Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. An⸗ssger chts St. Ingbert. 
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ner ‚Et Ingberter Arnieiger erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ un⸗ 
sirirten eiiagen. Tas Bien iohet dierneahrligc ,⸗n 
Zinrückungsgebühr fur die 4gespaltene Sarmondzeile ober deren Raum betrag 
Auskunft ertheilt, Iß ⸗, Neklamen 80 
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Feiertage. 3 mal wochentlich mit Unterhaltungs ⸗Slatt und Miltwochs und e amstags mil 
xragerlohn; durch die Pof bezogen 1M 750- einschlietßzlich 20 Zuflellung ebuhr. Die 
bei, Inseralen aus der Pfalz 10 —, bei außerpfalzischen und iolchen auf welche Expedition 
Bei 4maliger Einracung wird nur dreimalige berechnet. 
Samstag, 25. Januar 1890. 223. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
* Die nächste Plenarsitzung der bayerischen 
Abgeordnetenkammer wurde vom Prösi⸗ 
denten auf Minwoch den 29. d8. festgesetzt; die 
Tagesordnung bildet die Beratung des Justizetats. 
— Es scheint nnnmehr festzustehen, daß bei der 
Plaketverhandlhung in der Kammer der 
Reichsräthe Staatsminister Dr. Frhr. dv. Lutz 
durch Staatsminister Frhr. t. Crailsheim fich ver— 
reten läßt. 
* Der Reichstagsabgeordnete Frei⸗ 
herr v. Franckenstein it am Mittwoch nach 
chwerem Leiden in Berlin verschieden und mit 
hm hat die Zentrumsfrakuon des Reichstages 
eines ihrer hervorragendsten Mitglieder, die bayer. 
Zentrumsfraktion aber ihren eigentlichen Fuührer 
derloren. Freiher Georg Arbogafst von Franceen- 
dein war am 2. Juli 1825 in Würzburg ge⸗ 
zoren, studirte in München und Würzhurg 
nud wurde 1847 in die bayerische Reichsraths- 
ammer berufen, deren Präsidium er später über⸗ 
nahm. 1872 sandte ihn der Wahlkreis Lohr in 
den deutschen Reichstag, welchem er bis zu seinem 
Tode angehört hat; vom Mai 1879 bis zum 
Jahre 1887 war Herr v. Franckenstein erster 
Viz präsident des Reichstages. Der Verstorbene 
nahm nicht nur in seiner Partei eine angesehene 
Stellung ein, sondern er war auch bei allen 
anderen Parteien beliebt und hochgrachtet, wozu 
sein persönliches und maßbvolles Auftreten nicht 
wenig beitrug. Prafident v. Levetzow gedachte zu 
Beginn der Mittwochssitzung des Reichstages in 
überaus bdewegten Worten des Hinscheidens des 
Freiherrn v. Franckenstein, welches auch eine theil⸗ 
nehmende Kurdgebung des Kaisers an den Reschs. 
ag zeitigte. 
* Sehr bemerkt wird ein Artikel der „Nord⸗ 
deutschen Allgemeinen Zeitung“, in welchem das 
Blatt wochzuweisen versucht, daß die sozialdemo⸗ 
kratischen Wahlanstrengungen inen Vor⸗ 
toß der Sozialdemokratie gegen die Gesamtheit der 
bürgerlichen Elemente bedeuteten und daß alle diese 
Erscheinungen international seien. Demgegenüber 
sei Zusammenschluß aller Ordnungselemente erlte 
Pflicht und die Wahlparole hätte daher zu lauten! 
„Gegen die Sozialdemokratie und ihre Begünstiger“, 
mit welcher dem internationalen Vorstoße der 
Sozialrevolutionäre bei uns zu begegnen wäre. 
*In der am Viittwoch unter dem Vorsitz des 
Zergruts v. Velsen abgehaltenen Sitzung des 
Vorstandes des Bereins für berg— 
bauliche Interessen im Oberbergamtsbe⸗ 
zirk Dortmund wurde laut der „Rheinisch 
Westfälischen Zeifung“ einstimmig folgende Ant⸗ 
wort auf die Forderung voes Vorsandes 
des Vereins für bergmannische Inte⸗ 
ressen in Rheinland ung —A 
An den Bergmann Meyer in Bochum. Auf die 
an uns gerichtete Zuschrift vom 13. Januar, 
welche nach ihrer üederschrift Forderungen der 
Bergleute in Rheinland und Westfalen enthält, 
erwidern wir, daß wir Ihnen und den Miluntet 
zeichneten die Berechtigung nicht zuerkennen kön⸗ 
nen, solche im Namen der gesammten Beleg—⸗ 
schaften unseres Bezirks an unßg zu richten. Wir 
nehmen trotzdem lkeinen Anstand, Ihnen zu 
erklären, daß wir nmicht in der Lage sind, den 
unserm Verein angehörigen Zechen die Annahme 
der von Ihnen gestellten Forderungen in ihrer 
Maßlosigkeit zu empfehlen. Wir hegen auch zu 
dem gesunden Sinne und der Besonnenbeit der 
überwiegenden Mehrzahl unserer Beigleute das 
Vertrauen, daß sie an erneuten Versuchen zur 
Störung des Friedens sich nicht beteiligen werden, 
a hiermit die schwerste Schädigung aller wirth⸗ 
haftlichen Verhältnisse unseres Vaterlandes ver⸗ 
»unden sein würde. Der Vorftand des Vereins 
ur bergbauliche Interessen im Oberbergamisbezirk 
Ddortmund. Ferner wurde beschlossen, an die 
bereinszechen ein Rundschreiben zu erlassin, in 
velchem die Ablehnung der Forderungen des Ver— 
»andes zur Wahrung bergmaännischer Interefsen 
näher begründet wird. 
*In Frankreich standen jüngst neue Kammer⸗ 
kandale und daneben eine Unmasse von Inter- 
dellationen im Vordergrunde des patlamentarischen 
Interesses, so daßz die Deputirtenkammer zunächst 
jar nicht zu einer Erledigung der laufenden 
Arbeiten gelangen konnte. Doch wird die franzö⸗ 
ische Volksvertretung jetzt endlich um so mehr 
ine ruhigere Stimmung noͤthig haben, als sie 
demnüchst durch wichtige Finanzs und Steuer- 
ragen in Anspruch genommen werden wird. Im 
Miuisterrathe, der am Dienstag in Paris abgi⸗ 
zalten wurde, legte Finanzminister Rouvier einen 
Entwurf zur Abänderung der Grundsteurr vor, 
wonach dieselbe em Mehrerträgniß von 45 Mill. 
Frecs. abwerfen würde. Ferner beantragte Rou⸗ 
dier eine Reform der Thür⸗ und Fenstersteuer, 
Auferlegung einer Uebertox⸗ von 10 Fres. auf je 
100 Kilo unversteuerten Zuckers und eine Kataster⸗ 
perbesserung. Wann die betreffenden Enwürfe der 
Dputirtenkammer zugehen werden, steht indessen 
noch nicht fest. 
rifausnutzung veranlaßten Zustand vor. Bundes⸗ 
ommissar Schultz weist die Angriffe Schraders 
zurück und weist auf die von Preuben beantragte 
Bermehrung der Betri bemittel im Etat 1890681 
zin. Kanitz, Szmula, Mirbach und Stumm 
prechen gegen den Antrag. Letzterer bemerkt, die 
Privatbahnen wären dem ungeohnten Verkaufsauf⸗ 
chwunge schwerlich gewaͤchsen gewesen. Der An⸗ 
eag würde die wüsteste Spekulation in Kohlen⸗ 
werten hervorrufen. Der Antrag wuride ab- 
gelehnt und hierauf noch eine Anzahl Pelitio⸗ 
nen erledigt. Nächste Sitzung morgen 10 Uhr; 
dritte Lsung des Sozialistengesetzes. 
Berlin, 24. Jan. Unter Vorsitz des Reisch s⸗ 
anzlers der heute in Berlin eingrteoffen ist, 
'and heute Nachmittag eine S tzzung des preußischen 
Ztaatsministeriums statt. Unmittelbar darauf hatte 
»er Reichskan ler Vortrag beim Kaiser, unter dessen 
Borsitze dann gegen 6 Uhr ein Kronrat statt⸗ 
and 
Berlin, 24. Jan. Das vom „Figaro“ ge⸗ 
neldete angeblich Rundschreiben Eng—⸗ 
ands, wodurch dieses im voraus gegen Portu⸗ 
jals Berufung auf G'eund des Congoverirages Ein- 
pruch erhoben hätte, wird an unterrichteten Stellen 
ils keineswegs begründet angesehen. Das 
Lerhalten der englischen Regierung zu der Ftage 
ist bekannt; sie würde ein Eintreten der Mächte, 
gjewiß nicht veranlassen. Falls Portugal weiter- 
sin jenen Schritt unternehmen sollte, wovon bis 
zum 22. Januar noch nichts vernommen war, 
nüßten die Mächte die Anwenddarkeit des fraglichen 
Vertragsartik is untersuchen, was Zeit erfordern 
würde. Eine Verftändigung durch eine englisch— 
portugiesische Kommission wird noch immer als der 
beste Ausweg angesehen. 
Ausland. 
London, 24. Jan. Der Sekretär der Ad⸗ 
niralinät; Forwood, teilte gestern in einet zu Blach 
pool gehaltenen Rede mit, daß gegen das Jahr 
1894 die enghlische Kriegsmarine um 161 
rneue Schiffe bereichert sein werde. 
Paris, 24. Jan. GKammer.) Breteuil 
hefragt Spuller betreffs der Situation, welche durch 
das Protektorat Italiens über Aethi— 
dpien geschaffen worden sei und ob der Regier- 
uing über den Vertrag zwischen Italien und den 
atdiopischen Staaten eine offizielle Mittheilung zu⸗ 
gegangen sei. Spuller erwidert, Italien habe 
der Regierung den Abschluß des Vertrages mitges 
seilt, allein den Inhal: desselben nicht. Die Re— 
zierung warte die amtliche Anzeige des Veitrages 
ab, um denselben zur Beratung zu bringen. Kotwy 
vünscht diese Anfrage zu einer Interp llation zu 
ormulieren. Auf Wunsch Spuller's wird die Die 
hatte hierüber auf unbestimmte Zeit vertagr. 
Paris, 24. Jan. Der boulangiftische 
Ausschuß im 19. Arrondissement hatte seine 
Mitglieder auf gesitern Abend zusammenderufen, um 
die Erklärungen ihres Deputirte Martineau 
über sein Vorgehen, welches einem Bruche mit dem 
Boulangismus gleichzuachten sei, zu vernehmen. 
Etwa 400 Boulangisten waren erschienen. Mar⸗ 
tineau wollte sprechen, allein die Stimmung der 
Versammelten war ihm so feindlich, daß man ihn 
auf jede Weise mißhandelte und bespie und ihn 
chließlich unter Todesdrohung zwang, sein Ent⸗ 
assungsgesuch als Deputirter zu unterzeichnen, wel⸗ 
hes morgen dem Präsidenten der Deputirtenkammer 
ingereicht werden wird. Einer weiteren Nachricht 
ufolae bat Martineaun General B»aulangqer, der 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 28. Jan. Dr. v. Schauß hat 
sämmtliche ihm angebotenen Kandidaturen abge- 
lehnt. 
Rudolstadt, 28. Jan. Die Beisetzung 
des verstordenen Für stenn fand mittags in der mit 
Trauerdekorationen versehenen Stadtkirche statt. Von 
remden Fürstlichkeiten und Vertretern fremoer 
Souveräne waren anwesend: Prinz Leopoid von 
Preußen, als Vertreter des Kaisers, der Erbprinz 
»on Meiningen, Großherzogin Marie von Mecklen 
surg, der Großherzog von Hessen. Generalsuper⸗ 
ntendent Fraustetter hielt die Trauerrede. Ein 
Bataillon gab drei Salven ab. 
Berlin, 24. Jan. (Reichstag.) Die Ge⸗ 
etzentwürfe über Kontrole des Reichshaus- 
jalus und des Landeshaushalts für 
klfsaß⸗Lothringen 1889090, der Ergän⸗ 
ungsetat, die Matrikularbeiträge und das Anleihe⸗ 
jesetz wurden erörterungslos angenommen, der Ge⸗ 
amtetat gegen die Stimmen der Sozialdemokraten 
jenehmigt. Der Reichstag nahm dann fast ein⸗ 
timmig den Antrag Baumbach mit einem Amen⸗ 
ement Stumm betriffend Vorlegung eines Ar⸗ 
»eiterschutzgesetzes und Regelung der 
ßonntagsruhe, ferner die Resolution be⸗ 
reffend Vorlegung des Nachtragsetats 
89091 behufs Gehaltserhöhun'g der un⸗— 
eren und mittleren Beamten sowie Durchführung 
iner dauernden Gehaltserhöhung an. Es folgte 
ie Beratung über den Antrag Richter und Schrader 
»etreffend Herabsetzung der Kohlentarife. 
Die Kommission schlägt Ablehnung vor. Fürst 
Ratzfeld erachtet die Frage vor den preußischen 
andtag gehörig. Graf Stolbertgbefürchtet von dem 
Untrage Nutzen für die so mühsam verdrängte eng⸗ 
ische Kohle. Schrader wirft dem staatlichen 
kisenbahnmonovol den ijetzigen durch fiskalische Ta—