Full text: St. Ingberter Anzeiger

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St. Ingbert. 
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W240. Mittwoch, 15. Oktober 1890. 
23. Jahrg. 
Deutsches Reich. 
Straßburg, 14. Ott. Die Versammlung 
ddeuischer Reichstagsabgeordneter zur Besprechung 
er Wirksamkeit des Branntwein— 
reuergesetzes vom Jahre 1887 in den süd⸗ 
vetlichen Gegenden des Reiches, sowie zur Er⸗ 
cterung der Abhilfe für etwaige Mißstände hat 
estern in Baden ⸗Baden stattgefunden. Aus Elsaß— 
othringen waren erschienen: Baron Bulach, Dr. 
öffel aus Buchsweiler, Lang aus Schleitstadt, 
tuhland aus Münster. Ferner waren, nach der 
Sirb. P,“ anwesend: Fihr. v. Buol, Braun, 
vöser. Gröber, v. Hornstein, Hug, Lender, Marbe, 
heichert, Schättgen, Schüler. Unter dem Vorfitze 
on Baron Zorn v. Bulach fanden die Beratungen 
jatt, welche mit der einstimmigen Annahme der 
tesolution endigten: „Eine Aenderung des Brannt⸗ 
veinsteuregesetzes in dem Sinne zu beantragen, daß 
en Kleinbrennern nicht mehliger Stoffe 
m steuerfreies Quantum bis zu 185 Liter 
einen Alkohols zestattet werde.“ (Funfzehr Liter 
einen Alkohols ergeben 30-85 Liter trinkbaren 
granntweins.) Die elsaß lothringischen Reichstags- 
bgeordneten Dellos, Baron Dieirich, Guerber, 
duchth, Mamgès, Neumann, Dr. Petri, Simonis, 
WBinterer, welche an der persönlichen Teilnahme 
yerhindert waren, hatten sich mit der Resolution 
inversianden erklärt. Mit Ausnahme der Abgeord⸗ 
ꝛeten Hickel und Dr. North haben sich also alle 
hertreler des Reichslandes an dieser Aclion beleiligt. 
Berlin, 18. Olt. Den Berliner Politischen 
lachrichten? zufolge sind die Gesetzentwürfe betreffend 
e preuß issche Steuerreform jetzt schon 
stgestelll. Die einschlägige Gesetzgebung werde sich 
hritiweise vollziehen; zunchst würden die Ein— 
ommen⸗ und die Gewerbesteuer für fich reformiert; 
ie Verwandlung der Ertragssteuern in Kommunal- 
ogaben bliebe vorbehalten; für das Einschätzungs⸗ 
erfahren und die Organisation der Veranlagungs⸗ 
rgane diene die bewaͤhrte sächsische Gesetzgebung 
is Muster; auch empfehle es fich, den Vorsitz in 
er Einschätzungskommission einem technisch ge⸗ 
hulten Steuerbeamten zu übertragen, sowie eine 
derste Rekursinstanz herzustellen mit der Aufgabe, 
ie richtige Auslegung und einheitliche Handhabung 
er Steuerges tze herbeizuführen. 
Halle, 14. Okt. Im weiteten Verlaufe des 
⸗zialistentages derteidigte Liebknecht 
degen die Angriffe auf seine schriftstellerische 
Hatigkeit und sagte, die sozialdemokratische Partei 
insofern eine Rebolutionspartei, als fie die 
esellfchaäftßgördnung sbeseitigen woũe; 
derwerfe aber die Anwendung der Gewalt. Bebeil 
eantragt die Stellung des Central Wahlcomitees 
u den Stichwahlen und dem Wahlaufruf und 
m Aufruf zum 1. Mal gutzuheißen. Die Ver⸗ 
mmlung nahm die Antruge 'an und setzte eine 
ntersuchungskommisfion fur die borgevdrachien 
vichwerden ein. 
Halle, 14. Olt. Auch die heutige Sitzung 
s jozialdemokratischen Parteitages 
üef wieder in stürmischer Weisse. Singer 
itatiete Bericht über die parlamentarische 
hatigteine äör defprach das Heerwesen, die 
ollpolitie und dos Sozialistengesetz und sprach 
bet den Arbeitsschutz, das Vereinsrecht müsse er— 
peitert werden, auch wenn der Arbeitschutz, Zucker⸗ 
nd gewahre. Der Arbeitsschuß sei nanuthch () 
ucht das lehte Ziel sondan in⸗ Erleichte rung 
Vildung einer Armee für den Befreiungskampf 
Menschheit.“ Redner griff dann die Künicu 
volitik an, die ihm als „widerwärtig“ erscheint und 
prach gegen die Alters- und Invalidenversorgung. 
Die parlamentarische Thätigkeit durfe nicht beschränkt 
werden. Als ein südwestdeürscher ewiger 
steichstagskandidat, dessen Vertheidigung der Frak⸗ 
'ion ironisch aufgenommen wurde, mit geradezu 
zrüllender Stimme nachzuweisen suchte, daß nur 
zie Führer gegen die Thätigkeit der Polizeiin 
Deutschland gearbeitet hätten, verließen Bebel und 
Singer ihre Plätze. v. Vollmar beantragte 
eine Entichließung, die Regierung aufzu⸗ 
'ordern, die mit Beschlag belegten Gelder 
jerauszugeben. Dieselbe wird später berathen 
verden. Ein Antrag desselben Vertreters aber 
die Koalitionsfreiheit wird gleich erdrtert. — 
Liebknecht meinte, die Opposition gegen das 
Zdarlament beruhe auf einem Mißverständnisse über 
»en Begriff des Parlaments: Bei dem allgemeinen 
WBahlrecht sei die gleichgiltige Masse durch den 
Wahlkampf zu erobern. Alle 46 Millionen Deutschen 
oͤnnten doch nicht Gesetze geben; eine Volksver⸗ 
retung sei daher notwendig. Das revolutionäre 
Htaulheldentum sei lächerlich. Es gelte, die dummen 
Massen zu fangen, aber die Oppofition habe bereits 
inen großen Schaden bei den Indifferenten gethan. 
In der Partei schade der Rummel nicht; das 
chüttle man leicht ab. Was hatten diese Herren 
gjethan? Ein paar Reden gehalten? Er wolle nicht 
agen, das könne jeder Esel, aber für die Propa- 
ganda nütze das nicht viel. Die gleichgiltigen Massen 
zewinne man, indem man bis ins kleinste Dörfchen 
hinein wühle, die Leute aufstachle, die gar keine 
Ahnung von all diesen Fragen hätten, die man 
aber anlernen müsse. Als Liebknecht geendigt, stellte 
sich, nach der „St. P.“, heraus, daß immer noch 
kein Oppositionsmann sich zum Wort gemeldel 
hat. Die Aufklärung erfolgt sofort. Sämtliche 
Meldezettel waren auf dem Weg zum Tisch des 
Schriftführers beseitigt worden. Werner und der 
Borsitzende stellten dies zweifellos fest. Ein großer 
Inwille der Versammlungsmehrheit ward 
aut, aber bezeichnender Weise gegen Werner, 
velcher mit Zischen empfangen wurde. Er erhob 
eine scharfen Angriffe, verlor sich mehr in Allge⸗ 
neinheiten, kritisierte verschiedene Aeußerungen 
Bebels im Reichstag und schloß mit der Forderung, 
zaß die Flickerei an den bestehenden Gesetzen auf⸗ 
dren musse. Bis die Privatkopitalwirtschaft be⸗ 
eitigt sei, habe die Partei nur zu agitieren, nicht 
nitzuarbeiten. Hierauf vernichtete Bebel den 
Zenossen Werner förmlich mit wuchtigen Hieben. 
Er˖ freue fich, daß Werner am 20. Februar durch⸗ 
zefallen sei. Mit solchen Reden würde derselbe 
die ganze Partei blamiert haben. Werners und 
Wildbergers Verfahren, die Thätigkeit der Fraktion 
für die eigene Kandidatur auszuschlachten und 
dann hinterher zu verlästern, könne er nur 
als ein demagogisches brandmarken. Es gelte 
nicht, die Massen auf den zukünfngen 
sozialdemokratischen Staat zu vertrosten, von dem 
niemand wissen, wann und wie er kommen 
werde. Schon jetzt seien Erleichterungen zu schaffen, 
die auf dem Boden der gegenwärtigen Gesellschafts⸗ 
ordnung möglich wären. Ein vereinzelter Wieder- 
pruch ward mit lang anhaltendem Beifall be— 
antwortet. Singer erhob Einspruch dagegen, daß 
Werner die Berliner Genossen verträte. Die 
Fraktion erhielt ein Vettrauens votum. 
Haag, 14. Olt. Staats courant“ lveroffentlicht 
den gestrizen, ärztlichen Bericht. Derselbe be⸗ 
sagt, der Kräftezustand des Königs Wilhelm 
III. bleibe befriedigend, die abgeschwächte 
Behirnthätigkelt hindere jedoch geistige AÄr— 
beit. (Unter diesen Umständen“ erscheint die Ein— 
— 
Paris, 18. Okt. Heute hat die Budget⸗ 
komifssion ihre Thätigkeit wieder aufgenommen 
und mehrere Berichte angehört. Morgen wird sie 
ch mit dem Minister in Verbindung setzen. Das 
Deficit beträgt nicht 15, sondern 19 Millionen 
Franken. Wie man hörtt, sollen 6 Millionen durch 
Steuern auf Reis und Melasse fremder Herkunft 
zedeckt werden, für den Rest schlägt man fiscalische 
Maßregeln vor, die Samstag bestimmt werden 
sollen. Alkohol wird nicht betroffen. Die Komission 
ist zur sofortigen Beratung des Budgets bereit. 
Sie wird verlangen, daß bis zum Abschluß des 
Budgets alle pohitischen Fragen (wie die Ver— 
folgung der Boulangisten oder die Reform des 
Wahlgesetzes) vertagt werden. 
Paris, 14. Oltt. Der Ministerrat be— 
schloß, den Kammern gleichzeitig eiren Maxi— 
malhltarif für die Frankreich keinerlei Vorteile 
aewuhrenden Staaten und einen Minimaltarif 
für die' Frankreich auch ihrerseits Vorteile ein— 
räumenden Nationen vorzulegen. Beide Tarife sind 
bereits fertiggestellt. Die Regierung kann nach 
eigenem Ermessen vorläufig den Minimaltarif sol- 
chen Nationen gegenüber anwenden, welche Frank—⸗ 
reich Vorteil gewähren. Für einen en dgilfigen 
Ahschluß ist jedoch die Benehmigung der Rammer 
erforderlich. 
Bern, 14. Okt. Nach einer Meldung aus 
Bellinzona vollzog sich die Wiederein-— 
setzung der fräheren Regierung des 
Tessin ohne Zwischenfall. Am Donnerfstag wird 
das dortige Dragoner⸗Regiment zurückgezogen, am 
Freitag in die Heimat entlassen. Zu der vom 
Bundesrat auf den 16. Oktober einberufenen Kon⸗ 
ferenz von Vertcetern beider Parteien lehnten der 
Präfident des Staatsrats ferner Führer von Kon— 
jervativen und Liberalen die Beteiligung ab. 
Bellinzona, 14. Olt. Die Einsetzung der 
klerikalen Regierung ist ohne Zwischenfall 
oder Protest verlaufen. „Wir fügen uns“, sagte 
Respini. Das Volk empfing ihn gleichgiltig. Heute 
Nachmittag geht die Uebergabe der Kasse und der 
Amisstuben vor sich. 
Madrid, 13. Okt. Amtliche Depeschen aus 
Manila berichten, daß zum Zweck der Züchtigung 
der Bewohner der KarolinenInsel Ponape 
ein spanisches Kriegsschiff das Dorf Mutalani 
bombardierte. Die gelandeten Truppen stürmten 
die Stellung der Eingeborenen. Sieben spanische 
Soldaten wurden getödtet und neunzehn verwun⸗ 
det. Die Eingeborenen verloren 160 Mann. — 
Der Minister des Auswärtigen, Herzog von Tetuan, 
joll, wie er dem italienischen Gesandten versprochen 
zatte, die gerichtliche Verfolgung derjenigen 
Redner des Katholikentages von Saragossa 
»erlangt haben, deren Ausführungen gegen den 
töonig von Italien gerichtet waren. 
Rom, 14. Olt. Der Papst soll fich ent⸗ 
chieden haben, fir den Straßburger Bi— 
schofstuhl einen Elsässer zu ernennen. Man 
jofft, daß die deutsche Regierung der Wahl des 
Bapstes sich nicht ernstlich widersetzen werde. 
Petersburg, 14. Okl. Nach einer Meldung 
des Warschauer Blattes „Wyk“ ging der Ortkspo— 
izei in Krementschuk der Befehl zu, dit 
Juden binnen fieben Tagen auszuweisen.