Full text: St. Ingberter Anzeiger

Der neue Generalgouverneur Schakir Pascha hat 
auf Kreta das Kriegsrecht ausgerufen. 
Petersburg, 16. August. Das offiziose 
„Journal de St. Petersbourg“ bemerkt, juristisch 
seien Boulanger und Genossen für Frankreich 
todt. Aber es frage sich, ob der Boulangismus 
Boulanger nicht dom politisch-sozialen Gesichtspunkte 
aus überlebe. Das Blatt befürchtet, die Republi— 
kaner könnten ihren Streit unter einander wieder 
beginnen. Die Republikaner hätten nunmehr Ge« 
legenheit, Klugheit und Disziplin zu beweisen. Was 
die durch die Niederlage Bourangers desorganifirten 
Konservativen angehe, so würden sie Mühe haben, 
ihre Reihen vor den Wahlen wieder in Ordnung 
zu bringen, falls nicht der Zwiespalt der Repu⸗ 
hlikaner ihre Aufgabe erleichtere. Andere Blätter 
bezweifeln, daß Boulangers Rolle bereits gänzlich 
ausgespielt sei. Die „Neue Zeit“ glaubt, Frank⸗ 
zeich werde bei den Wahlen über Boulanger ein 
endgiltiges Urtheil fällen. — 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Ingbertt, 17. August. Die älteste 
Bewohnerin unserer Stadt wurde gestern 
dahier zu Grabe getragen. Es war dies Frau 
Ktatharina Weirich, welche das ehrwürdige Alter 
don beinahe 93 Jahren erreicht hafte. Trotzdem 
»xfreute sie sich bis in die letzten Tage einer er— 
qdaunlichen Rüstigkeit, las noch ohne Brille und 
konnte ohne Hilfe ihre Ausgänge besorgen. Sohn, 
Enkel und mehrere Urenkel der Greisin leben hier 
und bildeten oft einen Kreis um dieselbe, dem sie 
uus der Fülle ihrer langjährigen Erfahrungen 
mancherlei mitteilte, wie sie ihre. Erlebnisse aus 
früherer Zeit überhaupt gern erzählte. Der stets 
freundlichen alten Frau ist gewiß bei Allen, die sie 
fannten, ein treues Gedenken gesichert. Möge der 
Friede walten über der Enischlafenen. 
* St. Ingbert, 17. August. Der hiesige 
Zweigverein des Pensionsvereins Babari«a 
zielt am letzten Mittwoch eine Versammlung ab, 
wobei der Schriftführer desselben, Herr H. Pflug, 
den Geschäftsbericht des Hauptvereins für das erste 
Semester 1889 zur Kenntniß der Mitglieder brachte. 
Der Bericht beweist ein sehr erfreuliches Resultat 
der Wirksamkeit des Vereins. Die Summe. der 
Finnahmen in genanntem Zeitraume beträgt 
34012,93 Mk., die der Ausgaben, worunter 
18754,566 Mi. für Pensionen, 78083,72 Mk. 
Am Schlusse des Semesters blieb somit ein Aktiv— 
test von 5929,21 Mk. Das gesammtrentirliche 
Vermögen des Vereins belief sich am 31. Dezem⸗ 
ber 1888 auf 689674,25 Mk., am 1. August 
1889 dagegen auf 751430,86 Mk. Der Verein 
jand sich also im ersten Semester dss. Is. in der 
aagenehmen Lage, rund 58000 Mk. dem Kapital⸗ 
tock zuwenden zu können. Die Zahl der Mit⸗ 
glieder ist von 1641 auf 1736 gestiegen. 
In den weiteren Verhandlungen hiesigen Zweigber⸗ 
eins wurde der Regiebeitrag mit 40 Mk. monatlich fest⸗ 
gestellt. Ferner wurde beschlossen, die Abführung 
der Beiträze zum Haupiverein nicht mehr direkt 
durch Postsendung, sondern durch Vermittlung der 
hiesigen Vertretung der Bayer. Hypotheken- und 
Wechselbank bethätigen zu lassen, wodurch der 
Zweigverein ein Ersparniß an Porto erzielt. Der 
Zweigverein St. Ingbert mit hundert und etlichen 
zwanzig Mitgliedern ist der drittstärkste des Ver⸗ 
bands und wird nur von München und Auasburg 
übertroffen. 
* In einer gestern Abend abgehaltenen Sitzung 
der vereinten Turnräthe wurde die Vereinignung 
der hier bestehenden Turnvereine, Männerturnver⸗ 
ein und Turnverein St. Ingbert, unter der fort⸗ 
zuführenden Bezeichuung „Turnverein St. 
Ingbert“ beschlossen. Zur Berichterstattung üher 
diese Sache sowie sonstige Punkte wird heute 
durch Anzeige eine Generalversammlung auf Mon⸗ 
tag Abend 8 Uhr im Vereinslokale (F. Frank) 
einberufen. Wir zweifeln nicht, daß dieser zur 
Förderung der Turnsache so wichtige Schritt all⸗ 
seitige Zustimmung finden wird, und begrüßen 
dieses Zeichen von einträchtigem Zusammengehen und 
zielbewußtem Streben mit besonderer Freude. 
*Vom I1. September nächsthin ab werden wir 
wieder den Genuß eines Theaters hier haben. 
herr Direktor Baudrexler mit seiner Truppe 
wvird von genanntem Tage an hier Aufenthalt 
nehmen. Nach der heutigen Korrespondenz aus 
Dürkheim, wo die Theatergesellschaft langere Zeit 
Vorstellungen gab, läßt sich von deren Leistungen 
aur Tüchtiges erwarten. 
NAn di⸗ Feuerwehren dos sbagierischen 
dandes: Feuerwehr-Verkandes ist von der Verwalt⸗ 
ing der Sterbekasse dieses Verbandes in München 
olgender Aufruf erlassen worden: „Dem Beschlusse 
des bayerischen Landes-Feuerwehr-Ausschusses zufolge 
trat am 1. Mai 1888 eine Sterbekasse für den 
haierischen Landes⸗Feuerwehr⸗Verband ins Leben, 
velcher jetzt 265 Ortsmitgliedschaften mit 6637 
Mitgliedern angehören und die bereits einen Reserve⸗ 
onds in der Höhe von 15000 M. besitzt. In 
33 Sterbefällen wurden 1887 Mark ausbezahlt. 
dinweisend auf diesen nach kaum einem Jahre 
jewonnenen Umfang dieser Sterbekasse, möchten 
vir alle jene bayerischen Feuerwehren, welche sich 
)erselben bis jtzt noch nicht angeschlossen haben, hier⸗ 
nit veranlassen, ebenfalls baldigst eine Ortsmitglied— 
chaft zu bilden. Wenn auch nur wenige Mitglieder 
einer Feuerwehr entschlossen sind, der Kasse beizu- 
reten, kann eine Ortsmitgliedschaft gebildet und 
»in Ortskassier gewählt werden. Kein Verwaltungs⸗ 
rat eines Korps sollte es unterlassen, die Mann— 
chaft auf die Vorteile einer solchen Sterbekasse 
jesonders aufmerksam zu machen, welche der Familie 
hei dem schweren Veclust des Familienhauptes, in 
velchem so viele Anforderungen an die Hinter— 
liebenen hetantreten, hilfreich zur Seite stehen 
vill. Möge sich auch bei diesem humanen Werke 
unseres Landes⸗Feuerwehrverbandes unser schöner 
Wahrspruch: Alle für Einen und Einer für Alle! 
ewahrheiten. 
* Es geht uns nachstehende am 1. Okt. in Kusel 
tattfindende Tagesordnung der VII. Hauptver⸗ 
ammlung des Verbandes pfälz. Obstbhau—⸗ 
vereine zu. 1. Durch welche Mittel kann ein 
Ibstbhauverein das Interesse für Obstbaumzucht 
jeben und dadurch dem Vereine mehr Mitglieder 
uführen? Referent: H. Pfarrer Messer von St. 
zulian. 2. Wodurch kann man dem Obstdiebstahle 
teuern behufs Erzielung der nötigen Baumreife 
der Früchte. Referent H. Lehrer Dörrzapf in Kusel. 
3. Welche Obstsorten eignen sich für die Westpfalz, 
peziell für schweren Lehmboden? Referent: H. 
Bezirkbbaumwart Betsch im Zweibrücken Die Verhand⸗ 
ungen beginnen nach Besichtigung der Ausstellung 
uim 1292 Uhr. Zu Verhandlungs-Gegenständen bei 
zer diesjährigen, ebendort am 2. Oktober abzuhalten⸗ 
den Kreis-Versammlung des landwirth— 
schafthichen Vereins der Pfalz wurden be— 
timmt: 1) „Die Vortheile der Annuitätendarlehen“ 
steferent Herr Dr. Hecht, Direktor der pfälzischen 
Dypothekenbank in Ludwigshafen; 2) „Hebung der 
Rindviehzucht“, Referent Herr Kreis-Thierarzt Groß. 
*— Die auch von uns gleich den meisten an— 
deren pfälz. Blättern gebrachten Angaben über die 
Adressen auf Briefen an Soldaten, welche 
in den Manövern theilnehmen, wird im „Pf. K.“ 
zahin berichtigt, daß allerdings Name, Charge, 
Truppentheil und ständiger Garnisonsorr anzugeben 
ind die wechselnden Marschquartiere wegzulassen 
ind; falsch sei es aber, wenn gesagt wird, daß 
ruch der Vermerk: „Zur Zeit im Manöver“ nich 
inzubringen ist, denn ohne diesen leiden die Sen— 
zungen große Verspätung. Ein Brief z. B. von 
hier an einen Angehörigen des 17. Infanterie— 
Regiments, ohne mehrgenannten Vermerk, wird von 
der Post nach Germersheim geschickt. Dort wird 
er dem zurückgebliebenen Kommando übergeben, 
welches den Brief mit der Angabe „im Manöver“ 
dersieht und wieder der Post zurück schickt. Erst 
jetzt beförder: die Post den Brief ins Manöver⸗ 
terxain. 
*— Reichsgerichts-⸗Erkenntniß. Nach 
Zz 63 der Civilprozeßordnung kann, wer ein recht- 
liches Interesse daran hat, daß in einem zwischen 
inderen Personen anhängigen Rechtsstreite die eine 
Partei obfiege, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unter⸗ 
tützung beitreten. Dieses Recht steht nach einer 
Entscheidung des Reichsgerichts jedem Konkurs⸗ 
gläubiger zu, wenn der Konkursverwalter irgend 
eine Rechtshandlung des Gemeinschuldners im Pro⸗ 
geßwege angefochten hat. Der Konkursgläubiger ist 
—— 
Person zu betrachten, da letztere die gesammte 
Masse veciritt, und er hat auch ein erhebliches 
Interesse daran, daß der Konkursverwalter obsiegt, 
denn jeder der gesammten Masse zukommende Vor⸗ 
theil kommt auch ihm zu Gute. 
*— Für Buchhandlungen ⁊c. dürfte es von 
Interesse sein, zu erfahren, daß die neue unver— 
änderte Auflage des kleinen protest. Gesang⸗ 
buches der unirten Kirche der Pfalz nunmehr 
im Drucke fertia gestellt ist, so dak von Ende dieser 
Woche ab wieder Bestellungen bei der Pfarrwittwen 
kasse entgegengenommen werden. 
A Neuhausel, 16. August. Wie Sie schon 
in Ihrem Blatte mitteilten, gibt der hiesige Kirchen. 
hor nächsten Sonntag Nachmittag 3 Uhr in unserer 
Zirche ein KFonzert. Das Programm hierzu if 
nit feiner Auswohl getroffen. Der Erlös des 
donzerts wird dem Fonds zur Anschaffung einer 
Drgel zugetheilt, an welcher es unserem schönen 
Botteshause leider noch mangelt. Bei seinen Vor— 
trägen wird der unter guter Leitung stehende 
dirchenchor noch von tüchtigen auswärtigen Kräften 
interstüßt. So ist Jedermann Gelegenheit gegeben 
nit dem Besuch des Konzerts einer wurdigen Sache 
seine Unterstützung angedeihen zu lafsen. 
— Pirmasens, 16. August. Der Aus, 
schuß des Kriegers und Veteranenvereins beschloß 
gestern die Bildung einer eigenen Bereins Müsil- 
kapelle, welcher Herr Kaufmann Haristirn als Diri⸗ 
gent vorstehen wird, der dafür ein Jahreshonorar 
don 150 Mk. erhält, während die einzelnen Musiker 
ür jede Ausrückung mit 3 Mk. per Mann bezahlt 
verden. Das Occhester wird vorerst 12 Maun 
ttark sein und in Zukunft bei allen Begräbnissen, 
an denen der Verein theilnimmt, mitwirken. Für 
onzerte u. dgl. ist eine Verstärkung der Kapelle 
porgesehen. — Zu der Sitzung des Sports Aus— 
schusses des Deutschen Radfahrerbundes ist als 
Delegirter des hiesigen Velozipedistenllubs Herr Franz 
Mansmann gewählt worden, der heute nach 
Hamburg reist, woselbst die Sitzung stattfindet, an 
velche sich verschiedene Vergnügungen, worunter 
nuch eine Meerfahrt auf eigens hiezu gemiethetem 
Dampfer, anschließen. (A.) 
— Kaiserslautern, 16. August. Heute 
Morgen sind die Herren Adjunkt Groß und Bau⸗ 
neister Bindewald nach Speyer gereist, um bei 
derren Regierungspräsidenten v. Braun wegen des 
—XD 
jorstellig zu werden Zwei Herren von Pirmasens 
saben sich zu gleichem Zwecke der Reise ange—⸗ 
chlossen. Herr Bürgermeister Hohle war durch 
Inwohlsein verhindert, sich der Deputation anzu⸗ 
chließen. (Pf. Vzt.) 
— Kusel, 16. August. Als Tag der Ein⸗— 
vpeihung der neuen kath. Kirche dahier durch 
»en hochw. Bischof von Speyer, Herrn Josepf 
Beorg v. Ehrler, ist Dienstag der 10. September 
in Aussicht genommen. Mit diesem feierlichen 
Akte soll zugleich die Spendung des Sakraments 
der Firmung verbunden werden. Die Ankunft 
»es hochw. Herrn Bischofs erfolgt am vorausgeben; 
den Abend. 
— Landau, 16. August. Heute früh fand 
m Hofe des Zeughauses dahier die Preisvertheilung 
in die besten Schützen des 18. Inf. Regts. 
tatt. Es erhielten je eine Medaille mit dem Bild⸗ 
aiß des Prinzregenten und einem Diplom je ein 
Mann und ein Unteroffizier per Kompagnie aus 
»iner jeden der drei Schießklassen. (T.) 
— Landau, 16. August. Lete Woche 
vurde von dem Besitzer der hiesigen Brieftauben— 
tation, Herrn Michael Leonhard, sechs Brief— 
dauben an die Foriifikation Germersheim gesandt, 
um dort nach Stägigem Aufenthalt, wobei die 
Tauben nur Wasser aber kein Futter erhielten, heute 
Vormittag 8 Uhr aufgelassen zu werden. Man 
var auf den Ausgang dieses Versuches um so mehr 
Jespannt, als Aehnliches bisher noch nicht unter— 
dommen worden war und die Annahme nahe liegen 
mußte, daß die ausgehungerten Tierchen sich zuerst 
nach Nahrung umsehen würden. Wie dem „Eilb.“ 
von Herrn Leonhard mitgetheilt wird, ist der Ver— 
ruch über Erwarten gelungen. Die drei ersten 
Tauben trafen bereits um 8 Uhr 45 Minuten, die 
drei übrigen wenige Minuten später hier ein. Da⸗ 
nit ist der Beweis erbracht, daß die Sehnsucht der 
Tauben nach dem heimischen Schlag größer ist als 
selbst der Hunger nach langem Fasten. Wenn 
man die fünftägige Enthaltung von jeder Nahrungs⸗ 
aufnahme unde den heftigen, der Flugbahn der 
Tauben entgegenwehenden Wind des heutigen Vor⸗ 
nittags in Betracht zieht, so muß die Zurüclegung 
der eiwa 21 Kilometer langen Strecke in 48 Mi 
nuten als eine ganz bedeutende Leistung bezeichnet 
werden. 
Gleisweiler, 16. August. Groß' 
feuer.) Heute Nacht 1290 Uhr brach, wie der 
. Al⸗ meldet, in den Gebäulichteiten des Winzer— 
iheorg Rund dahier Feuet aus, das soferl, das 
Wohndaus des Küfers Wadle samt Nebe ngebaud⸗ 
nd' sanich⸗ Genalischteien des Wimers Tohias