Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bettern zu. Im Jahre 1888 sind auf den 
Zieinkohlenbergwerken Preußens im Ganzen 88 
Anglücksfälle durch Wetter ˖Explosionen vorgekom⸗ 
nen, von denen 19 den Tod und 69 die nicht 
ödtliche Verletzung von Bergleuten zur Folge 
zatten. Der schwerste Unglücksfall, durch welchen 
i2 Personen getödtet und 4 andere verletzt wur⸗ 
zen, ereignete sich am 15. Februar 1888 auf der 
zrube „Kreuzgräben“ bei Sulzbach (Saarbrücken.) 
lußerdem wurden durch die 19 tödtlichen Explo—⸗ 
onen noch 6 Perso ien schwer und 16 leicht ver⸗ 
etzt. Was die unmittelbare Veranlassung zur Ent⸗ 
indung der schlagenden Wetter betrifft, so ist als 
olche festgestellt oder doch als wahrscheinlich ar zu⸗ 
ehmen: Gebrauch offener Grubenlichtet (17 Er— 
losionen), Benutzuag von Feuerzeug (Tabakpfeife) 
unbefugtes Oeffaen der Sicherheitslampe 15, 
zcadhaftigkeit der Sicherheitslampe 9, Durch⸗ 
hlagen der Flamme durch das Netz der Sicher⸗ 
zeitslampe und zwar infolge unvorsichtiger Be⸗ 
vegung der Lampe 11, infolge zu großer Wetter⸗ 
geschwindigkeit 4, Sprengarbeit 24, nicht näher 
rnittelt 4 Exrplosionen. Drei Siebentel sämmt- 
icher Erplosiouen haben demnach ihre letzte Ent- 
tehungsursache wiederum im Gebrauche offenen 
»der geöffneten Geleuchtes gehabt; zwei Siebentel 
iller Fälle wurden dadurch veranlaßt, daß die 
Sicherheitslampe ihren Schutz versagte und ebenso 
ziele Fälle find auf die Sprengarbeit zurückzu⸗ 
ühten. Ein unmittelbares oder mittelbares Ver⸗ 
chulden der Bergarbeiter oder Beamten ist bei 34 
xrxplosionen nachgewiesen; nicht festgestellt ist solches 
der es fehlt darüder an räherer Aufklärung an 
38 Explosionen. — Vier Falle von Erstickungen 
vurden im Jahre 1888 in schlagenden Wettern 
hne Explosion festgestellt und zwar sämmtlich im 
ederrheinisch-westfälischen Becken. Alle vier Fälle 
reigneten sich in Ueberhauen. 
Wadersdorf WWestfalen), 9. Okt. Ein seit 
Jorgestern vermißtes dreizehnjähriges Mädchen 
hurde im Felde mit aufgeschlitztem Leib todt 
ufgefunden. 
Schweidnitz, 10. Olt. In dem Schwur—⸗ 
zerichtsprozesse gegen die Theilnehmer der 
in 14. Mai d. J. begangenen Ausschreitungen 
uuf der Glückhilfs ⸗Friedehoffnungs-Grube wurde 
jeute Nacht das Urtheil gefällt. Wegen schweren 
dandfriedensbruchs wurden Poppe zu 2, Grüttner 
ind Tölg zu 23 Jahren Zuchthaus und 3 Jah⸗ 
tea Ehrverlust verurtheilt; 21 Angeklagte wurden 
inter Annahme mildernder Umstände zu Gefäng⸗ 
ußstrafen von 1 bis 8 Jahren verurtheilt. 
Vegen einfachen Landfriedensbruchs wurden 14 
Angeklagte zu Gefängnißstrafen von 1 bis 11 
jahren verurtheilt. 
f Jarotschin, 7. Okt. GVon einem Hirsche 
jetoͤdtet); wurde dieser Tage bei Jarotschin ein 
Waldwärter. Der Unglückliche, ein 70jähriger 
hdreis, begab sich mit zwei Frauen in den Wild⸗ 
dark, um dort Heu zu wenden. Während dieser 
Urbeit überraschte sie ein Hirsch, der wüthend auf 
ie Leute loskam. Die beiden Frauen liefen eiligst 
ort, während der Hirsch den alten K. zu Boden 
tieß. Obgleich mehrere Leute den Vorfall ange⸗ 
ehen hatten, traute sich doch Niemand in deu 
dark hinein, um dem K. zu helfen, welchen der 
zirsch mit seinem Geweih und den Füßen der—⸗ 
naßen bearbeitete, daß der Unglückliche auf der 
Stelle seinen Geist aufgab. Der Hirsch wurde 
tags darauf getödtet; erst die siebente Kugel 
aachte seinem Leben ein Ende. 
Brussel, 9. Okt. Der seit Montag 
nütende Sturm im Kanal verursachte den Unter⸗ 
ang mehrerer Dampfer und Segelschiffe. Man be⸗ 
ürchtet den Verlust zahlreicher Menschenleben. 
FBrüfssel, 10. Okt. Heute Vormittag 
chiffte sich in Antwerpen die ersie Abtheilung der 
Ingenieure ein, welche eine Eisen bahn am 
Fongo bauen sollen. 
r Prag, 9. Okt. In Folge mißglückter 
sRussespekulation wurde die hiesige Zuckerfirma S. 
B. Weselh, die seit 2 Jahren etablirt ist, ien⸗ 
olden t. Wesely fehlt laut „Fr. Z.“ seit einigen 
zagen. Die Differenzen und Waarenschulden be—⸗ 
aufen fich auf 100,000 fl. 
»Hunderttausend Mark hat kürzlich 
in Schweinehändler im Terminhandel ohne viel 
Zchweiß zu vergießen und im Handumdrehen ver⸗ 
ent. Selbiger ist Einwohner des Vorortes 
ummelsburg bei Berlin und hatte mit mehreren 
weinezüchtern in Ostpreußen die Lieferung von 
wsend fetten Schwmeinen zu Ende des Mongts 
ereinbart. Ehe derselbe zu Ende ging, stieg das 
Schweinefleisch derart im Preise. daß der Zentner 
im 25 Mark theuerer sich stellte als beim Ab⸗ 
schlusse des Geschäftes. Beildufig bemerkt ist der 
Preis des Schwein fleisches augenblicklich noch höher 
als im Jahre 1878, in welchem großer Mangel 
an Schlachtschweinen in Berlin herrschte. 
fF Ein letztes Wort. Einen lustigen Bei— 
rag zu der Frage, wie die hohen Brot- und 
Fleischpreise herabgemindert werden koͤnnen, liefert 
iachstehender, aus Anlaß der in Friedberg statt- 
indenden Gemeinderaths⸗Ersatzwahl, im O. A.“ 
zeröffentlichter, wahrhaft klassischer Wahlaufruf: 
Freunde! Auch wir wollen sorgfältige Wahrung 
uinserer Interessen. Der Laib Brot darf künftig 
»los 30 Pf. und das Pfund prima Ochsenfleisch 
»los 50 Pf. kosten. Leberwurst gilt als Zugabe. 
halten wir standhaft zusammen und wählen wir in 
en Gemeinderath die Herten ⁊c. 
Landwirthschaftliches. 
(Ueber die Brauchbarkeit der Schwämme des 
Baldes für die Düngung.) Die große Menge 
er Schwämme, welche in fruchtbarem Walde 
vachsen, hat bis jetzt zu Düngerzwecken noch wenig 
Jerwendung gefunden. Und doch besitzen die 
5chwämme viel Stickstoff, und die Zusammensetzung 
hrer Aschen zeigt einen so großen Reichthum von 
Alkalien und Phosphorsäure, daß sie als ein kräf⸗ 
iger Dünger erachtet weiden können. Es ist hier⸗ 
nach leicht die eigenthümliche Begetationserscheinung 
»er Bildung von grünen Kreisen auf grasigen 
Plätzen im Walde zu erklären, deren Entstehungs⸗ 
veise der ländlichen Bevölkerung oft räthselhaft er⸗ 
cheint. Sie entstehen dadurch, daß ein Schwamm⸗ 
purzelgeflecht am Rande immer weiter wächst und 
inen begrenzten Kreis bildet. Im Winter zersetzt 
ich zum Theil das Wurzelgeflecht, der Erde die 
tickstoffhaltigen Stoffe und namentlich die Kalisalze 
ind Phosphorsäure hinterlassend, welche es dem 
Boden in ziemlicher Tiefe eninommen hatte. Im 
Innern des Ringes stirbt dasselbe und somit die 
Fruchtkörper, ja stellenweise grüne Pflanzen ab. 
da nun in feuchten Jahren die Schwämme masser⸗ 
jaft wachsen und meift unbenutzt verfaulen, so 
vird der Vorschlag gemächt, sie hinsichtlich ihres 
reichen Dungstoffes zu einem passenden Dunger zu 
verwenden und den Feldern zuzuführen. — Das 
gereitungsverfahren karn auf dem Wege der Kom⸗ 
ostirung geschehen. Es wird zunächst eine Erd⸗ 
hicht aufgefahren und diese reichlich mit gesammelten 
-„chwämmen bedeckt. Mit diesen Lagen Erde und 
„chwämme wechselt man bis zu einer Höhe von 
—8 Fuß. Um die Zersetzung des Haufens zu 
rhöhen, wird es nothwendig sein, denselben gehörig 
nit Jauche zu befeuchten. Nachdem man den Haufen 
ine Zeitlang ohne weitere Behandlung liegen ge— 
assen hat, muß derselbe nach Verlouf einiger 
Nonate umgelegt werden, bis man die Masse für 
jeeignet hält, als Dünger auf die Felder gefahren 
u werden. Eine derartige Kampostmasse hat ohne 
zweifel eine ganz vorzügliche Düngerbefähigung 
ind ist imstande, die im Boden fehlenden Salze 
u ersetzen. 
tarne Abericht. 
Zweibrücken, 10. Okt. (Fruchtmittelpreis und Vit— 
ualienmarkt.) Weizen O M, — Pff, Korn OM — Pf. 
Herste zweireihige O M— pi, vierreihige O M. — Pf., 
Spelz d M — pf, Spelzkern — M— Pf., Dinke 
— Vi — Pf, Mischfrucht O M. — Pf. Hafer 0 M., 
— gf.“ Erbsen O M— Pf, Wicken 0 M— Pf, 
Heu 2Ma40 Pf, Stroh J. Qual 8 M. 20 Pf., II. Quai. 
O M. — Pf., Kartoffeln 1M. 50 Pf., Weißbrod 1/5 Kilo 
54 Pf. Kornbrod 8 Kilo 66 Pf., Gemischtbrod 3 Kile 
30 Pf., paar Weck 100 Gr. 6 Pf., Rindfleisch J. Qual. 
30 Pf. II Qual. 56 Pf. Kalbfleisch 60 Pf. Hammel—⸗ 
leisch 50 Pf., Sqhweinese isch 70 Pf. Wein 1 Liter 80 Pf. 
Bier Liter 24 Pf., Buttier */3 Kilogr. 1 M. — Vig. 
Diens ssSnachrichten. 
Protestantischer Kultus. Vom 11. d. 
Mis. an wurde der Pfarramtskandidat Karl Fr. 
stödel von Wachenheim dem Pfarrer Seitz in 
Duchroth, und vom 16. d. Mts. an der Pfarr⸗ 
amtskandidat H. Jung von Bornheim dem Pfarrer 
Muüller in Niederhochstadt und der Pfarramtskandidat 
dZeinrich Kastner von Frankenthal dem Pfarrer 
stothhas in Freinsheim als Privatvikare bei— 
gegeben. 
Die protestantische Pfarrstelle zu Klingen— 
münster, Dekanats Bergzabern, ist dem geprüften 
Pfarramtskandidaten Jakob Müßli aus Wollmes⸗ 
jeim verliehen worden. 
Vakanzenliste für Militäranwärter 
Fine zweite Bexzirksamtsschreiberstelle bhei dem kal 
Bezirkdamt Wolfsttein; Kaution keine; 900 
Mark und 264 Mark Zulagege. 
nachrichten. 
Gestorben: In Zweibrücken Fritz Groß⸗ 
mann; in Landau Friedrich Schneider, 35 J. a.; 
in Dürkheim Leonhardt Kuhn, 65 J. a.; in Lud⸗ 
vigshafen Ludwig Wilde, 46 J. a.; in Rimsch« 
veiler Sophie Zinn, aeb. Weiß, 47 J. a. 
Brotestantischer Gottesdienst. 
Sonntag, 13. Okt. Vormittags 10 Uhr. 
reg Luk. 10, 88 -42. Lied: a82. 
Nachm. 2 Uhr Christenlehre. 
Reueste Nachrichten. 
Neunkirchen, 11. Oti. Die Kohlen— 
preise im Landdebit haben auf Grube König 
wiederum einen Aufschlag erlittn — von 54 auf 
57 Pf. pro 50 Kilo; man hört bereits stellen⸗ 
weise klagen, daß den Anforderungçen der vielbe⸗ 
schäftigten Saar⸗Eisenindustrie bezüglich des Be⸗ 
darfs an Kohlen nicht genügt werden kann, in⸗ 
folgedessen schon Arbeiter, z. B. auf dem Bur⸗ 
bacher Werk, außer Thätigkeit treten müssen. 
EG.⸗Bl. 3.) 
Muünchen, 10. Olt. Im Gemeindekollegium 
beantragten laut „Fr. J.“ 10 liberale Mitglieder 
die Einführung der fakultativen Feuerbe— 
dattung. 
München, 10. Okt. Fürst Ferdinand 
zon Bulgarien ist vergangene Nacht mit dem 
Drient⸗ Expreßzzuge über Wien hier eingetroffen. 
Vormittags 11 Uhr besuchte er seine Mutter, 
derzogin Klementine von Sachsen ⸗Koburg auf 
Schloß Biederstein, sowie seine Schwester und 
seinen Schwager, Herzog und Herzogin Mox 
Emanuel. 
Berlin, 10. Okt. Im Anschluß an die be⸗ 
kannten Agitationen des Vereins zur Bekämpf⸗ 
ung des Wuchers im Saaigebiet hat unter 
den betheiligten Regierungen ein Meinungsaustausch 
über die Frage stattgefunden, wie zu den immer⸗ 
hin doch lückenhaften Bestimmungen des Strafge—⸗ 
setzbuchs über den Wucher eine Ergänzung herbei— 
geführt werden könnte, welche eine Umgehung der⸗ 
selben wenn nicht ganz ausschließt, so doch erheb⸗ 
lich einschränkt. In den Berathungen des preußi⸗ 
schen Landwirthschaftsraihs hat der Staatssekretär 
im Reichsjustizamt erklärt, daß er der weiteren 
Regelung der Frage sein volles Interesse entgegen⸗ 
pringe. 
Berlin, 10. Okt. Die „Nordd. Allg. Zei⸗ 
iung“ tritt den Behauptungen entgegen, daß die 
Rachbestellungen der Staatsbahnen an Kohlen 
irgendwie auf die Kohlenpreise oder die Kohlennoth 
Finfluß gehabt haben könnten. Die Angabe, daß 
die Staatsbahnen von dem Vorbehalt Gebrauch 
gemacht hätten, eine Nachlieferung von ungefähr 
50 pCt. über die vertragsmäßig bed ungene Menge 
dohlen zu verlangen, ist aus der Luft gegriffen. 
Dagegen haben sich die Staatsbahnen seit mehrecen 
Jahren in den von ihnen abgeschlossenen Liefer— 
ungsverträgen vorbehalten, die auf die Zeit vom 
15. September bis zum 14. Dezember entfallende 
dieferungsmenge zum Theil oder ganz schon in 
den beiden vorhergehenden Monaten vom 15. Juli 
bis 14. S. ptember beziehen zu dürfen. 
Wien, 10. Okt. Die „Politische Korrespon⸗ 
denz“ etfährt von zusländiger bulgarischer Seite, 
der Zweck der Reise des Fürsten Fecdinand 
ei ausschließlich eine kurze Erholung und Besuch 
einer Verwandten. Die übrigen angegebenen 
Zwecke seien ungerechtfertigte Vermuthungen; ins— 
jesondere auch die dem Fürsten fälschlich zugeschrie⸗ 
jene Absicht, die Frage seiner Anerkennung persön⸗ 
lich bei den Kabinetten zu betreiben, indem es 
ffenkundig sei, daß der Füͤrst für diesen Fall nach 
donstantinopel hätte reisen müssen, weil der gute 
Wille, einer etwanigen Anregung der Pforte Folge 
zu geben, bei der Mehrzahl der europäischen Ka— 
binette nach den jüngsten zuständigen Aeußerungen 
als zweifellos gelten könne. — Die „Neue freie 
Presse“ dagegen meint, die Reise des Koburgers 
sei nicht ohne Bedacht just zur Zeit des Zarenbe⸗ 
suchs in Berlin unternommen. Die Pforte habe 
vertraulich mit den Kabinetten in London, Berlin, 
Paris und Wien wegen Anerkennung des Fursten 
Ferdinand unterhandelt. Demselben Blatte zufolge 
ewerbe sich der Koburger um die Hand einer or⸗ 
eanistischen Vrinzessin. 
Für die Redaktion veranwornlich: F. x.d— emer