Full text: St. Ingberter Anzeiger

and Bachenheimer⸗Zweibrücken übernommen und 
zeugten dieselben von großem Fleiß und tiefem 
Verständniß der Sache. Die sich hieran knüpfenden 
Berhandlungen waren äußerst lebhaft uad führten 
zu dem Ergebnisse, daß es einer Kommission von 
bier Mitgliedern, bestehend aus Herren Bezirks⸗ 
rabbinee Or. Mayer als Vorsitzenden, den Herren 
Lehrern Moses-Rodalben, Bach⸗ nheimer⸗Zweibrücken 
und Wolf⸗Blieskastel, anheimgegeben wurde auf 
Grund der heutigen Beschlüsse, einen entgültigen 
Lehrplan festzustellen und der nächsten Konferenz 
zur Genehmigung vorzulegen. Ein gemeinsames 
Mittagsessen vereinigte nach der heutigen Konferenz 
die Theilnehmer noch auf einige vergnügte Stunden, 
wobei Herr Bezirksrabbiner Dr. Mayer ein be— 
zeistert aufgenommenes Hoch auf Seine Königl. 
Hoheit den Prinzregenten Luitpold ausbrachte. 
An der Konferenz betheiligten sich auch in erfreu⸗ 
licher Weise die Vertreter der israelitischen Kultus⸗ 
gemeinde Zweibrücken und Lehrer aus dem benach⸗ 
barten Preußen. 
— Das an den Staat übergehende pfäl⸗ 
zische Landgestüt hat eine mehr als 100 
Jahre lange Geschichte hinter sich, unter Napoleon 
J. wurde es zu einem Gestüte ersten Ranges für 
Frankreich erhoben; aus ihm stammte sein Leib- 
pferd, auf dem er in der Schlacht von Wagram 
23 Stunden im Sattel gesessen, aus ihm ist ferner 
ein Hengst hervorgegangen, dessen Nachkommen 
heute noch einen Stolz des ungarischen Pferde—⸗ 
materials bilden. 
— Kusel, 24. Dez. Von zuverlässiger Seit 
wird berichtet, daß die Stelle eines k. Bezirks⸗ 
arztes zu Kusel dem praktischen Arzte Herrn Dr. 
Schickendantz dahier verliehen worden sei. 
— Welchweiler, 23. Dez. Das Haus 
des Wirthes und Zimmermannes Jakob Müller 
dahier stand heute Morgen gegen 9 Uhr plötzlich 
in hellen Flammen. Die Feuerwehren von Welch⸗ 
weiler, Elzweiler und Horschbaͤch waren möglichst 
bald an der Brandstätte, konnten aber das rasch 
um sich greifende Feuer nur auf seinen Herd be⸗ 
III— 
auch soll eine Banknote von 100 Mk. mitverbrannt 
sein. Die Mobilien sind bei der bayer. Hypotheken⸗ 
und Wechselbank versichert. Müller hat jedoch bei 
der vor einigen Monaten stattgehabten Erneuerung 
der Police die später zugebrachten neuen Möbel außer 
Ansatz gelassen und leidet dadurch nicht unerheblichen 
Schaden. Die Ursache des Brandes ist unbekannt. 
(Pf. Vot.) 
— Rieschweiler. Dem früheren Polizei⸗ 
diener Wagner dahier, welcher im Laufe dieses 
Sommers wegen Verbrechens im Amte vor der 
Strafkammer des kgl. Landgerichts Zweibrücken 
zu 4 Monaten Gefängniß verurtheilt wurde, ist 
diese Strafe durch einen allerhöchsten Gnasden⸗ 
erlaß des Prinzregenten auf eine 5tägige Ge⸗ 
fängnißstrafe ermäßigt worden. Gewiß ein hübsches 
Weihnachtsgeschenk für den Betreffenden. 
— Kaiserslautern. Wie der „Pf. Pr.“ 
aus sicherer Quelle mitgetheilt wird, soll demnächst 
und zwar in Kaiserslautern ein national⸗ 
lbiberaler Parteitag für die Pfalz abge⸗ 
halten werden. Es ist dafür Sonntag der 5. 
Januar nächsthin, nachmittags in Aussicht ge— 
nommen. Der Reichstagsabgeordnete des Wahl- 
kreises Kaiserslautern-Kirchheimbolanden, Herr Ober- 
bdürgermeister Dr. Miquel aus Frankfurt a. M., 
wicd dabei Bericht erstatten und die Hauptrede 
halten. Wie sich wohl von selbst versteht, werden 
sich auch die übrigen pfälzischen Abgeordneten ein⸗ 
finden. Der Vizepräsident des Reichsstags, Herr 
Reichsrath Dr. A. Buhl aus Deidesheim, hat sein 
Erscheinen bereits zugesagt und es ist wahrschein- 
lich, daß auch ein oder der andere hervotragende 
außerpfälzische Abgeordnete zu diesem Parteitage 
kommen wird. Die Stunde der Abhaltung wird 
so gelegt werden, daß ein allseitiger Besuch von 
auswärts aus Stadt und Land möglich ist. Wir 
freuen uns, bemerkt dazu das oben angeführte 
Blatt, dies schon im Voraus brrichten 
zu können, und zweifeln nicht, daß diese 
Nachricht alsseitig und für unsere Parteifreunde 
insbesondere von erheblichem Interesse ist. 
— Pirmasens, 24. Dez. Am Vorabend 
des Gevburtsfestes desjenigen, der da sprach: 
„Lasset die Eleinen zu mir kommen“, haben wir 
über ein scheußliches Verbrechen zu be— 
richten dessen vollständige Ausführung jedoch glück⸗ 
licherweise verhindert werden konnte. Die 26jährige 
ledige Dienstmagd Elise Schvarzmüller von Schind— 
jard hat gestern Mittag versucht, ihrem ungesahr 
jalbjährigen Kind durch Erhängen das Leben zu 
nehmen. Das arme Kind wurde jedoch rechtzeitig 
aus den Händen der Mörderin befreit und diese 
selbst verhaftet. Die Schwarzmüller war bei einer 
Familie auf dem Blocksberg bedienstet, wo ihr auch 
gestattet war, ihr Kind bei sich zu haben. Sie 
rhielt da völlige Verpflegung für sich und ihr 
dind, sowie 1 Mt. Wochenlohn. Gestern Vor⸗ 
nittag machte nun die Frau der Magd Vorwürfe 
ind bezichtigte sie der Unredlichkeit. Die Beschuldigte 
eugnete und die Frau stellte ihr die Entlassung nach 
en Feiertagen in Aussicht. Daraufhin ging die 
—„chw. mit ihrem Kinde, das sie nur in Lumpen 
ingehüllt hatte, in den hinter dem Hause liegenden 
—„chuppen und knüpfte dort einen mitgebrachten 
ztrick um den Hals des armen Wesens, um es 
zufzuhüngen. Durch ihr Töchterchen aufmerksam 
jemacht, eilte die Frau der Magd nach und kam 
ioch rechtzeitig, um das Kind zu retten. Die Magd 
lüchtete, wurde aber nächst der Ziegelhütte von den 
hr nacheilenden Hausleuten eingeholt und zurück 
jebracht. Sie gab an, daß sie nach dem Walde 
laufen und sich dort aufhängen wollte. Veran— 
afsung zu ihrem verdrecherischen Thun sei die Not 
jewesen, denn sie hätte nicht gewußt, wohin sie 
nit ihrem Kinde gehen sollte, wenn sie nach den 
Feiertagen ihren jetzigen Diensitplatz verlassen müßte. 
Das Kind hat keine Verletzungen erlitten und be⸗ 
indet fich bereits in sicherer Pflege. (A.) 
— Annweiler. Die hiesige Industrie, die 
eit 10 Jahren auf 3 Mahlmühlen, 1 Oelmühle, 
inige Lohmuhlen, 2 Papierfadriken, 3 mittlere 
zrauereien und mehrere Gerbereien beschränkt war, 
vährend in den 6Oer Jahren hier die Stroh⸗ und 
Zalmhutfabriken blühten, scheint sich neuerdings 
ntschieden wieder heͤen zu wollen. Herr Gustav 
Ulrich aus Maikammer ließ letzten Sommer eine 
jroße Maßstabfabrik bei der ftüher Kühn'schen 
Nahlmühle, die er erworben hat, und in der sich 
noch zur Zeit eine Feilenschleiferei (Erlenwein aus 
ẽdenkoben) befindet, erdauen, die quer im Thale 
leht, demselben zur Zierde gereicht und auch einer 
Anzahl Ardeiter lohnenden und dauernden Verdienst 
ringt. Desgleichen hat im Laufe dieses Jahres 
Zerr Arthur Pethrik die Kunkele'sche Lohmühle ge⸗ 
pachtet und darin eine Werkstätte für Fein⸗Mechanik 
rrichtet, beabsichtigt aber, hauptsächlich ein Patent 
zuszunützen, das er auf ein automatisches Schaukel⸗ 
ferd erworben hat, von dem noch wenig in die 
Deffentlichkeit gedrungen ist. Des weiteren erfährt 
zie „Pf. Pr.“, daß Herr Karl Ahlborn junior 
früher Besitzer einer Strohhutfabrik, jetzt Inhaber 
»er Filiale der Landauer Volksbant) sich mit 
herrn Argus aus Ramberg zu verbinden beab— 
ichtige, behufs Gründung einer Burstenfabrik in 
)en noch vorhandenen Räumlichkeiten der in den 
zOer Jahren eingegangenen Stroh⸗ bezw. Palm⸗ 
zutfabrik des Ersteren. 
— Arzheim. Der Neue hat nunmehr 
ollständig durchgegohren und ist in vielen Kellern 
chon vollständig blank. Die Hefe hat sich gut 
ind schnell gesetzt und wird nun bald mit dem 
Abziehen begonnen werden können. Im Allge— 
neinen nimmt man an, daß der 1889er ein 
zuter Mittelwein wird, da ohnehin die Trauben 
ziesiger Gegend sehr gesund waren. Die kleinen 
WBinzer haben meistens ihren Most dverkauft. 
rxinige Partien wurden auch von der Kelter ab⸗ 
jegeben im Preise von 400 bis 420 Mk. das 
Fuder. So lebhaft das Einkaufsgeschäft im 
derbste war, so still ist es zur Zeit, und man 
limmt als Ursache an, daß die im Herbste ange— 
egten Preise etwas hohe waren. Ein Urtheil 
ann jetzt noch nicht abgegeben werden und soll 
uch hier nur der allgemein herrschenden Meinung 
lusdruck verliehen werden. Da alte Weine rar 
ind teuer sind, so ist ein späterer Rückgang der 
zuten Sachen kaum denkbar. 
— Am nächsten Sonntag, den 29. Dezember, 
stachmittags 2 Uhr, findet im Saalbau zu Neu—⸗ 
tadt a. H. eine Versammlung statt, in 
belcher Herr Reichstagsabgeordneter Dr. Bürk— 
in den Parteifreunden Bericht üder die Reichs— 
agsverhandlungen erstatten wird. (Pf. K.) 
— Neustadt. Ein hiesiger Wicth, der 
8 unterließ, sein eingeführtes Bier in der 
yorgeschriedenen Zeit anzumelden, und seitens der 
zJolizei ermittelt wurde, wurde, da er sich dem Aus⸗ 
I)ruch des Herrn Bürgermeisters unterwarf, in eine 
ztrafe von 5 Mk. genommen. 
— Deidesheim. Die gegenwärtig gar zu 
joch angesetzten Kohlenpreise waren auf die am 
SZamstag hier im Stadthaus abgehaltene Holz⸗ 
versteigerung, welche den ganzen Tag in Au—. 
spruch nahm und wobei aller Art Nutz ⸗ und 
Brennhölzer aus dem hiesigen Gemeindewald unter 
den Hammer kamen, von finanziell bedeutsamen 
TFinfluß gewesen. Alles Holz ging meistens ab und 
war alles wert über die Taxe. Das trockene Holz 
rzielte doppelt so hohe Preise als sie bei früheren 
dolzversteigerungen vorgekommen sind. Es erzielte 
unsere Stadtkasse allerdings eine schöne Einnahme, 
soch wäre im JInteresse unseter ärmeren Bebölkerung 
zu wünschen, die Kohlenpreise möchten baldigst wiede 
urückgehen. 
— Dürkheim. In unserem Kantone sind 
zis jetzt Wein⸗Versteigerunglen für nächstes 
Jahr anzukündigen: Am 8. April in Dürkheim 
Hert Ludw. Fitz), am 24, und 29. April in 
Deidesheim, (letztnotictter Termin Herr E. Basser⸗ 
nann-Jordan), am 12. Mai in Forst und am 19. 
Mai in Wachenheim. 
— Ludwigs hafen. Der früher in Fran—⸗ 
kenthal als Advokat und Anwalt ihätige Herr 
Dttmar Müller wird wieder zu seiner Prarxis 
zurücktreten, indem er die Stelle eines Direktors 
der Pfälzischen Hypothekenbank, die er bislang be⸗ 
kleidete, am Ende dieses Jahres niederlegt. Herr 
Müller gilt als gewiegter Jurist und ist im 
veiteren ein schneidiger Redner. Die letztere 
kigenschaft dürfte von Vortheil für ihn sein, wenn 
s wahr ist, daß er eventuell der Nachfolger unseres 
etzigen Reichstagsabgeordneten werden soll, der in— 
olge großer Arbeitslast ein Mandat nicht wieder 
anzunehmen gesonnen sein soll. 
— Grünstadt. Die Generalbersammlung 
»es hiefigen Vorschußvereins wählte nach dem 
VBorschlag des Aufsichtsrats, zum Kontroleur ein⸗ 
timmig Herrn Fran z Diez aus Kirchheimbolanden, 
J. Z. in Frankfurt. 
— Aus der Pfalz. Der Lehrermangel 
'n unserem Regierungsbezirk besteht immer noch, 
ind sah sich laut Veröffentlichuug im unterfränkischen 
„Schul-Anzeiger“ die pfälz. Kreisreglerung veran⸗ 
aßt, neuerdings an die kgl. Regierungen von 
Interfranken und Aschaffenburg das ergebenste Er⸗ 
uchen zu richten, den underwendeten Schuldienst⸗ 
xjpektanten des jenseitigen Bezirkes, insbesondere 
enen, welche im laufenden Jahr das Seminar ab⸗ 
olbirt haben, von dem noch immer herrschenden 
dehrermangel in der Pfalz mit dem Bemerken ge⸗ 
älligskt Kenntniß geben zu wollen, daß Gesuche 
um Aufnahme in den pfalzischen Schuldienst mit 
beglaubigten Belegen an die kgl. Regierung der 
Pfalz, Kammer des Inneren, zu richten sind. 
Vermischtes. 
F Der Verein zur Wahrung der ge— 
neinsamen Interessen der Saar—⸗ 
ndustrie hat in seiner letzten Sitzung die 
Frage der Errichtung von Arbelter— 
Ausschüssen in gemeinschaftlicher Beratung 
nit der „Südwestlichen Gruppe des Vereins 
heutscher Eisen- und Stahl⸗Industrieller“ dahin 
erledigt, daß die vom Vereinsvorstand genehmigte 
Resolution nach eingehender Begründung 
zurch den Geschäftsführer von beiden Vereinen 
einstimmig angenommen ward. Dieselbe hat, nach 
dem „S. J.eS. A.“, folgenden Wortlaut: „Die 
vorgeschlagenen Arbeiter-Ausschüsse zur Schlichtung 
„on Lohn⸗e, Arbeits- und sonstigen aus dem 
dienstverhältniß entspringenden Streitigkeiten 
wischen Arbeitgeber und Arbeiter haben das Be⸗ 
tehen eines — thatsächlich nicht vorhandenen — 
allgemeinen Interessengegensatzes beider Theile und 
einer Interessensolidarität jdes Theils für sich 
zur nothwendigen Voraussetzung. Mit ihrer Er⸗ 
richuung wird ein Prinzip anerkannt und als 
Richtschnur für die Zukunft eingesetzt, aus welchem 
die Sozialdemoktatie ihre Existenzberechtigung her⸗ 
teitet; die letztere würde in den Ausschüssen den 
besten Boden zu rascher, ungehinderter Fortent⸗ 
wickelung finden. Es ist hiernach mit Sicher— 
heit zu erwarten, daß die Arbeiter-Ausschüsse nicht 
uis Friedensinstitution, sondern als permanentes 
dampfelement wirken werden, dessen Gefährlich- 
keit um so größer ist, als die Mitglieder der 
Ausschüsse bei dem heutigen System der Arbeits— 
heilung in den seltensten Fällen die ihrer Ent— 
scheidung unterliegenden Fragen in dem erforder- 
lichen Umfange beherrschen, trotzdem aber sich zur 
Abgabe ihres Wahrspruchs stets verpflichtet fühlen 
werden. Verminderung des Wohlwollens, des 
Hertrauenzs und der Achtung in dem persönlichen