Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒt. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingbert. 
Et⸗-Ingberter Anzeiger“ erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn ⸗ und Zeiertage. Z mal wöochentlich mit Unterhaltungt Blau und Rutwohhs und Sam dwne 
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Jarückun ndzeile oder deren Raum räg eraien aus der Pfalz , außerpfalzischen und solchen auf welche die Expeditio 
Austunft ertheilt 18, Neklamen 80 3. Bei maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. Abebihon 
X IBs. 
Samstag, 15. Juni 1889. 
224. —X 
Politische Uebersicht. 
Der Reichskanzler, welcher sich, wie 
emeldet, mit der Fürstin nach Varzin begeben hat, 
ürste, wie in früheren Jahren, nicht vor dem 
patherbst, oder gar erst zu Anfang des nächsten 
ahres zu langerem Aufenthalt nach Berlin zurückkehren. 
is gilt indessen nicht als ausgeschlossen, daß der 
zürst seinen Urlaub während des Besuches des 
—— 
ierher kommt. — Auch eine Anzahl von Mit⸗ 
liedern des Bundesrates hat Berlin verlassen, 
ind es ist kaum anzunehmen, daß dieselben behufs 
abwicklung des kleinen Restes von Arbeiten der 
iebjahrigen Tagung voch nach Berlin zurückkehren 
derden. — Es ist nicht unbemerkt geblieben, daß 
egierungsfreundliche Blätter sehr sorgsam die 
immen sammeln, welche sich auf die Errichtug 
on Gewerbekammern beziehen. Dieser Vorgang 
ht älteren Gerüchten, wonach die preußische Regierung 
esonnen ist, ihrerseits dieser Angelegenheit näher zu 
reten, neuen Anhalt. 
*Die Sitzungen der Samoa ˖ Conferenz 
aben nach einer Meldung aus Berlin wieder be— 
onnen. Während maa die Hoffnung gehegt hatte, 
e amerikanische Regierung werde den bisherigen 
irgebnissen der Berathungen ihre Zustimmung er— 
deilen, heißt es jetzt, Amerika mißbillige die von 
er Konferenz angenommene fremde Kontrole auf 
»omoa, weil dieselbe mittelbar Deutschland das 
ebergewicht gebe, und es verwerfe überdies jede 
nestrafung Mataafa's. Unterm Gestrigen, Freitag, 
zitd hieruu aus Berlin gemeldet: Nachdem die 
merikanischen und englischen Bevollmächtigten zur 
zamoaconferenz ihren Regierungen das Ergebnis 
t Conferenz gemeldet hatten, sind seitens der 
eiden Cabinette noch einige Wünsche auf Abände⸗ 
ang von einzelnen Punkten erhoben worden, die 
der nur ganz nebensächliche Bestimmungen betrafen. 
)ie Conferenz hat demgemäß gestern und heute 
mer Vorsitz des Grafen Herbert Bismarck von neuem 
etagt und ist über diese Wünsche schnell zur 
tinigung gelangt. Die heutige Conferenzsitzung gilt 
is Schlußsitzung. 
Mit Eröffnung eines außerordentlichen Land⸗ 
ages in Dresden am Mittwoch begannen die vom 
2. bis 19. Juni dauernden Festlichkeiten des 
Ohjahrigen Jubilãums des sachsischen Herrscher⸗ 
auses des Hauses Wettin. Ueberall in dem 
achsischen Land wird das Jubelfest vom Volke, 
as mit Liebe und Verehrung an seinem ange⸗ 
jammten Herrschergeschlecht hängi, freudig begangen, 
und wo sonst Sachsenherzen schlagen“ außerhalb 
es engeren Vaterlandes, feiern auch sie die Ehren⸗ 
ige, die in der Heimath, namentlich in der 
auptstadt des Königsreichs, mit so außerordent- 
chem Glanz begangen werden. Aber auch das ge- 
mte deutsche Volk bringt dem Hause Wenin 
ine Glückwünsche dar, und Kaiser Wilhelm wird 
d nach Dresden begebem, um personlich dem 
onig von Sachsen, seĩnem treuen Bundesgenofsen 
ad Freund, seine berzliche Theilnahme an dem 
ubelfeste seines Hauses auszudrücken. 
Die Wettiner sind, neben den Wittelsbachern 
ind Welfen, dasjenige deutsche Fürstengeschlecht, 
delches am längsten uünter allen dasselbe Land be— 
Nrrscht hat. Acht Jahrhunderte sind bdergangen, 
eit der erste Wettiner Hecrscher in Gedielen 
ourde, die noch heute dem Königreich angehören. 
icht Jahthunderte hindurch ist das Furstengeschlecht, 
us seit dem Jahre 1800 die Königskrone trägt 
nit dem Volke jener fruchtbaren, schönen Land- 
riche am Nordabhang des Erzgebirges in Freud 
ind Leiden treulich vereint! 
Deutsches Reich. 
Stuttgart, 13. Juni. Bei dem heutigen 
diner, welches der Köning den Landtagsabgeord- 
zeten auf Schloß Rosenheim gab, brachte der König 
in Hoch auf die Stande aus. Fürst Zeil toastete 
uuf den König und Präsident Hohl auf die 
dönigin. 
Stuttgart, 14. Juni. Anläßlich der bevor- 
tehenden Jubiläumsfeier gabdas Königs⸗ 
zaar gestern Nachmittag im Lustschloß Rosenheim 
ine Hoftafel, welcher Prinz Wilhelm, Herzog 
Aübrecht, die Minister und fast sämtliche Abgeord⸗ 
jeten beiwohnten. Der König brachte folgenden 
Trinkspruch aus: „Furchtlos und treu“ teilten wir 
usammen in diesen fünfundzwanzig Jahren Freud 
ind Leid. Goit erhalte seinen Segen auch ferner 
inserer Heimath. Das edle Wort meines Ahnen 
ẽberhard im Barte bewährt sich auch heute noch, 
daß der Landesvater sein Haupt in den Schoß 
edes seiner Unterthanen legen kann. Heil und 
SZegen der Heimath!“ Der Praäsident der Ersten 
dammer, Fürst Zeil, brachte das Hoch auf den 
dönig aus, der Präsident der Zweiten Kammer, 
o. Hohl, das auf die Königin. 
Berlin, 183. Juni. Nach der „Kreuzzeitung“ 
ind für die Meldungen über eine angeblich zu 
ende Juni oder Anfangs Juli in Aussicht stehende 
steisse des Kaisers von Rußland nach 
diel bisher keinerlei positiv? Anhaltspunkte vor—⸗ 
sanden. 
Ueber den Inhalt der letzten von dem Gesand⸗ 
en v. Bülow in Bern überreichten deutschen 
sdot e meldet das „Berliner Tagblatt:“ In der 
dote führt zunüchst die deutsche Reichsregierung Be⸗ 
chwerde über die Behandlung, welche Wohlgemuth 
u Teil geworden. Ferner wird von der Schweiz 
erlangt, sie solle die Ueberwachung reichsfeindlicher 
deutscher in der Schweiz durch deutsche Polizeiagen⸗ 
en gestatten und bezüglich der Fremdenpolzei ge⸗ 
visse Garantieen geben. 
Bremen, 14 Juni. Der amerikanische 
Ubgeordinene zur Samoa-Conferenz Phelps, 
eift morgen mit dem Dampfer des Norddeuischen 
loyd „Fulda“ nach New⸗Yori. 
Ausland. 
Paris, 13. Juni. Laguerre, Laisant 
ind Derouléde reisen am 14. Juni Abends 
zach London, kehren am Samstag zurück und 
salten am Sonntag in Lisieur eine Versamm- 
ung ab. 
Paris, 14. Juni. Sieben bis adqit⸗ 
ausend Kutscher haben die Arbeit eingestellt 
ind beschlossen, sich am Arc de Triomphe zu ver⸗ 
ammeln und eine Abordnung zum Minister des 
Innern zu senden. Die Kutscher wählten 5 Mit⸗ 
lieder ihres Syndicats, welche gestern Nachmittag 
som Minister empfangen wurden. Die Erregung 
inter den Kutschern ist groß, weil fast alle Kom⸗ 
agnieen 27 statt 24 Francs fordern. Die 
Ztreikenden schirrten die Pferde ab und zwangen 
zie Reisenden, auszusteigen. Die Polizei intervenirte 
nehrmals und nahm auch einige Verhaftungen vor. 
der Kutscherstreik wird morgen allgemein werden, 
venn die Compagnieen nicht nachgeben. Der 
Minister des Innern erklärt, eine Untersuchung an⸗ 
ustellen, und fordert auf, ruhig zu bleiben. 
Paris, 14. Juni. Heute Vormittag fand 
ine Beratunag der Arbeitaeber mit den 
Abgeordneten der ausstehenden Kutscher bei 
dem Minister des Innern statt. Man erzielte in⸗ 
dessen keinen Ausgleich. Die Kutscher verlangten 
einen festen Gehalt von 7 Franken oder Bemessung 
des täglich abzuliefernden Durchschnittsatzes auf 
20 Fr. — In der Umgebung des Triumphbogens, 
vo die Ausstehenden sich versammeln, herrscht große 
xrregung. Eine gepante Versammlung in der Rue 
des Acacias wurde untersagt. An der Ecke der 
Avenue Wagram und Faubourg Saint Honors 
vurden sechs Wagen umgestürzt. Eine ziemlich 
sroße Zahl von Wagen, welche heute ausfuhren, 
ind nachmittags zurückgekehrt, aus Furcht vor den 
lusständigen. Heute Abend findet eine Ver—⸗ 
ammlung der letzteren in der Salle Lewis statt. 
Bern, 13. Juni. In Sachen der Fremden⸗ 
polizei hatten gestern der russische und heute 
der össerreichisch- ungarische Gesandte Besprechungen 
nit dem Bundesrat Deroz. 
Bern, 14. Juni. Der Bundesrat wird 
»orläufig keine Mitteilung an die Bundesversamm- 
ung über die Verhandlungen mit Deutschland ma⸗ 
hen. Derselbe verwarf den in einigen Blättern 
jemachten Vorschlag eines Schiedsgerichts als un⸗ 
ereinbar mit den thätsächlichen Verhältnissen. 
Neapel, 18. Juni. Der Konig und der 
—IDV 
Assanierungsarbeiten begonnen haben, und wurden 
yon der Bevölkerung und den Arbeitern freudigst 
zegrußt. 
Bruͤssel, 14. Juni. Die liberale Pasr⸗ 
ei veranstaltet eine große Kundgebung in 
Zrüssel zam 23. Juni, zu welcher über hundert⸗ 
ausend Teilnehmer aus der Provinz eintreffen 
verden. 
Bukarest, 14. Juni. Den Journalen zu— 
'olge begeben sich die Majestäten und der 
Thronfolger am 16. Juni ins Ausland. — 
Im Senate interpellierte Aurelian, ob die Re— 
zierung beabsichtige, das Gesetz vom Jahre 1877, 
zetreffend die Schaffung eines nationalen Schiff⸗ 
ahrtsdienstes auf der Donau, durchzuführen. 
London, 13. Juni. Entgegen gewissen Ge⸗ 
rüchten über die versöhnlichee Haltung der 
ranzösischen Regierung gegenüber der 
igyptischen Konversionsfrage ist es sicher, daß 
Frankreich darauf besteht, jene Frage nur im Zu— 
ammenhang mit der Räumung von Aegypten durch 
zie englischen Truppen in Betracht zu ziehen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 15. Juni. Ein ernster Ge— 
denktag ist der 15. Juni für das deutsche Volk 
gjeworden. Ein Jahr ist es heute, daß der tapfere 
Zeld, der edle Fürst, Kaiser Friedrich nach 
sielen Schmerzen seine müden Augen zum letzten 
Schlummer schloß. Die Lichtgestalt dieses Lieblings 
unferes Volkes wird stets in Aller Erinnerung 
hleiben. Und wenn es ihm nur kurze Zeit ver⸗ 
joͤnnt war, als Kaiser die Geschicke des Reichs zu 
enken, so haben doch seine Verdienste um das 
Vaterland das dankbare Andenken aller Deutschen 
ür alle Zeiten begründet. 
* S. Ingbert, 15. Juni. Die Gestell⸗ 
ungsordres für die Militärpflichtigen 
aus der Bürgermeisterei St. Ingbert (St. Ing⸗ 
bett, Schnappach und Hassel), welche an den 
gestern bekannt gegebenen Tagen vor der kgl. 
Oberersatzkommission zu erscheinen haben, können von 
jeute ab auf dem Polizeibureau dahier in 
z„4mpfang genommen werden.