Full text: St. Ingberter Anzeiger

esselben in sehr großer Anzahl eingefunden. e 
Fitagszüge hrachten ca. 7000 Bergleute und 
ußerdem trafen aus der nahen Umgegend noch 
ele Bergleute zu Wagen und zu Fuß hier ein. 
seher eine Stunde lang bewegte sich ein Strom von 
zergleuten durch die Bahnhofstraße nach ber Gerber⸗ 
laße zum Tivoli, dessen Räume eine so große 
geuge nicht aufzunehmen vermochte, Der odere 
roße Tivolisaal faßt etwä 1100 dicht zusammen 
Hade Personen. Der Einderufer der Versamm— 
ug wandte sich auf telegraphischem Wege un die 
uigl. Regierung und eriuchte um die Erlaubniß, 
dem hiexorts noch stehenden Circusgebäude die 
zersammlung abhalten zu dürfen. Die Antwort 
eretönigl. Regierung war verneinend; es ist eine 
seßliche Vorschrift, daß jede öffentliche Versamm⸗— 
ug unter Angabe der Zeit und des Orts 24 
uünden vorher angezeigt werden mutz; im vor— 
genden Falle kam wohl noch dazu die Feuerge— 
helichkeit des Circus in Betracht. Um 4 Uhr 
ghann die Versammlung im Tivoli, welcher auch 
age Berginspekioren sowie als Delegirter der 
rgmann Schröter von Dortmund (Leitler des 
oxugrn Streikkomités) beiwohnten Man be— 
erkie ferner die Herren Kaptan Dasbach und 
dedaklteur Schneidt (von Berlin). Der Bergmann 
harken eröffncte die Versammtung mit einem Hoch 
uf Se. Majestät den Kaiser, in welches die Ver— 
mmlung kräftig einstimmte. Herr Warken er—⸗ 
ahnte die Bergleute, auf gesetzmäßigem Wege zu 
eiben, denn die Frage könne nur in gesetzlicher 
deise geregelt werden; es sei schon Günstiges er⸗ 
elt worden und es sei zu erwarten, daß auch noch 
adere Wunsche Befriedigung finden würden. 
zchon vorher war seitens der Verirauensmäuner 
er Beschluß gefaßt worden, daß Niemand als 
zertrauensmann zugelassen werde, der sozialdemo⸗ 
raktischen Tendenzen huldige oder von irgend einer 
zeite Geschenke annehme.) Die Tagesordnung um— 
aßte folgende Punkte: 1) Lohnfrage; 2) Schicht⸗ 
auer; 3) Schlepperfrage; 4) Regelung und Ver— 
esserung des Knappschaftswesens und 5) Mu— 
ilungen. Nachdem verschiedene Redner ihre An⸗ 
dten entwickelt hatten, wurde beschlossen, an das 
zInigl. Ober⸗-Bergamt zu Bonn eine Peiition zu 
ichten und in derselben alle einzelne Wünschen zum 
susdruck zu. bringen. Die Wünsche sollen be— 
ceffen: Regelung des Krankenwesens, Abschaffung 
er Krantkenärzte, Abschaffung der Knappschafts- 
itesten, bessere Verpflegung in den Lazarethen, 
lnschaffung von Verbandskästen in den Gruben 
ehufs schnellerer Hilfeleistung ꝛc. Die gefaßzten 
zeschlüsse sollen veroöͤffentlicht werden. Um 6 Uhr 
vurde die Versammlung geschlossen. 
(S. J.S. A.). 
fSaarbrücken, 23. Sept. Gestern Nacht 
1 Ühr kam es zwischen einem Bergmann Klein 
on Friedrichssthal und einem Bremser von Schleif⸗ 
nühle, namens Eckard, die beiden verschwägert, zu 
iem feindlichen Zusammentreffen in der Bahnhof⸗ 
raße an der Sulzbachbrücke. Der Bergmann hied 
einem Schwager mit einem Stock so stark auf den 
kopf, daß der beilförmige Griff in der Schadel— 
ecke stecken blieb. Der bewußtlose Schwerverletzte 
purde in das hiesige Hospital übergeführt und soll 
ein Zustand ein hoffnungsloser sen. 
Malstatt-Burbach, 22. Sept. Heute 
ind wiederum, wie dies alljährlich zu geschehen 
flegt, auf der Burchbacherhütte an 26 Meister 
ud Arbeiter, welche ununterbrochen 25 Jahre 
q Dienste der Hütte gestanden und sich während 
ieser Zeit gut geführt haben, an Erstere goldene, 
a Letztere silberne Remontoir-Taschen- 
hren vertheilt worden. Der Generaldirektor 
ielt in Gegenwart des Knappschafts-Vorstandes 
ind der Knappschafts-Aeltesten vor der Verteilung 
ne Ansprache an die Empfänger, indem er ihnen 
wwihre Treue und Anhänglichkeit im Namen der 
zesellschaft herzlich dankte und sprach ferner die 
ohhnung aus, daß sich ihm andauernd Gelegen- 
eit bieten möge, solchen verdienten Meistern und 
lrbeitern seine Erkenntlichkeit bezeugen zu konnen. 
er ermahnie ferner zur Einigkeit und Verträglich— 
eit unter den Angehörigen der Hütte, streifte auch 
ie Ausstandsbewegungen der Bergleute und machte 
uuf die Verwerflichkeit des Kontrakibruchs aufmerk- 
aim, indem er gleichzeitig darauf hinwies, daß 
er Arbeitgeber sonst sehr leicht in Versuchung 
ommen könnte, wenn auch nicht seinen Kontrakt 
nit dem Arbeiter zu brechen — dies sei ganz 
indenthar! — aber minder entgegenkommend, als 
ics seither der Fall gewesen, gegen die Arbeit⸗ 
3mer zu sein. — Auf der Burbacherhütte ist man 
schon seit einigen Monaten mit den Vorarbeiten 
zür die Errichtung eines Thomas-Siahlwerks mit 
lConvertern und eines Vorblockwalzwerks in den 
mösten Dimensionen beschäftigt; auch wird ein 
ieues großartiges und geräumiges Materialien— 
Nagazin, sowie eine Walzendreherei in bedeutendem 
mfange erbaut. Der Bau einer neuen Cocksofen⸗ 
ruppe ist soeben beendet. Vor Ende nächsten 
Jahres wird das Stahlwerk, wie man hört, keinen⸗ 
alls in Betrieb genommen werden können, da die 
Urbeiten für dasselbe ganz gewaltige sind. Man 
zraucht nur die Erde und Fundamentirungs⸗ 
iTbeiten anzusehen, um sich einen Begriff von 
»er Geoßartigkeit der neuen Anlagen machen zu 
önuen. 
F Landkreis Metz. 22. Sept. Herr 
Edison benutzte seinen Aufenthalt in Ars a. d. 
Mosel, um die dortigen Eisenerzgruben da— 
aufhin zu untersuchen, ob das ihm patentirte Ver— 
ahren, das Eisen auf elektrischem Wege auszu— 
heiden, sich dort anwenden lasse. Wie die „Strb— 
Z.“ vernimmt, ist sein Urtheil günstig ausgefallen, 
»daß in nächster Zeit Schritte gethan werden sollrn, 
ei den Lothringer Eisenwerken das Edisonsche Ver— 
ahren praktisch zu erproben. Wie aus dem kürzlich 
eröffentlichten Geschäftsberichte hervorgeht, ist der 
5taud dieses Unternehmens zur Zeit ein recht 
ünftiger. Die Gesamtproduktion betrug 31519 
Connen, gegen 30918 Tonnen im Lorjahre. 
— Wiesbaden, 21. Sept Der „Rhein. 
dour.“ berichtet: Nach einẽm gestern an die Frau 
tentner Jeannette Ma yer Wittwe hiereinge⸗ 
angenen Telegramme ist die Leiche ihres seit 
zem 22. August, nachmittags spurlos in London 
retschwundenen einzigen Sohnes, des für die 
zortefeuillefabrit Karl Bier zu Frankfurt a. M. 
eisenden 24jährigen Kommis Herrn Sigmund 
Nayer im Dover auigefunden worden. Die Leiche 
ynnte dadurch erkannt werden, daß das Hemd des— 
elben mit S. M. gezeichnet und an einem Finger 
er von Herrn Sigm. Mayer seit des Vaters Tode 
tets getragene Siegelring mit den Buchstaben J 
M. (Anfangsbuchstaben des Namens des Vaters 
»es Verstorbenen) noch vorhanden war. Die Einzel⸗ 
eiten bleiben abzuwarten. 
— Von der badisch⸗bayerischen Grenze, 22. Sept. 
rin komisches, Mißgeschick passirte der, l. 
Bad. Landesb.“, eben so reichen, als geizigen 
hofbäuerin W. in B. Dieselbe hatte einige hundert 
Fier, damit fie diese im Winter theuer verkaufen 
önne, in einem Haufen Gerste auf ihrem Speicher 
zut verborgen, ohne Jemandem eiwas davon zu 
agen. Ihr Mann verkaufte letzter Tage die Gerst⸗ 
ind der Käufer, der von den Eiern nichts wußte, 
ieß gestern die Frucht fassen. Da der Speicher 
ehr dunkel war, wurde erst ziemlich spät bemerkt, 
aß irgend etwas 'nicht richtig sein müsse, weil die 
rzrucht sich sehr klebrig anfühlte. Erst als die 
zäuerin auf den Speicher kam und ein Jammer—⸗ 
eschrei erhob, kam die Wahrheit zu Tage. Außer 
Rem Schaden der zerbrochenen Eier muß auch die 
gerste zutrückgenommen werden, da der Käufer so 
chmierige Waare nicht brauchen kann. 
München, 22. Sept. Der Amerikaner 
Frank Bailey Allen, der mit Billy Portes im 
April 1888 bei dem Juwelier Thomas hier ein— 
zrach und Juwelen im Werthe von 96,000 Mk. 
tahl, der alsbald in London verhaftet wurde und 
eitdem hier in Untersuchungshaft war, wurde gestern 
zach mehr als 12stündiger Verhandlung zu 12 
zdahren Zuchthaus und gleichlangem Ehr— 
jerlust verurtheilt. 
FDas dreihundertjährige Jubiläum 
»es Münchener Hofbräuhauses findet 
im 27. Sepiember statt. An diesem Tag des 
Jahres 1589 erging nämlich ein Bericht der Hof⸗ 
ammer an Herzog Wilhelm, wodurch der Bau 
ines Hofbräuhauses entschieden wurde. Die Ver— 
vendung des jetzigen Hofbrauhauses zum Biersieden 
jegann erst 1602; in diesem Jahr starb nämlich 
»ie Erbhofmeister Degernberg'sche Familie in 
—„chwarzach aus und ihr Privileg zum Weißbier⸗ 
ieden wurde nun vom bayherischen Hof übernommen, 
der noch im selben Jahr den einträglichen Betrieb 
röffnete. Das Weißbier erfreute sich einer außer⸗ 
rdentlichen Beliebtheit; die Suden wurden immer 
zrößer, zumal jeder Braunbier verzapfende Wirth 
sehclten war, auch Weißbier aus der herzoglichen 
Zrauerei zu führen. Aber die Macht der braunen 
ZBiere erwies sich immer stärker dem weißen gegen— 
iher. und so erklärte es sich, daß man das braune 
Hofbräuhaus mit dem weißen vereinigte. Dies 
geschah 1808; der Ausschank von beiden Biersorten 
zugleich im Hofbräuhaus hat sich bis var kurzer 
Zit erhalten. Wie wichtig das Hofbräuhaus für 
den bayerischen Staatshaushalt geworden ist, das 
besagen die Ziffern im „Etat der Oekonomieen 
und Gewerbes“ So hat das Finanzministerium 
im Jahre 1886 aus dem Hofbräuhaus die statt 
liche Summe von 1537131,02 Mt. vereinnahmt, 
sonach nimmt der Staat alljährlich rund 122 
Millionen aus der Anstalt für Biererz⸗ ugung ein, 
ohne daß der Geldbeutel des Steuerzahlers in Mit⸗ 
leidenschaft gezogen wird. 
Landwirthschaftliches. 
Wechsel beim Gemüsebau. Die verschiedenen 
Bemüse entziehen dem Boden verschiedene Näbrstoffe 
und diese wieder in sehr verschiedener Menge. 
Läßt man deshalb verschiedene Pflanzenarten ent⸗ 
prechend abwechseln, se wird sich die Verschiedenheit 
in Art und Menge der Stoffentnahme ausgleichen, 
was fonst nicht der Fall ist. Dann ist zu berück⸗ 
ichtigen, daß der Boden durch den ununterbrochenen 
Anbau derselben Pflanze, sei es durch die eben für 
diese Pflanze nöthige Bearbeitung, si es durch die 
Natur der Pflanzenwurzeln selbst, eine derartige 
Veränderung in seinen physikalischen Eigenschaften 
erleidet, daß er für den weiteren Bau dieser Pflanze 
endlich untauglich wird. Es ist deshalb auch hier⸗ 
durch Wechsel mit anderen Pflanzen geboten. Be— 
onders nöthig aber erweist sich der Wechsel bei 
allen sich kräftiger entwickelnden Pflanzen, wie die 
tohlartigen Gewächse und Hülsenfrüchte; unterläßt 
man denselben hier, so liefern sie stets schlechtere 
Erträge. Wie der Landmaun auf dem Felde, so 
erstrebe auch der Gartenbesitzer möglichin Wechsel; 
nur dann darf er auf vollen Erfolger chnen. 
Neueste Nachrichten. 
Bern, 23. Sept. Der Bundesrath ver— 
bot, rücksichtlich dzer Maul- und Klauensuche in 
Böhmen bis auf weiteres die Ein-und Aus- 
suhr von Rindvieh, Schafen, Schweinen und 
Ziegen aus Böhmen. 
Paris, 28. Sept. Zwischen dem Polizei— 
präfekten und dem Seinepräfekten waltet eine 
Meinungsverschiedenheite in Bezug auf 
»as Wahlprotokoll über Boulanger ob. 
Ersterer sah Boulanger als gewählt an und der 
Zeinepräfekt hielt eine Stichwahl für nöthig. Dies 
st der Grund, weshalb zuerst der Sieg Boulangers, 
odann die Stichwahl verkündigt wurde. Die 
Zdammer wird den Fall prüfen. — Die Zahl der 
rdeute, die gestern Abend in der Rue Montmartre 
vegen aufrührerischer Rufe und Thätlichkeiten gegen 
Holizisten verhaftet worden waren, ist 164; die 
Kerhafteten wurden nach der Polizeipräfektur ge— 
»racht. Die Ruhestörung auf dem Opernplatze war 
inbedeutend; die Polizei ließ nur den Platz und 
inen Theil des Boulevards räumen. Alle ripu⸗ 
likanischen Blätter verküunden heute den errungenen 
Sieg der Republik und die Niederlage ihrer 
Bidersacher. Die Boulangisten und Reaktionäre 
ind, obschon deren Blätter eine ziemlich heftige 
Zprache führen, sehr entmuthigt, weil sie annehmen, 
zaß alle diejenigen, die bisher zu ihnen hielten, 
veil man sie für die mächtigste Partei hielt, in 
zukunft sich von ihnen abwenden werden; sie 
ürchten sogar, daß sie sich nicht einmal in den 
Stichwahlen, die ihnen günstig scheinen, würden 
yehaupten koönnen. 
Rom, 24. Sept. Der Kardinal-Priester 
Placido Mario Schiaffino ist, 60 Jahre alt, 
zsu Subiaco gestorben. Zum Kardinal ernannt 
vurde er am 27. Juni 1885.. (S. 3) 
Theater in St. Ingbert. 
.„Die Näherin“ von Hild, Musik von Millöcker 
jatte gestern Abend ein zahlreiches Publikum ange— 
zogen. Daß letzteres in der Erwartung auf einen 
jeiteren Abend sich nicht getäuscht fand, bemerkte 
nan auf allen Gesichtera, wie auch der stürmische 
Applaus dies bewies. Die Aufführung war sehr 
zelungen. Etwas weniger lautes Souffliren wäre 
hr noch günstiger gewesen. Der Eindruck des 
Hanzen bei den Zuschauern war der beste. 
„Gasparone“ lautet die Parole für morgen 
Abend. Bekannt ist von der Vorführung des 
„Bettelstudenten“ her, daß die Mitglieder der Ge— 
ellschaft Baudrexler es verstehen, die einschmeicheln⸗ 
»en Werke Millöckers auf das beste zu interpretiren. 
„So dürfte denn auch „Gasparone“ dem Vorgänger 
uuf der Bühne an Erfolg nichts nachgeben. 
Für die Redaktion verantwortlich: F. X. Demetz