Full text: St. Ingberter Anzeiger

wurde es geschaffen, ein einiges deutsches Reich 
unter einem mächtigen Kaiser! Und wem haben 
wir das Alles zu verdanken? Wir haben dies 
nicht zum geringsten Teil mitzuverdanken dem 
Mann, dessen Geburtstag heute das deutsche Vater⸗ 
land feiert, dem Grafen Moltke, dim großen 
Schweiger, dem genialen Schlachtendenker, der das 
Schwert führte und leitete! Schon im österreichischen 
Krieg 1866 hat er sich einen berühmten Namen 
gemacht! Schon der Tag von Königgrätz hat seine 
große, unvergleichliche Kriegskunst gezeigu! Aber 
seine ganze Kunst und Kraft, seine gauze Kühnheit 
mit Vorbedacht in seltener Weise gepaart hat der 
siebenzigijährige Mann im deutsch⸗franzöfsischen 
Kriege entfaltet. Darum ward er auch populär wie 
kein Anderer. Er lebt in dim Herzen der deutschen 
Nation. Bei Hoch und Nieder, bei Militär und 
Zivil, bei den Angehörigen aller Parteien ist er in 
gleicher Wise geliebt und geehrt! Uad fragen wir., 
was hat Moltke gemacht zu dem, was er wacr? 
Das hat sein rastloser Fleiß, seine zähe Energie, 
seine strenge Nüchternheit, seine peinliche 
Gewissenhaftigkeit und Pflichterfüllung erzielt. 
Schon als Jüngling auf der Kriegsschule zu Ko⸗ 
penhagen haben diese Eigenschaften rühmli ven Er— 
folg ihm gesichert. Und als er aus dänischen 
Diensten in die Preußens übertrat, erkannte man 
bald an leitender Stelle, welch' seltenen Geistes 
und Charaktereigenschaften sich in dem jungen Offizier 
vereinigten. Nach vierjährigem Aufenthalt in der 
Türkei, kehrte er in sein Vaterland zurück, um bald 
dem großen Generalstab einverleibt zu werden, den 
er zu solcher Vollkommenheit erhob, daß er einzig 
dasteht und wir von allen Nationen um denselben 
beneidet werden. Was hat ihm die Liebe und Ver— 
ehrung aller Kreise gesichert? Das hat seine 
Schlichtheit, Einfachheit, Bescheidenheit gethan. Er 
hat Erfolge und Ruhm davongetragen, wie sie 
selten einem Menschen beschieden sind. Aber bei 
alledem blieb er der schlichte, bescheidene und liebens- 
würdige Mensch. Die Wurzeln seiner Kraft und 
seiner Tugenden holte er aber von oben, von Gott 
dem Herrn, er ist ein frommer, gottesfürchtiger 
Christ, der unter'm Soldatenrock ein warmes weiches 
Herz verbirgt, das für seines Volkes Wohl schlägt. 
—A— 
seinen Tribut bezahlt hat, dos ältere Geschlecht 
einem jüngeren gewichen, seitdem ruht auch Moltke 
bvon der reichen Arbeit seines Lebens auf seinem 
einsamen Gut zu Kreisau aus. Möge der Höchste 
ihm noch viele Jahre ein otium cum dignitate zu 
Theil werden lassen! Wir aber wollen unsern 
Moltke als ein herrliches Kleinod werth halten bis 
in die fernsten Ziilen, denn so lange er lebt, wagt 
sich der Feind nicht über die Marken des Reiches. 
Uasere Feier bewegt sich naturgemäß in bescheidenen 
Grenzen! Am bessen aber werden wir ihn ehren, 
wenn wir in seinem Geiste leben, wvenn wir die 
Flamme der Vaterlandsliebe in unsern Herzen ent⸗ 
zünden, die Treue gegen König, Kaiser und Vater⸗ 
land im Herzen tragen und pflegen, wenn wir im 
selben Geist der Nüchternheit, der Gewissenhaftig⸗ 
keit unsere Pflichten als Bürger und Christen er— 
füllen, so lang ein Athemzug in uns weht. Ja, 
das wollen wir geloben, dieses Geluübde wollen wir 
halien! Und in diesem Sinn fordere ich Sie auf, 
verehrte Herrn, mit mir einzustimmen in ein drei⸗ 
jaches Hoch auf unsern Generalfeldmarschall Grafen 
bw. Mollke. Er lebe hoch! hoch! hoch! 
Freudigen Widerhall fand das Hoch auf den 
berehrten Feldmarschall, worauf die „Wacht am 
Rhein“ erlönte. Es machte einen tiefen Eindruck, 
als der Gesang dieses ernsten Liedes durch den Saal 
brauste. Aber auch in anderer Weise kamen die 
patrioti schen Gefühle zum Ausdruck, indem zwei 
lebende Bilder gestellt wurden: „Huldigung an 
Moltke“ und des „Kriegers Tcaum,“ welch? beide 
von packender Wirkung waren. Abwechselnd sorgten 
dann Chorgesänge und Musikstücke, besonders aber 
die komische Szene „Mobilmachung zu Stoffelburg“ 
für angenehme Unterhaltung, bis sich endlich in 
vorgerückter Stunde die Theilnehmer mit der Erin 
nerung an die in so schöner Weise verlaufenen 
Stunden trennten. 
* St. Ingbert, 28. Okt. Auf die heute 
stattfindende Vorstel lung des Hofkünstlers Herrn 
Meunier machen wir ganz besonders aufmerk⸗ 
sam, da der Ruf desselben ein ganz außerordentlicher 
ist. Morgen Mittwoch Nachmittag 4 Uhr findet eine 
Vorstellung für die gesammte Jugend statt, wobei 
eine Anzahl lehrreiche wissenjschaftliche Experimente 
vordefüöhrt werden. 
* St. Ingbert, 28. Okt. Für Mili— 
däranwärter. Das Staatsministerium des 
Innern und das Kriegsministerium machen unter 
Hinweis auf 8 15 der Anstellungs⸗Grundsätze darauf 
rufmerksam, daß zur Vermeidung der Streichung 
in den Bewerder⸗Verzeichnissen die Wiederholung 
der Meldung der bor dem 1. Januar 1890 in 
denselben vorgemerkten Militäranwäcter durch letz⸗ 
tere bis zum 1. Dezember 1890 bei den be— 
treffenden, die Verz ichnisse führenden Behörden zu 
bewerkstelligen sei. 
*— Der Geburtstag Moltkes ist in 
der ganzen Pfalz unter der Beteiligung aller 
Zlassen und Stände der Bebölkerung in gehodenster 
patriotischer Suimmung gefeiert worden. Seitens 
nehrerer Festbersammlungen wurden an den 
darser und den Prinzregenuten Telegramme ab— 
gesandt. 
— Blieskastel, 26. Okt. Der Assistent 
in der hiesigen Lateinschule Hert Christian Witzel 
vurde seinem Veisetzangsgesuch enisprechend nach 
Haßfurt versetzt. 
— Kaiserslautern, 27. Okt. Ein 
Baunerstre ich, der jedenfalls durch einen in— 
lernationalen Hochstapler am Semstag Abend hier 
»erübt wurde, hai unsere Poltizei in Thätigkeit 
zesetzt. Ein elegant gekleideter und sicher auftreten⸗ 
der Herr mietete am Samstag bei einer hiesigen 
angesehenen Familie ein möbliertes Zimmer, und 
ieß auch gleich ein kleines Päckchen mit dem Be⸗ 
nerken zurück, seine „Effekten? kümen später mit 
der Bahn. Dann begab sich derselbe in das Ju⸗ 
velier⸗ und Uhrengeschäft des Hru. L. Berg in der 
Steinstraße, gab dort seine Wohnung an, prahlte 
mit seinen hiesigen Bekannten und Geschaäftsber⸗ 
bindungen und ersuchte um Ueberlassung von 5 
Stuck goldenen Uhren, von denen sich ein dei ihm 
zu Besuch anwesender Verwandter eine aussuchen 
wolsle. Um seine „reelle“ Adsicht wahrscheinlicher zu 
nachen, bat er Hen. Berg um die Begleitung eines 
Lehrlings nach seiner Wohnung, der dann das 
Beld für die getaufte Uhr und die übrigen wieder 
nit zurückaehmen sollte. Vertrauensvoll übergab 
Herr Berg die über 800 Mt. gewerteten Uhcren, 
mit denen der „noble“ Herr sich entfernte, in Be⸗ 
gleitung des Lehrlings nach seinem, vor einigen 
Stunden gemieteten Zimmer ging und den jungen 
Monn hier warten lirtz. Das Warten dauerte diesem 
allmählich zu lange, er erkundigte sich bei der 
Familie, die den Herrn jedoch gar nicht kannte, 
ind nun tagte es dem jungen Manne plötzlich in 
inliebsamer Weise. In dem zurückgelassenen Packet 
jefanden sich ein paar werilose Schuhe und sonst 
nichts. Die Polizei wurde sofort von dem Vorfaͤll 
in Kenutnis gesttzt, doch bis jetzt sind alle Nach⸗ 
orschungen erfolglos geblieben — vermutlich ist 
Jer unternehmende Herr bereits über alle Berge. 
Selbst wena man den Gauner erwischen sollte, 
ȟrfte Herr Berg den Verlust der Uhren zu beklagen 
jaben, da derartige Hochstapler selten allein zu 
„arbeiten“ pflegen, und die Beute, nach der „Pra— 
xis“ dieser Herren, wohl schon in andere Häade 
abergegangen ist. (Pf. Vzigq.) 
— Pirmasens, 27. Okt. Ein seltener 
Fall von Korperverletzung ist gestern 
AUbend vorgekommen. Der 21 Jahie alte Fabrik⸗ 
schuhmacher Joh. Haas aus Winklan in der 
Doderpfalz wurde in seiner Wohnung in der 
Dankelsbach, während derselbe ruhig in seinem Bette 
schlief, überfallen und mit einem sogen. Todtschläger 
derart traktiert, daß er schwer verletzt in's Spital 
verbracht werden mußte. Der Thäter soll nach der 
„Ztg.“ in der Person des Sohnes der Logisfrau 
entdeckt und zur Anzeige gebracht worden sein. 
— Dahn, 25. Okt. Gestern in früher Mor— 
zenstunde warf die 19 Jahre alte Kath. Schied. 
Tochter des früheren Feldschützen Franz Schied, 
hr etwa vier Monate altes Kind unterhalb des 
Ortes in die Wieslauter und sprang nachher selbst 
sinein. Herbeigeeilte Leute retteten beide vem Er— 
rinken. Mit ihrem Vater soll sie vorher in Streit 
gerathen sein. 
— Landau, 26. Okt. Zum 3. Pfälzischen 
Schmiede-Verbandstage, welcher heute 
Nachmittag in der Brauerei „zum Stift“ dahier 
zusammentrat, waren ˖ ungefähr 60 Teilnehmer er⸗ 
chienen. Eröffaet wurde derselbe von Herrn 
Beyersdöcffer Godramstein. Dem zur Verlesung 
'ommenden Statuten Eatwurfe ist zu entnehmen, 
zaß der Verband in Zukunft den Titel „Bund 
fälzischer Schmiedemeister“ führen wird und als 
daupfzweck die Gründung von Innungen ins Aua— 
faßt, der Schmutzkonkurrenz energisch entgegentritt 
pas Lehrlingswesen sowohl, wie auch die —X 
zwischen Meistern und Gesellen regelt. Als * 
aahmsgebühr in die Janungskasse ist der Betto 
don 1 Mark und als jährlicher Beitrag die Gan 
bon 60 Pfennig festgesetzt. Das Lhrlingswaseg 
wurde als wunder Punkt bezeichnet. Beschlosen 
wurde, in Zukunft nur Lehrlinge gegen Entrichtun 
eines Lehrgeldes aufzunehmen, bei einer ** 
von 83 Jahren. Könnte hingegen das Lehrgeld ut 
entrichtet werden, ist die Lehrzeit auf 4 Jahre fesi 
zusetzen. Ein Geselle sol nur dann in Arbeit 
genommen werden, wenn er von dem Meister, a 
dem er vorher in Arbeit stand, ein —A 
—XL& Versammlund 
wurde auch dahin einig, dei jedem Sterdefalle von 
edem Mitgliede den Betrag von 1 Mark zu . 
deben, um so an die Hmterkbliebenen eine Unter. 
tützung auszahlen zu köunen. Nachdem nun der 
Verbaud endgiltig gegründet worden, wurde auch 
d»er Beschluß gefaßt, daß diejenigen pfalzischen 
Schmiedemeister, welche sich bis zum 1. Okiobe 
1891 als Mitglieder des „Bundes pfatgischet 
Schmiedemeister“ melden, dis dahin eine Aufnaͤhmg, 
Jebühr nicht zu entrichten haben; dagegen wird 
das Eintrittsgeld für später sich Meldende, welche 
das 45. Lebensjahr noch nicht üderschriiten haden, 
auf 5 Mark festgesetzt, diejenigen aber, die fiqh 
nach dieser Zeit meiden und das 45. Ledensjahr 
ädecschritten haben, wohl Mitglied des Verbandeß 
nicht ader Mitglied der Sterdekasse werden können. 
Bei jeder Neuanmeldung ist zugleich auch cin ärnt— 
liches Gesundheitsattest deizufügen. 
— Die in Landau wohnhaft gewesene ver⸗ 
storbene Rentnerin Albertine Karoline Emilit 
Friederike geb. Staufff, gewesene Wittwe des 
doctfelbst verledten Kaufmanns Jos. ph Au,zuftin 
An 
Legat von 12,000 Mt. vermacht, dessen zu 4pCu 
angenommene Zinsen wie folgt zuc Verwe⸗naduag 
kommen sollen: 1) Die Zinsen von 2000 Mi 
'ollen alljahrlich kucz vor Weihaachien an 20 arm⸗ 
Familien der Stadt Landan gleichheitlich vertheilt 
werden; 2) aus den Zinsen des den Namen 
„Siadimüller · Stauff Stiftuag“ führenden Rsastes 
des Legates mit 10,000 Mt. sollen nach dem Tod 
einer Verwandten der Ecolasfsrin zwei arm', 
talentvolle, protestantische Absolventen der Studien⸗ 
anstalt Landau zur Untecstüzung ihrer Unibersitäts— 
dudiea juhrlich 200 Mt. erhalten, wodelr Verwandie 
des Ehemannes der Eblasserin, die in diesem Ful 
auch katholisch sen und andere Studiengaastallen 
besucht haden dürfen, immer zu bevorzugen siad. 
—Speyer. Die Mitgliederzahl der land⸗ 
wirtschaftluchen Vereine in der Pfalz 
war zurzeit der letzten Kreisversammlung in den 
inzelnen Bezirken folgende: Bergzabern 8365 
Frankenthal 4083. Germersheim 352, Homdurg 841, 
ctaiserslautern 5336 Kandel 166, Kirch jeimdolan⸗ 
den 904, Kusel 652, Landau 548, Ludwigshafen 
351, Neustadt 368, Pirinasens 412, Speier 229, 
Zweibrücken 642, zusammen also 6773. Im vorigen 
Jahre beirug die Mitgliederzahl 6614. Zur Em—⸗ 
vickelungsgeschichte des landwirtschaftlichen Vereins 
m gesamten Königreich dürften nachstehende Zahlen 
don Interesse sein: Von 1810 — 1835 betrug 
die Mitgliederzahl durchschnittlich 694, von 1886 
— 1850 8484, von 1830 — 1860 13869, von 
1860 — 1870 24574, von 1872 — 1880 
13216, von 1882 — 1888 33289. 
— Edenkoben. Entrustet waren einig⸗ 
Wingertsbesitzer von hier, als sie dieser Tage au' 
dem Kieferbergel ihre Traubencrescenz einheimser 
wollten, ihre Wingerte ader, die in jeder Himnsich! 
inrz vorher ein gutes Ergebniß versprachen, von 
tinem großen Theile ihres— edlen Gewächses beraudt 
ansehen und theilweise mit leeren Gefäßen wieder 
zucückkehten mußten. Nun galt es, die Diebe zu 
ermitteln und wer waren sie! nicht Menschen 
soudern, wie die zurückgelassenen sichtzaren Spuren 
zeigten, Wildschweine, welche die süßen Beeren 
herausfraßen und die sauren Treber dune 
g 
— Laut Ausschreiben des geschäftsführenden 
Ausschusses vom 20. Oktober 1890 fiadet die dies 
ährig. Generalversammlung des Evangeligchen 
dirchengesangvereins für die Pfalz Ma 
voch, den 5. Nobember Nachmittags 3 Uhr, im 
Basthause „Jum Lamm“ (Sieber) in Neustadt mit 
zolgender Tagesordnung siatt. 1) Bericht über den 
ermaligen Stand des Vereins, 2) Abbhör der 
Jahresrechnung. 83) Forifetzung der Chorgesänge