Full text: St. Ingberter Anzeiger

der „Völlerei⸗ gemacht worden war. Der Anwalt 
bestritt die Berechtigung dieses Vorwurfs, indem 
—X das Bier verschieden auf den 
Menschen einwirke. Der Eine werde lustig, der 
undere schlafe ein, ein Drikter werde brummig, 
der Vierte liebenäswürdig und wolle die ganze Welt 
umarmen; der Fünfte werde sentimental und zu 
Thranen gerührt; dir Sechste bekomme einen all⸗ 
gemeinen Weltschmerz ꝛc. Sein Klient gehöre zu 
za glücklichen Sorte, die lustig werde; er müsse 
des guten Beispiels halber als Wirth sein eigenes 
Hier trinken und sich überzeugen, ob das Gebräu, 
welches er seinen Gästen vorsetze, auch mundge— 
recht sei; das Beispiel zünde dekanntlich. Gehe der 
— 
sn sich die Gäste: „Aha. Das Bier muß gut 
sein, er trinkt es selbst.“ Also, schloß der An⸗ 
wali, des Beispiels halber muß mein Klient 
inken. Unter allgemeiner Heiterkeit erreichte der 
Anwalt seinen Zweck. 
f 15,000 Mark verloren und gefun— 
»en. In großer Aufregung lief am Samstag in 
Frankfurt ein Amerikaner, der sich mit Frau und 
hind auf der Reise befand, auf dem Hauptbahnhof 
umher und suchte nach seiner Tasche, die ihm ab— 
handen gekommen war und welche die Kleinigkeit 
von 15,000 Mark enthielt. Er frug die Züge wohl 
auf und ab, er frug bei allen Namen, doch Keiner 
var, der Kunde gab von Allen, die da kamen. 
Die Polizei unterstützte den unglücklichen Verlierer, 
und fast schien schon jede Hoffaung verloren, als 
man endlich auf einen Beamten stieß, der die 
Tasche in Vetwahrung haue. Ein Fremder hatte 
fie tinsam stehen sehen und sie dem Beamten 
abergeben. 
FBiebrich, 5. August. (Kaiser-Denk— 
mal. — Brand.) Gestern fand die feierliche 
Fathüllung des Gedenksteines statt, den der hiesige 
riegerberein dem Gedächtnisse der beiden Kaiser 
Wilhelm J. und Friedrich III. auf der 
Flisabethenhöhe errichtet hat. Die Beteiligung an 
»em Festzug, wie an der übrigen Feier war eine 
ehr starke. Das im ganzen 6 Meter hohe Denk⸗ 
mal ist in Kallstein ausgeführt. In die Vorderseite 
st die in Guß hergestellte Gedenktafel, welche 1,80 
Meter lang und 1,20 Meter breit ist, eingemauert. 
Auf derselben befinden sich oben die Reliefbildnisse 
zer beiden Kaiser und darunter nachfolgende Schrift 
m gotischen Buchstaben: . 
wizd deutschen Kaisern 
ilhelUm IL., riedrich III. 
»em Schöpfer des Heeres, dem 8 been, 
em Gründer des Reichs, — Goͤnner der Künste, 
em Schirmherrn d. Friedens dem standhaften Dulder 
zum Gedächtniß errichtet durch den 
Kriegerverein zu Biebrich-Mosbach. 
MDCCOCLXXXIX.“ 
fManste, mer esse heut Roßflesch? 
nter dieser Devise wird dem „Ludw. G.⸗A.“ von 
einem „Ausflügler“ folgendes heitere Geschichtchen 
mitgetheilt. Eine größere Gesellschaft machte dieser 
Tage einen Ausflug rheinabwärts. Einer der 
Ausflügler, der — nebenbei gesagt — sich heillos 
vdarüber freute, in Bingen endlich einmal den 
Rtheinfall bei Schaffhausen zu sehen — derlangte, 
auf dem Schloß angekommen, von einem Kellner 
eine Portion warmes saures Fleisch. Der Kellner 
lam nach einigen Minuten wieder zurück und er— 
larte, daß kein saures Fleisch mehr zu haben sei, 
Rostbraten jedoch stehe noch zur Verfügung. Voller 
Enrüstung erhod sich jetzt unser Ausflügler und 
cief: „Was, Roßbraten! Dich muß e Gewitter, 
ane ae esse heut Gaulsflesch? machste. daß de 
er kümmst!“ 
f Karlsruhe, 5. August. Der Erbgroß⸗ 
Ftzog verließ am Samstag zum erstenmal das 
Bett und brachte auch gestern“einige Zeit außerbalb 
desselben zu. 
fMüncher, 5. August. Das Defizit 
des Turnfestes beläuft sich auf 60000 
Mark; die Garantiezeichner werden laut „Fr. Z.“ 
—A müssen. 
tMuͤnchen, 6. August. Gestern Nacht stie— 
vn bei Seubersdorf infolge falscher Weichenstellung 
an Postzug und ein Güterzug zusammen, wobei 
mier P.rsonen verwundet wurden. 
—I kleine Episode, die während 
deutsch;französischen Krieges sich zutrug, wird 
In Prinzen Lud wing von Bahern erzahlt. Es 
e während der — trotz der eifigen Temperatur, 
—D — heißen Kampfe, welche im December 
O das deutsche Heer der von Aurelle de Pala— 
ine befehligten Loire-Armee lieferte. Eine preußische 
und bayerische Batterie standen Schulter an Schulter 
auf einem der Hügel, die sich langs der Loire erheben, 
und feuerten gegen die von den Franzosen besetzten 
Positionen. Die Bayern waren mit solchem Unge— 
stüm in's Zeug gegangen, daß sie sich „verschossen“ 
hatten, und ein Hauptmann trat an einen der 
Officiere der preußischen Batterie mit der Bitte 
jeran, ihm einige Munition zu überlassen. Der 
Preuße willfahrte dem Gesuch, und eine Portion 
Z„prenggeschusse wurde auf einen Karren verladen. 
da sprengte der — preußische — Regiments— 
Fommandeur heran und erkundigte sich nach dem 
Sachberhalt. Er zeigte sich sehr ungehalten darüber, 
»aß die Bayern nicht sparsamer und vorsichtiger 
mit ithjrem Schießmaterial umgingen, und bereitete 
»em bajuvarischen Hauptmann ein formliches 
Donnerwetter. Dieser ließ dasselbe undeweglich, 
vie es sich einem Untergeordneten gegenüber einem 
stangvorderen geziemt, über sich ergehen, schwenkte 
zann salutirend ab und ritt mit der Munition zu 
einen Leuten. Da kam ihm ein Unterofficier ent— 
jsegen, der den Hauptmann mit „königliche Hoheit“ 
mredete. Nun wurde der Oberst stutzig, erkundigte 
ich bei seinem Adjutanten, setzte donn sein Pferd 
n schärfsten Trab, um den Bahern einzuholen. 
ẽr ssieg vom Roß herunter, verneigte sich lief. 
„Königl. Hoheit“, sprach er, „ich wußte nicht, mit 
vem ich die Ehre hatte zu reden. Wollen gütigst 
neinen barschen Ton entschuldigen — aber meine 
Bemerkungen über den unnützen Verbrauch der 
Munition muß ich aufrecht erhalten.“ — „Und 
zaran thun Sie recht, Herr Oberst,“ erwiderte der 
ayerische Hauptmann, der niemand Anderer war 
us Prinz Ludwig von Bayern, der Redner vom 
Turnfest. 
Die Indianer aus „Wild⸗Amerika“ 
machen in Berlin Schule. An einem der letzten 
Nachmittage wurden 12 — 15 Knaben im Tiergarten 
on Polizisten dabei ertappt, wie sie in unverfälscht 
damitischem Kostüme, nur wie ihre Oirginale mit 
illen möglichen bunten Farben bemalt und aben⸗ 
euerlich mit Federn geschmückt, ihr Unwesen trieben. 
dem Polizeileutnant, dem die kleinen Missethäter 
orgefühet wurden, soll es schwer gewesen sein, 
ingesichts dieser Commancheskrieger den Ernst des 
Dienstes zu wahren. 
(Unfreiwilliger Humor aus 
Zeitungen.) Ueber die jüngst abgehaltene 
Thierschau in Coesfeld bringt die Dülmener Volks⸗ 
eitung Nr. 536 einen Bericht, der also schließt: 
„Am Abend zog ein schweres Gewitter herauf, 
velches jedoch den frohen Verlauf des Festes nich. 
ange beeinträchtigte und mit einem fröhlichen Ball 
ndete.“ Auf dem Ball, mit welchem das Gewitter 
ndete, waren gewiß hauter Blitzmädel. — Auf 
illertiefsten Befehl des Druckfehlerteufels lautet Punkt 
3 der in Nr. 155 des Obersch. Anzeigers ver—⸗ 
iffentlichten Tagesordnung der Stadtverornetenver⸗ 
ammlung: Antrag des Magistrats , zur Beschaffung 
ines Ehrengreises für die am 30. Juli hier statt ˖ 
indende Thierschau 200 Mk. zu bewilligen.“ Für 
o wenig Geld wird man aber kaum einen Schadens, 
geschweige denn einen Ehrengreis bekommen. 
Prüfung in der russischen Sprache. 
Borige Woche fand in der Kriegsschule zu Glogau 
ꝛine Prüfung in der russischen Sprache statt, der 
.8 Kriegsschüler sich unterzogen. An dem nächsten 
dursus werden voraussichtlich 86 Krieasschüler teil⸗ 
nehmen. 
F Gras wachsen hören. Bei der letzten 
Wandervecsammlung eines schlesischen botanischen 
Bereins, wurde ein von den Technikern Thomas 
ind Lügel konstruirter Apparat gezeigt, welcher es 
Jestattet, die Schnelligkeit des Wachsthums der 
—pflanze zu messen. Die wachsende Pflanze wird 
nit einem Zeiger in Lerdindung gesetzt, der sicht⸗ 
»ar und beständig vorrückt und das Wachsthum 
zer Pflanze in fünfzigfach größerem Maßstabe an- 
ziebt. Wenn man den metallenen Zeiger und den 
netallenen Kreis mit einem elektrischen Hammer in 
Berbindung dringt, dessen Strom bei den Theil⸗ 
trichen unterbrochen wird, so läßt sich das Wachs⸗ 
hum der Pflanze nicht nur für das Auge, sondern 
rnuch für das Gehör wahrnehmbar machen und man 
vird in Zukunft thatsächlich „das Gras wachsen 
sören“. — Das ist Zukunftsmusik! 
Basel, 5. August. Gestern fand in Engel— 
berg (Anterwalden) die Einweihung der evan— 
gelischen Kirche statt. Bii der Uebergabe 
jer Schlüssel hielt Graf Waldersee eine An— 
prache. Architekt Reber (Basel) sprach in der Kirche, 
3farter Heusler (Basel) hielt das Weihegebet, Pfarrer 
stägi von Rieben bei Basel die Festpredigt. Zu 
der erhebend verlaufenen Feier hatten sich zahl⸗ 
reiche Teilnehmer eingefunden. 
fParis, 6. August. Vor dem Schwurgericht 
wurde heute bei geschlossenen Thüren gegen den 
sässischen Sprachlehrer und Abschreiber Paul 
Bonninger verhandelt, der im Jahre 1885 dem 
dekannten dänischen Spion Hansen wichtige diplo— 
nalische Schriftstücke entwendet und an Deutichland 
»erkauft haben soll. Auch Geld soll der Kerl ge⸗ 
tohlen haden. (Bonninger ist seiner Zeit in L⸗ipzig 
hor dem Reichsgericht als Zeuge gegen den dani⸗ 
chen Capitän und Spion Sarauw aufgetreten). 
Der Angeklagte wurde zu 12 Jahren Zucht— 
paus verurteilt. 
Rauchloses Pulver. Bei mehreren 
ꝛuropäischen Acmeen werden gegenwärtig Versuche 
nit rauchlosem Pulber gemacht, dessen Einführung 
vohl überall bevorsteht. Es liegt auf der Hand, 
zaß die Schlachten der Zutunft eine wesentlich andere 
Hestalt annehmen werden, wenn der Pulberdampf 
nicht mehr über dem Schlachtfelde lagert und für 
Freund und Feind die Ziele, die Aufstellung und 
die Bewegungen der Truppen nicht mehr verdeckt. 
In der deuischen Armee ist es namenilich in diesem 
Sommer auf den Artilleric⸗Schießplätzen erprobt 
vorden, auch die Franzosen beschäftigen sich eingehend 
»amit und am 26. und 27. Juli sind, wie aus 
som geschrieben wird. dort auf dem Schießfelde 
Acqua Acelosa Versuche mit dem rauchfreien Pulver 
jergacht worden, welches von einem jungen Artillerie⸗ 
Offizier des Turiner Arsenals erfunden wurde. Die 
Bersuche sollen sehr gut ausgefallen sein. Das 
BZulver entwickelte unter kaum hörbaren Knalle und 
voller Rauchlosigkeit eine um ein Drittel höhere 
Spannkraft als das bisherige und bei auf 8300 
Meter Entfernung abgegebenem Massenfeuer betrugen 
die Treffer nahezu 35 vom Hundert. 
Gemeinnütziges. 
Gegen die Karbolsdure. Nach einer 
Mittheilung in den „Industrieblättern“ warnt nun 
uuch der berühmte Operateur Professor Dr. Bill⸗ 
'oth bei kleinen Verletzungen an Fingern ꝛ⁊c. vor 
der Anwendung der Karbolsäure, da durch dieselbe 
unbedeutende Verletzungen oft brandig geworden 
eien. Die Karbolsäure habe schon jetzt in der 
Thirurgie eine weit beschränktere Anwendung als 
ruͤher, da die Gefahren, welche dieselbe herbeiführen 
ann, erst nach und nach von den Aerzten kennen 
gelernt worden seien: in manchen Fällen hätte 
zieses Mittel nicht nur Entzündungen und Brand 
Jerbeigeführt, sondern auch Blutvergiftung erzeugt. 
Professor Dr. Billroth räth dagegen bei kleinen 
Verletzungen Umschläge mit Bleiwasser zu machen, 
das in jeder Apotheke zu haben ist. 
Familiennachrichten. 
Gestorden: in Heidelberg Margaretha Opp 
jeb. Gies von Dürkheim. 
Neueste Nachrichten. 
Wörth an der Sauer, 6. August. Unter 
Anwesenheit vieler bayerischer und deutscher Offiziere, 
drieger und einer großen Menge Publikums ist die 
knthüällungsfeier des Denkmals für die 
in der Schlacht von Wörth gefallenen 
Bayern glänzend verlaufen. Genecal v. Gropper 
zielt die Festrede, in welcher er die Geschichte der 
kntstehung des Dentmals gab, das zum ehcenden 
Hedenken der auf dem Schlachtfeld gefallenen 
ayerischen Führer und Soldaten errichtet worden 
ei. Mit einem Hoch auf das bayerische Königs⸗ 
Jjaus schloß Redner seine patriotische Ansprache, in 
velches die Anwesenden kräftigst einstimmten. Eine 
Parade der anwesenden Krieger fand nicht statt. 
Das Wetter war prächtig. Das Städtchen Wörth, 
die Dörfer Sulz und Fröschweiler prangen in 
reichstem Flaggenschmuck. Das Bundesprasidium 
des bayerischen Veteranen⸗, Krieger- und Kampf— 
genossenbundes ist fast vollständig hier versammelt. 
(Pf. K.) 
München, 6. August. Der Schah von 
Perssien trifft am 19. August hier ein und wird 
drei Toge hierselbst verweilen. 
Petersburg, 7. August. Es wurde ein 
Zesetz promutgiert, wonach die Gymmasien mit 
deutscher Unterrichtssprache in Birkencuhe und Fellin 
m Gouvbernement Livland binnen drei Jahren zu 
chließen find. Die staatliche Dotation des Gym⸗ 
rasiums zu Birkenruhe wird bereits am 1.183. 
Juli 1889 eingestellt. (S. 3.) 
dür die Redaktion verantwortlich F.“. Deme