Full text: St. Ingberter Anzeiger

der aber in Württemberg bis an den Grenzen des Denkbaren an⸗ 
gelangt hein soll.Uebrigens spricht sich auch Graf Bismarck of⸗ 
ien über diese ernste Lage aus, vielleicht um den Reichstag in an—⸗ 
zgenehmer. Temperatur zu hallen. Man glaubt noch immer, daß 
am Mittwoch den 190. ds. die Vorberathung beendet sein wird, 
dann treten am Donnerstag die Bundesbevollmächtigten zusammen, 
zerathen die vom Reichstage beschlossenen Abänderungen, stellen 
den Entwurf mit denjenigen Abänderungen, denen auch die Bun⸗ 
desregierungen zustimmen wollen, zusammen und übergeben dem 
Reichstage diese Zusammenstellung zu beliebig langer Discussion, 
iber zur Annahme oder Ablehnung en bloec. — Dem armen 
herrn Dunker mögen seit gestern gewaltig die Ohren klingen und 
dem Kaiser Napoleon auch, dessen sonst so gute Polizei nicht ver⸗ 
hindern konnie, daß im Ausstellungsgebäude sich deutsche und 
französische Arbeiter geprügelt haben, weil letztere täglich eine 
Lorbeerktrone vom Haupie der Statue des Königs entfernten, die 
den nächsten Tag wieder um das Haupt gewunden wurde. Die 
Ausstellung ist übrigens noch lange nicht geordnet und deshalb 
werden sich auch die Sachverständigen vom landwirthschaftlichen 
Ministerium erst Ende dieses oder Anfang des nächsten Monats 
nach Paris begeben. 
Berlin, 8. April. Wie der Staatsanz. meldet, beabsich— 
rigt die Regierung die sofortige Berufung des preußischen Land— 
ages, nachdem die Vereinbarung der Bundesverfassung hergestellt 
jein wird. Die Conferenzen der Bundesbevollniächtiglen werden 
am 10. d. M. beginnen, um über die vom Reichstage beantrag⸗ 
sen Verfassungsänderungen Beschluß zu fassen. Der Zusammen⸗ 
tritt des preußischen Landiages soll bald nach Osiern er⸗ 
folgen. 
Berlin, 9. April. Die, Vossische Zeitung sagt: „Für ei— 
nen neuen Kriegsfall würde die Ausrüstung der Armee unverän⸗ 
dert wie im vorjährigen Feldzuge eintreten. Die norddeutsche Ar⸗ 
mee ist durchgängig mit Zündnadelgewehren bewaffnet und ebenso 
die neu errichtetet sächsischen Truppen. Die Befestigungen der 
eieler Bucht, so wie die von Alsen und dem Sundewitt sollen 
iu diesem Frühjahr bedeutend erweitert und rasch zu provisorischem 
Abschluß gebracht werden ·“·· 
— Wien, 4. April. Der „Koln. Ztg.“ schreibt man von hier: 
Obgleich einige Blätter die Allianz mit Preußen empfehlen, so ist 
in der Wirklichkeit an eine solche preußisch⸗ osterreichische Allianz 
bis jetzt nicht zu denken. Alle solche Gerüchte werden amtlich de 
mentirt, und man wird in Berlin wohl thun, nicht auf Oester⸗ 
reichs Großmuth zu rechnen, sondern sich darauf gefaͤßt zu machen, 
daß die österreichieche Regierung Preußens nächste Verlegenheit in 
der rücksichtslosesten Weise ausbeuten wird. Zur Kriegserklärung 
ist Oesterreich jeden Augenblick, so lange der Artikel Vades Pra⸗ 
ger Friedens in schwerlich zu entschuldigender Weise unausgeführt 
bleibt, vollkommen berechtigt. 
Wien, 8. April. Der franzöfische Botschafter ist heute nach 
Paris abgereist; dessen Zurückkunft wird nächste Woche erwartet. 
— Der osterreichische Kronprinz ist an dem jetzt allgemein herr⸗ 
schenden Kätarrh erkrankt, dessen Heilung einen langsamen Ver—⸗ 
lauf nimmt. 
Franukreich. 
Paris, 8. April. In der heutigen Sitzung des gesetzgeben⸗ 
den Körpers erklärte der Minister des Auswärtigen, Hr. v. Mou⸗ 
ttier in Betreff der luremburgischen Frage: Franreich hat diese 
Frage nicht ploöͤtzlich hervorgerufen. Die unentschiedene Position 
Limburgs und Luxemburgs führte Vorbesprechungen zwischen Hol⸗ 
and und Frankreich herbei. Auf eine Anfrage des holländischen 
Fabinets berief sich das preußische Cabinet auf die Verträge von 
1839. Frankreich mache die Erwerbung von Luremburgs von 
)rei Bedingungen abhängig: von der Einwilligung des Königs 
»on Holland, von der lohalen Prüfung der Interessen der Groß⸗ 
nächte und vom Ausspruch des Volkswillens vermittelst des all⸗ 
gemeinen Stimmrechts. Dann 'ist Frankreich geneigt, mit den 
anderen Mächten die Vertragsbestimmungen von 1839 zu prüfen. 
Es ist dabei von versoöͤhnlichen Gefinnungen geleitet. Wir glan— 
den fest, fügle der Minister bei, daß der europüische Friede nicht 
gestört werden wird.“ 
Paris, 8. April. Der Kaiser, wiederholt man, arbeitet an 
ꝛinem Manifeste an das Volk. Gestern hatte er längere Confe⸗ 
enzen mit dem Kriegs- und dem Marineminister. Die Waffen⸗ 
zabriken haben dringende Aufforderungen erhaulen, ihre Arbeiten 
zu beschleunigen und der mit der Anfertigung von Chassepot⸗ Ge⸗ 
vehren beauftragten Privatindustrie versprach man Prämien, wenn 
ie vor dem bedungenen Termine liefere. 
Paris, 8. April. Die wichtigste Nachricht ist heute, daß 
der König von Preußen seine Hierherkunft für den Sommer bes 
timmt zugesagt hat. Man schöpft daraus die feste Hoffnung, 
daß für dieses Jahr an keinen Krieg zu denken sei. Koͤnig Wů— 
helm wird in den Tuilerieen absteigen. Der König der Belgier wird 
bekanntlich schon⸗ in einigen Tagen hler erwarienz Uebrigens ist 
die Kaiserin jetzt won unwohlz 3. J 
Paris, 10. Aprik Rach der „France“ gibt ce keine Con⸗ 
erenz wegen. Luxemburg. Fraukreich wird mit den Mächten di— 
eci unterhandeln Die Pariser Stuͤdenten sandten einẽ friedliche 
Adresse an die deutschen Studenten. — 
NMusiland. 
Petersburg, 7. April. Das St. Petersb. Journ. sagt: 
Den überstürzten Urtheilen der inländischen Journale bezüglich des 
derkaufs des russischen Amerika gegenüber' könne es nur sagen, 
»aß eine beiderseits vortheilhafte und die erworbenen Rechte ach⸗ 
ende Transaction wahrscheinlich sei. Es würde sich⸗ darum hane 
»eln die ostsibirischen Häfen zu begünstigen, die Colonicen zuhe— 
»en und den beiderseitigen handelspolitischen Interessen im Stillen 
Ocean vollkommene Genugthuung zu gewühren. 
. Amerika. 
NeweYork, 6..April. Die theilweise Niederlage der— 
von Eseobedo commandirten Lieberalen wird bestätigt. Miramon 
st in ihrer Verfolguug begriffen. — Kaiser Marx ist nach Mexico 
urückgekehrt. * 
Die Festung Luxemburg. 
Abgesehen von der nalionalen und politischen Seite der Lu— 
cemburger Frage fällt letztere bekanntlich nanentlich wegen ihrer 
nilitärischen Bedeutung ins Gewicht. Es Nist daher von Juͤte— 
esse, das Object dieser Streitfrage in seiner militärischen Wich— 
igkeit kennen zu lernen. 4 
Die „N. Allg. Ztg.“ widmet diesem Gegenstand einen län⸗ 
jeren Artikel (ohne Zweisel aus der Feder eines militärischen Fach— 
nanns) den wir in nachstehender Form reproduciren 
Die Festung Luxemburg liegt auf dem linken Ufer der Mo— 
el, etwa drei Meilen von diesem Flusse, an der Alzette, einem 
leinen Nebenflusse der Sauer, welche in die Mosel faälli. Das 
zielfach gewundene, felsige Alzette-Thal ist von steilen Thalwän— 
den eingefaßt, welche eine absolute Höhe von 800 Fuß erreichen 
und meist senkrecht mauerförmig zur Thalsohl e abstürzen. Die 
Festung liegt auf den, dieses malerisch schöne Felsenthal umgeben⸗ 
den Hoͤhen, theils auf den nackten Fels gebaut, theils in denfel⸗ 
hen hineingearbeitet, welche Eigenthümlichteit dem Platze den Bei⸗ 
namen „zweites Gibraltar“ eingetragen hat. Die Befestigungs⸗ 
verke, welche einen Umfang von nahezu einer Meile umfassen, 
erfallen in zwei Haupttheile. Die sog. Oberstadt auf dem lin⸗ 
en Ufer der Alzette, jst auf drei Seiten durch die senkrechten 
Thalwände des Flusses, welchet einen weilen Bogen beschreibt, 
eschützt; nur die vierte Seite gestattet auf der Hoͤhe des Fels 
hlateaus eine (wenn auch schwierige) Annäherung, ist aber durch 
einen dreifachen Gürtel von Befestigungen und detachirten Forts 
zeschützt. Sie ist Krone und Centrum der ganzen Festung; eine 
rigentliche Citadelle besitzt sie nicht. Den Rebentheil bilden die 
Höhen auf dem rechten Älzette-Ufer, mit zahlreichen Befestigungs⸗ 
werken couronnirt, jedoch von geringerer Stärke, da die eigent⸗ 
liche Angriffs-Front auf dem linken Ufer liegt, Front gegen Nor⸗ 
den. Belagerungsarbeiten auszuführen ist schwierig, da der nackte 
Fels fast überall zu Tage tritt. Die Festung ist eine wahre 
Musterkarte fortificatorischer Anlagen. Nahezu 'alle Befestigungs⸗ 
Manieren von der Form des römischen Castells bis zu den Vau— 
an'schen Mustern und neupreußischen Forts sind hier vertreten, 
Alle Nationen von Bedeutung in Mittekeuropa, bis zu den Rö— 
nern hinouf, welchen die Festung ihre Entstehung verdanki, haben 
uremburg besessen. Der Platz hat wechselnd spanische, französis 
he, österreichische, wiederum fraͤnzöfische, und endlich preußische 
Zesatzung in seinen Mauern gefehen, ein Beweis, welche Bedeu— 
ung derselbe stets behauptet hat. Luxemburg ist zu wiederholten 
Malen angegriffen und belagert, einmal (durch Vauban) erobert. 
m Jahre 1814 überrumpelt worden. Seit dem Wiener Frieden 
»eutsche Bundesfestung mit preußischer Besatzung, ist es mit einem 
ostenaufwande: von mehreren Millionen in einen Waffenplatz 
ersten Rauges umgewandelt worden. Ein verschanztes Lager, wie 
Mainz, Coblenz, Köln, besitzt die Festung nicht, ist jchoch mit 
penig Aufwand an Zeit und Geld im Kriegsfalle“ herzuftellen 
Der Werth des Platzes ist zunächst ein negativer zu neunen, näm— 
ich dad irch, daß er sich nicht in den Häuden der Franzosen be⸗ 
indet. Bei einem Kriege mit Frankreich werden die deutschen 
Armeen voraussichtlich auf zwei Hauptkriegstheatern zu operiten 
jaben: Elsaß-Lothringen und Belgien-Niederthein, getrennt durch 
die Mittelgebirgslandschaften zwischen Mosel und Maas. Für den 
Fall der Offensive über Mittel⸗ und Oberrhein gegen Westen 
päre zunächst die wichtige Operationslinie Mainz-aijerslantern 
Netz, welche im weiteren Verlauf zum Mornethal führs, in Betracht zu 
jehrn. Diese Linie durchschneidet das Netz der zahlreichen ostfran⸗ 
ischen Festungen, deren bedeutendste hier die Moselfestung Metz 
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