Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des könial. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St, Jugberter Anzeigete erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Zeiertage. 2 mal wöchenlich mit Unterhaltungs· Blau und Mittwochs und Eamge e 
—28 Beilagen — — Blatt koftei dieriehahrlich 1 A Go einschließuch Trageriohn; durch die 535 1M7α,, einschlietliq 40 ⸗ e Die 
anngasgebühr fur die Agespallene Garmondzeile ober deren Raum behragt dei Inseraien aus der Pfalz 104, bei außerpfalzischen und solchen auf welche die Expedition 
Anatunft eribeiit,. Ix, Neklamen 80 3. Bei Amaliger Cinricung wird nur dreimalige berechnet. 
VTG. 
Politische Uebersicht. 
Dem dentschen Bundesrath ist der 
„nwurf einer Verordnung betreffend Abänderung 
d Erganzung des 8 35 der Militär-Transpori⸗ 
dnung für Eisenbahnen im Frieden zugegangen, 
rnach sollen Raketen und geladene Raketenhülsen 
den vorschriftsmäßigen Transportkasten den bis⸗ 
etigen beschränkenden Bestimmungen der Beförderung 
icht unterworfen sein und ferner die bei der Be— 
derung einzelner Gegenstände im Betriebsreglement 
zher vorgeschriebenen Bescheinigungen von Ver— 
eindern, Fabrikanten und vereideten Chemikern durch 
ne militärische Anmeldung ersetzt werden. 
*Dem gestern bereits erwähnten, hochbedeut- 
men Artikel der „Ndd. Allg. Ztg.“ entnehmen 
ir folgende interessante Stellen: Die Neutra⸗ 
itaͤt der Schweiz ist ein Erzeugnis der 
eueren Geschichte. Bis gegen Ende des 18. Jahr⸗ 
undertz stand die Schweiz in einer Art von 
defensibbündniß mit Frankreich, und im Jahre 
798 war bekanntlich das Land der Kriegsschau⸗ 
latz für österreichische, russische und französische 
lrmeen. Erst auf dem Wiener Congreß ist die 
deutralität der Schweiz, die Integrität und Un— 
erlezlichkeit ihres Territoriums unter Voraussetz⸗ 
ng der Consolidation ihrer inneren Angelegen⸗ 
eiten ausgesprochen worden. Diese Bevorzugung 
atbhindet einen neutralen Staat aber nicht von 
enjenigen Pflichten gegen seinen Nachbarn, welche 
?taaten ohne Neutralität gegenseitig beobachten, 
venn sie mit einander in Frieden leben wollen. 
tin Verhalten, welches zwischen Ländern, von 
jenen keines die Neutralität beanspcucht, zum 
driege fuhren würde, hat deshalb ein neutraler 
ztaat mit ganz besonderer Vorsicht zu vermeiden. 
denn französische und belgische Socialrevolutionäre 
mn der deutschen Grenze denselben Vorschub er⸗ 
ielten, wie die deutschen Socialdemokraten in der 
Schweiz, so würde der Friede auf unserer West⸗ 
tenze längst nicht mehr bestehen. Diesen Erwägungen 
egenüber ist die Frage berechtigt, ob es der 
ozchweiz bei ihrer Neutralitat freißeht, dem bisher 
a hohem Grade freundlichen deuischen Grenznach- 
ar gegenüber solche Acte auf ihrem Gebiete durch 
duldung und Unterstützung zu fördern, welche 
wischen anderen Staaten zum Bruche und zum 
driege führen würden. Der Fall Wohlgemuth 
aln ins Gewicht als Symptom einer durch die 
dweizer Duldsamkeit gegen demokratische Wühler 
nd Unduldsamkeit gegen monarchische Äbwehr ge⸗ 
hesfenen, schon seit langerer Zeit unhalibaren 
ituation. Letztere ist ermöglicht durch die Nicht⸗ 
cüllung des Artikels 2 des Niederlafsungsver- 
ages vom 27. April 1876 seitens der Schweiz. 
—X die in demselben vorgeschriebenen Zeugnisse 
ꝛer Heimatsbehörde. wie das in Deutschland noch 
rute geschieht, auch in der Schweiz eingefordert 
bürden, so hätte die socialdemokratische Agitation 
er dort sich aufhaltenden Deutschen niemals die 
Stätke erlangt, in der sie heute dort betrieben 
rird. Wenn ein Basler Großrat, wie Herr Wull⸗ 
slager, sich ungestraft in öffentlicher Versamm- 
ung rühmen darf, daß er den socialdemokratischen 
lginator Lutz angestiftet habe, einen deutschen Be— 
imten auf das schweizerische Gebiet zu locken, und 
enn nach dem Geständniß dieses selben Mannes 
et Bezirksamtmann zu Rheinfeiden sich dazu her— 
dem nämlichen Socialdemokraten bei der Ver⸗ 
chtung und Gefangenhaltung eines deuischen Be— 
mten seine hilfreiche Hand zu leiben und dadurch 
Samstag, 22. Juni 1889. 
24. Jahrg. 
einer befreundeien Regierung gegenüber seine dienst- 
iche Stelle zu mißbrauchen, so ist der Fall Wohl⸗ 
gemuih nur der Tropfen Wasser, der das Glas 
zum Ueberlaufen gebracht hat. Die Neutralität ist 
ein Privilegium, dessen Mißbrauch der Previlegirte 
vermeiden muß. 
* Die große Friedensrede, welche der 
inglische Unterstaatssecretür für auswärtige Ange⸗ 
egenheiten, Sir James Fergusson, in dem 
onservativen Verein von Wandsworth gebalten 
zat, besagt des näheren: 
Dieses Jahr ist soweit eine Zeit ziemlich be⸗ 
nerkenswerter Wohlfahrt, der Ruhe im Inlande 
ind des Friedens im Auslande gewesen. Wir 
jaben Grund für die Hoffnung, daß es so fori 
ahren wird, wie es begonnen hat. Dieselbe Weis 
jeit und Vorsicht, welche die Staatslenker beseelte, 
vährend sie Maßregeln zum Schutze ihrer Gebiete 
gegen mögliche Gefahren ergriffen, um Ursachen 
zes Anstoßes zu vermeiden, dient ihrer Politik noch 
mmer zur Richtschnur. Diese Entwickelung 
riegerischer Streitkräfte, welche eine Bürde und 
ine gewisse Gefahr für den friedlichen Gewerbe⸗ 
leiß bilden, ist gleichzeitig eine Beruhigung, da die 
zereitschaft zur Zurückweisung eines Angriffes, 
n welcher sich jede Macht befindet, jedwede 
Friedensstörung für einen Angreifer höchst 
Jewagt macht. Das Verantwortlichkeitsgefühl 
vird schärfer und die Größe des Einsatzes augen- 
cheinlicher und deßhalb dürfen wir hoffen, daß die 
Kücksichen und Ursachen, welche in jüngsten 
zahren in der Richtung des Friedens wirkten, 
iuch in kommenden Zeiten ihre Wirkung nicht ver- 
ehlen werden. 
Deutsches Reich. 
München, 20. Juni. Wie der „Pf. K.“ 
vissen will, wird dem Landtag eine Novelle zum 
RMalzaufschlaggeseszz zugehen, welche sich 
»on den früheren Novellen durch eine besondere 
Abstufung des Aufschlaas für die Großbrauereien 
interscheidet. 
Stuttgart, 21. Juni. Es steht nunmehr 
est, daß auch die Kaiserin Augusta Victoria 
zu den Jubiläumsfestlichkeiten hierherkommt. 
Die hohen Besuche zu den Jubiläumsfeierlich- 
eiten beginnen einzutreffen, zunächst Verwandte des 
vürttembergischen Koͤnigshauses, ferner fremde Ge⸗ 
andte, darunter heute Mittag der Nuntius Agliardi. 
Die Stadt beginnt ihren Festschmuck anzulegen. 
Der „Staats⸗Anzeiger“ bringt eine lange Liste von 
Irdensverleihungen, voran die Auszeichnung des 
Ministerprasidenien von Mittnacht durch die 
Zrillanten zum Großkreuz des Württembergischen 
dronen⸗ Ordens. 
Berlin, 20. Juni. Die „Vörsenzeitung“ will 
vissen, daß dem Reichstage im Herbste ein Gesetz⸗ 
ꝛniwurf hetreffend den Ersatz des Sozialist en⸗ 
gesetzes nicht vorgelegt werden würde. 
Der Afrikareisende Dr. Hans Meyer wurde 
jestern vom Kaiser empfangen, der sich genauen 
gericht über die Verhältnisse und die Lage der 
dinge am Kilimandscharo erstatten ließ. 
Der kaiserliche Commissac für das Schutzgebiet 
der Marschallinseln, Sonnenschein, ist mit mehr⸗ 
nonatlichem Urlaub hier eingetroffen. 
Berlin, 21. Juni. Die „National-Zeitung“ 
chreibt: Wie uns ein Privattelegramm aus Peters⸗ 
zurg meldet, reist der russische Großfürst- 
Thronfolger heute von dort nach Stuttgart. 
der Großfürst nimmt seinen Weg über Berlin. 
Man alaubt. daß bei seiner Anwesenheit hierselbst 
Ort und Zeit des Besuches des Zaren bei Kaiser 
Wilhelm festgestellt werden wird. 
Dresden, 20. Juni. König Albert er— 
säßt im „Dresdener Journal“ eine Danksagung 
ür die aus Anlaß des Jubiläums ihm gewordenen 
dundgebungen, aus welchen er die ihn beglückende 
Ueberzeugung erneuere, daß die alte Sachsentreue 
heute noch fest begründet sei. Die Danksagung 
chließt mit den Worten: „Gott segne mein Sachsin- 
and und sein Vast“ 
Auslaͤnd. 
London, 20. Juni. (Unterhaus.) Fer⸗ 
Jusson erklärt, die Nachricht, Vambery sei auf 
Wunsch Salisbury's in einer Spezialmission beim 
Zultan gewesen, sei unbegründet. 
Bern, 21. Juni. Der Bundesrath be— 
rätigte in seiner Antwort auf die im Nationalrathe 
gestellte Juterpellation zunächst, daß der mit 
Deutschland gepflögene Meinungsaus— 
tausch über die Angelegenheit Wohlgemuth zu 
keiner Uebereinstimmung geführt hate. Bei der 
Verhendlung über dieseibe seien grundsätzlich wich- 
tige völkerrechtliche Fragen zur Sprache gekommen, 
betreffend das Asyl- und Niederlassungsrecht. Die 
Unmöglichkeit, sich über diese Fragen zu verständigen, 
habe eine Spannung zwischen beiden Ländern zur 
Folge gehabt, welche insbesondere in der Presse 
Uusdruck gefunden habe. Dann heißt es weiter: 
Auf die Mittheilung der deutschen Regierung, daß 
ie fich vorbehalte, angesichts der Unzulänglichkeit 
der schweizerischen politischen Polizei oder der 
Dhnmacht der Bundesregierung bezüglich des Grenz⸗ 
verkehrs die ihr nothwendig erscheinenden Maß— 
nahmen zu treffen, haben wir, unter Hinweis auf 
die von uns bereits gegen die sozialistischen und 
anarchistischen Elemente angeordneten Maßregeln, 
den unzweideutigen Beweis geliefert, daß wir festen 
Willen und auch Kraft besitzen, uvpsere völkerrecht- 
lichen Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, und daß 
wir die deutscherseits angedeuteten Maßnahmen von 
vornherein als ungerechtfertigt betrachten.“ Als 
Mitbuürgen der schweizerischen Neutralität erklärten 
znuch Ruͤßland und Oesterreich, sie hielten dafür, 
daß diese Neutralität für die Schweiz die Pflicht 
n sich schließe, Umtriebe zu verhindern, welche den 
nneren Frieden ihrer Lander zu storen geeignet 
teien. widrigenfalls sie die Frage prüfen müßten, 
od unsere Neutralität noch in ihrem Interesse liege. 
Der Bundesrath habe allen drei Mächten bemerkt, 
die gegen die Unruhstifter zu treffenden Maßregeln 
habe die Schweiz mit Niemanden zu erörtern. 
Ddies seien innere Fragen, in welche die Schweiz 
als souveräner Staat keine fremde Einmischung 
zulasse. Wenn man nicht abhängig sei, könne man 
zuch nicht neutral sein. Von diesem Boden lasse 
die Schweiz sich nicht verdrängen. Da die Ve— 
prechung dieser hochwichtigen Fragen noch nicht 
eendigt sei, müsse der Bundesrath sich auf das 
Besagte beschranken. Wenn der Augenblick zu 
wveiteren Erötterungen gekommen sei, würden die 
Räthe sich überzeugen, daß der Bundesrath nichts 
versäumt habe, „die Würde, die Interessen und 
Zouvberäneiätsrechte der Schweiz zu wahren.“ 
Kladno, 21. Juni. Gelegentlich der gest⸗ 
igen Frohnleichnamfeier fanden so erhebliche Aus⸗ 
qhreitungen statt, daß die Gendarmerie die 
Feuerwaffrn gebrauchen mußten. Zwei Personen 
vurden getödiet, zwölf sind schwer derwundet. Die 
Wohnuagen des Bürgermeisters, des Bergdirektors 
Baier Y wurden gepslündert und verwüstet. Die 
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