Full text: St. Ingberter Anzeiger

solche Anforderungen gestellt werden, welche die Erzielung des 
constitutionellen Ausgleiches unmöglich machen, und da es nicht 
Unser Wille ist, die Kronung weiterhin zu vertagen, so erkläreu 
wir den Landtag für aufgelöst mit dem Vorbehalte, denselben 
bald wieder einzuberufen. 
Frankreich. 
Paris, 25. Mai. Einer der treuesten österreichischen Ad— 
jutanten des Kaisers Marimilian weilt augenblicklich in Paris. 
Er ist am 16. April von Mexico abgereist und brachte nun man— 
cherlei Aufklärungen über den damaligen Stand der Dinge in 
jenem Lande. Zehn Tage nach der Einschiffung des letzten fran⸗ 
zöfischen Bataillons war die Verbindung zwischen der Küste und 
der Hauptstadt gänzlich unterbrochen worden. · Der Kaiser Mari— 
milian selbst war am 18, März ploötzlich von der Haupiftadi auf⸗ 
gebrochen, ohne irgend einen fremden Begleiter, nur von Mexi⸗ 
kanern begleitet. Seit dieser Zeit hatte man keine Nachricht mehr 
von ihm empfangen. Er war entschlossen mit Marquez bis auf 
das Aeußerste zu kämpfen, aber ohne seine französischen und oͤster⸗ 
reichischen Freunde, um diese nicht der Rache der Juaristen aus 
zusetzen, und um als Mexricaner nicht als Fremder zu unterliegen. 
Sehr kritisch war die Stellung der 500 Oesterreicher, die noch in 
Mexiko sind, und schon jetzt beinahe Hunger starben, da sie ihren 
Sold so gut wie gar nicht ausbezahlt bekamen. Man glaubt 
übrigens daß die Person des Kaisers stets respectirt werden 
würde. 
Paris, 27. Mai. Die Uneinigkeit dauert in unseren 
offiziellen Kegionen fort. Sie erinnern sich, daß die beiden Ver— 
wandten Rouher und Lavallette schon seit langer Zeit durch Fa⸗ 
milienzwistigkeiten getrennt sind, welche des Ersteren zeitweilige 
Entfernung auf sein Landgut zur Folge hatten. Dieselben sind 
mit erneuter Heftigkeit ausgebrochen und werden höchst wahrschein⸗ 
lich die Entfernung des Ministers des Innern herbeiführen. Auch 
Hr. v. Moustier, mit dem man, wie Sie wissen, schon lange un— 
zufrieden ist, wird dann in den sicheren Hafen des Senates ein— 
laufen. Zu seinem Nachfolger ist der Furst Latour dꝰAuvergne 
ausersehen. Für diesen würde Lavallette nach London gehen. 
Paris, 28. Mai. Die Reise des Königs von Preußen 
nach Paris soll jetzt nach telegraphischen Nachrichten aus Berlin, 
auf den 4. Juni festgesetzt sein. Die Generale v. Moltke v. 
Treskow und v. d. Goltz werden den König bekleiden, der am 
14. wieder nach Berlin zurückkehrt. Für den Kaiser von Ruß⸗ 
land wird, nach der Patrie eine grotze Revue vorbereitet werden, 
an welcher 50 Bataillone, 530 Schwadronen und 18 Batierien 
Theil nehmen.“ Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Preu⸗ 
ben bleiben bis zur Ankunft des Kaisers Alexander in Paris und 
werden der Gala-Vorstellung am 4. Juni anwohnen, zu der sieb⸗ 
zehn gekrönte Hüupter und Prinzen angesagt sind. Es wird der 
4. Act der Afrikanerin und der 2. Act von Gisella gegeben; im 
Ballet werden alle Mitglieder des Balletcorps unter der Willis 
erscheinen. Die Ehrenloge wird in der Milte des Amphitheaters 
aufgeschlagen und der Architekt des neuen Opernhauses, Garnier 
hat bereits die nöthigen Arbeiten angeordnet. 
Eungland. 
London, 27. Mai. Im Unterhaus erklärte Disraeli, dem 
Fenier Burke sei die Todesstrafe von der Königin erlassen. — 
Auf Einladung der Königin wird der türkische Sultan im 
Juli nach London kommen. 
Italien. 
Florenz, 26. Mai. Nach der „Opinione“ soll die große 
Finanzoperation des Finanzministers Ferrara heute in Turin 
mit mehreren Bankhäusern von Paris, London uͤnd Frankfurt, 
die durch das Haus Erlanger und Co. repräsentirt waren, ab⸗ 
geschlossen worden sein. Die Regierung würde Obligationen im 
Besammtbetrag von 430 Millionen Lire ausgeben, die in 25 
Jahren rückzahlbar sind. 
Florenz, 28. Mai. Nächsten Samstag wird die Regie— 
rung dem Parlament den mit Erlanger u. Cß. erzielten definiti⸗ 
ven Abschluß der auf die Kirchengüter begründeten Finanzopera⸗ 
tionen vorlegen. 
Amerika. 
New-NYork 28. Mai. Das heute hier eingetroffene Jour— 
nal von San Louis Potofi“ meldel, der Prasident Juarez habe 
die Erschießung des Kaisers Marimilnan und der mit 
demselben gefangen genommenen Offiziere angeordnet.. 
Schwurgerichtssitzungen. 
II. Quartal 1867. 
Zweibrücken, 25. Mai. Verhandlung gegen 1. Peter 
Lutz, 31. Jahre alt, Mühlbursche aus Offenbach bei Landau; 2 
Max Wohlrab, 34 Jahre alt Muhlarzt aus Tirschenreuti im 
jenseitigen Bayern welche mit zwei⸗ weiteren flüchtigen Angeklag 
ten nämlich: 8. Remigius Zehentner, 27 Jahre alt, Mühl. 
bursche aus Irrsee, Bezirkgamt Kaufbeuren und 4 Aloys Hipp 
42 Jahre alt, Mühlbursche aus Ottersweier im Badischen. vor 
das Schwurgericht verwiesen worden sind, um sich wegen eines 
don ihnen gemeinschaftlich verübten Diebstahls von Frucht und 
Hemden zu veraniworten, ersterer durch den Rechtscandidaten Er 
belding, der zweite durch den Rechtscandidaten Sauter vertheidigt 
„Die NMühlräume des Müllers Wambsganz in Speyer, de— 
stehend aus Mahl- und Schälmühle, stehen mit dem Wohngebäude 
in innerer Durchgangverbindung. Am 30. Januar abhin erhielt 
Müller Wamsganz 830 Säcke Weizen, die am folgenden, Morgen 
in der Schälmühle aufgestellt wurden. Am 1. Februar in der 
Frühe entdeckte er alsbald, daß von den 80 Säcken Weizen 16 
im Werthe von 270 Gulden entwendet worden waren und daß 
das Hängschloß, welches die äußere Thüre des Wasser baustegẽ 
derschließt; erbrochen, aber auffallender Weise diese Thüre wieder 
jeschlossen und das Hängschloß selbst wieder so eingehängt war, 
als sei nichts geschehen. Wambsganz stellte sofort seinen Mühlbur⸗ 
chen, den Angeklagten Wohlrab, zur Rede, der jedoch von einem 
Diebstahl nichts gemerkt haben will. Wambsganz hatte blos einen 
Mühlburschen, den Angeklagten Wohlrab, der sich in der Nacht 
»om 31. Januar auf den 1. Februar allein in der Mühle be— 
fand, mit Mahlen beschäftigt. Der k. Polizeicommissar hat sofort 
jestgestellt, daß das fragliche Hängschloß unbedingt von innen er⸗ 
brochen, und daß die Säcke mit Weizen, wie die Spuren zeigen 
pon mehreren mittelst eines zweispännigen Wagens, der die badi⸗ 
jche Spurweite hatte, fortgebracht worden sein mußten. In dor 
Mahlmühle fand sich eine sogenannte Champagnerbille mit der 
höchst wahrscheinlich das Haupischloß erbrochen worden war. An 
dem Bretterverschlag des Wasserbaufteges fanden sich keine Spuren 
von Erbrechen oder Einsteigen. Wohlrab, mit aller Entschieden⸗ 
heit seine Unschuld betheuerad, wurde sofort verhaftet. Der kgl. 
Bendarmerie gelang es am 5. Februar der gestohlenen Frucht 
habhaft zu werden, wie auch die Diebe selbst zu entdecken. In 
der Garnisonsmühle in dem benachbarten Stadichen Philippsburg 
wurden die 16 Säcke Weizen beschlagnahmt. Dieselben waren 
»on dem dortigen Bäcker Hainzmamn am 1. Februat zum Mah⸗ 
en dahin gebracht worden, welcher zugestand, daß er den Weizen 
oon dem Käsehändler Dahm und dem Zimmermann Heilig von 
Philippsburg am 1 Februͤar um 230 fi. gekauft habe. Diese bei⸗ 
den im schlechtesten Rufe stehenden Individuen laãugneten hartnü⸗ 
fig, die Frucht an Hainzmann verkauft zu haben. Die Säcke 
selbst konnten nicht aufgefunden werden, und erst am 7. Februat 
zelang es der badischen Gendarmerien dieselben im Hochgestade 
des Rheins in der Nähe eines Ackers von Dahm zu finden, wo 
sie von diesem vergraben waren. Zugleich wurde hergestellt, daß 
vom 3. auf den 4. Februar die Angeklagien Lutz, Zehentner und 
Hipp bei Wirth Hildenstab in Philippsburg übernachteten, daß 
sie am Abend ein Häufchen Geld vor fich auf dem Tische gehabt, 
das sie unter sich getheilt, wobei fie in Streit geriethen. Der An⸗ 
zeklagte Lutz wurde unterm 15. Februar in Oberwalluf verhaf⸗ 
tet. Die Angeklagten Zehentner und Hipp konnten bis zur Stunde 
nicht zur Haft gebracht werden. Heilig und Dahm, anfangs jede 
Betheiligung an dem Diebstahle in Abrede stellend, ließen sich 
päter zu folgendem Geständnisse herbei. Am 81. Januar seien 
Lutz, Zehentner und Hipp zu ihnen nach Philippsburg gekommen 
und hätten bestimmt, in der Nacht vom 81. Januar auf den 1. 
Februar an der Wambsganz'schen Mühle fragliche 16 Sädee 
Weizen mit ihrem Fuhrwerk zu holen. In Begleitung des Hipp 
jeien sie Abends um 8 Uhr — Lutz und Zehentner waren schon 
poraus — mit der Fuhre nach Speher gefahren und daselbst um 
2 Uhr an der Wambsganz'schen Mühle angekommen, wo die 
Frucht schon herausgelegen habe. Nachdem sie mit Lutz und Ze— 
hentner die Frucht aufgeladen, seien fie nach Philippsburg zuruͤck; 
allda Morgens angekommen, sei die Frucht von Hainzmann in 
die Garnisonsmühle verbracht worden. Ob der Mühlbursche des 
Wambsganz, nämlich Wohlrab, an dem Diestahl betheiligt sei, 
önnten sie nicht sagen, vermutheten dies jedoch aus Aeußerungen 
der übrigen Mühlburschen. 
Während der Angeklagte Lutz Anfangs jede Betheiligung an 
dem Diebstahle in Abrede siellt, wurde durch die Untersuchung in 
Verbindung mit seinem späteren Geständniß, mit welchem er auch 
Jauptsächlich den Wohlrab zu belasten sucht, festgestelli, das gegen 
Iinde Januar die Angeklagten Lutz mit dem Spitznamen die, Raß“, 
dipp mit dem Spitznamen „Räuͤber“, und Zehentner mit dem 
Spitznamen „Bürgermeister“, sich in Neustadt getroffen haben. 
Nachdem sie einige Zeit mit einander herumgezogen waren, ka⸗ 
men sie gegen Abend am 80 Januar nach Speyer; Lutz und 
hipp gingen in die Sezzer'sche Bierwirthschaft, während Jehent⸗ 
ner sich in die Wambsganz'sche Müuͤhle begab, angeblich, um dem 
Wohlrab eine Pfeife zu verkaufen. Bald darauf kam Zehentner