Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
rer „St⸗ Ingberter — erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wochentlich mit Unterhaltungs⸗Vlatt und Mittwochs und Samstags mit 
afirirten Seilagen. as Vlau loflei vierieljahrlich 1AM G60 einschließlich Tragerlohn; durch die Poß bezogen 14 755 einschließlich 40 ⸗ Zustellungsgebühr. Die 
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vAustanfi criheiin, Iß, Neklamen 830 . Bei 4maliger Cinrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 8. 
Deutsches Reich. 
Stuttgart, 9. Jan. Als Vertretrr des 
Könias wird der Thronfolger Prinz Wilhelm 
der Bris tzung der Kaiserin Augusta beiwohnen. 
München, 8 Jan. Se. kgl. Hoheit der 
Prinz⸗Regent hat beute Vormittag dem Mini⸗ 
ier Dr. Frhr v. Lutzz einen längeren Besuch in 
dessn Wohnung abgestattet. Wenn auch der 
rankheitszustand des Herrn Ministers Dr. v. Lutz 
in Rekonvaleszenz begriffen ist, so ist doch die 
Frage nicht ausgeschlossen, ob nicht eine Stellver⸗ 
rriung des Herrn Ministers für die Berathung des 
tultusetats vor dem Landtag in Erwägung gezogen 
werden dürfte daß mit dieser Stellbertretung etwa 
die Herre. Minister des Aeuß ren v. Crailsheim und 
Finanzminister Dr. v. Riedel, letzterer für die finanzi⸗ 
elle Seite des Etats, betraut werden würden. 
Muünchen, 8. Jan. Der deutsche Kaiser 
Wilheim II. hat den Tod der Kaiserin Augusta 
noch gestern Abend denn Prinz⸗Regenten 
selegraphisch mitgetheilt, worauf Se. Kgl. Hoheit 
der Prinz-Regent dem deutschen Kaiser sein Bei⸗ 
eid gleichfalls telegraphisch kunddab. — Für 
den hiefigen Hof ist laut Allerhöchster Bestimmung 
eine Hoftra uer von 4 Wochen von heute ge⸗ 
rechnet, angeordnet, und zwar während der ersten 
14 Tage tniefe Trauer. 
Muünchen, 9. Jan. Wie zu den Trauer⸗ 
feierlichkeiten der Kaiser Wilhelm und Friedrich, so 
wird auch zu den Exsquien der Kaiserin Auausta 
als Stellb rireter St. Kal. Hohrit des Prinz⸗ 
Regenten dessn Sohn Prinz Ludwig nach 
Berlin sich begeben. 
Berlin, 8. Jan. Mittelst kaiserlichen Er⸗ 
ashses ist die heute beginnende Ladestrauer 
eme sechswöchige. Alle öff nilichen Musiken, 
Lustbarkiten und Schauspielvorst llungen sind bis 
zum Breis-tzungstag einschließlich untersagt. 
Berlin, 8. Jan. Die heute im Richstag 
mwesenden Sozialdemokraten hielten sich 
vährend der Trauerkundg bung für die vorstot⸗ 
vene Koiserin Augusta auß rhalb des Sitzungs- 
saales auf 
Berlin, 8. Jan. Die Beratung des So⸗ 
ealistengesetzes ist nicht vor dem 20. 
Januar zu erwarten, da einige Sitzungen des 
Reichstages infolge des Ablebens der Kaiserin Au⸗ 
zusta auefallen. 
Berlin, 9. Jan. Nach einer kaiserlichen 
Verorduung vom 8. Januar finden die Neu- 
wvahlen zum Reichstag s am 20. Februar 
tatt. 
Berlin, 9. Jan. Uber die Beisetzung 
ver irdischen Hülle der Kaiserin Augusta 
wird folgendes drlannt: Heute Abend findet im 
taiserlichen Palafte der letzte Trauergottesdienst an 
zer Bahre der v riwigten Kaiserin statt. Darauf 
»rfolgt um 1 Uhr nachts die Ueberführung der 
Leiche nach der königlichen Schloßkopelle, wobei 
die Truppen zu beiden Seiten des Weges Kette 
dilden ukd von Fackelträgern begleitet werden. 
Am Somstog nimmt der Leichenzug seinen Weg 
»om Schlosse ducch die Linden und durch das 
Brandenburger Thor, die Charlottenburger Chaussee 
entlang nach dem Mausoleum im Schloßgarten 
4u Charlottendurg. In der hiesigen Schloßlopelle 
erfolat zuvor die Einsegnung der Leiche. Bei dem 
Zuge wird von dem Schrosse bis etwa zur Sieges- 
illee von den Gewerken Spalier gebildet, von da 
us Charlottenburg von den Truppen von Span⸗ 
du und Lichterfelde. Am Mausoleum wird die 
Freitag, 10. Januar 1890. 
25. Jahrg. 
deib-Kompagnie des 1. Garde⸗ Regiments zu Fuß 
tehen. Wie bei der Beisetzung weiland Kaisfer 
Wilhelms wird die große Begleitung an der Sieges 
illee aufhören und nur eine Schwadron des 
ommerstpen Kürassier Regiments Nr. 2 Königin 
dem Leichenwagen voranreiten, während eine 
Schwadron der Gardes du Korps den Zug schließt 
Die Aufbarung erfolgt vorher in der Schloßkirch 
n einem geschlossenen Sarge und wird von 9 
Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags, aber nur 
jegen Eintrittskarten. zu sehen sein. Die Re—⸗ 
zimenter, deren Chef Kaiferin Augusta war, sind 
zurch 38 Abordnungen virtreten. Die bei der 
deichenfeier in erster Reihe beteiligten Truppen 
treffen im Laufe des Tages ein. 
Berlin, 9. Jan. Die feierliche Einsegnung 
der Leiche der Kaiserin Augusta ist heute Nachmittag 
rfolgt. Die mit einem weißen Gewande bekleidete 
Zeiche liegt auf einer dicken seidenen Matratze. — 
der Präsident des Reichssstages v. Ledetzow 
jat heute namens des Reichstags einen Erinner— 
ungskranz von Palmen, weißen Rosen und weißen 
FTamelien am Sarge der hochseligen Kaiserin 
Auausta niedergelegt. Die Bänder der schwarz ge— 
äuderten weißen Atlasschleife tragen die Inschrift: 
„Der deuische Richstag der ersten deutschen Kai— 
erin, 7. Januar 1890,* sowie die Worte der 
Zeligpreisung: „Selig sind die Barmherzigen, denn 
sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ 
Berlin, 9. Jan. (Deuischer Reichstag.) 
Zweite Beratung des Marineetans. Rickert 
und Richter erklären sich gegen die Mehr—⸗ 
torderungen des Kapitels „Militärpersonal“; 
Frege und Behr sprechen dafür. Bennig⸗ 
jenn betonte, die Hauptaufgabe der deuischen 
Marine sei der Schutz des ausgedehnten deutschen 
Zandels. Auch der Küstenschutz rfordere größere 
Nutel. Staatssikreiär Admiral Heusner richt- 
ertigt die Mihrforderungen mit den steigenden 
Bedürfnisser der Marine, dem Mangel an 
höheren Offizieren und der Nowendigkeit der 
Vervollständigung der Reserbe. In der Ver— 
valtung der Marine sei kein Umschwang gegen— 
äüber den früheren Biestrebungen beabsichtigt 
3. Frankenfein erklärt namens seiner 
Freunde, daß sie für eine langsame YJusfkührung 
der Schiffsbauten seien, obgleich sie das B dürf⸗ 
nitz einer teinw isen Erneuerung der Flotte zu— 
Jäben. Das Haus bewilligt, entgegen dem An— 
rag v. Frankenstein, neben dem Admiral auch 
)rei Vizeadmiräle, nahm im übrigen die Be⸗ 
chiüsse der Budgetkommission an und ge— 
nehmigte das Ordinarum debattelos. Naächste 
Zitzung Freitag 12 Uhr; Tagesordnung: Resi 
jes Marineetats. 
Berlin, 9. Jan. Die Budgettommis 
ion des Riichstages hat die definilive Enischei— 
ung bezüglich des Frankfurter Postge— 
»äudes vertagt, indem sie einstimmig den An⸗ 
rag Frankenstein's annahm, vorerst 235 500 Mt. 
u bewillihen und die Worte „erste Baurate“ zu 
treichen. 
Berlin, 9. Jan. Nach einer Drahtnachricht 
jus Rio veröffentlicht die provisorische Regierung 
im 7. d. M. ein Dekret, welches die Trennung 
on Kirche und Staat anordnete und religiöse 
Hleichstellung garantirt. Die vom Kaiserreich be⸗ 
oilligten Pensionen sollen weiter gezahlt werden. 
Ausland. 
London, 9. Jan. Das Ableben der Kai— 
erin Augusta hat hier zahlreiche Trauetkund— 
gebungen veranlaßt. Die Königin sowie der Prinz 
und die Prinzeffin von Wales sandten gleich nach 
dem Eintreffen der Trauerkunde Beileidsadressen an 
Kaiser Wilhelm. Am Tage der Beisctzung soll in 
der deutschen Kapelle, gegenüber dem St. James- 
Palast, ein Trauergottesdienst stattfinden. In der 
amtlichen „London Gazette“ wird eine vierwöchent⸗ 
liche Hoftrauer angeordnet. 
Brussel, 8. Jan. Die Streikbeweguug 
hat sich wesentlich verschlimmert, die Bergleute nehmen 
eine drohende Haltung an. 
Paris, 9. Jan. An der hiesigen Börse war 
heute das Gerücht verbreitet, der junge König 
Alfonso von Spanien sei gestorben. Infolgt 
dessen warn die spanischen Wirte abgeschwächt. 
Auch der übrige Markt war beeinflußt. 
Bern, 9. Jan. Der Bundesrat hat bei 
JItaltien angefragt, ob es zur Wiederaufnahme 
der Unterhandlungen, betreffend den Simphon-— 
tunnel und den Grenzzollschutz, geneigt sei. 
Wien. 8. Jan. Die heutige Sitzung der 
Ausgleichs-Konferenz im Ministerpräsidium 
begann um 12*93 Uhr; die Beratung über die 
Schulangelegenheiten wurde fortgesetzt und beendet. 
Hucrauf fand eine Diskussion über die Frage be— 
ireffend den Landeskulturrat statt. Um 422 Uhr 
wurde di⸗ Sitzurg geschlossen, die nächste findet 
morgen Nachmittag um 1 Uhr siatt. 
Petersburg. 9. Jan. Das „Journal de 
St. Petersbourg“ drückt tiefes Bedauern über das 
Hinscheiden der Kaiserin Au gust a aus 
und widmet ihr einen sehr sympathischen Nachruf. 
Bukarest, 9. Jan. Dr König von Ru⸗ 
mänien hat eine sechswöcheutliche Hofttauer 
angeordnet. 
Fofrase und Psalzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 10. Jan. Das U gehruer 
Influenza tritt auch hier immer slärker auf. 
Viele Familien haben einen oder mehrere Kranken, 
welche niesem russischen Gast ihren Tribut zollen. 
Der Krankenstand bei Bergleuten und Eisenw erks⸗ 
arbeitern ist ein ganz deträchtlicher. Bei ersteren 
soll er fich über 100 belaufen, bei letztern von gstern 
auf heuie allein einen Zugang von ca. 15 er⸗ 
tahren haben. Auch in den hiesigen Schulen 
zat die Jufluenza ihren Einzug g halten. In manchen 
Schulen fehlen schon 10420 Schüler. Wegen der 
Anstekungsgefahr wäre es am besten, wenn die 
Schulen auf kurze Zeit geschlossen würden. Hoffent⸗ 
lich greift die Epidemie nicht weiter um sich. 
*Wiesschützen wir uns vor den Er⸗ 
scheinungender Infhuenza?“ Diese 
Frage wird in dem Folgenden von ärztlicher Seite 
deantwortet: Wenn die an J fluerza Eiktankten 
nuch von akuten Lungenentzündungen und anderen 
Folgi⸗Krankheiten befallen werden, so find sie 
daran gewödnlich selbst schuld, wenn sie die uner⸗ 
äßlichen und notidendigen Verhaltungs- und Vor— 
ichtsmaßregeln in der Rkoudaleszenz außer Acht 
jassen. Diese bestehen darin, daß Genesende, selbst 
venn sie schon fieberlo; siad, durch mehrere Tage 
das Zimmer hüten, sich nicht der rauhen Luft aussetzen 
und vor jeder weiteren E käitung sich schützen 
müssen. Die katarrhalischen Zufiände bei Influenza 
schaffen einen günstigen Boden fülr weitere Erkrank- 
ungen der Atmungewege, und Dem wird eben da⸗ 
durch vorgebeugt, daß man eine andauernde und 
jorgfältige Rekonvaleszenz durchmacht. Die Er— 
iahrung hat gelehrt, daß die „Grippe⸗Epidemie“ 
nicht allein ducch Miasmen in der Luft hervorge⸗ 
rufen wird, sondern daß sie auch etwas kontagiös