Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingbert. 
er St⸗Angberter — erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöochentlich mit Unter haltungs⸗Blatt und Mittwochs und Samsftags mu 
suufirirten Beilagen. as Blatt kofset dierteljährlich 14 60 einschließlich kragerlohn; durch die vof bezogen 1. 75 4, einschließlid 420 ⸗ Zustellungsgebühr. Die 
rückungsgebühr far die 4gespaltene Sarmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseralen aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und jolchen auf welche die Erpedition 
Austanft ertheilt, 13, Neklamen 30 ñ. Bei 4maliger Einradung wird nur dreimalige berechnet. 
Politische Uebersicht. 
* Im Hinblick auf den Ende September zu⸗ 
ammen tretenden bayerischen Landtag bringt die 
Deutschfreis. Korrespondenz für Bayern“ einen 
jrtikel, dem nachstehende beachtenswerthe Aus-⸗ 
uhrungen zu entnehmen sind, welche man als den That⸗ 
achen entsprechend bezeichnet. „Die wichtigste Arbeit 
ser Session wird die Abrechnung mit dem Eisen⸗ 
zahnministerium sein, und der Erfolg, der erreicht 
vperden muß, ist eine andere Organisation 
des Eisenbahnwesens in Bayern, welches 
eßl als ein Erwerbsinstitut betrachtet und betrieben 
vird, das selbst auf Kosten. der Sicherheit der 
hassagiere moͤglichst hohe Erträge liefern soll. Das 
sein ganz falscher Standpunkt; diese Fiskalität 
der Anschauung mag für die Gewohnheit des Bureau⸗ 
ratismus die adäquateste sein, aber fie entspricht 
zanz gewiß nicht gesunden volkswirthschaftlichen 
drundstzen. Die Verkehrsanstalten haben in erster 
dinie auf die Sicherheit des Verkehrs zu schauen, 
ollte datrunter auch die Emträglichkeit leiden. Seit 
Rohrmoos vergeht kaum eine Woche, ohne daß 
tgend eine neue Unregelmäßigkeit auf den Eisen⸗ 
ahnen gemeldet wird, welche zwar — Gott sei 
dank — bisher nicht von derart weittragenden 
‚olgen begleitet gewesen sind wie bei Röhrmoos 
der am Faulenberg, die aber mit diesen Fällen 
alle das gemeinsam haben, daß fie bei besserer 
Itganisation des Eisenbahnwesens wohl hatten 
jermieden werden können. In Bayern liegt die 
Zicherheit der Eisenbahnzüge zum großen Theil in 
zer Hand der schlecht bezahlten Beamten und An⸗ 
zestelten. Frhr. v. Crailsheim soll im naͤchsten 
tzudget die Mittel für eine ganze Reihe von neuen 
Stellen fordern wollen. Damit sympathisiren wir 
ollständig, wenn man die Reihen der unteren Be⸗ 
inten derart vervollständigt, daß sie fich zeitweise 
krholung gönnen können, wenn man sie so bezahlt, 
aß sie eine menschenwürdige Existenz sich schaffen 
wonnen, damit fie ihrem Beruf mit Freude obliegen. 
es ist gewiß nicht erhebend, wenn die Reisenden 
zus aller Herren Ländern über die Verkehrsanstalten 
Bayerns räsonniren, und das mit Recht. Heute 
ind wir dahin gekommen, daß Post und Eisenbahn 
as beste Mittel gegen den Partikularismus sind.“ 
xFur die Herbstreise des Kaisers, 
welche wie bekannt mit einem Besuch des italie⸗ 
nischen Königspaares in Monza beginnen und 
unser Kaiserpaar zur Vermählung der Prinzessin 
Sophie nach Athen führen wird, sind die Vorbe⸗ 
einungen im vollsten Gang. Die Rückkehr des 
daisers nach Berlin wird erst Ende Oktober er⸗ 
olgen und Kaiser Wilhelm dann ffändige Residenz 
n Berlin nehmen; für den Spätherbst sind dann 
mr noch die üblichen Jagdausflüge in Aussficht 
senommen. Die Prinzessin Sophie, die kunftige 
dronprinzessin von Griechenland, wird sich dem⸗ 
dächst an den dänischen Hof begeben, um ihre 
zort versammelten Verwandten zu begrüßen. 
*Im 8156 des deutschen Invaliditäts⸗ und Alters⸗ 
rersicherungs⸗Gesetzes ist bestimmt, daß die Warte- 
eit für die Invalidenrente für Versicherte, 
velche innerhald der Uebergangeperiode erwerbs⸗ 
unfahig werden und für welche während der 
Dauer eines Beitragsjahres die gesetzlichen Beiträge 
atrichtet find, sich um diejenige Zahl von Wochen 
Armindert, während deren sie nachweislich vor dem 
Inkrafttreten dis Gesetzes, jedoch innerhalb der 
zten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsun— 
ahigkeit. in einem Arbeits- oder Dienstverhäliniß 
gestanden haben, welches nah dem Gesetze die 
Versicherungspflicht begründen würde. Danach fällt 
also demjenigen Verficherten, der vor Ablauf der 
ünfjährigen Wartezeit invalide wird, die Inda— 
idenrente schon dann zu, wenn er ein Jahr lang 
»en Beitrag bezahlt hat und nachweisen kann, daß 
r innerhalb der dem Inkrafttreten des Gesetes un⸗ 
nittelbar voraufgehenden fünf Jahre viec Jahre 
lang in solchen Betrieben beschäftigt war, deren 
Arbeiter jetzt versicherungspflichtig werden. — 
—XX 
rente bezüglichen Uebergangsbestimmungen, nur 
zaß es sich hier lediglich um solche Personen han⸗ 
helt, welche voraussichtlich beim Inkrafttreten des 
Hesetzes des 40. Lebensjahr bereits vollendet 
haben. Für diese vermindert sich nämlich die 
Wartezeit für die Altersrente um soviele Beitrags⸗ 
ahre, als ihre Lebensjahre zur Zeit des Inkraft⸗ 
retens des Gesetzes die Zahl 40 übersteigen, aber 
nur in dem Falle, wenn sie den Nachweis 
iefern köͤnnen, daß sie während der dem Inkraft⸗ 
reten vorangegangenen drei Kalenderjahre insge⸗ 
ammt mindestens 141 Wochen (47 — 3) hin⸗ 
zurch in einem nach dem Gesetze die Verficherungs⸗ 
oflicht begründenden Arbeits⸗ oder Dienstverhält⸗ 
aifsse gestanden haben. Man nimmt allgemein an 
daß das Gesetz am 1. Januar 1891, oder nicht 
diel später, wird gänzlich in Kraft treten können. 
Unter diesen Umständen wäre es für jede dann 
iber 40 Jahre alte und voraussichtlich unter die 
Versicherungspflicht fallende Person von groößtem 
Nutzen, schon jetzt darauf zu sehen, daß sie seiner⸗ 
zeit den im Gesetze geforderten Nachweis erbringen 
ann. 
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AIV 
Berlin, 29. August. Der „Reichsbote“ be⸗ 
richtet nach einem Kreisblatt, daß der Kaiser in 
Münster gegenüber dem Landrath von Borges die 
»orhandenen Bestimmungen über die Arbeiter— 
chutzgesetzgebung als nicht ausreichend 
zezeichnet habe, um den Arbeiter gegen die Aus— 
zeutung durch das Kapital zu schützen. Hierin 
Sorge zu tragen sei das Nothwendigste, was ge⸗ 
chehen müsse. 
Berlin, 29. August. Der ‚Reichsanzeiger“ 
deröffentlicht die Verleihung des Schwarzen 
Adlerordens an den Prinzen Georg von 
Zroßbritannien und Irland 
Ausland. 
London, 30. August. Die Parlamenits⸗ 
session wurde heute Mittag geschlossen. Die 
Thronrede sagt, die Beziehungen zu allen Mächten 
eien die herzlichsten. Nichts sei eingetreten, was 
ie feste Hoffnung auf die Erhaltung des europä⸗ 
schen Friedens vermindern könnte. Die Thronrede 
rwähnt die Befiegung der Mahdisten, die dem 
Senate in Washington zur Zustimmung vorliegende 
Zamogkonvention ünd die im Laufe des Herbstes 
n Brüssel zusammentretende Konferenz wegen Be⸗— 
eitigung des Sklav nhandels und hebt schließlich 
zie wachsende Wohlfahrt als eine Frucht des wieder⸗ 
ehrenden Vertrauens hervor, welches die Unter⸗ 
rückung der Unordnung in Irland begleite. 
Paris, 30. August. Es wird versichert, der 
Botschafter Laboulaye habe dem Minister Spuller 
mitgeteilt, vom Zaren sei eine amtliche Entsend— 
ung des Großfürsten Thronfolgers zum 
Besuche der Weltausstellung bveschlossen worden. — 
driegsminister de Freycinet ist aus der Schweiz 
zierher zurückackehrt 
Bern, 30. August. Der Bundesrat be— 
schloß, gegen die Urheber und Verbreiter des 
Manifestes der schweizerischen Anarchisten die straf⸗ 
rechtlicheüntersuchung einzuleiten. National⸗ 
rat Stockmer in Bern wurde zum Generalanwalt 
dierfür ernannt. 
Nom, 29. August. Betreffs der Reise des 
deutschen Kaiserpaares nach Italien wird 
der „Fr. Z.“ gemeldet, daß dasselbe am 15. Ol⸗ 
ober nach Monza kommt und daselbsi vier Tage 
»erweilt. Am 20. Oktober geht die Reise nach 
Fenua, wo sie das deutsche Geschwader erwartet. 
Von dort auf der „Hodenzollern“ in Begleitung 
)ec Schiffe nach Neapel. wo ein Aufenthalt von 
— 
dort an Bord der „Hohenzollern“ übernachten und 
Jat sich jegliche Festlichkeiten sowie Empfänge ver⸗ 
zeten. — Offiziös wird betont, daß der von Ita⸗ 
lien an den Koͤnig von Schoa, Menelik, ver⸗ 
prochene Schutz nichts mit einem Protektorat ge⸗ 
mein hat. Der heutige Ministerrath diskutirte die 
Hauptpunkte des italienisch⸗schoanischen Vertrages, 
der nach der Rückkunft der Führer der Gesandt⸗ 
schaft in Rom ratifizirt werden wird. 
Bukareft, 29. August. Die spanische 
Regierung hob aus Sparsamkeitsrücksichten die 
zdiesige Gesandtschaft auf. 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 31. August. Unter Be— 
deiligung einer sehr großen Anzahl Leidtragender 
von hier und Blieskastel wurde heute Vormittag 
der im blühenden Alter von 28 Jahren in Blies⸗ 
kastel verstorbene Kaplan Augustin Schneider 
zu Grabe geleitet. Der Verblichene war vom hie- 
igen Eisenwerke gebürtig. Wie seine allenthalben 
rworbene Beliebtheit, so zeigte dies große Leichen- 
gefolge die allgemeine Antheilnahme an dem Ver⸗ 
suste, welchen die Familie Schneider erlitten. Möge 
ver so früh Dahingeschiedene in Frieden ruhen. 
* St. Ingbert, 31. PNugust. Wie gestern 
schon bekannt gegeben, wird morgen Nachmittag 
die Kleinkinderschule des evangelischen Diakonissen⸗ 
bereins im Beckerschen Garten ein Gartenfest 
beranstalten. Dasselbe beginnt jedoch nicht um 8 
Utr, sondern schon um 2 Uhr. Die Kinder wer- 
den dabei passende Gedichtchen und Dialoge so— 
wie auch Gesaͤnge vortragen. Es wird gewiß den 
hetreffenden Eltern und allen Freunden der Kinder⸗ 
chule Freude bereiten, einen Einblick in das Wesen 
und die Arbeit der Schule zu bekommen, deren 
Wirken ein so segensreiches ist. Den Kleinen, die 
zei dieser Gelegenheit mit Kaffee und Kuchen be⸗ 
wirthet werden, ist die Lust zu goͤnnen, und ihre 
Freude ist ja gewiß doppelt, wenn die Erwachsenen 
aran theilnehmen. 
*Wir möchten hiermit die Aufmerksamkeit 
unserer Leser auf die heutige Bekanntmachung über 
die Kohlenpreise am Bergamt St. Ingbert 
lenken. 
*— Urtheih des Reichsgerichts. Derjenige 
welcher eine Wechselverbindlichkeit über— 
nommen hat und im Wechselprozeß in Anspruch 
jenommen wird, hier aber den Einwand erhebt, 
daß er noch unter väterlicher Gewalt stehe, hat 
ieinerseits den Beweis dessen zu führen, und zwar 
mit den Beweismitteln des Urkundenprozesses. 
— Zweibrücken, 30. August. Wie die 
„Zig.“ erfährt, ist unser Mitbürger Herr Heinrich 
Schickendantz, von der allbekannten Fitma P. 
Schickendantz, gestern in Bad Kissingen, wo er 
dinderung seiner Leiden suchte, gestorben