Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Dienstag, 31. Dezember 1889. 24. Jahrg. 
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W 303. 
* Zum Jahreswechsel. 
Wenige Stuuden noch und der Hammer der 
Blocke hebt sich zum dröhnenden Abschiedsgruß 
vom alten Jahre — wir heißen ein neues Jahr 
willkommen. 
Wieder ein Grenzstein unserer Erdenlaufbahn 
überschritten, bei dem wir noch einmal Halt machen, 
rückwärts zu blicken, ehe wir auf unbekanntem 
Pfade vorwärts eilen. 
Viele, die mit uns gewandelt vom letzten Grenz 
dein weg, die mit uns vor Jahresfrist Sylbester 
zefeiert, haben die neue Grenze nicht mehr zu ei— 
reichen vermocht. Sie ruhen von ihrer Wanderung 
aus — in kühler Erde gebettet. Oie frohen Wünsche 
und Hoffaungen, mit denen fie gleich uns das nun 
entschwindende Jahr begrüßt, schlafen mit ihnen in 
der Grnft. Der dahingegangenen Genossen unserer 
gemeinsamen Pilgerschaft gedenken wir am Shyl— 
vesterabende vor Allem, ihnen gilt in stiller Weh⸗ 
muth und aus Herzensqrund ein „Lebewohl, Fahre 
wohl.“ 
Lebe wohl, fahre wohl, so rufen wir jetzt aber 
auch dem alten Jahre zu. Als es heraufstieg am 
Saume des Zeitenmeeres, da empfingen wir es 
mit Jubel wie jedes seiner Vorganger. War dieser 
Jubel ein berechtigter ? hat 1889 erfüllt, was wir 
don ihm erhofft? Oder hat es unsere Hoffnungen 
hetrogen, nichts gebracht, was dankenswerth, war 
es ein schlimmes Jahr? 
Es hat uns nicht besser und nicht schlimmer 
dehandelt, als seine ihm vorangegangenen Genossen. 
Es brachte Leid und Freud', böse und gute Tage 
im Wechssel der flügelschnellen Zeit, wir haben 
indeß keine Ursache es mit Groli von uns zieben 
uu lassen. 
Die Unbesfändigkeit alles Irdischen haben wir 
uuch 1889 genügsam erfahren. An Unglück und 
Elend war kein Mangel und es wäre ein langes 
Register, wollten wir all' die Unglückefälle, Kata- 
strophen, Naturereignisse ꝛc, denen Menschenleben 
zum Opfer filen, aufzählen. Haben wir ja im 
eigenen Vaterlande deren leider genug zu verzeichnen. 
Abecr im großen Ganzen genommen, haben fich 
doch viele unserer letzten Neujahrshoffnungen erfüllt. 
Der Friede, das köstlichste aller Güter, ist uns 
erhalten geblieben, die Erde gab ihren Kindern 
genugsame Nahcung, Handel und Wandel hatten 
leinen Rückgang zu verzeichnen, — Friede und daß 
fägliche Brod war uns 1889 bescheert, darum ein 
„Fahre wohl“ dem alten Jahre im guten Sinne. 
Was uns 18090 bringen wird? Wir wissen es 
nicht, — dunkel ist der Pfad vor uns, unerforsch- 
lich sind der Zukunft Loose, — zu unsrem eigenen 
Wohle. Könnten wir den Schleier der Zukunft 
lüften, wir würden unseres Lebens nimmermehr 
froh werden. Das für uns Staubgeborene be— 
stehende Glück des Augenblichkss wäre uns ver—⸗ 
nichtet. Wer möchte vom Becher der noch so be⸗ 
scheidenen Lebensfreude kosten, die bittere Wehr⸗ 
muthsschaale vor Augen? Unser Streben, unser 
Muth, sie wären gelähmt, der Weg, den uns die 
Hoffnung mit Rosen bestreut. wir fänden ibn un—⸗ 
überwindlich. 
Wir hoffen Gutes, wünschen Frohes auch vom 
neuen Jahre, das wir deshalb freudig willkommen 
deißen, eines aber wissen wir, — daß unsere Hoff⸗ 
aungen haltlos find, wenn wir sie nicht auf Den 
hützen, der Herr ist über Raum und Zeit, dem 
1000 Jahre sind wie ein Tag. 
Mit Gott daher über die Brücke, die vom alten 
Jahre hinüberführt ins Neue. Das sei unser 
Vorsatz, unsere Loosung bei diesem wie bei jedem — 
Jahreswechsel. 
Uad damit allen lieben Lesern ein glückliches 
Nujahr! 
dem Konsulargericht bezüglich der Expedition 
Stanteys gegen Tippo Tip ergab, daß 
Tippo Tip die Zufuhr von Lebensmitteln für die 
Expedition verhinderte und dadurch die große 
Sterblichkeit der Expedition hervorrief. Die Expe— 
dition verlangt zehntausend Pfund. Deshalb wurde 
dem Agenten Tippo Tips in Sansibar verboten, 
diese Summe, die er für Tippo Tip in Händen 
hat, demselben auszuzahlen. Stanley begibt sich 
am 30 Dezember nach Aegypten. 
Sofia, 80. Dez. Die bulgarische Regierung 
und der diplomatische Vertreter Englands unter⸗ 
Jeichneten soeben ein zwische En gland un d 
Bulgarien für zwei Jahre abgeschlossenes 
vorläufigesHandels-Uebereinkommen. 
Dasselde soll am 1. Februar 1890 in Kraft 
treten. (Das ist wohl implieite eine Anerkennung 
Ferdinands des Unbestätigten.) 
Teue und alziche Nachrichten. 
* St. Ingbert, 31. Dez Wie wir von 
unterrichteter Seite vernehmen, wird die Aktien- 
glashütte St. Ingbert demnächst durch ein 
hesonderes Geleise Anschluß an die Gisenbahn 
erhalten. Das Geleise soll an dem Uebergang des 
Schienenstranges nach dem Eisenwerk Krämer über 
die Kaiserstraße abzweigen, auf dem Damme der 
Kaiserstraße bis in die Nähe des Abel'schen Hauses 
und von hier abbiegend quer aber das Thal nach 
der Glashütie führen. Die Breite d sselben wird 
diejenige einer Vollbuhnsein. Diese Schienenanlage 
soli dis zum lommenden Frühiahr —X 
werden. 
* Pensions⸗Verein Babaria, 
Zweigbderein St. Ingbert. Dem gest⸗ 
rigen Bericht über die General-Versammlung 
hiesigen Zweigbereins ist nachzutragen, daß die 
Mitglieder⸗ Beürage im II. Halbdjahr 1889 die 
Summe von 3549,17 Mk. ergeben haben. Hie— 
von wurden bezahlt: Haldjährliche Pensionen 
327,60 Mtk. an die hinterbliebenen Wittwen und 
Waisen von sechs berstorbenen Mitgtiedern, 
und wurde der Risibestand mit 3221,57 Mk. an 
die Vereinshaupttosse in München abgeliefert. 
Die gestern erwähnten durch Hrn. Friedmann 
mitgeteilten Zahlen bezogen sich nur auf die 
Rigiebeiträge, gemäß Punkt 3 der früher ver— 
off nnichten Tagesordnung. Dies zur Vermeidung 
eines Iritums. 
* Im Saale des Café Becker hält morgen 
Abend der Hüttenverein des Eisen— 
werks Krämer jeine Christbaumfeier mit Verloos 
ung ab. 
* Morgen Abend gibt die Spezialitätenge— 
sellschaft Weiffenbach ihre letzte Vorn Uung 
dahier. Die gestrige Extravorstellung war zahl⸗ 
reich besucht, und lohnte das Pudlikum den ein⸗ 
zelnen Sp zialitätenkünstlern mit oft rauschendem 
Beifall. 
* Sit. Ingbert, 31. Dez. Am nächsten 
Sonntag Nachmutag den 5. Jan. 8 Uhr findet 
durch den Verem füͤr Kirchenmufik von Dudweiler 
in der hiefigen eb. Kirche die Aufführung des 
Dratoriums Die Geburt Jesu“ statt. Die Leitung 
hat Herr Hauptlehrer Minder aus Scheidt über⸗ 
ommen; es wirken mit die Konzertsängerin örl. 
Pluge aus Saarbrücken sowie der kgl. Seminar— 
Husiklehrer Herr Jeh aus Otiweiler und mehrere 
Jeschätzte Duettanten. Zum erstenmale kommt. diese 
schöne religidse Komposition in unserer Stadt zur 
Auffuhrung und wollen wir nicht verfehlen, Freunde 
der Auchlicen Musik und des kirchlichen Gesanges 
Deutsches Neich. 
GElberfeld, 80. Dez. In dem Urteils⸗ 
pruch betreff⸗ des Geheimbundprozesses 
nimmt das Gericht dus Bestehen einer allgemeinen 
Verbindung zur Verbreitung des „Sozialdemokrat“ 
und anderer verbotener Druchschriften sowie ört⸗ 
licher Verbindungen in ElberfeldeBarmen an, ver— 
urleilt 44 Angeklagte zu 14 Tagen bis 1165 
Jahren Gefängniß und spricht 43 Angeklagte, da 
runter Bebel, Griltllenberger und 
Sschuhmacher, frei. Der Abgeordnete 
Harm erhielt 6 Monate Gefängniß. 
Berlin, 29. Dez. Nachrichten über Reise— 
pläne des Fürsten Bismard haben sich meist 
mmer als unzutreffend erwiesen; diesmal aber 
sst mit Bestimmiheit anzunehmen, daß das Ein- 
riffen des Reichskanzlers zu Ende der ersten 
Januarwoche zu erwarten ist. Der Reichskanzler 
soll fich vorgenommen haben, thunlichst in den 
veiteren Verlauf der Reich-tagsverhandlungen ein⸗ 
zugreifen. Es wird dies nach Annahme in Ab⸗ 
Jeordnetenkreisen namentlich bei dem Militäretat, 
dem Sozialiftengesez und, wenn es erforderlich 
sein sollie, bei dem Etat des Auswärtigen Amtes 
und verschied nen kolonialen Fragen bei der dritten 
desung des Etats erwartet. Das Befinden des 
Reichskanzlers ist das deukbar beste. 
Berlin, 830. Dez. Kaiser Wilhelm 
hat dem Fürsten Plotßß den Schwarzen Adler⸗ 
orden verliehen. — Eine Petersburger Meldung 
der „Kreuzzeitung“ behauptet in Uebereinstimmung 
mit den Meldungen frazoösischer Blätter, die Ge⸗ 
vrüchte üder Erkrankung des Zaren infolge 
eines angeblichen Vergiftungsver— 
suches seien auf folgenden Zwischenfall zurüd— 
zuführen: Der Zar habe sich durch die Erregung, 
welche das plötzliche Erlsschen der elieltrischen Be— 
leuchtung im Schloß Gatschina in der Kaiser— 
amilie verursachte, ein Lungenübel zugezogen, das 
indes keine Gefahr in sich schließe. Der gestrige 
Bericht des Leibarztes Petrowsky bezeichnet den 
Zustand als nicht beunrubioend 
Ausland. 
London, 30. Dez. Die Entscheidung des 
Lord Salisbury in dem Streit mit Portu— 
gal wird schwerlich vor Neujahr erfolgen. Die 
portugiesische Regierung hat, am 
Zamstag durch den englischen Gesandten in Lissa— 
hon, Petre, eine U bersicht des Briefwechsel⸗ 
wischen Lissabon und Mozambique übersandt 
vorin Major Serpa Pinto erklärt, daß der Angriff 
»et Makololos im Lande der Massangire, also im 
Hebiete von portagiesischen Schutzbefoblenen, stan 
jefunden habe. Die Makololos, heißt es ferner 
in dem Bericht, seien durch den Direktor der Lakes 
Tompany aufgeregt worden, während der Vorsteher 
der Missionsstation Blantyne, Hochwürden Scott 
hnen Ruhe empsohlen habe. 
London, 30. Dez. Wie verlautet, begibt 
iich das englische Kanonenboot „Swallow“ nach 
Riosde Janeiro zum Schutze der englischen 
Interessen. Zwei weitere Schiffe werden voraus— 
ichtlich demnächst nach Monievbideo abgehen. 
Rom, 30. Dez. Der Pap sst hielt heute eir 
Konsistorium ab. 
Sansibar. 30. Derz. Die Verbandlung vor