Full text: St. Ingberter Anzeiger

tigen Tage bundesmäßig formirt seien. Der Kronprinz und sein 
Begleiter tragen bereits die bundesmäßige Uniform. Der Kron⸗ 
xrinz ist zum commandirenden General des zwoölften Bundes-Ar⸗ 
meecorps ernannt. — Der „Staatsanzeiger“ ist ermächtigt, die 
Berüchte von einer morganatischen Heirath der Königin von Eng⸗ 
land für unbegründet zu erklären. 
Berlin, 2. April. Gestern Abend hat die national⸗libe⸗ 
rale Fraktion des Reichstages ihren Vorstand beauftragt, eine 
Resolution in Betreff der luxemburgischen Angelegenheit zu ent⸗ 
werfen und sich deshalb mit den anderen Fraktionen zu verstän⸗ 
digen. Je nach dem Ergebnisse dieser Verständigung sollte die 
Resolution berathen, eventuell in das Haus eingebracht werden. 
— Die Beantwortung der Bennigsen'schen Interpellation durch 
den Grafen v. Bismarck hat in der Haupistadt im Allgemeinen 
den besten Eindruck hervorgebracht. 
Berlin, 3. April. Der „Staatsanzeiger“ enthält eine Ver⸗ 
ordnung über die vertragsmäßigen Zinsen in den neuerworbenen 
dandestheilen, wodurch die Wuchergesetze daselbst wie in den alten 
Provinzen aufgehoben werden. 
Wien, 29. März. Die prager „Politik“ schreibt: „Seit 
mehreren Wochen bereits gehen uns unausgesetzt Nachrichten von 
,stillen“ Rüstungen, Truppenzusammenziehungen und Truppenbe— 
wegungen zu, die wir zumeist Anstand nahmen, zu veröffentlichen 
Längs der ganzen türkischen Gränze scheint sich unsererseits ein 
rühriges militärisches Leben zu entfalten, und da ein solches rüh—⸗ 
riges militärisches Leben mit allem, was darum und daran hängt, 
mmer ganz erstaunlich viel Geld kostet, so dürften wir wohl 
chwerlich fehl gehen, wenn wir hinter alle dem etwas mehr als 
einen bloß militärischen Spaziergang vermuthen.“ 
Wien, 29. März. Gutem Vernehmen nach ist bereits die 
kaiserliche Entschließung ergangen, daß die aus Meriko zurückkeh— 
renden Officiere der österreichischen Freiwilligen“ von denen die 
erste Abtheilung schon Anfangs April in Triest eintrifft, wieder in 
die Reihen der österreichischen Armee eintreten dürfen. 
Pesth, 30, März. In der heutigen Sitzung des Unter— 
hauses wurde das Elaborat des Siebenundsechziger-Ausschusses, 
betreffend die gemeinsamen Angelegenheiten, mit 257 gegen 117 
Stimmen angenommen. 
Hamburg, 2. April. Einem Privattelegramm der „Ham⸗ 
burger Nachrichten“ aus Wien zufolge sind die 12 Feldartillerie⸗ 
Regimenter um je zwei Batterien vermehrt worden. 
Frankreich. 
Paris 30. Maärz. Die „Zeidlersche Korrespondenz“ läßt 
iich aus Paris schreiben: „Es gibt eine Partei in der Regierung 
und in den Tuilerien, welche bor einem Kriege — selbst bei der 
Ausstellung nicht zurückschrecken würde. Das Geschrei der strei⸗ 
tenden Parteien, besonders der Orleanisten, gegen Preußen ist im 
Grunde nur eine Kriegsmaschine gegen das Empire. Ihre Taktik 
zegen Napoleon isi die: die Aufrechterhaltung des Friedens un⸗ 
nöglich zu machen in der Hoffnung, daß er im Kriege untergehe. 
Das weiß die Hofpartei, sie zieht ein va banque der jetzigen Si— 
juation vor. Der Geist, der durch die Arbeiter und die studi— 
tende Jugend geht, ist auch kein behaglicher “· 
Paris, 1. April. Die aus Luxemburg und dem Haag 
rintreffenden öffentlichen Erklärungen über die Abtretungsgerüchte 
bringen endlich einige Gewißheit über den Sachverhalt. Das Ve— 
menti des „Staatscourant“ ist positiv, sofern es Diejenigen trifft 
welche von der Abtretung des Großherzogthums an Frankreich 
als einer bereits vollendelen Thatsache sprechen; dagegen geht aus 
der Bemerkung, daß eine solche Cession nur unter Zustimmung 
der übrigen Mächte erfolgen konnte, zur Genüge hervor, daß der 
konigliche Oranier für seine Person gar nicht abgeneigt wäre, ein 
io vortheilhaftes Geschäft mit Frankreich zumt Abschluß zu bringen 
aber es erhellt aus dieser Kundgebung zugleich, daß die für noth— 
wendig erklärte Zustimmung der übrigen Mächte, d. h. Preußens 
bis zur Stunde noch nicht erfolgt ist, und auch so wenig in Aus— 
sicht steht, daß man es schon für gerathen hält, das ganze Pro⸗ 
ject wieder in Abrede zu stellen. Sehr zu wünschen wäre es nun 
daß auch von Seiten eines preußischen Organs etwas zur Aufhel⸗ 
lung der Lage beigetragen werde. Die französische Regierungs— 
presse, die sich stets vorsichtiger Schweigsamkeit beflissen, wird über 
die Dementis wahrscheinlich ebenso leicht hinweggehen wie über die 
betreffenden Gerüchte selbst. Die Patrie begnuͤgt sich ein Extra— 
blatt der luremburger Union zu citiren und hinzuzufügen, das sie 
die Reserven mit welcher sie stets jene Gerüchte aufgenommen, 
wiederhole und es der Zeit überlasse, das Geheimniß. daß noch 
über der Frage schwebe, vollends aufzuhellen Auffallend ist es 
übrigens, daß nicht der Telegraph, sondern die „Independance“ 
die erste Nachricht von den officiellen Dementis hierher gebracht 
hat. — Morgen wird im Moniteur-die Ernennung Schneiders 
zum Präsidenten des gesetzgebenden Körpers erscheinen; derselbe 
hatte sich geweigert, mit dem blosen Titel eines Vicepräsidenten 
»en Vorsitz zu übernehmen. Zum ersten Vicepräsidenten wird 
derr Leroux, und zum zweiten J. David ernannt werden. Lez— 
jerer hatte bekanntlich auf die volle Erbschaft Walewski's ge— 
rechnet. 
Paris, 1. April.« Der Kaiser traf heute um 2 Uhr 5 
Min. zur Eröffnungsfeier der Universal-Ausstellung im Ausstel⸗ 
ungs⸗Gebäude ein. Er war in bürgerlicher Kleidung; die Kai— 
erin, welcher er den Arm gab, krug einen mit schwarzen Perlen 
jordirten schwarzen Sammetmantel und einen granatfarbigen Sam— 
nethut, der mit einer kleinen Guirlande und vergoldeten Eichblät⸗ 
ern eingefaßzt war. Die Prinzessin Mathilde begleitete die Ma— 
estäten. Es geschieht in den Berichten der Gegenwart des kai⸗ 
erlichen Prinzen durchaus keine Erwähnung, obgleich dem im 
MNoniteur gegebenen Programm zufolge, derselbe der Eröffnungs- 
eierlichkeit beiwohnen sollte. 
Der kleine Moniteur befleißigt sich in Bezug auf die Eröff⸗ 
aung der Ausstellung einer wahrhaft spartanischen Kürze. Er 
schreibt: „Heute den 1. April fand nach dem angezeigten Cere— 
moniell die Eröffnung der allgemeinen Ausstellung statt.“ 
Die „pPatrie“ erfährt durch Privatdepesche, daß vier neue 
Trausportschiffe, der ,‚Var“, die „Saöne“, die „Niovre“ und 
die „Durance“ von Vera⸗Cruz in Oran und Algier angelangt 
sind. Die Gesundheit der Truppen ist vortrefflihh. — 
Paris, 1. April. Das große Ereigniß des Tages ist die 
Fröffnung der allgemeinen Ausstellung, die nun doch trotz aller 
Hindernisse vor sich gegangen ist. Napoleon III. hatte heute wie⸗ 
der einmal bei Jupiter Pluvius die gewohnte Gunst. Nach vier⸗ 
wöchentlichem schlechtem Wetter war wieder ein wolkenloser fonnig⸗ 
schöner Tag. Es war aber auch fast die halbe Bevölkerung von 
Paris um das Marsfeld versammelt, und die wogende; Masse 
drängte sich so weit an den Ausstellungsplatz heran, als die grim— 
nigen Hüter des Gesetzes, die in großer Menge eine lebende 
Mauer um den ungeheuren Raum bildeten, es irgendwie gestat— 
teten. Alle die zahlreichen Avenuen und Straßen der Umgebung 
waren von Menschen dicht bedeckt, die allerdings nicht viel anders 
s'ahen als sich selbst; besonders die nivellirte Anhöhe auf den an⸗ 
heren Seineufer, der Trocadero, war mit Tausenden und aber 
Tausenden von Neugierigen besetzt, welche dem ganzen Schauspiele 
inen lebhaften bunten Hintergrund gaben. Diejenigen, welche 
nücklich genug situirt sind um zwanzig Franken für einige Stunden 
in der Ausstellung ausgeben zu können, hatten den Vorzug, schon 
hseute die noch unfertigen Räumlichkeiten betrachten zu dürfen, 
aber nur die Commissionzmitglieder der verschiedenen Staaten und 
— 
gihr Correspondent gehört, hatten eine Karte zum Eintritt in die 
S„äle erhalten, welche der Kaiser durchschreiten sollie. Die Da⸗ 
nen in deu Sälen waren alle infeiner Stadttoilette, die Herren in Frack 
ind weißer Binde. Die Traurigkeit dieses modernen maͤnnlichen Fest⸗ 
rostüms machte sich in den großen glänzenden Sälen der Galerie 
der Künste recht bemerkbar, besonders auch neben der eleganten 
und mannichfaltigen Toilette der Damen. Einige Abwechselung 
bot noch bei den Herren die übergroße Anzahl von bunten Bän— 
dern, Sternen und Kreuzen, mit denen die ausländischen Com⸗— 
nissare, besonders die Russen, bedeckt waren, vermuthlich zu be⸗ 
onderer Genugthuung für die anwesenden Chinesen und Japa— 
nesen. Am wenigstens waren die Engländer mit jenem Spiel⸗ 
zeug der heutigen offiziellen Welt versehen. Ihnen die Ankunft 
des Kaisers, seinen Rundgang durch den Maschinenraum, die 
Borstellung der fremden Commissäre, seinen Eintritt in den Cen— 
ralsalon zu beschreiben oder Ihnen den Inhalt der kurzen An— 
prache wiederzugeben, die das französische Staatsoberhaupt an 
ie Jury-Mitglieder richtete bin ich leider nicht im Stande. Denn 
die Eingeladenen waren buchstäblich eingepfercht in den verhältniß— 
näßig kleinen Raum desjenigen Saales, dessen Nr. sie auf ihrer 
darten hatten. Genng, um drei Uhr trat der kaiserliche Zug in 
neinen Saal ein. Voran gingen die Mitglieder der kaiserlichen 
Commission, der Graf Nieuwkerke und die beiden Präfecien von 
Paris. Dann folgten der Kaiser und die Kaiserin. Der Kaiser 
var in Civil, den Großcordon der Ehrenlegion um die Brust; er 
iah äußerst abgemattet und niedergeschlagen aus, ordentlich in 
ich zusammengesunken; sein Gesicht war gelb und eingefallen, 
eine Augen matt. Die Kaiserin schien zwar abgespannt, sonst 
ͤber doch graciös und freundlich wie immer. Der kaiserliche 
Prinz fehlte, dem offiziellen Programm zuwider, und diese That⸗ 
ache ist um so auffallender, als er in seiner Eigenschaft als Eh⸗ 
cenpräsident der Ausstellung eine Hauptperson bei der Feier sein 
jollte. Auf das kaiserliche Paar folgten die Prinzessin Mathilde, 
die Herzogin von Bassano, der Vicepräsident des gesetzgebenden 
sörpers Alfred Lerour, die Minister u. s. w. Veim Durchgange 
durch die Säle der einzelnen Nationen ließ sich der Kaiser die 
Mitglieder der betreffenden Eommission vorstellen. Die Vivats 
welche das kaiserliche Paar empfingen, waren, vielleicht der offi⸗