Volk auflehne. Die Kammer beschloß hierauf die
zeitweilige Ausschließung über Millevohe, welcher
fich weigerte, den Saal zu verlassen. Die Sitzung
wurde um 7 Uhr 10 Mim. auf eine Viertelstunde
bertagt. Nach Wiederaufnahme derselben um 7 Uhr
20 Piinuten ertlärte Laguerre, er werde Joff
rin nicht zu Worte kommen lassen. Auch über
Laguerre wurde die zeitweilige Ausschließung ver⸗
hängt. Als derselbe fich ebenfalls weigerte. den
Saol zu verlassen, wurde die Sitzung um 7 Uhr
50 Min. nochmals eine Viertelstunde vertagt. Nach
Wiedernafnuhme der Sitzung um 7 Uhr 50 Min
verließen mehrere boulangistische Dehutierte den
Saal und es wird nunmehr Joffrin möglich, zu
sprechen. Joffrin tadelte die Annullierung der vor
dem Pariser Munizipalrat bewilligten Kredite und
schloß mit Angriffen gegen Boulanger. Die Kam
mer beschloß mit 293 gegen 32 Stimmen Ueber
gang zur einfachen Tagesordnung und wurde die
Sitzung dann definitiv aufgehoben.
Paris, 21. Jan. Deputirtenkammer
Der Kriegsminister verlangt für die Beratung eines
Zrediis von 1120000 Fr. kbehufs Verbesserung
der Soldatenbetten die Dringlichkeit, welche auch
bewilligt wird. — Reinach schlägt anläßlich der
gestrigen Larmszeren eine Verschärfung der Ge
schaftsordnung vor, der zufoige auf Grund des 8
I28 die Kammer im Falle des Widerstandes eines
ausgeschlossenen Abgeordneten die Ausschließung für
die ganze Dauer der Tagung aussprechen kann
Der Antrag wird der Geschastsordnungskommission
berwiesen. Infolge der gestrigen Szenen, deren
Wiederholung durch die Boulangisten man besorgte,
hatte Floquei den Vorsitz übernommen. In den
Wondeigangen spricht man nur von diesen Vor—.
gängen, weiche die Entrüstung aller republikanischen
Abgeordneten erregen. Es ist ficher, daß Maß—
regeln gegen die Storenfriede ergriffen werden
Die Rechie ergreift Partei für die Boulangisten
Der deutsche Botschafter, Graf Münster, wohnte
der Sitzung an. Die Interpellation Chiche über
die Ernennung durchgefallener Abgeordneter zu
höheren Verwaltungsposten wurde mit 301 geger
i58 Stimmen durch eine Tagesordnung erledigt,
welche die rechtfertigende Erklaͤrung des Justizmini⸗
slers guthieß.
Paris, 21. Jan. Im republikanischen Lager
herrscht außerste Entrüstung über das gestrige Vor⸗
gehen der Boulangisten, namentlich aber
daruber, daß die Monarchisien sich zum großen Teil
dem boulangistischen Exodus anschlossen. Von den
republikanischen Blättern verlangt bisher nur —X
Roepublique Frangaise“ eine Verschärfung der Ge⸗
schaftsordnung, da die bisherige nur auf wohler⸗
jJogene, anständige Leute berechnet sei, während man
den jetzigen Obsiructionisten nur mit drakonischen
Miiteln beilommen kͤnne. Die gemäßigten Kon—
jervativen bedauern entschieden die gesirige Haltung
der Mehrheit ihrer Partei.
Paris, 21. Jan. Einer neuen, durch den
Deputirten Viette gebildeten agrarischen Gruppe
von rein republikanischem Charakter mit schutzzoͤll-
nerischen Bestrebungen sind bereits 110 Deputirte
heigetreten.
Paris, 21. Jan. Der Unterstaatsfekretür für
die Kolonieen, Etienne, hat einem Mitarbeiter der
Estafetiter“ den Angriff auf eine franzö—
fische Karawane bei Odok bestätigt, doch sei
der AÄngriff rasch abgeschlagen worden. Die Be—
wegung in Havar gehe der Beruhigung entgegen.
Etienne fügte hinzu, nicht England, sondern Italien
habe Absichten auf Havar. Italien habe Frank⸗
reich in dieser Beziehung ausgeforscht, allein letzteres
habe offiziös erklärt, es koͤnne der Besetzung von
Havar nicht zustimmen.
Madrid, 21. Jan. Das neue Mini—
sterium ist folgendermaßen zusammengesetzt
Sag ast a Prasidium, Vega de Armijo Auswättiges,
Puigcerver Juftiz, Bermudez Reina Krieg, Romero
Robledo Marine, Becerra Arbeiten, Guillon Kolo—
nien, Capdepon Inneres, Eguilioz Finanzen.
Lissabon, 21. Jan. Die Cortes sfind
aufgelöst. Es heißt, die neuen Kammern wür⸗
den am 19. April zusammentreten.
Nom, 20. Jan. In der Kammer und
im Senate widmeien die Präsidenten und der
Siegelbewahrer namens der Regierung demHerzog
bpon Aosta warme Nachrufe. Der Senat be⸗
schloß. einen Monat lang den Platz des Präsidiums
schwarz verhängen zu lassen, dem Koͤnig eine Bei-
Jeidsadresse zu überreichen und die Sitzungen eine
Woche lang zu suspendiren. Die Kammer b.schloß,
den Platz des Präfidiums 45 Tage lang schwart
zu verhängen, an den Koͤnig, die Prinzessinwittwe
und den ültesten Sohn des verstorbenen Herzoge
Beileidsadressen zu richten und die Sitzungen 45
Tage zu unterbrechen. — Im Auftrage des diplo⸗
maüschen Korps gehen die Militärattaches nach
Turin zur Leichenfeier. — Das Ministerium dets
Aeußeru übersandte der französischen Botschaft einen
Kranz, um denselben am Sarge des am 18. d8.
Mis. verstorbenen Botschafterss Mariani nieder⸗
zulegen.
RNom, 21. Jan. „Osservatore“ dementiert
die Nachricht, daß die ba y er i sche Regierung dem
Vatikan ein Exposé übermittelt habe, worin sie
hre Haltung in der baverischen Kirchenfrage recht
jertige, und daß dasselbe im Vatikan mit Befrie—
digung aufgenommen worden sei. Die Anschau—
ungen des Vatikans in dieser Beziehung seien in
der Enchklika an die baherischen Bischöͤfe und in
dem vorjährigen Schreiben an den verstorbenen
Erzbischof von München⸗Freising formuliert. Das
Blatt veroffentlicht ferner ein Kollektiv⸗Hirtenschreiben
von 236 italienischen Bischöfen. Dasselbe erklärt
das Gesetz über die frommen Stiftungen für eine
—XX
der Glaäubigen.
Turin, 20. Jan. Prinz Napoleon
raf heute Nachmittag ein; Prinz Viktor Na⸗
poleon langt abends an. Das zweite hessische
dusaren⸗Regiment Nr. 14, dessen Chef Prinz
Amadeus war, sandte der Herzogin⸗Witwe ein
Beileidstelegramm.
Turin, 21. Jan. Die Koͤnigin und der
Zronprinz trafen gestern Abend 11 Uhr 15 Min.
hier ein. Kurz vorher war Prinz Viktor Napo-
eon eingetroffen. Die Begräbnißfeier findet am
Mitwoch Vormiitag 10 Uhr statt.
Wien, 21. Jan. Die „Wiener Zeitung“ ver⸗
offentlicht ein kaiserliches Patent, welches den
böhmischen Landtag auf den 23. Januar
zur Wiederaufnahme seiner Thätigkeit einberuft.
Konstantinopel, 21. Jan. Unterrichtete
Zreise sehen Englands Vorgehen in der bulgarischen
Angelegenheit als Vorldufer der Unabhängigkeits—
erklärung Bulgariens an. Oesterreich sei im Ein⸗
oerständnisse mii England. Auch Deutschland seht
das Vorgehen nicht ungern, obwohl es sich außetlich
„osllkommen zurückhalte. Es bestehe die Abficht,
Rußland zu treiben, das augenblidlich unfähig sei—
aber eine diplomatische Gegenaction hinauszugehen.
Die Turkei werde schließlich gute Miene machen, und
stußland, wenn es reagiere, in ungünstige Position
geraten.
Lokale und pfaälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 22. Jan. Wer darf zum
Reichstag waͤhlen ? Wahler ist jeder Deutsche, der
bis zum 20. Februar das 25. Lebensjahr zurück
Jelegt. Fur die Personen des Soldatenstandes,
des Heeres und der Marine ruht die Berechtigung
um Wählen so lange, als dieselben fich bei der
Fahne befinden. Von der Berechtigung zum
VWahlen sind ausgeschlossen solche Personen, welcht
ich unter Vormundschaft oder Kuratel befinden,
jerner solche, über deren Vermögen öffentlich der
donkurs eroffnet ist, dann solche, welche eine öffent⸗
iiche Armenunterstützung beziehen oder im Jahre
1889 bezogen haben, oder aber sich nicht im Voll
jenuß der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. Mithin
derlieren Personen, bei denen nach dem Beginn
»er Eintragung in die Listen die im Vorstehenden
genannten Umstände eintreten, ihr Wahlrecht. Ein
prachen gegen die Listen, die übrigens 4 Wochen
vor dem Wahltage ausliegen müssen, find binnen
3 Tagen nach dem Beginn der Auslegung anzu⸗
—X
— Zweibrücken, 21. Jan. Sämmilicht
Beistlichen des Dekanutsébezirkes versammelten
ich gestern, um gemeinschaftlich ihrem hochver⸗
hrten Vorstande, Herrn Dekan Sturz, ihr
Hlückwünsche darzubringen zu der ihm verlichenen
Auszeichnung durch Verleihung des Michaelordens.
den Gefühlen der Freude über die allerhöchste An⸗
rkennung der vielen Verdienfle des Dekorierten gab
derr Senior Knobloch von Ernstweiler in beredten
Worten warmen Ausdruck und tief gerührt dankte
der Gefeierte. (3w. 3.)
— Zweibrücken, 21. Jan. Kaisers
Beburtstag wird am nächsten Sonntag durch
ein Festessen mit darauffolgendem Bankett im
Zweibrücker Hof“ begangen. Von einer Abhaltung
der Üüblichen geselligen Vereinigung der Vereine
nußte wegen Belegung des Fruchthallsaales Abstaw
jenommen werden.
— Kreisturnfest. Das vor 2 Jahrer
jerschobene Kreisturnfest des 10. deuischen Turn—
kreises — Baden, Elsaß und Pfalz — soll nun,
vie die „Pf. Voiksztg.“ hört, im Jahre 1890 in
Aaiserslautern abgehalten werden und sol
dierfür Sonntag, der 3. August und die folgenden
2 Tage in Aussicht genommen sein.
— Pirmasens, 21. Jan. Zu der gestrigen
Miltheilung über den Verkauf des J. Rheinberger.
schen Wohnhauses ist zu demerken, daß der Kauf
preis 53.000 Mk. betrug und daß der Kaufet
nicht Herr Abraham Kahn, sondern dessen
Schwiegersohn, der Holzhändler Herr Friedriq
Reinach ist. C(A.)
Auf Wunsch des Kreiskomites des landw
Vereins der Pfalz wird in der 2. Hälfte des Februar
in Pirmasens ein Frühjahr⸗Saatgut
markit abgehalten werden, also der erste in diesen
Bezirk.
SVonder Wallalb. Seit einiger Ze
hat Herr Thierarzt H., der sich erst im Olio
der in Wallhalben niedergelassen, seine ein
rägliche Stelle wieder verlassen. Aus welchem
Brunde dies geschehen, ist nicht bekannt; auq
weiß Niemand, wohin sich derselbe gewendet hat
Fur unsere Oekonomen ist der Wegzug des Herrr
recht unangenehm, da bei allenfallsigen Kranb—
Jeiten des Viehstandes jetzt entweder von Land
quhl oder von Zweibrücken Hilfe geholt werde—
nuß.
— Landau, 21. Jan. Das erste Ge
witter für das laufende Jahr hatten wir geßter
Nachmittag gegen 2 Uhr. In Verbindung dam
iel starker Hagel, welcher sogar Voͤgel todt ge
chlagen haben soll.
Dem Kreisarchibdiener Chr. Schmelze
n Speyer wurde für 50jähr. treue Dienste di
xhrenmünze des kgl. Ludwigsordens verliehen.
— Haßloch, 20. Jan. Vor einigen Tage
vpurde die Mühle des Herrn Ludwig Heen—
Saͤgmühle) soweit hergestellt, daß fie dem Betrieb
wieder übergeben werden konnte. Dieselbe war un
die Zeit der Ernte total niedergebrannt und wurd
im Laufe des verflossenen Jahres wieder au
gebaut.
— Därkheim, 20. Jan. Gelegentli
eines am Samsiag im Saale der ‚„Vier Jahret
zeiten“ abgehaltenen Tanzschüler Balles feuerte de
aus Speyer gebürtige, in Wachenheim beschäftigt
Kufer Eppler aus Cifersucht mehrere Schüsse ar
einen hier beschäftigten Küfer und ein Maͤdchen ab
Ersterer wurde am Kopfe und letzteres an de
Hhand verletzt; glüclicher Weise sind die Verles
uͤngen jedoch unbedeutend. Eppler wurde n
haftirt. (D. A,)
Därkheim, 21. Jan. GKranken
Unterstützungsverein) Im abgelaufene
Jahre zählte der Verein 212 Mitglieder gegen 22
im Jahre 1888. An Unterstützungen wurden
33 Mitglieder M. 770 ausbezahlt. (A.)
— Ver. Reichtagsabgeordnete Eugen Ri chtt
wird am 1. Februar in Ludwighafen und ame
in Mannheim sprechen.
Gräünstadt, 20. Jan. Herr Mark
Simon hat in der schon mehrfach erwähnte
Alignement⸗Angelegenheit seines in der Ordesgaf
aufgeführten Baues den Gnadenweg betreten. S
igl. Hoheit der Prinz⸗Regent hat nun
rerfügen geruht, daß Genanntem auf sein Gesu—
Belassung des polizeiwidrig aufgeführten Hauset
die Abweifung zu erxöffnen sei. Bis 1. März
Herrn Simon Termin zur Abtragung seines Haus
Festattet. — Am gestrigen Tag vollzog sich
Freigniß in hiesiger Stadt, das von der gesammt⸗
Zürgerschaft mit seltener Sympathie begrüßt wir
und verfolgt wird, Es geschah der erste Spate
dich zu unseret Wasserleuuung. Auf den von d
demande Merlesheim erworbenen Grundstüd
Hdurden die Arbeiten zu einem Reservoir (uelle
jammler) angelegt. Nach den Planen des Her
Scheidemantei aus Munchen, der zu Anfang
der Angelegenheit als Sachverstündiger beigezog
wird die Frage weiter realisirt werden. GK.)
— Im Jahre 1880 sind nachgenannte prote
Pfarrer in der Pfalz gestorben: Pfar
Fabricius von Gommersheim, 83 Jahre alt; &
man von Drusweiler, 82 J. a.; Stepp von Ge
ramstein, 72 J. a; Kemmer von Moͤrzheim.
J. a.; Dekan Guth von Grünstadt J, 59 J.
hfarrer Alexander von Neunkirchen, 86 J.