Full text: St. Ingberter Anzeiger

reichen Wirkens nicht nur in der Provbinz, sondern 
in unserer Stadt, sehen wir Gewerbe, Handel 
und Industrie aufblühen wie uater keiner früheren 
Berwaltung. Auch die Landwirthschaft erfreut sich 
ines Aufblühens, dessen Fortschritt durch die gün⸗ 
tige Lage gekennzeichnet ist; besonders aber erfreute 
sich unsere Stadi des Wohlwollens Ew. Exzellenz. 
Deßhalb hat sich die Stadtverwaltung erlaubt, das 
Fhrrenbürgerrecht der Stadt Kaiserslautern Ew. 
Erzellenz anzubieten. Ew. Exzellenz hatte die Ge⸗ 
wogenheit, dies Anerbieten, vorbehaltlich allerhoͤchster 
Benehmigung anzunehmen. Zum ersten Male find 
wir heute so glücklich, Ew. Exzellenz als Ehren⸗ 
bürger der Stadt in diesen Räumen begrüßen zu 
soͤnnen und mit dieser Begrüßung soll zugleich der 
Dank verbunden werden dafür, daß Ew. Exzellenz 
das Ehrenbürgerrecht angenommen haben. Möge 
es Ew. Exzellenz noch viele Jahre vergönnt sein, 
an der Spitze der Verwaliung der Pfalz zu stehen, 
mögen Sie in ununterbrochener Gesundheit noch 
recht lange zum Segen unserer Provinz, zum 
Wohle unserer Stadt wirken. — Herr Regierungs⸗ 
präsident v. Braun erwiderte hierauf dem Sinne 
noch: Hochverehrter Herr Bürgermeister, Hochverehrte 
Herren Stadtrathe. Es find jetzt 19 Jahre, daß mir die 
Verwaltung dieser schönen Provinz übertragen wurde. 
Ich habe damals meine Absichten über die Verwaltuug 
der Pfalz in einem Programm niedergelegt, welches 
auch von dem Landesherrn genehmigt wurde. In Aus- 
führung dieses Programms habe ich für Handel, 
Gewerbe, Industrie und Landwirthschaft gewirkt, 
nach den Erfahrungen, die ich auf meinen Reisen 
im Ausland, in England und Frankreich gesammelt. 
Wenn ich der Landwirthschaft eine besondere Für⸗ 
sorge zugewendet habe, so geschah dies in der Er⸗ 
kenntniß dessen, daß in dem Gedeihen der Land- 
wirthschaft der Hauptgrund für das Gedeihen eines 
Landes liegt. Sollte es mir vergönnt sein, noch 
länger in meinem Alter der Verwaltung der Pfalz 
bporzustehen, was immerhin fraglich ist — den 70 
Jahre find keine Kleinigkeit, wenn man die auf 
dem Rücken hat, — rechne ich auf Aller Unterstütz 
ung, die mir bisher zu Theil geworden ist und 
somit auch auf die Unterstützung der Verwaltung 
der Stadt Kaiserslautern. Nehmen Sie jetzt noch⸗ 
mals meinen Dank, für die Auszeichnung, die Sie 
mir haben zu Theil werden lassen, eine Ehre, die 
ich stets zu schätzen wissen werde. Herr Neumaher 
zrachte ein Hoch auf den Herrn Regierungspräfi⸗ 
denten, dieser ein Hoch auf S. Kgl. H. den Prinz⸗ 
tegenten aus. Sodann erfolgte die Vorstellung der 
Anwesenden. (Pf. A.) 
— Kaiserslautern, 6. Okt. Soeben 
berbreitet fich in hiesiger Stadt die betrübende Kunde 
bon dem gestern in Heidelberg erfolgten Ableben 
des k. 1. Staatsanwaltes Herrn Bossert von 
hier. Leider sollte es ihm nicht vergönnt sein, durch 
die dort vorgenommene Operation Heilung zu er⸗ 
langen von einem Ohrenleiden, das sich in jüngster 
Zeit rasch verschlimmert hatte. Der Verlebte war in 
jrüheren Jahren thätig als Polizei-Anwalt in Land 
stuhl, Landgerichts⸗Assessor in Pirmasens, 2. Staatz 
anwalt, Bezirks⸗ und Landgerichtsrat in Franken⸗ 
thal und seit 1880 als erster Staatsanwalt dahier. 
Im Jahre 1885 wurde ihm Rang und Gehalt 
eines königlichen Oberlandesgerichtsrates verliehen. 
Wer Gelegenheit hatte, mit dem Dahingegangenen 
dienstlich oder außerdienstlich in Verkehr zu treten, 
wird ihn als tüchtigen, pflichttreuen Beamten und 
edlen Menschen kennen gelernt haben und ihm ein 
ehrendes Andenken bewahren. Die Beerdigung wird 
morgen in Heidelberg stattsinden. Möge ihm die 
Erde leicht sein! (Pf. Pr.) 
— Hochstein. Hilfe in der Noth. 
Daß es doch noch gute hilfsbereite Menschen auf 
der Welt gibt, konnte man am letzten Sanktkerwe⸗ 
dienstag hier sehen. Steht da ein Mann mit seiner 
Frau ganz mutterseelenallein auf dem Kartoffelacker, 
um die guten Früchte dem Schooße der Erde zu 
entreißen und hackte darauf los, daß die Funken 
davon flogen, während seine Frau die edlen Knollen 
auf Haufen trug. Allein trotzzem der Mann bei 
jedem Streiche das harte Erdreich verwünschte und 
die Arbeitsleute, die ihn im Stiche gelassen, dazu, 
so wollte es doch kein rechtes Stück geben, denn 
der Acker war ziemlich groß und der Arbeiter we⸗ 
nige. Drunten aber vom Dorf schallte fröhlicher 
Gesang herauf, denn die Wogen der Kerwe gingen 
noch sehr hoch. Das war eine schwere Verfuchung 
jür den im Schweiße seines Angesichtes arbeitenden 
Mann. Einige Zeit hielt er zwar Stand, aber 
ndlich konnte er nicht mebr widerstehen und warf 
e Flinte ins Korn, vielmehr die Hacke in den 
dartoffelacker und lenkte seine Schritte dahin, wo⸗ 
jer die lieblichen Klänge ertönten, um seinen Groll 
in nasser Fluth zu ertränken. Im Wirthshaus 
var eine lustige Gesellschaft beisammen, denn alles, 
vom Haupimann dis zum Gemeinen herab, hatte 
roch riesig „Dorscht“. Die blassen Wangen des 
Fintretenden verkündeten der Gesellschaft den 
dummer, den sein Herz drückte, und welcher An⸗ 
eheiterite hätte kein Mitgefühl?! „Bruder, Dir 
oll geholfen werden“, riefen fie. „Nix wie naus 
uif de Grumbeereacker!“ Nun wurden Hacen, 
—„paten, Rechen, Mistgabeln, Pflugscharen, Schrup⸗ 
jer, Besen ꝛc. zusammengesucht und gleich dem 
drahwinkler Landsturm bewaffnet, zog die Gesell 
haft in schönen langen Reihen unter Vorantritt 
ines Spielmannes mit der Ziehharmonika hinaus 
zuf den „Grumbeereacker“. Hinten nach folgte 
atürlich das unvermeidliche Faß Bier zur Stär?⸗ 
ing und Kräftigung der Arbeiter. Draußen begann 
jun ein Leben und Treiben wie in einem Ameisen- 
jaufen, alles arbeitete darauf los in aller Emsig⸗ 
eit, besonders entwickelten, wie der „Pf. M.“ er⸗ 
uihlt, einige Herren trotz langem Gehrock und 
zatermörder, irotz Kneifer und Uhrberloque eine 
ußerordentliche Thätigkeit. Es war riesig, welchen 
kriumph hier die Nächstenliebe errang. Der eine 
jackte, der andere grub, der dritte stach mit der 
Nistgabel darnach, der vierle fegte mit dem Besen 
ie Erde weg, um die edlen Knollen zu erspähen. 
dazu spielte der Spielmann seine lustigen Weisen 
ind das Bier machte fleißig die Runde. Doch wie 
lles blos eine Zeit lang dauert, so mußte auch 
sier der anstrengenden Arbeit ein Ziel gesetzt wer⸗ 
den. Als das Faß Bier zur Neige ging, begannen 
nuch die Arbeiter zu ermüden. Der Rest der Ar⸗ 
zeit wurde daher bis zum nächsten Kerwedienstag 
erschoben, und unter den belebenden Klängen der 
Ziehharmonika zogen die Ritter der Arbeit wieder 
as Wirthshaus zurück, wo ein Theil der mit so 
aurem Schweiß gewonnenen Früchte gebraten und 
herzehrt und dann noch bis spät in die Nacht 
sinein weiter ge — arbeitet wurde. 
— Landau, 6. Okt. Bei den Bauten für 
zie Artilleriekaserne waren gestern Nachmittag einige 
Arbeiter mit Ausgrabungen sür eine Fundament⸗ 
nauer beschäftigt und waren bereits auf eine Tiefe 
on 4 Meter hinuntergelangt, als ein unter der 
ßrube befindlicher nur mit Holz verdämmter 
Ninengang einstürzte und dadurch auch 
ie Seitenwand der Baugrube zum Einsturz brachte. 
zwei der Arbeiter befanden sich in der Grube und 
rachen erst mit der einstürzenden Minendecke 
peitere dcei Meter tief ein und dann wurden fie 
purch das einstürzende Erdreich verschüttet. Die 
ibrigen Arbeiter nahmen das Rettungswerk sofort 
n Angriff und es gelang ihnen auch in kurzer 
Zeit, die beiden Verschütteten wieder ans Licht zu 
iehen. Dieselben waren zwar ziemlich stark ge⸗ 
chunden, doch sollen die Verletzungen keineswegs 
ebensgefährlich sein. 
— Speyer, 5. Okt. Das Wohnhaus des 
Schuhmachermeisters Adam Sturn an der Ecke 
er Eisenbahnstraße ging durch Kauf in den Besitz 
der BrauereigesellschaftzumStorchen 
vorm. Chr. Sick) über. Der Kaufpreis beträgt 
20 000 Mk. 
— Speyer, 6. Olt. Kommenden Montag, 
den 13. ds. Mts. beginnt hier die Anstellungs⸗ 
zrüfung derjenigen Schuldiensterspektanten, 
velche vor 4 Jahren aus den Seminarien zu 
daiserslautern und hier entlassen wurden. Wie 
nan vernimmt, sollen gegen 140 junge Lehrer 
nieses Jahrt zur Prüfung kommen. 
— Speyer. Das Ergebniß der diesjährigen 
fälzischn Herbstsaatgutmärkte ist nach 
»en „L. Bl.“ folgendes: es wurden verkauft: 
226. 29 Zentner Getreide sür 2377 Mk. 79 Pfg. 
— Neustadti, 58. Olt. Die Il. Bezirks⸗ 
russtellung war heute zum Schlusse sehr stark 
esucht. Puntl 6 Uhr schloß der Vorstand des Ge⸗ 
verbevereins, Herr Reallehrer Butters, die Aus— 
dellung mit dem Ausdruck des Dankes fuür alle, 
zie in irgend einer Weise zum Gelingen derselben 
heigeiragen haben, mit einem Hoch auf Neustadt, 
in das die sehr zahlreich Anwesenden einsfimmten. 
— Gestern Nachmittag versuchte der Ausschuß des 
Hewerbevereins das Kassahäuschen und den 
Bavillon im Auftrag der Aussteller zu versteigern. 
das Meistgebot für den Pavillon war 950 Me. 
zfarrer Welsch hot aus freier Hand 2000 Mk. 
Die Herstellungskosten belaufen sich auf 4000 Nt 
Die Versteigerung war ergebnislos. 
— Neustadt, 6. Olt. Beim gestrige 
Preis Corso⸗Fahren für Vereine —* 
Jeim errang sich bei 9 konkurrirenden Vereinen * 
Neustadter Radfahrer-Verein den 
Preis. (Nürnberg erhielt den ersten, Ludwigshafen 
den 8. Preis.) Vom hiesigen Vereine waren au 
Hreisfahren betheiligt die Herren: Dinges, Weidnet 
Stephan, Muller, Rölle, Steinbüchel, Herjiet 
Thrifimann und Filian. Man wird diesen Ersolg 
erst recht würdigen koöͤnunen, wean man —8 
daß der. Neustadter Radfahrer ˖ Verein das aist 
Jahr seines Bestehens noch nicht zurückgelegt hat 
— Wachenheim, 5. Olt. Der in Amerita 
lebende Bruder der dahier im Bärgerspitale ven 
dtorbenen Wittwe Hild, geb. Schandein, hat 
dem Spital den Betrag von 650 Mt. schenkweist 
aberwiesen. 
— Ludwigshafen, 6. Olkt. Der am 
Samstag im Rhein ertrunkene Lademeister heißt 
Fhristian Dambach. Der Verunglückte hinterlaäßt 
Frau und Kinder. 
— Frankenthal, s5. Okt. In bezug auf 
das in Frankenthal projektierte Künsstler⸗Kön— 
zert ist es sehr erfreulich, heute mitteilen zu 
önnen, daß auf Einladung des Herrn Professor 
Wendling in Leipzig unsere pfälzer Kunstler zum 
veitaus groößten Teile bedingungslos und freudig 
zugesagt haben. Es ist dies der beste Beweis, daß 
die pfalzer Kinder mit Liebe an ihrer engeren Hei⸗ 
nat hängen und wenn es gilt, gerne dabei sind, 
ein patriotisches Fest zu unterstützen. Zugesagt 
jaben bis jetzt Frau Professor Tillmann geb. Weiß 
in Landau, Herr kqal. Musildirektor Professor Vier⸗ 
ing in Berlin, Herr Kammersänger Perron in 
Zeipzig, Herr Wolf, Tenorist am Staditheater in 
hamburg, Herr Prof. Schwendemann in Würzburg, 
)err Stumpf, Tenorist in Dürkheim, Herr Hof⸗ 
hauspieler Gärtner in Kassel. Für Herrn Professor 
Wendling ist es eine besondere Genugthuung, daß 
uuf seine spezielle Einladung dieser Ersolg erzielt 
worden ist. Weiter kann das hiesige „Tgb.“ mit⸗ 
seilen, daß für die Direktion außer unserem Alt- 
meister Vierling auch Herr Hofkapellmeister Langer 
aus Mannheim gerne zugesagt hat. 
— Frankenthal, 6. Olt. Gestern fand 
in der bekannten Kirch weihschlägesrei, wobei 
der Oppauer Bursche so schwer verletz, wurde, 
Drtsbefichtigung statt. Die beiden dieserhalb der⸗ 
jafteten Edigheimer wurden am Otte der That 
ofort als nicht verdächtig in Freiheit gesttzt, da⸗ 
Jegen find 7 andere wegen dieser Angelegenheit in 
Antersuchungshaft genommen. Der Verwundete 
joll sich in recht gefährlichem Zustande befinden 
und besteht wenig Hoffnung auf dessen Wieder— 
zenesung. 
— die „Preußisch⸗Pfalzische Kon— 
ferenz“ wird am 15. d. Mtis. zu Neunkirchen 
abgehalten werden. Pfarrer Knobloch-Ernstweiler 
wvird eine bihlische Ansprache halten, und Pfartet 
dichnok⸗Saarbrücken über die Frage: „Ist ein 
Auszug aus der Bibel als Lesebuch fUr die Schul⸗ 
»rforderlich?“ sprechen. 
Vermischtes. 
Schwere Heimsuchungen hat eine 
Familie in Malstatt erfahren. Vor etwa 9 
Honaten berungluckte ein Junge (11 Jahre alh) in 
zer Michlerschen Brauerei, dielleicht 8 Wochen 
‚arauf siarb ein Kind von 6 Wochen; das älteste 
Madchen, das totkrank, ist zwar genesen, dagegen 
der jüngste Knabe von 22/0 Jahren gestorben. Am 
. disi der Vater und Ernahrer der Familie ge 
dorben. Die hinterlassene Frau, vor 12 Tagen 
ii niedergekommen, sieht somit mit ihrem 7 Jahre 
alten Kinde zum vierten Male am Sarge eint⸗ 
hrer Andehorigen. Vielleicht nehmen sich ede 
Nenschenfreunde der so schwer geprüften Witwe und 
hrer Kinder an. 
pDie Straßenbahn Weinbeim— 
deidelberg wurde am 4. Oktober eroffner 
Hie neue Bahn, von Weinheim, Siation der 
Nannheim ⸗Weinheimer Bahn, auslaufend, zieht sih 
in der südlichen Bergstraße entlang über die Ou⸗ 
chaften Lutzelsachsen, Großsachsen, Leutershanen 
Zchriezheim, Dossenheim, Handschuchsheim 
Reuenheim, überschreilet hier die Necdarbrücke, 
ich in Heidelberg uber den Bismardplaz fort — 
zie Betgheimerstraße, passirt das Terrain füt 
zrojettirie Schlachthaus und findet jenseits dessel p 
Unschluß an die Badische Staatsbahn, wo e 
eiche Anlagen für den Güterum'chlag geschafft