Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bräfsel, 13. Juni. Die „Chronique“ meldet, 
Janson werde am Dienstag einen formellen Antrag 
zuf Versetzung des Ministeriums in den 
Anklagezustand einbringen. 
Bern, 12. Juni. Der große eidgenössische 
Gewehrausschuß beantragt möglichst rasche Be— 
waffnung des Bundesheeres mit dem von 
dem Direktor der Waffenfabrik, Oberst Schmidt, 
vorgelegten System. Morgen finden Schießproben 
mit demselben bei Bern statt, wozu die Mitglieder 
der Räthe eingeladen find. 
Triest, 12. Juni. Der veranwortliche Re⸗ 
dacteur des Journals „Independente“ wurde 
berhaftet. In Folge einer vorgenommenen 
haussuchung wurden vier Mitarbeiter dieses Blattes 
zleichfalls in Haft genommen und dem Landesge⸗ 
richte eingeliefert. 
London, 13. Juni. Eine Meldung des 
„Bureau Reuter“ aus Sanstbdar besagt, daß dort 
gestern ein Brief Stanley's vom 2. Dezember 
aus Ururi (Victoria⸗Ryanza⸗See) angekommen ist, 
welcher berichtet, der kühne Afrikaforscher seit mit 
einigen Invaliden nach schwerem Menschenverlust 
in Ururi eingetroffen. Emin Pascha befand sich 
iach dem Briefe in Ungara am Victoria-See. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 14. Juni. In Balde werden 
den Bürgermeisterämtern die Gestellungsordres 
derjenigen Militärpflichtigen zugehen, welche 
am 1. 2., 3., 4. oder 5. Juli lfd. J. vor der 
in Zweibrücken zusammentretenden kgl. Ober⸗ 
Ersatzkommission zur Superrevifion zu erscheinen 
haben. Es wird seitens des kgl. Bezirks 
amtes noch besonders darauf aufmerksam gemacht, 
daß den Militärpflichtigen aufgegeben wird, mit 
sauber gewaschenem Körper, sowie in reinlicher 
stleidung vor der Ersatzkommission zu erscheinen. 
*— Die Militärbehörden wurden, wie dem 
.Fränk. Kurier“ von München geschrieben wird, 
angewiesen, mit den alljährlich stattfindenden 
Prüfungen der neu eintretenden Rekru— 
den hinsichtlichder Schulbildung im Lesen und Schrei- 
zen in Zukunft und zwar vom kommenden Herbste 
an auch ein Examen dahin zu verbinden, ob nicht 
der eine oder andere noch eine fremde Sprache 
zerfleht und spricht. Die Ergebnisse dieser Richtung 
ind mit Angabe der vertretenen Sprachen gesonder! 
dvem Kriegsministerium in Vorlage zu bringen. 
— Zweibrücken, 18. Juni. Die hier 
liegende Eskadron des 5. Chevaulegers⸗Regts. 
welche neulich zu den Regiments⸗Uebungen nach 
Saargemünd gegangen war, rückt morgen hier 
wieder ein. Wie wir hören, wird die Eskadron 
durch die berittenen Herren Offiziere des Bataillons 
und die Bataillonskapelle eingeholt. (Ztg.) 
— Kaisers lautern. Der Turnverein 
Kaiserslautern beschickt das Deutsche Turnfest 
in München mit 20 Vorturnern, zu welchem Zwecke 
derselbe für die Letzteren freie Fahrt bewilligt hat. 
Die Kasse der Vorlurnerschaft hat für die 20 Vor⸗ 
lurner an Reisespesen nunmehr die ansehnliche 
Summe von 500 Mk. zur Verfügung gestellt, so 
daß auf jeden Turner 25 Mk. fallen. Diese im 
Interesse der Deatschen Turnsache gebrachten Opfer 
derdienen gewiß alle Anerkennung. 
— Rülzheim, 11. Juni. Von 15 Loos 
Pfrimmen aus hiesigem Gemeindewalde, welche 
am juüngstverflossenen Samstag auf der Bürger- 
meisterei dahier zur Versteigerung gelangten und 
don den Steigerern gewöhnlich als Streu benützt 
werden, wurde für die Gemeindekasse ein Einnahme⸗ 
betrag von 65 Mk. 10 Pfg. erzielt. Ruch der 
Rottenbach, der unseren Wald durchzieht und 
auf Antrag mehrerer hiesiger Bürger am selben Tage 
als Fischwasser verpachtet wurde, ergab für die 
Bemeinde bei einer neunjährigen Pachtdauer einen 
jährlichen Pachtpreis von 7 Mk. 50 Pfg., was in 
aeun Jahren eine Gesammtsumme von 67 Mk. 
50 Pfg. ergiebt, welcher Betrag wohl als unvor- 
jergesehene Einnahme betrachtet werden darf. (L. T.) 
— Landau, 18. Juni. Beim diedjährigen 
Madenburgfeste, welches wie erwähnt am 233. 
ds. Mis stattfindet, wird gutem Vernehmen nach 
die Kapelle des 60. Regiments spielen, da die 
ziesige Regimenismusik für diesen Tag bereits an- 
derweitig vergeben war. Vielleicht würde es fich 
jzur Vermeidung ähnlicher Vorkommnisse empfehlen, 
das Madenburgfest ein⸗ für allemal auf einen be—⸗ 
timmten Tag, etwa den dritten Sonntag im Juni, 
festzusetzen, wodurch den übrigen Vereinen Gelegen⸗ 
jeit geboten würde, sich mit ihren Beranstaltungen 
anach einzurichten. Eilb.) 
— Edenkoben, 12. Juni. Gestern wurde 
'n einem hiesigen Gasthause zwischen einem hiefigen 
daufmanne als Verkäufer und drei anderen Herren 
als Kaufern, alle von hier, ein Vertrag vereinbart. 
vonach Ersterer an die Letzteren seine heurige 
Traubencrescenz aus 5 Morgen Wingert um den 
aar zu bezahlenden Betrag von 400 Mark ab— 
getreten hat. Verkäufer will jedoch heute von der 
rechtlichen Existenz des Kaufes nichts mehr wissen 
veßhalb, nach der „Nst. Zig.“, die Käufer beab⸗ 
ichtigen, den gerichtlichen Weg zu beschreiten. In 
jewissen Kreisen ist man auf den Ausgang eines 
eventuellen Prozesses gespannt. 
— Maikammer, 12. Juni. Ein hiestger 
Einwohner hatte in einem Wingert, nahe dem 
Drt an einem stark frequentirten Waldweg ge⸗ 
legen, mehrere junge Kirschbäume, welche prächtig 
zediehen und mit Früchten reich behangen waren. 
die letzteren, zum Theil erst halb reif, übten wäh—⸗ 
tend der Feiertage große Anziehungskraft auf nichts⸗ 
autzige Buben, welche die Bäumchen denn auch von 
allen röthlich angehauchten Früchten säuberten 
dierbei wurde auch nebensächlich der Wingert are 
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Bestern besah sich der Eigenthümer den Schaden 
und da sich ihm nun die Ueberzeugung aufdrängte 
daß die Spitzbuben auch die übrigen Kirschen weg 
tibitzen würden, sobald solche halbwegs genießbar 
nachte er, um wenigstens weiterem Ruiniren des 
Wingerts vorzubeugen, kurzen Prozeß — und hieb 
die Bäumchen um. Ein praktischeres Mittel, meint 
zie „Ggw.“, den Kirschendieben das Handwerk zu 
iegen, kann es wohl nicht geben. 
— Neustadt, 183. Juni. Heute Nacht resp 
Morgen erhängten sich der Winzer Paul Baßler 
n Mußbach und Witwe Köhler in Winzingen 
M. Bzt.) 
— Spehyer. Die Brauerei⸗Gesellschaft ‚Zum 
Storchen“ (vormals Sick) erwarb die Brauerei 
Mühlberger in Freiburg in Baden ohne Inventar 
ind Brauerei⸗Einrichtung um die Kaufsumme von 
300 000 Mark. 
— Speyer, 12. Juni. Am Sonntag den 
16. d. M. soll auf der Chaussee Ludwigshafen⸗ 
Speyer ein Wettfahren der Allgemeinen Rad-— 
ahrer Union stattfinden. Beginn desselben nach⸗ 
nittags 392 Uhr. Badische, hessische und pfälzische 
Unionsmitglieder können daran teilnehmen. (Ztg.) 
— Böhl, 12. Juni. Am Pfingstsonntag 
nachten einige hiesige Burschen von Bohl eine 
gfingstfahrt, darunter auch der 23jährige Sohn 
»on Joh. Hery VI. Namens Peter. Der rohe 
Nensch pflegte nun stets, wenn er in angesäuseltem 
Zustande nach Hause kam, Vater, Mutter und 
Broßdater zu mißhandeln, und so geschah es auch 
gestern wieder. Der Unmensch mißhandelte seinen 
Hhater derart, daß er heute früh an den erlittenen 
Berletzungen gestorben ist. Der unnatürliche 
Sohn wurde noch im Laufe des heutigen Vormittags 
XDXRD 
Frankenthal in Untersuchungshaft abgeführt. 
E. G. A. 
— Wachenheim. Die „Deutsche Schaum⸗ 
veinfabrik Wachenheim' erfreut sich lebhaften Auf⸗ 
chwungs und beschäftigt gegenwärtig an 100 Arbeiter 
welche taglich ca. 4000 Flaschen versandtfertig 
nachen. Das Erzeugniß wandert nach allen Länderu 
kuropas und auch nach den übrigen vier Welttheilen. 
Welch' riesiger Umsatz statifindet, läßt fich daran 
xkennen, daß die jüngst abgeschlossene Jahresbilanz 
xxo 1888 einen Reingewinn von über 221,000 
Mark aufweist. (Pf. 3.) 
— Frankenthal,. 12. Juni. Heute Nacht 
wurde abermals in die städtische Badeanstaltf 
reingebrochen, verschiedenes demolirt und dort 
zefindliche Bierflaschen zerschlagen. Möchte es doch 
ndlich einmal gelingen, diese Buben dingfest zu 
nachen, um fie dem Strafrichter uberliefern zu 
foͤnnen. 
— Frankenthal, 13. Juni. Die Auf— 
lellung zweier neuen Monumental-Brunnen 
vorm Buchbinder Körper'schen und dem Neuberger'⸗ 
hen Hause hat gestern begonnen. 
— Grünstadt, 12. Juni. Durch einen 
Ztadtrathsbeschluß wurde seiner Zeit dem Kauf—⸗ 
nann M. Simon dahier der Aufbau eines dritten 
Stodwerks auf sein im Ordesgäßchen gelegenes 
Vohnhaus verboten, weil dasseibe mit der an— 
renzenden Bahnhofstraße nicht in gleicher Linie 
deht, die Straße dadurch zu eng ist und der Ver—⸗ 
eht deshalb leicht gestort werden kana. Ein Gesuch 
velches Simon um die Genehmigung weiterzubauen 
bei der kgl. Regierung eingereicht hatte, wurde u 
rückgewiesen, trotzden will derselbe bei höherer —— 
noch weitere Schritte thun. 
Heute Morgen hatte der bei Herrn don 
Müller in Eisenberg beschaftigte Arbeiter Gect 
Biek, 17 Jahre alt, von Kerzenheim, das umgin 
beim Bremsen, wobei am Fahrstuhl ein Seil riß 
in einen leerstehenden Wagen zu fallen, währen 
der beladene Wagen in die Höhe ging. Biek erlin 
hierbei einen Schadelbruch, der sofort dessen Tod 
zur Folge hatte. (Fr. T) 
— Seitens der pfälzischen Handeüs-und 
Bewerbe⸗Kammer wvird beabsichtigt, ankgl 
Staatsministerium eine Eingabe zu richten, 
welcher auf das dringende Bedürfniß der Fern. 
sprech-Einrichtzung in der Pfalz hinge— 
wiesen werden soll. Um nun die Bedürfnißfrage 
festzustellen, ersucht die Kammer die einzelnen Be 
zirksgremien, diejenigen Orte ihres Bezirkes je 
nennen, welche durch Neustadt in den Telephoa— 
VBerkehr zu bringen wären, und, soweit moglich 
auch die Anzahl jener Firmen festzustellen, welch 
äich als Abonnenten betheiligen wollen. 
Slzisches Schwurgericht. 
II. Quartal. 
Zweibrücken, 12. Juni, morgens 9 Uhr 
Verhandlung gegen Gottlieb Völkel, geb. 13 
Dezember 1862, verheirathet, Ackerer von Schweigen 
angeklagt eines Verbrechens des Mordversuch 
im Sinne der 88 211 und 48 R.⸗Str.G.B 
Der Gerichtshof besteht aus den Herren: kgl 
Oberlandesgerichtsrat Scherer, als Vorsitzender, den 
kk. Landgerichtsräten Bauer und Gulden, als bei— 
sitzenden Richtern, kgl. Sekretär Spies, als Ge— 
richtsschreiber. Vertreter der Anklage ist Herr L 
Staatsanwalt Tillmann; die Vertheidigung führ 
Herr Rechtsanwalt Schuler. 
Die Geschworenenbank ist aus folgenden Herren 
gebildet: Schmidt, v. Gienanth, Disqué, Eymann 
Stahl, Wagner, Raimann, Gerlach, v. Wächter 
Dauscher, Janson und Leist. 
Nach den in der heutigen Verhandlung ge⸗ 
machten Zeugenaussagen ergiebt sich folgender That⸗ 
destand: Der Angeklagte, welcher mit seiner jetzigen 
Ehefrau seit 1887 verheiratet ist, wohnte als ein⸗ 
ziges Kind seiner noch lebenden Eltern nach seinet 
Verheiratung bei letzteren im Hause; anfangs war 
die Ehe eine glückliche, jedoch später entstanden 
verschiedene Differenzen, infolge deren allmählich 
eine gegenseitige, länger andauernde Mißstimmung 
sich entwickelte. Als nun die Ehefrau Volkel in 
solge einer Fehlgeburt krank wurde, wurde sie vor 
hren Eltern zu sich genommen, da sie bei ihren 
Manne und ihren Schwiegereltern die noöthigt 
Pflege nicht gefunden haben soll. Sie zog nur 
auch nach Pfingsten v. J. mit ihrem ersten, noch 
aicht ein Jahr alten Kinde zu ihren Eltern, wo⸗ 
rüber der Angeklagte so sehr in Aerger geriet, daß 
er fich iags darauf in die Wohnung seiner 
Schwiegereitern begab und seine auf dem Sophe 
iegende kranke Frau und deren abwehrende Tante. 
die Witwe Grimm, aeg mißhandelte. Am Abendt 
des folgenden Tages erschien er wiederum, mi 
inem Säbel bewaffnet, schlug die Witwe Grimm 
bermals und verletzte mit dem Säbel seiner 
Schwiegervater an der Hand. Wegen dieser Miß 
jandlungen erhielt der Ängeklagte durch Urteil de 
Schoöffengerichts Bergzabern vom 4. Juli 1888 14 
Tage Gefängniß. Nach Verbüßung dieser Strafe 
vurde der Angellagte gegen seine Ehefrau immer 
pröber und roher, beschimpfte sie, wo er fie traf— 
n solcher Weife, daß sich dieselbe trotz mehrfachen 
Aufforderung don Seiten ihres Ehemannes nich! 
intschließen konnte, wieder zu ihm zu kommen. 
Am 22. September v. J. nun verließ der Ange⸗ 
llogte in der Fruhe zwischen 5 und 6 Uhr in seht 
nufgecegtem Zustande feine Wohnung, wobei er 
eine Hacke mi sich nahm, um, wie er sagte, au 
dem Felde zu arbeiten; kurz vor seinem Weggange 
außerte er zu feinem Valer⸗ Jeht schlag' ich sie 
lodt“, ging darauf rasch zum Orie hinaus gegen 
die Weißenburger Straße zu, da er wußte, daß 
seine Frau, welche kaͤglich Milch nach Weißenburg 
irug, dieses Weges kommen mußte. Einige auf dem 
Felde atbeitende Frauen, welche den Äüngeklagten 
unstät herumlaufen sahen, aynten nichts gutes 
weshalb sie die Eheftau Volkel warnen ließen. 
worauf letztere auf dem Heimwege eine ihr degeg 
nende Frau, welche denseiben Weg hatte, bat, s 
hr anschlehen zu darfen. In der Mitie zwischen 
Weißenburg und Schweigen irafen beide den Vol⸗ 
A. Der Angeklagte krat“auf der Mitle der Straß 
—AMA