Full text: St. Ingberter Anzeiger

Armeen, deren Bestand allen Gesetzen einer gesunden Volkswirihschaft 
Hohn spricht und jeden Augenblick die abscheulichste aller Barba⸗ 
reien, den Krieg, zu entfesseln droht. Mit solchen Soldatenmas 
sen ist es aber eben so wenig möglich, dauernden Frieden zu erhalten, 
als neben solch ungeheuren stehenden Heeren die politische Frei⸗ 
heit bestehen oder nur auftommen und die die Völker erdrückende 
Steuerlast verringert werden kann. 
Wien, 20. Mai. Die Sizungssäle der beiden Häuser 
des Reichstags haben bei der heutigen Eröffnung dieselbe Aus— 
stattung wie früher. Die Mitglieder des Herrenhauses erschienen 
fast alle in einer Uniform; der schwarze Frack ist nur spärlich 
bertreten. Von den Erzherzogen wohnte keiner der Eröffnungs 
sitzung bei. Die Physiognomie des Abgeordnetenhauses zeigt eben⸗ 
falls keine Aenderung. Die polnische Fraction sitzt wieder auf 
der äußersten Rechten; die kleine slovenische Fraction nimmt eini⸗ 
ge Sitze im rechten Centrum ein. Der Präsident Dr. Giskra 
erwähnt in seiner Ansprache der vergangenen traurigen Epoche. 
Mit tiefer Wehmuth müsse man auf die Verirrung jener Räithe 
der Krone zurückblicken, welche sich dem Wahne hingegeben hätten, 
auf der Basis der Sistirung und Verfassungs-Suspension den 
Neubau des Staates aufzuführen. Nur mit umflortem Auge könne 
der Freund des Vaterslandes zurückblicken auf jene Periode, wo 
dem Staate eine Provinz verloren gegangen, wo die tausend 
jährige Zusammengehörigkeit mit dem Mutterlande zerrissen wor— 
den sei. Allein mit Vertrauen auf eine bessere Zukunft könne das 
Haus jetzt rathen und thaten. Eine große und schwere Aufgabe 
sei dem Hause beschieden: politische und sociale Reformen 
der manigfachsten Art seien durchzuführen; zur Wahrheit müsse 
werden die Gleichberechtigung der Nationalitäten, die Gieichberech 
tigung der Confessionen, die Durchführung eines ehrlichen Consti 
tutionalismus, wie solcher einem anderen Theile der Monarchie 
bereits zu Theil geworden. Der Ausgleich mit den Ländern 
jenseits der Lertha sei in einer den beiden Reichshälften gerecht 
werdenden Form durchzuführen. Diese Ziele schnell und energisch 
zu erreichen, sei die Aufgabe des Hauses.“ Moͤge der Genius von 
Oesterreich dem Werke der Neugestaltung freundlich und foörderlich 
—— 
Haufes in deutscher bömischer, polnischer, ruthenischer, slovenischer 
und italienischer Sprache. 
Fraukreich. W 
Paris, 19. Mai. Man schreibt der „Köln. Z.“: Der 
Kaiser besuchte gestern die österreichische Ausstellung, wo ellektrische 
Minen⸗Apparate aufgestellt sind. Einer derselben sprang in die 
Luft, und das Gerücht verbreitete sich, der Kaiser habe Schaden 
genommen. Glücklicher Weise war die Ladung nur sehr schwad 
und der Kaiser kam mit dem bloßen Schrecken davon.“ 
Paris, 20. Mai. Der „Patrie“ zufolge wäre zwischen der 
Regierung und der Armeecommission des gesetzgebenden Körpers 
ein Ausgleich in der Art erfolgt, daß die Commission für die 
ses Jahr ein Contingent von 800,000 Mann annimmt, aber 
für die folgenden Jahre sich das Recht der jedesmaligen Feststel 
lung des Contingents vorbehält. Der „Moniteur“ meldet, daß 
der Kriegsminister auf Befehl des Kaisers die Militärloskaufs— 
jumme von 8000 auf 2500 Frs. herabgesetzt hat... 
— Paris, 21. Mai. Die Regierung soll, wie das „Jour— 
nal de Paris“ und die „Union de l'Quest“ vernehmen, mit dem 
Plan umgehen, Nanch in einen großartigen Waffenplatz zu ver—⸗ 
wandeln, der gleichzeitig mit dem Lager von Chalons, wie mi 
Metz und Straßburg in Verbindung gesetz wurde. 
England. 
.. London, 22. Mai. Ein Erlaß der Regierung verordnet, 
daß importirtes Vieh in den Häfen des Landes sofort ge— 
schlachtet werden muß. Nur von London, Harwich und South— 
hampton aus darf Importvieh lebendig weiter befördert werden. 
* Italien. 8 
Fiorenz, 18. Mai. Entgegen anderen Nachrichten meldet 
der „Movimento“, daß Garibaldi aus Verdruß über die Un— 
thätigkeit der Regierung und des Parlaments in der römischen 
Angelegenheit nach der Insel Caprera zurückkehren wolle, „um 
dort zu erwarten, bis das Uebel, welches seinen Gipfelpunkt er⸗ 
reicht hat, selbst das Heilmittel an die Hand gebe.“ — Ein anderes Blatt 
berichtet aus Rom, daß nach den dort vorgenommenen zahlreichen 
Verhaftungen viele junge Leute ihre Heimathstadt verlassen haben. 
V NRustland. 
Die Befugniß, eine Ehe zu schließen, ist den Militärper sonen 
in Rußland erheblich beschränkt. Dennoch bestimmt das Militär⸗ 
strafgesetzbuch (Artikel 458 und 459), daß jeder Militär, der un⸗ 
ter Heirathsversprechen ein Mädchen verführt hat, dasselbe eheli— 
chhen muß. Um diesen Widerspruch zu heben, hat auf Befehl 
des Kaisers der Kriegsminister neuerdings ein Reglement erlassen. 
wonach die Offiziere und nicht graduirten Militärs, die gewisse 
Standesvorcechte genießen und nicht an die Dienstzeit gebunden 
sind, für das obenerwähnte Vergehen aus der Armee gestoßen und 
auf 16 Monate bis zwei Jahre in ein Zuchthaus gebracht, alle 
anderen nicht graduirten Militärs aber im Falle gleicher Verschul 
dung auf ein Jahr in die Strafcompagnie gestellt werden sollen. 
Amerika. 
ReweYork, 7. Mai. Aus Matamoras in Merico gehen 
dem Courier des Etats-Unis folgende Nachrichten zu: Die Jua— 
risten hatten einen Kurier gefangen genominen, der bom Kaiser 
Maxi milianan dessen Stellvertreter, General Marquez, abge 
andt war; natürlich wurde derselbe erschossen. Juarez hat ein 
Dekret erlassen, welches den Angehörigen europäischer Staaten 
die das Kaiserreich anerkant haben, das Vorrecht det“ Immatri— 
culation,, d. h, ihrer Nationalität beläßt. lIle Fremden mit 
Ausnahme der Angehörigen der Vereinigten Staaten sind der 
Militärdienstpflicht und der Zwangssteuer unterworfen. J 
Echwurgerichtsfitzungen. 
AII. Quartal 1863. 
Zweibrücken 20. Mai. Verhandlung gegen Georg' Peter 
Stark, 29 Jahre alt, ledigen Tagner von Herrheim 
bei Landau, des Diebstahls im Verbrechensgrade angeklagt., 
.Der Angeklagte, der sehr übel beleumundet ist und von sei— 
nen letzten 15 Lebensjahren 2. Jahre in der Besserungsanstalt, 2 
Jahre im Gefängniß und 7 Jahre im Zuchthaus zugebracht hat, 
var Samstag den 29. Dezember abhin des Abends mittelst 
Zwangspasses zu Hause gngekommen. Des anderen Tags, Sonn— 
ags Mittags, hatte sich Georg Franz Kuntz, Ackerer in Herxheim, 
nachdem er die in den Hof gehende Hausthüre an seinem auf 
den sogenannten Kirchweg gelegenen Wohngebäude, sowie einen 
weiten Zugang aus der offnen Waschküche in das Haus abge⸗ 
perrt, das Hofthor aber offen gelassen hatte, mit seiner bei ihm 
wohnenden Schwester in den Nachmittagsgottesdienst' begeben. Als 
dieselben später wieder nach Hause kamen, bemerkten sie, daß die 
Verbindungsthüre zwischen der Waschküche und dem Hause durch 
Lossprengen des Schließklobens wahrscheinlich mit einer gewöhnlich 
im Hof stehenden, nachher aber in der Waschküche vorgefundenen 
Axt gewaltsam geöffnet war und daß folgende Gegenstände fehl— 
ten: ein ganzer Kuchen und ein Stück Kuchen, ein Paar schwatze 
und ein Paar gestreifte Hosen, zweil lederne und ein tüuchener 
Tabaksbeutel, ein Stockdegen, eine Pelzkappe, ein Mannshemd 
und ein Paax wollene, lederbesetzte Schuhe. Der Thäter war 
wahrscheinlich durch den Garten hinten eniwichen. Nachdem sich 
der Verdacht zuerst auf einen andern gerichtet hatte, erinnerte fich 
der gegenüber wohnende Nachbar, Wagner, an jenem Sonntag 
ungefähr um 2 Uhr herum einen kleinen Burschen mit dicken Ba— 
fen und blauem Kittel, welche Beschreibung ganz auf den Ange— 
clagten paßt, in die Wohnung des Kuntz hineingehen, aber nicht 
mehr herauskommen gesehen zu haben, glaubt auch heute in dem 
Angetlagten den fraglichen Burschen wieder zu erlennen. Nach 
Verbüßung einer einmonatlichen Gefängnißstrafe wegen eines in 
Frankreich begangenen Diebstahls wurde der Angeklagte über die 
Brenze geliefert, wobei er die schwarzen Hosen und das gestohlene 
Hemd von Kunzz trug, die er jedoch schon früher besesseu haben 
will. Von den übrigen abhanden gekommenen Effekten fand sich 
sonft nichts bei ihm vor. Stark will am fraglichen Sonntag, 
nachdem er die Nacht in einer Scheuer zugebracht, Herxheim in 
aller Frühe schon verlassen und des Nachmittags in Winzenbach 
im Französischen beim Maire um Arbeit nachgesucht haben. So— 
wohl Letzterer, wie ouch dessen Ehefrau erklärien jedoch, den An— 
gellagten nie zu Gesicht bekommen zu haben. Der Vertheidiger, 
Herr Rechtskandidat Schmidi, stellte auf, bei den Zeugen sei 
ein Irrthum sehr leicht möglich, die vorgefundenen Hosen und 
Hemd könnten auch leicht anderswo, her als von Kunz ruͤhren, aber 
selbst wenn der Diebstahl gegen Stark erwiesen sei, könne doch, 
da die Thüre nur mit einem Kloben schlecht befestigt gewesen von 
Einbruch nicht die Rede sein. Der Angeklagte wurde einfach schul⸗ 
dig erklärt und zu 6 Jahren Zuchthaus verurtheilt. J 
Vermischtes. 
k Professor Li ebig aus München, welcher bei einer Aus— 
tellungscommission als Präsident fungirt, wurde am vorletzten 
Sonntag zur kaiserlichen Tafel gezogen und ihm die Aufmerk⸗ 
amkeit erzeigt, daß für die Suppe Fleisch-Ertracie seines Sy— 
stems verwendet wurden. Der Kaiser unterhielt sich mit ihm in 
deutscher Sprache über die rationelle Nahrung der arbeitenden 
Klassen. 
t Die Nachforschungen zur Ermittellung der Moͤrder des 
Bäderlehrlings Corny, welhe nahezu wegen örfolglosigkeit einge 
tellt waren, sollen jetzt nach Mittheilung berliner Blaätter neue 
Anhaltspunkte gellefert haben. — —