Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wien, 30. Sept. Ksnig Milan ver⸗ 
äßt morgen Karlsbad, wird noch eine Kur in der 
Schweiz gebrauchen und später Paris besuchen. Er 
lehnt die Zumuthung, den König Alexander ent⸗ 
führen zu wollen, ab und vertraut der Regentschaft 
pollständig, gegen deren Willen die Königin Natalie 
nach Belgrad komme. 
Kopenhagen, 1. Okt. Prinz von Wales 
ist mit den Prinzen Albert Viktor und Georg 
gestern Abend 9. Uhr hier eingetroffen; er wurde 
oon dem englischen, dem italienischen und dem 
deutschen Gesandten am Bahnhofe begrüßt und be⸗ 
gab fich nach wenigen Minuten nach Fredensborg. 
Petersburg, 30. Sept. Die Nachricht, daß 
der Zarewitsch Paris besuchen werde, entbehrt der 
Begründung. Als sicher gilt jedoch, daß der Thron⸗ 
folger als Vertreter des Zaren zu den Hochzeits⸗ 
feierlichkeiten nach Athen gehen wird. 
Belgrad, 30. Sept. Das Gesammtergebniß 
der Wahlen ist folgendes: Gewählt find 102 
Radikale und 15 Liberale. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 2. Okt. Schöffenge— 
richtssitzung. Als Schöffen fungiren die H.H. 
Joh. Friedrich, Rentner hier und Martin Zott, Kauf⸗ 
mann in Schnappach; als Vertreter der kgl. 
Staatsbehörde ist zum ersten Mal anwesend Hr. 
Amtsanwalt Willburt. 1. Anklage wegen Ver⸗ 
weigerung des Gehorsams gegen den Maurer Gg. 
Sch.r hier, 28 J. a. Am 1. Juni war der⸗ 
elbe als Steiger bei einer Uebung der Feuerwehr 
thätig. Da es an Leuten zum Pumpen fehlte, 
wurde er mit Erlaubniß des J. Feuerwehrkomman⸗ 
danten vom Abtheilungskommandanten zur Spritze 
befohlen, kam jedoch dem wiederholten Befehl nicht 
nach. Er stellt heute auf von der Verpflichtung 
des unbedingten Gehorsams keine Kenntniß ge—⸗ 
habt zu haben, da ihm die Statuten der Feuer⸗ 
vehr nicht mitgetheilt seien. Es besitzen zwar nur 
die Kommandanten Statutenbücher, doch muß jeder 
Feuerwehrmann wissen, daß er Gehorsam schuldig, 
da ihm diese Vorschrift mitgetheilt ist. Was die 
Angabe des Beschuldigten betrifft, ein Feuerwehr⸗ 
mann habe keinen Entschädigungsanspruch für einen 
Unfall, der ihm bei seiner Thätigkeit bei einer an⸗ 
deren Abtheilung zustoße, so ist dies nur dann der 
Fall, wenn der Betreffende nicht zu einer anderen 
Abtheilung kommandirt war. Der Einspruch des 
Beschuldigten gegen den wider ihn erlassenen Straf⸗ 
bdefehl wurde abgewiesen, und er zur Geldstrafe 
»on 1 Mark, evb. 1 Tag Haft, sowie in die Kosten 
vexurtheilt. 2. Der 22jährige Tagner Ludw. 
A..e von Watitweiler befand sich am 2. Juni 
in der Heusser'schen Wirtschaft dahier, wo er Lärm 
derursachte und deßhalb von dem Schutzmann 
Steinfels aufgefordert wurde, das Lokal zu ver⸗ 
lafsen. Statt dessen beleidigte er diesen, widersetzte 
sich ihm auch durch Stoßen und Anpacken an der 
Brust und setzte diese Vergehen auf der Straße 
und im Polizeilokal fort. Er erhält deshalb eine 
Besammtstrafe von 3 Wochen Gefängniß, 5 Tagen 
Haft nebst Kosten auferlegt. Dem Beleidigten steht 
)as Recht zu, den Urteilsauszug während 3 Tage 
durch Anschlagen an der Gemeindetafel zu ver⸗ 
offentlichen. 3. Wegen Mitführens eines Blei⸗ 
stockes (sog. Todtschlägers) wird der 23 Jahre alte 
Grubenarbeiter Math. H... m von Heckendalheim 
zu 1 Mk. Geldbuße eb. 1 Tag Haft und in die Kosten 
verurtheilt, und der Stock eingezogen. 4. Der 
Gerbertagner Low. H... b, 16 J. a., aus Hassel, 
hatte am 2. oder 8. April von dem Wirte Jos. 
Jost hier eine Flasche Bier zuc Besorgung an 
einen Dritten erhalten, dieselbe aber mit einem 
Kameraden ausgetrunken und die Flasche zer⸗ 
schlagen. Wegen Unterschlagung werden ihm 2 
Wochen Gef. und Kostenlast zu theil. 5. Die 
Ackerer Ludw. B.. .r, 18 J. a. und Jak. 
Z.. .n, 25 J. a., beide aus Wittersheim sind 
heschuldigt und überführt am Abend des Peters⸗ 
festes in Ensheim zum Nachtheil des Adjunkten 
und Wirtes Hrch. Fries, der Erstere ein Kistchen 
Zigarren, der Letztere 3 Biergläser entwendet zu 
haben. Es trifft dafür jeden von Beiden 
eine Strafe von 14 Tagen Gef. und fallen 
hnen die Kosten solidarisch zur Last. 6. 
Um letztgenannten Tag, 30. Juni dss. J. war 
auch der angeklagte Ackerer Adf. J..g von Ens— 
heim, 23 J. a., dortselbst mit einem Ackerer aus 
Heckendalheim und dessen Schwester zusammen⸗ 
getroffen. Letzterer versetzte er ohne genügenden 
Anlaß sogleich einen derben Stoß wider die Brust 
und Ersteren hedrohte er später mit den Worten 
ich schieße dich durch und durch.“ Eine Woche Gefüng⸗ 
aniß und die Kosten bilden die Strafe für diese Ver⸗ 
jehen. 7. Der 24jährige Schmelzarbeiter Kl. D... m 
us Rohrbach versetzte am 23. Juni auf der Orts⸗ 
traße daselbst einem Dienstknecht ohne Anlaß einen 
z„chlag ins Gesicht, daß dem Geschlagenen die 
dase blutete. Strafe für den Thäter 1 Woche 
zefängniß und die Kosten. 8. Des gleichen Ver⸗ 
jehens der Mißhandlung einer Frau durch Schlagen 
ns Gesicht hat fich der Schmelzarbeiter Pt. 
?. .. n dahier, 20 J. a., am 22. Juni schuldig 
semacht. Mit 6 Mk. eb. 2 Tagen Gefängniß nebst 
en Koften wird deshalb seine Strafe festgesetzt. 
*Wie man uns mitteilt, ist in verwichener 
Nacht in Selbach bei Wurzbach das einstöckige 
Vohnh aus eines gewissen Bartscheerer vollständig 
riedergebrannt. Näheres konnten wir nicht 
rfahren. 
— In Zweibrücken sind beim dortigen Ba⸗ 
aillon des 18. Inf. Rgts. am 1. dss. Mts. 15 
finjährig-Freiwillige eingetreten. 
— Lauterecken. Seit einiger Zeit grassiren 
zierselbst die Ma sern und wurden die hiesigen 
Zchulen deshalb bis auf Weiteres geschlossen. — 
zesonders schwer wurde die Familie des Schuh⸗ 
nachermeisters Berg dahier heimgesucht, indem 3 
dinder desselben an den Masern erkrankten und 
wei derselben, 2 Knaben im Alter von 4 und 2 
jahren, im Verlauf von 83 Tagen ein Opfer dieser 
drankheit wurden. 
— Aus dem Lauterthal. Die Karioffel⸗ 
ernte ist in vollem Gange und fällt in Qualitäͤt 
vie Quantität recht befriedigend aus. Die Korn⸗ 
aat ist beendet, dieselbe entwickelt sich jedoch in 
folge der rauhkalten Winerung sehr langsam. Ein 
dauptprodukt des Landmannes ist heuer der deutsche 
kleesamen, welcher gut eingebracht ist, so daß 
Zualität wie Ouantität als sehr aute bezeichnet 
verden können. 
— Landau. 30. Sepi. Der Schirmflicker⸗ 
ehrling Schenk von Walsheim, der am vorigen 
Zonntag den Blechnerlehrling Bach daselbst erstochen 
jat, wurde in Karlsruhe verhaftet und am Samstag 
n das Gefängniß hier eingeliefert. — Der Ersatz⸗ 
eservist Friedr. Zimmerle des 18. Inf.-Regts., 
zebürtig aus Edenkoben, welcher sich schon vom 2. 
is 16. Sept. von seinem Truppentheil entfernt 
hatte und damals von seinem Vater wieder hier 
ingebracht wurde, ist am Freitag Abend gegen 7 
Ihr abermals durch den Hof der weißen Kaserne 
Hesertirt. 
— Landau, 1. Okt. Bei ziemlich günstigem 
Vetter hat gestern der Herbst hier und in den 
neisten Nachbargemeinden begonnen. In Bezug 
zuf die Quantität wird hier die gleiche Erfahrung 
vie überall gemacht: neben Wingerten mit verhält⸗ 
nißmäßig ansehnlichem Ertrag liegen andere, deren 
trauben so dünn gesüet sind, daß sich die Entfalt- 
ing des ganzen Herbstapparates nicht lohnt, son⸗ 
ern die Trauben einfach zusammensucht und nach 
dause gebracht werden, ohne daß Traubenmühlen 
c. in Anwendung kommen. Die Mostgewichte 
ewegen sich zwischen 70 und 80 Grad je nach 
ser Lage und den Traubensorten. Verkäufe sollen 
nach dem Eilb. abgeschlossen worden sein zu 16 
Mk. per 50 Liter. 
— Landau, 1. Okt. Heute Nacht starb da⸗ 
sier Herr Redakteur J. E. Kadler im Alter von 
12 Jahren. Ueber 5 Jahre hatte der Verstorbene 
»ie Redaktion des „Land. Tagbl.“ geführt. Seit 
Monaten schon nicht mehr recht gesund, wurde er 
vor einigen Wochen auf's Krankenlager geworfen, 
on dem er sich nicht wieder erheben sollte. Eine 
üßattin und vier unmündige Kinder beweinen den 
dahingeschiedenen. 
— Edenkoben. Wie vortrefflich die Ka- 
tanien in diesem Jahre gerathen, zeigt der 
Herlauf der Kastanienversteigerung aus dem königl. 
dillawalde. Es wurden nämlich erlöß 325 Mark 
jegen 220 Mk. im Vorjahr. 
— Speyer, 1. Okt. Beim 2. Pionier⸗ 
Zataillion sind heute gleich wie im Vorjahr 9 
unge Leute als EinjährigeFreiwillige 
ingetreten (30 hatten sich angemeldet). Von den 
jestern zur Reserve entlassenen 9 Einjährig⸗Frei⸗ 
villigen, von welchen 4 seit 1. Juli zu Unter⸗ 
yffizieren befördert waren, erhielten 3 derselben (2 
von hier und 1 aus Hannover gebürtig) das 
Qualifikations⸗Attest zum Reserve⸗Offizier. Von 
»en übrigen 6 traten 5 theils als Unteroffiziere, 
heils mit der Qualifikation als Feldwebel-Lieute- 
tant zur Reserve Üüber. 1 wurde als Reservist ent⸗ 
assen. — Der verstorbene Herr L. Heydenrei 
zatte u. A. in seinem Testament bestimmt, daß 
Freunde und Belannte von ihm zu seiner Erinnc 
ung angemessene Beträge zu verabfolgen feien 
Nachdem aber dieses für die Waisenhaus -Kommistig 
ine äußerst schwierige Aufgabe ist, und um allen⸗ 
allfigen Vorurtheilen in diesem Auftrag entgegen 
u treten, hat die Waisenhaus ⸗Kommission dem, hf 
2.“ zufolge beschlossen, der Liedertafel und de 
Feuerwehr je 1300 Mk., in Summa 3000 Mi 
u verabfolgen. Die beiden Vereine werden ð 
nächtigt, diese Summe im Sinn des Testatotts zu 
verwenden. Der Beschluß der Waisenhaus-Nom— 
nission erhielt in der letzten (geheimen) Sitobi 
athssitzung die Genehmigung des Stadtrathes 
das Vermächtniß, welches das Waisenhaus důrch 
derrn Heydenreich erhielt, beträgt nach Abzug alle 
onstigen Zuwendungen 400,000 Mk. 
— Die Generalsynode der Pfalz 
vird wahrscheinlich am 18. Oktober in Spehet 
usammentreten. Von den Vorlagen, die fuür die— 
elbe zu erwarten sind, verlautet noch nichts, eben 
o wenig von Anträgen, die aus der Mitte der 
-„yynode gestellt werden. Voraussichtlich, schreibt 
nan der „Union“, wird auch die diesjährige Synobe 
ꝛine Friedensshnode werden, da sowohl die Rechte 
ils die Linke das Bedürfniß der gegenseitigen An— 
näherung und Verständigung fühlen. 
— Herr Bischof Dr. v. Ehrler in 
3peyer hat „über die Bedrängnisse des h. Vaters 
in Rom“' einen Hirtenbrief erlassen. 
— Dürkheim, 30. Sept. Auf der Inlter⸗ 
nationalen Hygiene-Ausstellung zu Gent (Belgien) 
vurde, wie der „D. A.“ schreibt, der Deutschen 
S—3chaumweinfabrik Wachenheim „Diplöme 
l'honneur“, die höchste Auszeichnung, für ihre 
Brodukte zuerkannt. 
— Ludwigshafen, 1. Okt. Von einem 
chmerzlichen Verluste wurde die Familie des Herrn 
Bürgermeisters Kutterer hier betroffen. Nach 
ängerer schwer Krankheit verschied heute Nacht 
jegen 1 Uhr der älteste Sohn, Herr Baumeister 
Philipp Kutterer, im Alter von 36 Jahren. 
— Hochstätten, 30. Sept. Seit gestern 
Nittag ist der elfjährige Sohm des Herrn Fried⸗ 
ich KHatzenbächer dahier spurlos versch wun⸗ 
den. Derselbe erhielt von seinem Vater wegen 
Angehorsam Schläge und hat sich dann, als ihm 
noch mehr angedroht wurden, wahrscheinlich aus 
Furcht davor entfernt. Bis jetzt waren alle Nach⸗ 
orschungen nach seinem Verbleiben erfolglos. 
Ndodpf. Bz.) 
— Von den vom Generalkomité des land⸗ 
virthschaftlichen Vereins in Bayern aus 
Anlatßz des Oktoberfestes zuerkannten Auszeich⸗ 
nrungen entfielen nachstehende auf die Pfalz: 
. Für allgemeine und kesondere Leistungen auf 
dem Gesammigebiete der Landwirthschaft erhielten 
die silberne Vereinsdenkmünze Ph. Mohr, Gutsbe⸗ 
itzer in Mechtersheim, A. Kleinmann, Landwirth 
in Roxheim, F. Becker, Gutsbesitzer in Hanhofen. 
2. Preise für erfolgreiche und verdienstvolle Be⸗ 
trebungen der Beamten, Geistlichen, Lehrer u. . 
v. Die goldene Vereinsdenkmünze erhielt: Merl, 
reiskulturingenieur in Speyer; die große silberne 
VBereinsdenkmünze: Köhl, kal. Forstmeister in 
dandstuhl. 
— Mit dem 1. Okltober sind einige sehr wich⸗ 
ige Bestimmungen des Reichsgesetzes über den 
Berkehr mit blei- und zinkhaltigen 
hegenständen in Kraft getreten. Diese Be⸗ 
timmungen sind enthalten in 8 4 dieses Geseztzes, 
nach welchem mit Geldstrafe dis 150 Mark oder 
daft bestraft wird, wer Eß⸗, Trink oder Koch—⸗ 
Jeschirre oder Flüsfigkeitsmaße oder Geschirre und 
Hefaͤe zur Versertigung von Getränken und Frucht 
aften (soweit letztere Gefäße dei dem bestimmungs⸗ 
jemäßen oder vorauszusehenden Gebrauche mit dem 
Inhalte in Berührung kommen) oder Konseirbe⸗ 
hüchsen, welche entweder 1) ganz oder theilweise 
aus Blei oder aus einer mehr als 10 Prozent Blei 
nihaltenden Legirung befiehen oder 2) mit 
iner mehr alb 1Prozent Blei enthaltenden Legit⸗ 
ing überzogen oder 8) mit einer Glasur oder 
Fmail vetrsehen find, welche durch haldstündiges 
kochen mit vierprozentigem Essig an letzteren Blei 
ibgibt, herstellt, gewerbsmäßig verkauft oder ftir 
ann. Diese Bestimmungen sind übrigens auch für 
zem Gastwirthosiand von Inleresse da ein Wirth, 
velcher Glaser benutzt mir Metalldeckeln, die mehr 
Is 10 Vrozent Bleisenthalten, bestraft werden kann.