Full text: St. Ingberter Anzeiger

ähige Toͤchterchen des Spengelers Koörfmann. 
Das Kleine war in der Wohnung, Hasenfstraße 
Nr. 32, allein im Zimmer und hat vermuthlich 
ich am Ofen zu thun gemacht, sodaß derselbe aus 
isher noch nicht aufgeklärter Ursache umfiel. Das 
ind kam unter denselben zu liegen und das Feuer, 
sowie das kochende Essen fielen über das unglückliche 
Kind. Die erlittenen Brandwunden am ganzen 
Körper sind derart, daß wohl keine Hoffaung 
auf Erhaltung des Lebens vorhanden iß. (Pf. A) 
— Pirmasens, 28. Okt. Vom Rektorat 
der Realschule ist das Ersuchen an den Stadt⸗ 
xat gerichtet worden, neben der fakulativen Fort⸗ 
bdildungsschule, die zu gering besucht wird, eine 
Fachschule für Schuhmacher zu errichten, 
in welcher das Zuschneiden und Schablonenmachen 
gelernt werden soll. Der Stadtrat beschloß in 
gestriger Sitzung in diesem Sinne. — 
— Pirmasens, 23. Okt. Herr Dr. Eduard 
Engel aus Berlin hielt gestern Abend im Kauf⸗ 
männischen Verein einen Vortrag über Zonen⸗ 
tarif, der sehr großen Beifall seitens der zahl⸗ 
reichen Zuhdrer fand. In nahezu 114, stündiger 
Rede verstand es der Redner durch die sachüch 
uüberzeugende Weise, mit der er seine Anschauungen 
entwickelt, sowie durch die humorvolle, manchmal 
mit beißendem Wit durchsetzte Art, mit der er die 
porhandenen Mißstände geißelt, seine Zuhörer zu 
fesseln. Nicht den wohlhabenderen Klassen die am 
wenigsten reisen, wolle er fur die Zikunft noch mehr 
Begünstigung eingeräumt wissen, seine Adsicht sei 
ediglich in der Frage zusammenzufassen: Zu wel⸗ 
hem Preise und auf welche Art soll sich der Ver⸗ 
kehr von Mensch zu Mensch vollziehen? Seit Er— 
bauung der ersten, NürnbergFurther, Eisenbahn 
in Deuischland, also seit 538 Jahren sei der Fahr⸗ 
preis auf den Eisenbahnen derselbe geblieben. Der 
jetzige Tarif sei unerschwinglich für die große Masse 
der Bevölkerung und einem ganz armen Mann, der 
zar nichts besitze, sei es fast nicht möglich überhaupt 
die Eisenbahn zu benützen. Redier führt recht 
anschauliche Beispiele über die herrschenden Mißstände 
an, insbesondere über die durch nichts gerechtfertigte 
Art der Rabattbewilligung bei Relourbilletten, 
Rundreisebilletten u. s. w. An der Hand der 
Statistik weist er nach, daß ein Personenwwagen von 
24 Stunden des Tages nur eine Stunde rolle und 
23 Stunden stille stehe. Ein Beweis von sehr 
chwachem Verkehr sei darin zu erblicken, daß von 
100 Plaͤtzen erster Klasse nur 9 besetzt, 91 leer, 
bei der zweiten Klasse 80 leer und 20 besetzt und 
dei der dritten Klasse 75 Plätze leer und 28 besetzt 
seien. Redner bespricht dann in humorvoller Weife 
die Anficht, der Eisenbahnfachmänner, die dahin geht, 
daß je weiter die Entfernung sei, je mehr Seibst⸗ 
kosten würden für die Bahn entstehen und deßhalb 
musse die Fahrt auch bedeutend mehr kosten. Dieses 
jei grundfalsch und in neuerer Zeit eingesehen wor⸗ 
den. Der Lolkomotivführer, der allein Fachmann 
sei, frage nicht danach, wie viel Personen er zu 
befordern habe, sondern rechne nur mit Wagen, 
und für seine vorgeschriebene Strecke müsse er ein⸗ 
nal die Dampfkraft haben. Das Gesammt⸗Gewicht 
der Personen bei einem maßig besetzten Zug betrage 
nicht einmal sobiel, als ein Eisenbahnwagen, das 
menschliche G.wicht käme also gar nicht in Betracht. 
Bei allen hohen Preifen kame das Biliet in Deutsch⸗ 
jand für den Kopf der Bevöllerung nur auf 96 
Pfg. im Durchschnitt zu stehen. Ällen Mißständen 
jei durch einen Zonentarif abzuhelfen. Auf anderen 
Hebieten habe man ja schon Zonentarife z. B. bei 
der Post. Ein Brief im Octsverkehr koste 3 Pfg., 
im deutschen Reich 10 Pfg. und im Weltpostver⸗ 
ein 20 Pfg.; dies seien 3 Zonen. Im Packetver⸗ 
sehr sei es ebenso. In ähnlicher Weise will Redner 
den Eisenbahnverkehr eingetheilt wissen. Eine Fahrt 
m Nabverkehr bis 10 Kilometer Entfernung solle 
in 3. Klasse nicht mehr als 10 Pfg. kosten; nach 
zinem Ort bis zu 25 Kilometer 25 Pfg., bis 30 
Kilometer 50 Pfg. und darüber hinaus, im Weit⸗ 
verkehr 1 Mi. (Ein Billet für ganz Deutschland 
würde also in dritter Klasse 1 Mk. beiragen. Red.) 
Daß sich der Zonentarif bewähre, zeige sich in 
jenen Ländern, woselbst derselbe schon eingeführt 
st z. B. in Schweden, Oesterreich und Ungarn. 
In letziterem Lande habe sich der Personenverkehr 
pom 1. August 1889 bis 31. Juli 1890 ver⸗ 
doppelt. Die Mehreinnahme b.trug im ersten Jahre 
2 Millionen Gulden, der reine Üeberschuß LVA 
Mill. Gutden dei deiner Gesammteinnahme von 9 
Mih. Gulden. Für Bayhern berechnet Herr Engel 
die Mehreinnahme bei Einführung des Zonentarifs 
zuf 5 Millionen, für Deuischland auf 60 Millionen 
Hark jaährlich, ohne daß Mehrausgabeu erwachsen. 
Angesichts dieser Thatsachen könne Deutschland nicht 
urückbleiben und müsse den Zonentarif einführen. 
Banz besonders würde dieses Bedürfniß die baherische 
kFisenbahnverwaltung empfinden, da bei Reisen nach 
Wien Jeder bis zum Bodensee fahren würde und 
zann auf der ersten österreichischen Station sich ein 
illigeres Billet bis Wien nähme. Auch für Ar⸗ 
beiter, die zum Arbeitsplatz die Bahn benützen 
müssen, sei es unbedingt nothwendig, daß sie bis 
hdorten so billig als möglich befördert würden. 
P. Ziq.) 
— In Rheinzabern waͤrden in den letzten 
vier Wochen drei Einbruchssdiebstähle der— 
übt, deren Thäter j⸗tzt, Dank der eifrigen Recher⸗ 
hen der Gendarmerie, ermittelt wurde. Der Dieb, 
)er es jedesmal auf Geld abgesehen, und sich nach 
inander 50 Mk., 15 Mtk. 50 Pfg. und 3 Mk. 
ingeeignet hatte, ist ein Knabe von hier. 
— Landau. Dir hiesige GaftwiriheVerein 
veschloß in seiner letzten Versammlung, das 
Zürgermeisteramt zu ersuchen, die Polizeistunde, 
velche bis jetzt um 11 Uhr beginnt, auf 12 Uhr 
zu verlegen. 
— In Insheim hat der Gemeinderath 
zurch Beschluß die Makelgebühr bei Tabak— 
etkäufen auf 20 Pfennig für den Zentner fest⸗ 
zesetzt. 
— Germersheim. Am 14. ds. Monais 
vurde von einem Unbekannten ein Handkoffer als 
Passagiergut am hiesigen Bahnhof zur Beförderung 
ach Landau, aufgegeben, auf den die Nr. 235 auf⸗ 
jeklebt wurde. An demselben Tage langte auch ein 
Zoffer in gleicher Weise vom Bahnhof Pirmasens 
ab in Landau an, der zufällig mit der gleichen 
Nummer versehen war. Als der Germersheimer 
steisende in Landau seinen Koffer in Empfang 
nehmen wollte, geschah eine Verwechslung; ihm 
vurde der in Pirmasens aufgegebene ausgehändigt, 
ver für über 5000 Mk. Uhren und Goldwaaren 
nthielt und Eigenthum eines Kaufmannes aus 
darmstadt war. Der Empfänger, in dessen inzwischen 
eoͤffnetem Koffer Muster von Trikot- und Woll⸗ 
vaaren aufgefunden wurden, hat die Verwechslung 
nicht angezeigt, sondern ist mit dem fremden Koffer 
erschwunden. (Pf. 3) 
— Neustadt, 283 Okt. Die Versammlung 
der pfälzischen Schmiedemeist er wird hierselbs 
um Sondtag den 26. Oktober abgehalten. 
— Gräünßsßadt, 23. Okt. Anläßlich des 
)0sten Geburtsfestes des Generalfeldmarschalls 
rafen Moltke findet hierselbst kommenden 
Samstag, abends im Saale zur Jakobslust ein 
Festbankett statt. 
— Aus der Nordpfalz. schreibt 
nan der Pf. Pr.“: Die Kirchschaffneiverwaltung 
ABbermoschel hat das Ansuchen der prote- 
tantischen Kultusgemeinde Schiers feld um 
lebernahme der Hälfte der durch Anschaffung 
ines Chorrock's veranlaßten Kosten abgewiesen. Da 
iber laut einer Regierungsentschließung vom Jahre 
184849 in gleichem Falle die Kirchschaffnei zur 
Bezahlung der Hälfte angehalten wurde, so bedb⸗ 
ichtigt die Kultusgemeindevertretung Schiersfeld zur 
Wahrung ihrer Rechte sich an Kgl. Regierung bew. 
ven Kgl. Verwaltungsgerichtshof in Munchen zu 
venden. Man ist in beteiligten Kreisen in ge⸗ 
pannter Erwartung auf die Entscheidung in letzier 
znstanz, umsomehr, als sämtliche Gemeinden der 
Zgfalz, auch solche, deren Kultusbedürfnisse durch 
ie Kirchschaffnei bestritten werden, an ihrer auf 
iltem Herkommen beruhenden Verpflichtung der An⸗ 
chaffung und Unterhaltung des Seelsorgerornats 
zis jetzt nicht rüttelten. 
— Der allgemeine deutsche Sprach—⸗ 
»erein erklärt fich in einer öffentlichen Aus⸗ 
assung gegen die Uunrichtige Anwendung 
des „woͤchentlichen“ statt „wöchigen“ „täglichen? 
tatt „tägigen“ u. s. w. Verfallen doch nicht eiwa 
zlos eilfertige Berichterstatter, sondern auch bedäch- 
iger schreibende Schrifisteller in diesen Fehler. 
Täglich kann man in Tagesblättern von mehr⸗ 
vöchentlichen Reisen lesen. Aber, so fragt der 
Zprachverein mit Recht, sprechen wir denn von 
einem dreitäglichen Waffenstillstand? Oder gar 
pom siebenjährlichen Kriege? Soll der sogenannte 
Rormal ˖ Arbeitstag etwa achtstündlich sein ? Es 
niebt nicht, wie in vielen Gesetzen zu lesen ist, 
weiwöchentliche oder einmonatliche Fristen. Will 
nan die Zeitdauer bezeichnen, so heißt es „ig“; 
t man die Wiederkehr eines Zeitraums im Sinne, 
so sagt man ‚lich.“ Also: „Stündlich erwarte ig 
meinen Freund, um mit ihm eine dreiwochig 
Rese anzutreten.“ Aber: „Nach mehrflündigen 
Verhandlen bewilligte der Gläubiger woͤcheniliche Ab. 
jahlungen. Wierwöchige Pausen find Peusa, 
n der Dauer von vier Wochen: vierwöchentliche 
Pausen find Pausen, welche nach je dier Wochen 
intreten. Man boͤrt meist: halbjährliche Kundigung; 
es muß aber halbjährige Kündigung heißen. Nihl 
als ob die Kundigungs-Thatsache eiwa ein halbe 
Jahr lang dauerte; unter Kuͤndigung isi hiet 
kündigungsfrist gem int, und diese erstredt sich auf 
in halbes Jahr. Oder wollte Jemand etwa von 
ꝛiner treitäglichen Frist sprechen? Ist man in 
Zweifel, wie man sagen soll, so braucht man nur 
die gesuchte Wortbildung mit „täglich“ oder „tägig 
dorzunehmen, und man wird flets das Richtige 
inden. 
Vermischtes. 
7St. Johann, 23. Okt. Es geht dier das 
Gerücht, daß die oberste Militärverwaltung AÄbstam 
von der Erwerbung des an der Mainzer Chausser 
zelegenen Geländes genommen habe, auf welchem 
delauntlich KavallerieKasernemente 
exrichtet werden sollten; infolge der Anlage de 
Dampistraßenbahn seien die von derselben berührten 
Straßen für den Marsch von Kapvallerie nicht meht 
geeignet. Wir geben dies Gerücht hiermit einfach 
wvieder. (G. A.) 
f Aus dem Reichslande. Mit großer 
Befriedigung wurde beim Begräbniß des Eisenbahn⸗ 
Vorstandes in Altmünsterol die Anwesenheit 
von ca. 20 Beamten der französischen Ostdahn be⸗ 
merkt, welche sämmilich in Uniform erschienen 
waren. Es ist dies ein sehr erfreulicher Beweis, wie 
ich die Beziehungen des Grenzvberkehrs in letzter 
Zeit gebessert haben. Die französischen Beamten 
derkehren heute in gemüthlichster und ungezwungen⸗ 
ter Weise mit ihren deuischen Kollegen. 
F Karlsruhe. Da die in den Gegenden 
inseres Landes üblichen Volkstrachten und 
zie eigenthümlichen, charakteristischen zur Tracht, zur 
Zauseinrichtung und zum täglichen Gebrauch 
zienenden Gegenstände immer mehr eingehen, hat 
zas Justizministerium den Maler Eckert von hier 
beauftragt, die einzelnen Gegenden zu bereisen und 
jür die großh. Sammlungen geeignete Erwerbungen 
u machen. 
F Lauda Gaden), 22. Okt. Einen schönen 
Akt von Menschenliebe hat die Großh. Eisenbahn⸗ 
zetriebswerkflätte hier ausgeübt, indem sie für die 
zaselbst beschäftigten und von dem Brandunglücke 
in Gerlachsheim betroffenen 2 Arbeiter, Anton 
Ludwig und Wilhelm Doöpfner, eine Sammlung 
unter den betr. Beamten und Arbeitern veranstaltet, 
velche die Summe von 75 Mk. 40 Pfg. ergeden 
hat. Diese Summe wurde in der Weise vertheilt, 
daß Ludwig als der mehr Beschädigte 43 Mark 
17 Pfg. und Döpfner 31 Mk. 93 Pfg. erhielt. 
F Ein Kapuziner als Reservist. 
Unter den in letzter Woche nach Rastatt zu einer 
zehntägigen Uebung einberufenen Reservisten und 
dandwmehrmännern befand sich auch ein Kapuziner, 
Bruder Joachim von Sigolsheim im Elsaß. Der⸗ 
elbe ist Gefreiter, wird mit aller Zuvorkommeaqheit 
jon den Offizieren behandelt, ißt in der Unteroffi⸗ 
zier-Menage und ist von der abendlichen Putzstunde 
hefreit. 
F Mainz, 22. Okt. Als ein Kuriosum' 
vird uns mitgetheilt, daß in einem preußischen 
Irte am Rhein ein 19jähriges Mädchen dieser 
Tage eine Gestellungsordre behufs Meldung zur 
Stammrolle, bezw. späteren Aushebung zum Mili⸗ 
ärdienste erhieli. Da nun bis jetzt nichts bekannt 
ist, daß man in Preußen ein Amazonen⸗Korps zu 
zilden beabsichtigt, so läßt sich dieser drollige Irr⸗ 
hum nur auf eine Verwechselung oder auf eint 
mrichtige Eintragung in die Standesregister zurüd⸗ 
ühren. 
Eine raffinirte Schwindlerin 
jat iurzlich in Mainz ihr Unwesen getrieben und 
nehrere Leute um Hunderte von Mark betrogen. 
leber den Fall selbni wird von dort berichtet: Vor 
einiger Zeit kam zu einem hier auf dem Leichhof 
wohnenden Mann eine Frau, welche angab, daß 
ihr Mann in einer Moͤbelfabrik verunglüdt sei, 
daß ihr aber von der Unfallbersicherungsgesellschaft 
5000 Mk. ausbezahlt werden wüurden, doch erhalte 
sie diese Summe in zwei Raten zu je 2800 Mk. 
aber zu verschiedenen Terminen ausbezahlt. Zur 
Zeit, gab die Frau an, befände sie sich in sehr be⸗