Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingbert. 
der „St Ingberter —b erscheint täglich mun Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöqchentlich mu Unterhaltungt ⸗Blatt und Mittwochs und —XXXAIXI 
A. firirien Beilagen. as Blait loßet vierteljahrlich 14 60 4 einschließlich Tragerlohn; durch die Pof bezogen 14 78 H, einschließlich 40 3 Zustellungsgebiühr Die 
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Auskunft ertheilt, 13 , Neklamen 80 A. Bei Amaliger Tinrochung wird nur dreimalige berechnet. 
X 22.— 
Deutsches Reich. 
Berlin, 24. Jan. Nach einer Reutermeldung 
aus Mombossa berichten zwei von Tana einge⸗ 
roffene franzosische Priester, daß fie Dr. Peters 
im besten Woblsein in Subaki verließen. Peters 
sei auf dem Marsche zur Küste und erwarte 
Proviant. 
Berlin, 25. Jan. Reichstag. Dritte 
desung des Sozialistengesetzes. Präsident d. Levetzov 
eroffnet die Sitzung um 102/40 Uhr. Der Reichs- 
janzler ist nicht anwesend. Abg. Bebel bekämpft 
die Verewigung des Ausnahmegesetzes trotz der 
mildernden Handhabung der letzten Jahre. Die 
Urbeiterbewegung sei iternational, das beweise der 
üngste Pariser Kongreß. Man fahre fort, das 
Bestehen einer geheimen Organisation zu behaupten, 
notzdem er das mehrfach vor Gericht widerlegt habe. 
kbenso sei es unzulässig, den Sozialismus und den 
Anarchismus, praktisch zwei sehr verschiedene Dinge, 
nit einander zu identifiziren. Minister des In⸗ 
jern Herrfurth erltärt die Behauptung, das Sozialisten⸗ 
jesez habe die Geheimbündelei gezüchtet und den 
Unarchismus herborgerufen, für unrichtig, das 
Sozialistengesetz von 1878 sei nicht gegen die Sozial⸗ 
demokratie als solche, sondern nur gegen die ge⸗ 
meingefährlichen Bestrebungen derselben gerichtet. 
So lange die sozialistischen Bestrebungen sich inner⸗ 
jalb der gesetzlichen Schranken hallen, finde das 
hesetz keine Anwendung, sondern erst, wenn jene 
n gemeingefährlicher auf den Umsturz der bestehen⸗ 
sen Staats⸗ und Gesellschafisordnung, in einer den 
offentlichen Frieden störenden Weise hervortreten. 
Wenn die sozialdemokratischen Führer immer be— 
jaupten, fie kampfen mit geistigen Waffen, so müsse 
er daran erinnern, daß die Masse sich nicht an 
deren Lehre hält. Sie findet vieimehr die Richt 
schnur ihres Handelns in den Lehren des Londoner 
Sozialdemolraten“, dessen Vertrieb grade ihren 
Zport bildet. Die geringe Anzahl sozialdemo⸗ 
tratischer Abgeordneter sei nicht die Verireter der 
Nasse, zumal der Arbeiter, fie seien Vertreler des 
Volles, aber mit keinem desseren Rechte als jeder 
andere Abgeordnete. Die Sozialdemokraten sfind 
nicht Vertreter der Arbeiter, sondern höchstens der⸗ 
enigen, die nicht arbeiten wollen. (Sturmischer 
Beifall.) Abg. Liebknecht weist Letzteres zutrück Die 
Wohlen würden den Biweis dafür liefern. Abg. 
dulemann (nat.lib.) behauptet, die Sozialdemo⸗ 
troten scheuten nichi vor dem politischen Meineid 
zuruck. Die deutschen Arbeiter haiten einen viel 
ju gesunden Sinn, als sich den Sezialdemokraten 
in die Arme zu werfen. Prinz v. Carolath 
(deutsche Reichspartei) führt aus, die Ausweisungs⸗ 
defugniß koͤnne er nichi bewilligen, der Kampf 
musse mit geistigen Mitteln geführt werden. Ham⸗ 
durgischer Buudesbevollmachtigier Huegmann Woeist 
die Behauptung einer rechtswidrigen Anwendung 
des Soziaist. ngesetzes zurlck. Nach kurzer weiteret 
Debatte wird das Gesetz bei namentlicher Abstim⸗ 
mung mit 1609 gegen v8 Stimmen abgelehnt. 
Berlin, 260 Jan. Die Thronrede mittels 
deren der Reichstagsschluß im Weißen Saale des 
ialichen Schlosses um 6 Uhr abends ersolgle. 
esagt: 
„Die berflossenen drei Jahre bilden in der Ent⸗ 
wicklung des Reiches einen Äbschnitt von so herdor⸗ 
agen der Bedeutung, daß es mir ein Herzensbeduͤrf⸗ 
nis ist, vom Throne aus in Erinnerung zu bringen, 
welchen Ergebnissen Ihre und der verbündeten 
gierungen gemeinsame Thätigkeit geführt. Durch 
HDintritt meines Großbaters und Valets wurde 
rc— 
Montag, 27. Januar 1890. ** 
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das Reich schwer betroffen, aber erhebend hat die 
reue starke monarchische Gesinnung sich dabei kund⸗ 
zegeben. Ich spreche meinen kaiserlichen Dank da⸗ 
ur aus, daß die Veränderungen, welche ducch den 
heimgang beider Kaiser eintraten, fich in Frieden 
jollzogen. Dafür gebührt dem Reichstag Anerken⸗ 
iung, dessen einsichtige Vaterlandsliebe bereitwillig 
nitgewirkt, die Wehrkraft des Reiches zu stärken 
ind dauernd sicher zu stellen. Die Weltstellung 
des Reiches ist dadurch gewährleistet, wodurch es 
zur Erfüllung der Aufgabe befähigt wird, im Rate 
der Völker mit dem ihm gebührenden Gewichte für 
die Güter des Friedens und der Gesittung erfolg⸗ 
reich einzutreten. Durch Erweiterung der Innungen 
und der dem Handwerkerstande zustehenden Befug⸗ 
aisse wird dem Handwerkerstande die Moͤglichkeit 
rleichtert, seine Widerstandskraft und sein wirt⸗ 
chaftliches Gedeihen kräftiger zu fördern. 
Mit besonderer Befriedigung begrüßt der Kaiser 
die fortschreitende Durchführung der kaiserlichen 
Botschaft von 1881, namentlich des Unfalls⸗ In⸗ 
paliditäts- und Altersverficherungsgesetzes, wodurch 
den Bedürftigen für die Sicherung der Zukunft 
»ine Gewähr geboten werde, welche für den innern 
Frieden des Vaterlandes von guten Folgen be⸗ 
leitet sein müsse. Vieles Uebrige bleibe noch zu 
hun auf diesem Gebiete; der Kaiser sei jedoch über⸗ 
zeugt, das Volk werde das Geschehene nicht ver⸗ 
jessn. Auf den gewonnenen Grundlagen werde 
ich weiter bauen lassen, um den arbeitenden Klassen 
zie Gewißheit zu verschoffen, daß die gesetzgebenden 
Zewalten fur ihre berechtigten Interesse und Wünsche 
in warmes Herz haben und daß die befriedigende 
Besta'tung ihrer Lage nur auf dem Wage fried⸗ 
icher und gesetzmäßiger Ordnung zu erreichen sei. 
x8s8 sei der dringende Wunsch und die lebhafte 
doffnung des Kaisers, daß es dem folgenden 
Keichstag gelingen möge, im Verein mit den ver⸗ 
»ündeten Regierungen für die auf diesem Felde 
notwendigen Verbesserungen wirksame gesetzliche 
Formen zu schaffen. Er betrachte es als seine 
rnste und erhabene Aufgabe, auf Erfüllung dieser 
hoffnung hinzuwirken. Durch Beseitigung der 
Witiwen⸗ und Waifengeldbeiträge sei den Beamten 
ine nicht zu unterschätzende Wohlthat erwiesen; 
venn es auch noch nicht gelungen, allen berechtigten 
Wünschen der minder günstig gestellten Beamtent 
lassen zu genügen, so habe der Reichstag durch 
ein Votum doch den verdündeten Regierungen die 
»ankbar zu begrüßende Gewißheit verschafft auf 
zaldige Verwirklichung hinreichender Verbessrung der 
dage der unteren und mittleren Beamten rechnen 
jn dürfen. In seinem und seiner hohen Verbün⸗ 
detem Namen danke der Kaiser für die treue und 
mühevolle Arbeit mit dem Wunsche, daß das fort⸗ 
jchreitende friedliche Gedeihen des Vaterlandes und, 
die daraus erwachsende Zufriedenheit der Bevölker⸗ 
ung der willkommene Lohn fuͤr die Thätigkeit des 
steichssages fein mögel 
Ausland. 
Brüssel, 24. Jan. Der deusch-belg⸗ 
ische Teilungsbettrag überweist 1300 Einwohner 
des neutralen Gebiets von Moresnet an Preu⸗ 
gen, 1200 an Belgien. 
Brüssel, 25. Jan. Die belgische Regierung 
richtete eine Anfrage nach London und Lissabon, oh 
die dortigen Regierungen die Schlichtung des eng⸗ 
fisch-portugiesischen Streites durch 
die Brüsseler Afrikakonferenz annehmen wollen. 
Wien, 24. Jan. Die deutschen Mitglieder 
Ausgleichskonferenz verpflichteten sich der Regie⸗ 
rung gegenüber förmlich, fur den Wiederein⸗ 
tritt der Deutschen in den böhmischen 
dandtag einzusteh n. 
Lokale und pfälrnsche Nachrichten. 
*St. Ingbert, 27. Jan. Heute vollendet 
daiser Wilhelm U. sein ein und dreißigstes 
debensjahr, und mit Stolz und Freude feiern alle 
zatriotischen deutschen Herzen den Geburistag ihres 
erehrten Kaisers, der sich während seiner kurzen 
Regierungszeit als ein kraftvoller zielbewußter 
Herrscher der deutschen Nation wie der ganzen po⸗ 
litischen Welt offendart hat. Getreu dem ruhmreichen 
dreußischen und deutschen Ueberlieferungen ist 
æaiser Wilhelm zumal ein Schirmherr des Friedens 
and ein Mehrer aller wahren Wohlfahrt des Volkes. 
In welch glücklicher, segenvoller Weise unser junger 
Kaiser diese, seine hohe Mission erfaßt und auch 
nach besten Kräften bereits durchgeführt hat, dies 
beweist vor allen Dingen die günstige Wendung in 
der vor Jahr und Tagnoch recht bedenklichen poli— 
tischen Lage Europas. Die offenherzigen friedlichen 
Erklärungen des deutschen Kaisers üder seine und 
seiner erlauchten Verbündeten Politik, seine uner⸗ 
müdlichen Reisen an auswärtige Höfe, sowie die 
Monarchenzusammenkünfte in Verlin, lauter Begeben⸗ 
deiten zur Kräftigung der deutschen Friedenspolitik, 
haben zur Beseitigung der gefahrdrohenden euro⸗ 
oaischen Lage offenbar in den beiden Jahren das 
Meiste beigetragen. Auch die Aufgaben des Herrschers 
jür die innere Wohlfahrt des Volkes hat der Kaiser 
zlänzend erfüllt. Welch muthige und zugleich auch 
)ersöhnende Worte sprach doch Kaiser Wilhelm im 
letzten Sommer anläßlich des großen Bergarbeiter- 
treiles und zur Schlichtung der großen sozialen 
Begensätze! Und wie sehr hat ihm die bessere 
Versorgung der Arbeiter mit Hülfe des Altersver⸗ 
orgungs⸗ und Indvalidengesetzes der Arbeiter am 
Derzen gelegen! Die ganze Nation freut sich eines 
jolchen Herrschers und seiner edeln Bestrebungen und 
dringt ihm zum Geburtstage die herzlichsten Glück⸗ 
und Segenwünsche dar! 
* St. Ingbert, 27. Jan. Fur die heute 
Abend in der ‚Gemütlichkeit“ stattfindende Narren⸗ 
itzung sollen recht nette Vorträge in Aussicht stehen, 
odaßz die Theilnehmer ein unterhaltender Abend 
erwartet. 
*St. Inabert, 27. Jan. Die gestern 
m Tuboli zu Zweibrücken abgehaltene national⸗ 
iberale Wahlversammlung warx sehr stark be⸗ 
ucht und nahm einen glänzenden Verlauf. Hetr Kom⸗ 
nerzienrat Wolff⸗Zweibruͤcken erdffnete dieselbe mit 
Vorten des Dankes an die Erschienenen und gab 
inen Ueberblick über die Thätigkeit und das er⸗ 
reuliche Wachsthum dis nationalliberalen Wahl⸗ 
ereins seit der vorletzten Reichsstagswahl. Leider 
jat der Verein das Hinscheiden des Herrn Dr. 
Erbelding⸗Zweibrücken zu beklagen, dessen Andenken 
zie Versammlung durch Erheben von den Sitzen 
hrt. Herr Wolff sprach in anerkennenden Worten 
den Dank an den feitherigen Abgeordneten Herrn 
kommerzienrat Krämer⸗St. Ingbert aus für die 
»en Interessen seiner Wähler entsprechende Ver⸗ 
retung im Reichstage, was die Versamm⸗ 
ung durch Erheden bestätigt. Sodann er⸗ 
zreift das Wort der nationalliberale Kandidat 
derr Kommerzienrath Adt⸗Ensheim, um in unge⸗ 
nein klarer, formschöͤner Rede sein Programm 
u entwicheln. Nicht Ehrgeiz oder Strebertum habe 
hn veranlaßt, als Kandidat aufzutreten, sondern 
die Pflicht im Interesse der vaterlandischen Sache 
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