Amtliches Oraan des königl. Amisgerichts St. Ingbert.
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208.
Samstag, 7. September 1889. 24. Jahrg.
die letzten Ziele der Sozialdemokratie.
(Aus der „Deutsch. Korrsp.“)
Um das Recht des Arbeiters auf den vollen
Arbeitsertrag und zugleich das Recht aufs Dasein
a verwirklichen, verlangt die Sozialdemokratie grund⸗
zliche Beseitigung des Privateigenthums an Grund
d Boden und Produktionsmitteln und gemeinheit⸗
che Gütererzeugung.
Wie läßt sich das durchführen und was gewinnt
er Arbeiterstand dabei?
Die Marxisten verwerfen vor allem den gegen⸗
oartigen Staat selbst, von dem sich Lafsalle noch
zilfe versprach, zumol die monarchische Staats⸗
7dnung und den Nationalstaat. Marx lehnte die
—
ind verlangte für alle Welt zugleich die Abschaffung
es Nationalstaats und des Königthums, wie des
zigenthums an Produktionsmitteln. Die Arbeit
ollte derart neu geordnet werden, daß jeder daran
deilnehmen müßte, keiner also ohne eigene Arbeit
in Einkommen beziehen und zur Befriedigung seiner
Jedürfnifse verwenden könnte.
Eine offene Frage ist aber, ob der Arbeiter bei
mer solchen Arbeitstheilung zu dem von ihm ver⸗
angten vollen Arbeitsertrag kommt? In den
zchriften von Marx ist dies nicht klar ausge⸗
prochen. Schäffle hat s. Z. hingewiesen, daß es
noͤglicherweise auf eine Schatzung dessen abgesehen
t, was dem Einzelnen zur Befriedigung seiner
Zedürfnisse und Ansprüche an das Leben nöthig
päre. Auf Grund dieser Schätzung kann die Ent⸗
hnung der Arbeit im Sozialstaat gedacht sein.
Hie eine solche freilich durchgeführt werden sollte?
- Ja, wer das zu sagen vermöchte! Dazu müß⸗
en eben die Zustände im Land Utopien erst
elannt sein. Aber es genügt zur Würdigung der
ezten Ziel der Sozialdemoktatie volllommen, daß
Schatzung der erwahnten Art dabei möglich ist.
sticht der Maaßstaab der Arbeitsleiftung würde
ann das Lohneinkommen bestimmen, — und an⸗
eres Einkommen wäre ja undenkbar, sondern das
tteglement der Solialstaatsdirektoren! Und nicht in
heldeswerth empfinge der Arbeiter seinen Antheil
m Arbeitsertrag, sondern es würde ihm zur Ent⸗
ohnung von Staatswegen zuerkannt, wie und wo
r wohnen darf, wie viel Kleidungs- und Nahr⸗
ingsstoffe er aus den öffentlichen Magazinen pro
dopf der Familie entnehmen darf u. s. w.
Je weiter man diese utopistischen Gedanken zu
Ende denkt, desto krafser erscheinen sie. Die Sozial-
emokratie weiß recht wohl, warum sie ihren Leuten
en Ausblick nicht weiter gestattet, als bis zu dem
zunkte der allgemeinen und radikalen Aufhebung
»s Privateigenihums. Soweit hat die Perspektive
ur den oder jenen Besitzlosen einen gewissen Reiz.
Anders allerdings, wenn man ihn auch drüber
inaus schauen läßt auf die Art und Weise der
achher geplanten Bedürfnißregulirung und Be—
rürfnißdefried.gung. Die meisten würden dann von
er sozialdemokratischen Irrlehre für immer ge⸗
zeilt sein. Die andern aber müßten sich wenigstens
ewußt werden, daß einer solchen Weltverbesserung
ↄusagen die ganze Welt sich bis aufs Aeußerste
oidersetzen wurde. Was sollte wohl aus dem
Deiligthum des Familienlebens werden, wenn der
ater der Familie den Trieb nicht mehr in sich
erspüten könnte, für die Seinigen im edelsten
Sinne des Wortes sorgen zu müssen. Was er
ait Kopf und Hand erarbeitete, wäre allenfalls
cworben, um dafür einen schönen Spiegel, etwas
zierrath mehr, ein behseres Gewand und dergl.
——
mzuschaffen. Aber für den Lebensunterhalt sorgte
a der Staat, und die werbende Kraft der er⸗
parten Mittel wäre ebenso ausgeschlossen, wie die
ttutzbarkeit dessen, was den Kindern vermacht
vird. Aller Besitz wäre Luxusbesitz; alle Erspar⸗
niß wäre Ueberfluß.
Es wäre ein nie erlebter furchtbarer Kampf,
zer um eme solche Neu⸗-Ordnung entbrennen müßte.
In einer Erwiderung auf gewisse — gelinde ge⸗
agt: Ueberschwänglichkeiten Liebsknechts bemerkte
derr von Bennigsen im Reichsstag am 28. Nov.
vor. Jahres Folgendes:
„Nun ist doch eines cllmählich in den Augen
er großen Arbeitermassen immer deutlicher ge⸗
vorden, daß Umwälzungen so tiefgreifender Art,
zolitisch, sozial und wirthschaftlich sich nur voll⸗
iehen können in einem lange hin und herwogen⸗
zen Kampfe. Ich will einmal annehmen, daß in
rgend einem Lande die Sozialdemokratie nach einem
angen Kampfe der Sieget bleiben würde; das ist
voch zweifellos: durch ein Meer von Blut und
Frend müßte die Generation waten, die einen
olchen Kampf durchmacht. (Sehr richtigh) Wenn
die befitzenden Klassen niedergeschlagen find, dann
st zweisellos die arbeitende Klafse derselben Gene—
ation auch elend und verloren. Denn nach einem
olchen Kampfe haben auch die Ueberlebenden in
inem vollständig verwüsteten Lande und nach der
zerftörung des größten Theils des Kapitals und
Vohlstandes desselben erst von neuem wieder an⸗
ufangen. (Sehr war!) Also mit einem Worte:
benn etwas derartiges unternommen wird — hoj⸗
entlich sind die buͤrgerlichen Klassen stark genug,
im solchen Kampf in Deutschland und in den
inderen entscheidenden Kullurländern zurückzuweisen,
ind je besser ihr Gewissen ist in der Haltung
jegenüber den arbeitenden Klassen und in der
Fürsorge für dieselben, defto erfolgreicher werden
je auch von den mechanischen Mitteln Gebrauch
nachen können, die ihnen in der Vertheidigung
jegen solche Angriffe zu Gebote stehen werden, —
iber selbst, wenn sie besiegt werden, wenn die
Arbeiter in irgend einem Lande, also wie die Herren
vollen, in Deutschland, ein sozialdemokratisches
Kegiment der gemeinsamen Produltion unter Ver⸗
nichtung des Privateigenthums an den Produltions-
nitteln aufrichten koͤnnten: die eine Generation,
ruch die arbeitende Klasse, hat sich
uUsdann für die Zukunft geopfert. Sie
ind diejenigen, die gemeinsam mit den von ihnen
niedergeschlagenen Besitzenden in den Abgrund
ineingesprungen find. Dazu wird sich doch auch
hie große Masse der arbeitenden Bevölkerung nur
zann entschließen können, derartige Tendenzen und
zufregende Predigten unter dieser Klasse werden
iur dann nachhaitig einen Erfolg haben können,
venn eben die Lage dieser Klasse eine so ver⸗
weifelte ist, daß sie aus Fanatismus und aus
ẽrbitterung ein so furchtbares Wagniß glaubt
internehmen zu sollen, gewissermaßen als die
inzige Rettung, die ihnen und ihren Angehdrigen
noch bleibt.“
Und wenn einmal der Marx'sche Sozialsaat
n's Leben gerufen wäre, was haätte der heutige
Arbeiter dann im Verhälmiß zur Gegenwart ge⸗
vonnen?
Der verantwortliche, auch am Gewinn höher
Jetheiligte Direktor des Unternehmens wäre aus der
Welt geschafft, und mit der gegenseitigen Abhängig-
eit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer jede per—⸗
onliche Autorilät. jedes gesteigerte Selbstgefühl,
ede Anspornung der eigenen wirthschaftlichen
Tüchtigkeit, jedes Interesse an dem Geschäftsunter⸗
njehmen erloschen. Jede einzelne Gemeinschafts⸗
Anternehmung würde sich gerade mit dem Vortheil
egnügen, der durchschnittlich zur Befriedigung der
deglementmäßig anerkannten Lebensbedürfnisse aus—
teichte. Jeder Theilnehmer bekame ungefähr soviel,
ils seinem Lebenshalt entspräche. Das wäre aller⸗
zünstigsten Falles dasselbe, was der Arbeiter in
einem Lohnverhältniß heutzutage erhält. Nur daß
er von einer größeren Produktionskrisis unmittelbar
ind auf's Schärfste in Mitleidenschaft gezogen wäre
der für die ganze Dauer einer solchen dem Sg
ackel zur Last fallen müßte, während er jetzt die
S„chwankungen der Erwerbssicherheit, dank dem Rück⸗
jali der Privatunternehmung am Kapital, nur aus⸗
ahmsweise in seinem Familien⸗ und Lebenshalt
nitzumachen genöthigt ist.
Denn daß fich auch die Erwerbsunsicherheit im
Zozialstaat hintanhalten ließe, glauben die Sozial⸗
»emokraten selbst nicht. Man kann allenfalls die
Besellschaft und den Staat vergewaltigen, aber doch
die Naiurkräfte nicht hindern, auf die Produktions⸗
ind Verbrauchsfähigkeit der Menschhein ihren un—⸗
erechenbaren Einfluß fernerhin auszuüben.
Jede weitere Kritik der letzten Ziele der Sozial⸗
zemokratie verbietet sich von selbst, so lange diese
etztere sich weislich darauf beschränkt, die begehrlichen
Triebe der Massen aufzustachen und die vom
dlafsenhaß erzeugte Kluft zwischen Kapital und
Arbeiter zu erweilern, statt einen stichhaltigen Nach⸗
veis zu erbringen, wieso denn der sozialdemolratische
Zukunftsstaat alles dieten kann, was das Herz sich
vünscht, ein Himmelreich auf Erden?!
Seutsches Reich.
Freiburg i. Br., 5. Sept. Der gestern
ziet zusammengetretene Kongreß deutscher
S5trafanstaltsbeamten, welcher gegen 150
Teilnehmer zählte, beendete heute unter dem Vorfitz
»es Ministerialrateßs v. Jagemann (Karlsruhe) und
des Staaisrates Köstlin (Stuttgart) seine Verhand⸗
lungen. Die Beratungen betrafen Arbeitsleistung von
Uniersuchuugsgefangenen, Haftsystem für jugendliche
Berbrecher, Vorbildung der GefangenenAufseher,
Vorbildung zum höheren Gefängnißdienste, Sonntags-
jeier im Gefangniß, Abstufung der Strafe für Zucht ·
haus und Gefaängniß.
Muͤnchen, 6. Sept. Der auf den 28. ds.
nach München berufenen Landtagsversamm—
lung durften außer dem Finanzgesetz, dem Budget
und dem Militäretat, der Malzaufschlagsnovelle
und außer der Vorlage zur Legung von Doppel⸗
geleisen der Staatsbahn, wichtigere Gegenstände
vorerst nicht in Vorlage gebracht werden. Ein Ge⸗
jetzeniwurf zur Ausführung der Alters- und Inva⸗
iditätsversicherung wird den Landtag erst später
veschaftigen, einige kleinere Gesetzentwürfe aus dem
Ressort des Staaisministeriums des Innern befinden
ich gleichfalls noch in Ausarbeitung. Die Ange⸗
egenheit der Betriebsunfälle auf den Staatsbahnen
urfte, wie die „A. Z.“ hört, in der Abgeordneten⸗
ammer schon bald nach dem Zusammentritt zur
Sprache gebracht werden, nachdem die strafgericht⸗
iche Untersuchung wegen der Katastrophe in Röhr⸗
noos durchgeführt sein wird.
Dresden, 5. Sept. Die Ansprache, welche
der Oberbürgermeister Dr. Stübel, umgeben von
den ftädtischen Behörden und der gesammten Geist⸗
ichkeit an das Kaiserpaugr richtete lautete: Zum
rsien Male detreten heute Ew. Majesiat das getreue
Zachsenland, um prüfenden Auges Heerschau zu