Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingbert. 
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MX 36. 
Deutsches Reich. 
Metz, 10. Febr. Gegen den Pfarrer Col⸗ 
zus wurde wegen Angriffs auf die Staatsgesetze, 
egangen durch einen im ‚Lorrain“ veröffentlichten 
grief, das gerichtliche Verfahren eingeleitet. 
)eute Mittag fand eine Haussuchung in der Re— 
altion und dem Bureaux des Journals ‚Lor⸗ 
ain“ siatt. — 
Metz, 11. Febrt. Bei der Bezirkstags- 
pahl im Kanton Großtänchen wurde der deutsch⸗ 
reundliche Bürgermeister Sibilble fast einstimmig 
ewuhlt. 
München, 10. Febr. (Reich zrat«⸗ 
sammer.) Der Präsident Graf Toͤrring widmet 
zer Kaiserir Augusta, Döllinger und v. Franken⸗ 
tein Nachrufe und läßt als Beileidszeichen eine 
instündige Pause eintreten. In der hierauf fol- 
jeaden Debatte motiviert Neumayer sein ab—⸗ 
ehnendes Votum bezüglich des Plazetan—⸗ 
rags. Minister vb. Crailsheim schließt sich 
»en Ausführungen des Referenten an. Schließ⸗ 
ich wird der Ausschußantrag nach langer und 
ebhafter Debatte mit allen gegen eine Stimme 
mgenommen. Bezüglich der Altkatholiken—⸗ 
rage wurde dem Ausschußantrag gemäß eine 
notivierte Tagesordnung angenommen, welche Mi⸗ 
aister v. Crailsheim vorher acceptiert hatte. 
München, 11. Febr. Bei der in heutiger 
Sitzung der Abgeordneten⸗Kammer er— 
'olgten Beratung des Gesctzentwurfs betr. die 
»fäl zische Brandversicherungsanstalt 
erklärte Minister Feilizsch, weiter gehende Aende⸗ 
ungen würden das Gesetz unannehmbar machen, 
nan möͤge es daher nach dem AusschußAntrag 
innehmen. In der Haupteroͤrterung sprachen die 
AIbg. Diehl. Knecht und Heinrich Müller. Ueber⸗ 
norgen: Fortsetzung. (Zw. 3.) 
Altenessen, 10. Febt. Eine Berg⸗ 
nannsversammlung, in der der Delegirte 
5hröder in einer sozialistischen Rede zur 
Untersüüßzung seiner Kandidatur aufforderte und 
»abei auf lärmende Oppofition stieß, wurde poli- 
zeilich aufgelöst. 
Berlin, 11. Febr. Der Kaiser wird, der 
„Nat.⸗Zig.“ zufolge, bestimmt im Spätsommer 
einem Teile der russischen Truppenüb⸗ 
ungen beiwohnen; ferner beabfichtigt der Kaiser, 
in den oö»sterreichischeen Herbstmandvern teil⸗ 
junehmen, während der Kaiser vor Oesser⸗ 
eich den deutschen Kaisermandvern in Schlesien 
mwohnen wird. 
Berlin, 11. Febr. Ein Telegramm aus 
kom berichtet von einem leichte Unwohlsein 
»es Papstes. Bei der Heiligsprechung des 
hemaligen Bischofs von Saluzzo und Nitgliedes 
)es Ordens des Bethauses Jean Juvenal Ancina, 
die gistern Vormittag in hergebrachter Weise in 
em Saale üuber dem Portikus von Sanct Peter 
daufand, konnte Led XII. seines Unwohlfeins 
wegen nicht erscheinen. GB. T.) 
Berlin, 11. Febt. Die ‚Nordd. Allg. Zig.“ 
Hreidt: „Verschiedene Blaͤtter legen der Thahsache 
ine besondere Bedeutung bei, daß die kaiserliche 
Ordre vom 4. d. M. den Reichskanzler nur an⸗ 
Deist, bei Frankreich, England, Belgien und der 
Schweiz amtlich anzufragen, ob di— Regierungen 
seneigt seien, behufs einer internatidnal?n 
berständigung über die Arbeiter 
rage in Unterhandlungen einzutreten. Eine 
olche Auslegung der kajseritchen Ordre entbehrt 
coer Begründung. Die Arbeiterfrage ist bei uns 
Mittwoch, 12. Februar 1800. 23. Jahrg. 
mläßlich des Kohlenarbeiterstreitß in Fluß ge⸗ 
ommen, es ist daher natürlich, daß Deutschland 
nit der Einladung zunächst an jene Länder sich 
ewendet hat, wo jüngst ähnliche Bewegungen 
tattgefunden haben. Dies sind England, Frank⸗ 
eich und Belgien; daß auch die Schweiz im 
aiserlichen Erlaß genannt wird, ist leicht erklärlich, 
enn die Schweiz beschäftigt sich schon seit lange 
nit der nationalen Regelung der Arbeiterverhält⸗ 
nifse. Außerdem nehmen aber die genannten vier 
zänder eine solche Stelle in der Weltindustrie ein, 
aß ihre Teilnahme am Kongresse die Voraus⸗ 
etzung für das Gelingen desselben bildet. That⸗ 
aächlich finden auch bei den Regierungen der 
sbrigen Länder, wo die Arbeiterfrage eine Rolle 
pielt: Italien, Dänemark, Schweden ⁊c., vorbe⸗ 
eitende So dierungen flatt. 
XX 
Paris, 10. Febr. Senator Challemel⸗ 
dacour hielt in Marseille eine Rede, in der 
r für die Erneuerung der Handels—⸗ 
serträge eintrat, da die nationale Industrie 
jegen plötzliche Veränderungen zu schützen sei. 
dach dem „Temps“ sagte Challemel⸗Lacour mit 
Zezug auf die Lage Frankreichs: Wir stehen 
iner unvermeidlichen, schrecklichen Zukunft gegen⸗ 
iber und müssen uns allezeit bereit halten. Wir 
ürfen bei deinem unserer Schritte vergessen, daß 
ei einem Spiel mit Allianzen unsere Existenz der 
kinsatz ist; jedenfalls sind wir fest entschlossen, 
ie Ereignisse nicht zu beschleunigen. 
Paris, 11. Febr. Der Minister rat be⸗ 
chäftigte sich heute mit der Haltung, welche die 
skegierung in der Angelegenheit des Herzogs von 
Irleans einnehmen soll, nachdem die Orleanisten 
ie durch die Interpellation zu einer politischen 
That aufgebauscht haben. Auch die „Liberté“ ver⸗ 
ichert heute, daß die Treibereien seiner Freunde 
ie Regierung veranlaßt haben, ihren ursprüng⸗ 
ichen Entschluß, Gnade fuür Recht ergehen zu lossen, 
wfzuheben. Die Polizei hat umfassende Maß 
egeln getroffen, um während der morgigen Ge⸗— 
ichtsverhandlung Ansammlungen und Kundgeb⸗ 
ingen vor dem Justizpalast zu verhüten. 
Rom, 10. Febr. Der Mailänder „Secolo“ 
vidmet den deutschen Kaiser⸗Manifesten 
inen enthusiastischen Leitartikel. Kaiser Wilhelms 
dongreß⸗Vorschlag bahne geradezu den Frieden 
kuropas und die Solidarität der Volker an, noch 
in Schritt auf diesem Wege, und die Wuünsche 
der Friedensfreunde auf der ganzen Welt werden 
voͤllig erfüllt sein! — Die Aeußerungen des 
„Secolo“ sind bezeichnend, da das Mailändische 
Blatt bisher für überaus deutschfeindlich galt und 
nas Hauptorgan der franzosenfreundlichen republi⸗ 
anischen Partei ist. 
Prag, 10. Febr. In Erwiderung auf das 
em Grafen Taaffe vom Vorsitzenden des 
eutsch⸗ boͤhmischen Parteitages in Teplitz, 
—„Ich meykal, zugegangene Huldigungstelegramm 
ur den Kaiser ging von Taaffe ein Telegramm 
m Schmeykal ein, worin es heißt: Der Kaiser 
eruhte mich telegraphisch zu beauftragen, dem 
euische böhmischen Parteitage Allerhöchstseinen 
erzlichten Dank bekannt zu geben, wovon ich 
ẽw. Hochgeboren zur weiteren Veranlassurg in 
denntniß setze. 
Wien, 10. Febr. Im Budgetausschuß er⸗ 
ärte auf eine Anfrage nach dem Stande der 
zollverhandlungen zwischen Oester—⸗ 
eich und Deutschland der Handelsmini— 
ster, im Jahre 1887 sei bei Deutschland bean⸗ 
ragt worden, die österreichisch-⸗deutschen handels⸗ 
volitischen Verhältnisse auf breitere Basis zu stellen 
ind dabei die Verhältnisse des Grenzverkehrs 
zegenseitig zu berücksichtigen. Deutschland erklärte 
»amals die vorgeschlagene Basis für ZJolltarif⸗ 
Berhandlungen fürt nicht geeignet; es sei nur 
eine Verlängerung der bestehenden Verträge erfolgt 
und hätten seither keine Verhandluugen in dieser 
stichtung stattgefunden. 
atele uud pfalzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 12. Febr. Der heutigen Sich ö f⸗ 
engexrichtssitzung wohnten als Schöffen bei 
die Herren Joh. Würtz, Ackerer und Wirt in Rohr⸗ 
—X— 
eschieden werden folgende drei Fälle. 1. Unter 
her Anklage der gemeinschaftlich begangenen Kör⸗ 
herverletzung stehen der Schmelzarbeiter Pt. B..x, 
24 J. a. der Kesselschmeed Gg. B. r, 22 3. 4, 
ind der Bergmann Pt. U..r, 21 J. a., 43. 3. 
Soldat, sämmtlich aus Oberwürzbach. Auf der 
Straße zwischen Rittersmühle und Oberwürzbach 
rafen diese am Abend des 21. Juli mit einigen 
indern jungen Leuten zusammen, darunter der 
Schmied Sch. aus Oberwürzbach. Als sie schon 
meinander vorbei waren, kehrte der erste Ange- 
lagte wieder um und begann mit dem Schmied 
inen Streit, an dem bald auch die beiden andern 
Beschuldigten Theii nahmen. Sch. wurde von 
1. . r zu Boden geworfen, von Pt. B..x ge⸗ 
chlagen und getreten, sowie von Gg. B.. r gleich⸗ 
alls geschlagen. Der Verletzte war 6 Tage arbeits⸗ 
uinfähig. Das Gericht verhängt nachstehende Strafen 
unter Annahme mildernder Umstäände: gegen Pti. 
3..r 14 Tage Gefängniß und gegen Gg. B.. r 
12 Mark ev. 3 Tage Gefängniß und gegen Pi. 
U..x 6 Mark eb. 2 Tage Gefängniß; die Kosten 
werden ihnen in Gesammwerbindlichkeit auferlegt. 
2. Wegen teils einfacher teils verleumderischer 
Berufsbeleidigung des Privatförsters Ph. K...r 
st vorgeladen die Wittwe Joh. K..r, Kath. 
.ch, 64 J. a. aus Hassel. Am 28. August 
d. J. im Dörr'schen Walde beim Holzlesen über⸗ 
rascht, schleuderte sie gegen den Foöcster die be⸗ 
eidigenden Aeußerunge, er habe ihr schon öfter 
inrechtmäßige Protokolle gemacht und habe seine 
Herrschaft belogen. Als angemessen dieser Ver⸗ 
gehen wird das Erkenntniß auf 8 Tage Gefängniß 
aebst den Kosten ausgesprochen. 3. Die letzte Be— 
chuldigung, auf Koͤrperverletzung lautend, richtet 
ich gegen den Schmelzer Joh. L..ck, 20 J. a. 
den Schmelzarbeiter Nk. F.r, 23 J. a., den 
Bergmann Math. H.. z, 24 J. a. und den 
Schmelzarbeiter Pei. J..st, 61 J. a.; der 
erste ist aus Bierbach, die übrigen aus Hecken⸗ 
dalheim. Es war am 20. Juli auf hiefigem Eisen⸗ 
werk, als die beiden ersten während des Essens 
in Streit geriethen und fich gegenseitig fest pack⸗ 
ten. F.r haite angefangen und war gegen 
L. .kwherangekommen. Letterer warf mit Hilfe 
»es H.. z seinen Gegner zu Boden, wobei es ohne 
Pfüffe nicht abging. L..k schlug dagegen dem 
F..r sein Kaffeeblech an den Kopf. Die ganzliche 
Nichtbeteiligung des J.. st bei dem Vorgang wird 
vurch die Verhandlung klargestellt, weshalb er anch 
reigesprochn wird. Dagegen erhalten die An— 
eren eine Geldstrafe von je 6 Mark eb. 2 Tage 
Befängniß. Von den Kosten trägt Le.k die Hälfie, 
F. .r und H. .z je ein Viertel. Den drei Verur— 
heilten waren mildernde Umstände zugebilligt.