliche Leichtinkeit guszeichnen. 
Gemeinnuütziges. 
Das Rutschen der Leitern zu verhindern. 
Das Rutschen der Leitern. welches oft Ursache von 
Unfällen ist, wird, wie das Deutsche Baugewerks— 
Blatt mitteilt, dadurch wirksam verhindert, wenn 
uinter die platten Bäume kleine Platten von Kaut— 
chuk angeheftet werden. Das so nahe liegende ein⸗ 
'ache Mittel bewährt sich vortrefflich bei den ver— 
chiedenartigsten Dielungen: auf Stein, Asphall 
TFement, Glas oder Eisen. Bei Holz wird dadurch 
zuch das lästige Zerstechen durch die Eisenspitzen 
in den Leitern, wie sie zur Verhütung von Unfaällen 
Seitens der Berufsgenossenschaften vorgeschrieben 
äind. vollständia vermieden 
Dienstesnachrichten. 
Lehramt. Studienlehrer Ströbel in Kai⸗ 
erslautern wurde seinem Ansuchen entsprechend 
in das Gymnasium Nürnberg versetzt; Assistent 
Schneider in Närnberg zum Studienlehrer in 
aiserslautern und Assistent Rueger in Nürnberg 
jum Studienlehrer in Pirmasens, Kandidat 
Walter von Vinningen zum Turnlehrer an der 
Studienansalt Burahausen ernannt. 
Tamiliennachrichten. 
Gestorben: In Zweibrücken Adam Bayer, 
von der Würschhausermühle, 70 J. a.; in Rhodt 
Wittwe Seitz, geb. Kath. Rossel, 77 J. a.; in 
*rankenthal Katharina Hotz, geb. Eisenbarth. 33 
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Neueste Nachrichten. 
Munchen, 10. Dez. Gammer der Ab⸗ 
zeordneten.) Bei der Etatsberathung be— 
chwerte sich Abg. Walther, daß ein Geistlicher 
eitens der Polizeidirektion, durch den Zusatz zu 
ꝛinem Schriftstücke, derselbe habe den Aufruf zum 
hayerischen Katholikentage mitunterschrieben, censur⸗ 
u 
iett worden sei. Der Minister des Innern 
antwortete, weder das Kullusministerium noch das 
des Innern und auch nicht die Polizeidireknon 
Uberwachten die Geistlichen. Sollte dies wirklich 
vorgekommen sein, so geschah dies ohne Vorwissen 
der Regierung. 
Paris, 10. Dez. Die republika⸗ 
nischen Blätter, von einigen radikalen 
abgesehen, besprechen die Giltigkeitserklärung der 
Wahl Joffrins und heben hervor, daß die 
Kammer damit ein Werk hoher Politik und repu⸗ 
dlikanischer Vorsorge gethan habe. Die meisten 
konservativen und die boulangistischen 
Blätier erklären, das allg⸗meine Stimmrecht sei 
nicht mehr vorhanden, an seine Stelle sei die 
Laune einiger wenigen getreten. Einige bou⸗ 
langistische Ausschüsse waren abends zusammen- 
getreten, eine Versammlung zu berufen, die gegen 
zie Wahl Joffrins Einspruch erbeben soll. 
Für die Redaktion verantwortlich: F. X. Demetz. 
Literarisches. 
Ein Werk, in welchem Baherns erlauchtes, 
ruhmvolles Herrscherhaus, Bayerns berühmte 
Staasmänner, Feldherren, Dichter, Gelehrte und 
stünstier, Bayerns Kunsischätze, Bayerland und 
Bay rnvolk von den berufensten Federn in an⸗ 
mutendster, belehren der, allgemeinver— 
standlicher Form geschildert werden, verdient 
wohl, daß das gesamte bayerische Volk ihm rege 
Teilnahme und vollste Sympathie entgegenbringe. 
Fin solches Werk ist die in der Buchner'schen 
VBerlagsbuchhandlung in Bamberg erscheinende 
Bayerische Bibliothek“, herausgegeben,von 
darl v. Reinhardstoetiner und Karl Trautmann. 
Dieses Unternehmen bezweckt für die wissenschaftliche 
Erforschung der Geschichte des gesamten bayerischen 
dandes in seiner heutigen Ausdehaung einen 
Summelpunkt zu schaffen. Ein ganz besonderes 
Augenmerk haben die Hierausgeber der Entstehungs⸗ 
geschichte der reichen Kunstsammlungen und der ge⸗ 
lehrten Anstalten unseres Vaterlandes gewidmet. 
Eine Reihe von Bandchen bringen die Schilderung 
von Land und Leuteu. 
Der Preis dieses Unternehmens ist so gestellt. 
daß es in den meisten Kreisen des Volks sich 
Eingang verschaffen kann, nämlich der Subskrip⸗ 
tionspreis pro Bändchen auf 1.25 Mk. der 
Finzelbpreis vro Bändchen auf 1.40 Mtk. 
Prämiirt in dem vorjährigen großen inter- 
nationalen Wettstreit zu Brüssel wurden nur 
Fay's ächte Sodener Mineral⸗Pastillen. 
Dieselben führen alle Apotheken und Droguenhand- 
lungen. Preis 85 Pf. Ihre schleimlösende Wirkung 
bei Katarrhen ist ebenso bekannt wie ihr wohl⸗ 
thätiger Einfluß auf den Magen. 
Von den neuesten, uns vorliegenden Heften 
der „Illustrirten Welt“ Etuttgart. Deutfsche 
Verlags Austalt, herausgegeben von Prof. Joseph 
Kürschner, redigirt von Wilh. Wetter) können wir 
nur wiederholen, was wir schon früher betonten: 
Die Zeitschrift ist voll und ganz, was sie auf ihren 
Amschlag geschrieben: „Ein Familienbuch“; dies 
beweist uns der durchaus sittliche, sorgfällig gewählte 
Inhalt aufs neue. Im Tert finden wir den 
fesselnden, vielversprechenden Anfang einer Erzähl⸗ 
ung von Gerhard von Amyntor „Im Spreewald“; 
„Unter dem weißen Adler“ von G. Samarow ist 
ein hochspannender, an trefflicher Charakterschilder⸗ 
ung und gewaltiger, farbenprächtiger Scunerie 
reicher Roman. Die „Tanzordnung der Guillotine“ 
ist wohl mit Beziehung auf die Centenarfeier der 
ersten französischen Republik beigegeben worden; 
der äußerst interessante Artikel erzählt in seiner 
trockenen Zahlenrealistik mehr als lange Spalten. 
Von Illustratinnen müssen wir vor allem das 
prächtige Doppelseitenbild „Verstimmt“ von M. 
Stone hervorheben; all die weiteren anzuführen, 
hieße über den Rahmen einer kurzen Empfehlung 
hinausgehen. Wer „Illustrirte Welt“ noch nicht 
kennt, der lasse sih 'mal ein Heft zur Ansicht 
kommen, und er wird sicher zur Einsicht gelangen, 
daß er für 80 Pfennig wahrlich nichts Besseres, 
nichts Gediegeneres seiner Familie auf den Weih— 
nachistisch legen kann, nichts, was sich durch 
hunderte von guten Worten und guten Ratschlägen 
wieder so hezahlt macht, als „Illustrirte Welt.“