Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Politische Uebersicht. 
*Nationalliberale Parteiversamm⸗ 
sung. Kommenden Sonntag findet in dem zum 
gichstagswahlkreise Mannheim gehörigen Bezirke 
zchwetzingen eine große nationalliberale Parteiver- 
ammlung statt. Als Redner werden auftreten Herr 
geichssiagßadgeordneter Philipp Diffens und Herr 
andtagsabgeordneter Ministerialrath Frech, beide 
on Mannheim. Die Versammlung, welche im 
Gasthaus zum Ritter“ abgehalten wird, dürfte 
sehr zahlreich besucht werden. 
* Unter der Rubrik „Erfahrungen“ enthält der 
em Bundesrathe in dieser Woche zugegangene 
gericht des Reichsversicherungsgamtes über das 
Jahr 1888 das Folgende: In dem abgelaufenen 
heschäftszahre ist wiederum eine namhafte Ver—⸗ 
nehrung der schiedsgerichtlichen Geschäfte eingetreten. 
die Zunahme der Zahl der Berufungen ist zum 
roßen Teil auf die im Laufe der Jahre sich stei⸗ 
ernde Häufigkeit der Abänderungsbescheide zurück⸗ 
uführen, welche auf Grund des 8 65 des Un⸗ 
allbersicherungsgesetzes ergehen und durch welche 
chon vor Jahren zuerkannte Renten anderweitig 
festgestellt oder entzogen werden können. Es unter— 
liegt keinem Zweifel, daß sich die Schiedsgerichte 
das Vertrauen der Arbeitgeber wie Arbeiter erwor⸗ 
hen haben; ihre Rechtsprechung wird als eine un⸗ 
harteiische, gerechte und sachgemüße angesehen. Auch 
m übrigen finden sich in den Berichten der Schieds- 
erichtsvorsitzenden die in den früheren diesseitigen 
geschaftsberichten hervorgebobenen günstigen Er⸗ 
ahrungen über die Wirksamkeit der Schiedsgerichte 
durchaus bestätigt. Trotz der Zunahme der Be⸗ 
rufungen, und obgleich es auch an Klagen über 
das Vorkommen frivoler Einlegung des Rechts⸗ 
mittels und offenbar übertriebener Entschüdigungs⸗ 
ansprüche nicht mangelt, sprechen sich doch die meist⸗ 
deschäftigten Vorsitzenden dahin aus, daß im allge— 
meinen — von vereinzelten Fällen abgesehen — 
nicht behauptet werden könne, daß mit den Beruf⸗ 
ungen Mißbrauch getrieben werde. Einer der be—⸗ 
zeichneten Vorsitzenden bemerkt: „Die Leichtigkeit, 
Recht zu suchen und zu finden, der leichte persön⸗ 
liche Verkehr der Arbeiter mit den Behörden macht 
unter jenen einen guten Eindruck, und es trägt 
ohne Zweifel viel zur Befriedigung und Beruhig⸗ 
ung der Arbeiter bei, daß ihnen in Unfallsachen 
die Gerichtsthür weit geöffnet ist.“ Was das 
prozessuale Verfahren vor den Schiedsgerichten an⸗ 
langt, so wird in den Berichten der Vorsitzenden 
allgemein anerkannt, daß die Handhabung der ein⸗ 
hlagigen Bestimmungen jetzt weit seltener als 
früher Schwierigkeiten bietet, nachdem durch die 
Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts, fowie 
durch mehrece generelle Rundschreiben des letzteren 
über den bezeichneten Gegenstand zahlreiche Zweifel 
deseitigt sind. Erwähnt sei noch die nachfolgende 
Leußerung eines viel beschäftiglen Vorfitzenden. 
Derselbe sagt in seinem Geschaftsbericht: „In 
bielen Unterredungen mit den Beisitzern aus dem 
Arbeiterstande in den Sitzungen und auch ander— 
weit in ungezwungenem geselligen Zusammensein 
ist mir von denselben ausgesprochen worden, daß 
in den Arbeiterkreisen wachsend die Erkenntnis sich 
vefestige, wie wohltihätig die Gesetzgebung für die 
durch Unfalle beschädigten Arbeiter Fürsorge ge— 
troffen habe.“ 
Bei der Abstimmung über die Vorlage, beir 
diee Erhöhung der Krondotation im preu— 
hischen Abatorbuetenhauie hohen betanntlich quß 
Samstag, 16. Februar 1889. 
zwei Mitglieder des Centrums gegen die Erhöhung 
gestimmt. Darüber soll es in der Fraktion zu 
rnsten Auseinandersetzungen gekommen sein. Die 
Korresp. Falkenberg“ bemerkt darüber, wie man 
innimmt, im Auftrage der Fraktion: „Da das 
Fentrum keinen Abstimmungszwang in politischen 
Ddingen kennt, stand den Beireffenden dieses gegen⸗ 
heilige Votum frei; doch waren sie sicher verpflichtet 
in diesem Falle die Fraktion vorher davon in 
stenntniß zu setzen.“ 
*Das 23. Ministerium hat die dritte fran⸗ 
sösische Republik nunmehr abgenützt. 10 
Monate lang hat sich Herr Floquet als Minister- 
»räsident gehalten. Nun mußte er dem Ansturm 
der Ultraradi kalen weichen. Der Rücktritt desselben 
zeweist auf das erschreckendste die zerrütteten Zu— 
tande in Frankreich. Man meldet, daß ein Theil 
er Republikaner für den Antrag auf Vertagung der 
Berfassungsänderung stimmten, ohne zu bedenken, 
zaß hierdurch das Ministerium gestürzt werde. Die 
Vertagung auf unbestimmte Zeit bedeutet nichts 
nehr und nichts weniger, als das Eingeständniß 
»er Kammer, daß sie unfähig geworden ist, jene 
zußerst wichtige Frage mit dem nothwendigen Ernste 
u verhandeln. Ver Sturz des Ministeriums wird 
iller Wahrscheinlichteit nach die Auflösung der 
dammer nach sich ziehen. Es ist charakteristisch 
zaß fast alle Parteien hiernach streben. Am un- 
imwundesten spricht sich Boulanger in dem Mani— 
fest an seine Wähler im Seine ; Departement aus: 
Der Sturz des unheilvollen Cabinets werde dem 
jffentlichen Gewissen zum Trost gereichen und sei 
ein Schritt weiter auf dem Wege der Auflösung 
der Kammer und der Einberufung einer constituie— 
renden Versammlung. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 14. Febr. Der Cultusminister 
hat bei dem Berliner Magistrat angefragt, nach 
welchen Grundsätzen der socialdemokratische Stadt⸗ 
derordnete Kunert den Religionsunterricht an die 
inder der hiesigen freireligiösen Gemeinde ertheilt. 
Der Magistrat hat beschlossen, beim Vorstande der 
freireligidsen Gemeinde Aufschluß darüber zu erbitten. 
An der Börse war heute das Gerücht von einem 
Demissionsgesuch des Fürsten Bismard 
berbreitet. Die „Nat.⸗Ztg.“ erklärt dasselbe als 
reinen Humbug 
Berlin, 14. Febr. Der „Berl. Börs. Cour.“ 
meldet von einem an der hiesigen Börse verbreiteten 
Berüchte, wonach dem Besuche des Zaren an 
unserem Hofe in der ersten Hälfte des März ent⸗ 
gegengesehen werde. Die heutige Börse scheint dem⸗ 
nach recht fruchtbar im Hervorbringen von Nach⸗ 
richten gewesen zu sein. 
Zwischen der Regierung und dem Landtag wird 
für die nächste Zeit die Erzielung einer Verständig⸗ 
ung über die Frage der Errichtung eines geeigneten 
Bebäudes für das Abgeordnetenhaus in Aussich' 
gestellt. 
Nach einem Bericht der „Times“ aus Sansibar 
scheint die Befreiung der deutschen Missio— 
nare auf Hindernisse zu stoßen. Die „Carola“ 
ist am Sonntag von Sansibar nach Bagamoyo mit 
den drei arabischen Sklavenhändlern an Bord ab- 
gegangen, welche gegen Missionare ausgewechselt 
werden sollten. Bis heute aber sind die Missionare 
aus Bushiris Lager nicht angekommen. 
Nach der „Freis. Ztg.“ soll Graf Walder⸗ 
see den Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗ 
Dipisen und Genecellieufenante Kaltenbarn— 
24. Jahrg. 
F 
A 
in Vorschlag gebracht haben. 
Berlin, 15. Febr. Der Bundesrath 
ertheilte heute dem Entwurf eines Gesetzes fuͤr 
Elsaß-⸗Lothringen, betreffend das Hypothekten⸗ 
wesen, seine Zustimmung. 
Berlin, 15. Febr. Heute ist das Weiß- 
buch über Samoa ausgegeben worden. Das⸗ 
jelbe enthält 44 Actenstücke, die vom 8. Dezember 
1886 bis 5. Februar 1889 reichen und 74 Folio⸗ 
druckseiten füllen. Consul Travers schildert zunächst 
in einem Bericht die deutschen und die fremden 
Interessen in Samoa, Handel, Schiffsverkehr und 
Zlantagenbefitz im Jahre 1886. Hierauf folgen 
Berichte des deutschen Consuls in Apia vom 8. 
Dezember 1886 über die Persönlichkeit des abge⸗ 
etzten Häuptlings Malietos und vom 30. Marz 
1887 und 16. April 1887 über die Angriffe von 
Samoanern auf die von der Feier des Kaisersge⸗ 
hurtstages heimkehrenden Deutschen. 
Hauptmann Wißmann ist heute Nachmittag 
2 Uhr 30 Min. nach Ostafrika abgereist. 
Auslaund. 
London, 15. Febr. Aus Auckland wird 
gemeldet: Nach dort eingetroffenen, bis zum 5. 
Februar reichenden Nachrichten aus Samoa sei die 
dage daselbsi unverändert; es habe seit den letzten 
Berichten kein neuer Kampf stattgefunden. 
Wien, 14. Febrt. Der „Pol. Corr.“ wird 
aus Belgrad bestätigt, daß die Krönung König 
Mihan“'s im Laufe des Jahres im Kloster Zica 
tattfindet. 
Wien, 15. Febr. Markell, Bischof von 
Witebsk, welcher von der römischen zur orthodoxen 
Kirche übergetreten war, wurde durch Berufung an 
die Synode von seinem Bischofssitz entfernt. Es 
heißt, die Absetzung des Bischofs sei seitens des Va⸗ 
licans als Vorbedingung für das Uebereinkommen 
mit Rußland aufgestellt worden. 
Rom, 185. Febr. Gladstone ist auf seiner 
Reise nach Cannes hier eingetroffen und am Bahn⸗ 
hofe vom Ministerpräsidenten Crispi begrüßt 
worden, mit dem er gemeinsam den Thee einnahm. 
Bukarest, 15. Febr. (Kammer.) Der 
Antrag Blaremberg's, das frühere Ministerium 
Bratiano in Anklagezustand zu versetzen, gelangte 
heute zur Abstimmung. Der Präsident erklärte, daß 
bder Antrag mit 80 gegen 79 Stimmen abgelehnt 
sei, die Kammer gehe nunmehr zur Tagesordnung 
uͤber. Gegen die Giltigkeit des Abstimmungsresul 
tats wurden von zahlreichen Mitgliedern Einwen⸗ 
dungen erhoben; die Schriftführer unterzeichneten 
dak Nraotacoss der heutigen Sitzung nicht. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 16. Februar. Der Vor⸗ 
tand des Vereins gegen Hausbettel 
deruft eie Generalversammlung ein 
auf nächsten Montag Abend 5 Uhr im Stadt- 
jause. Die Mitglieder des Vereins mögen recht 
ahlreich erscheinen, um die Interessen des so wich⸗ 
igen Vereines zu vertreten. 
Wie wir hören, sollen für die Folge nur solchen 
Meistern Gesellen überwiesen werden, welche Mit⸗ 
Jlieder des Vereins sind, und sollen diejenigen, 
velche Mitglied waren und die Schilde noch am 
dause halten, aufgefordert werden, solche bei Ver⸗ 
neiduug der Anzeige zur Bestrafung zu beseitigen. 
Der Verein verfolgt seinen Zweck und unterstützt 
sur dürftige und würdige Reisende. Im Jahre 
888 wuürßen untersfütte 83 Preußen. 82 Bavern