Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wien, 3. Sept. »Nach der „Debaite hat Graf Bismarck 
durch eins Depesche an den ꝓreußischen Geschdtein, Legationsrath 
v. Heydebrand und⸗ det Lasc in Kopenhagen erklären lassen, den 
Vorichlag Zänemarks in Betreff direcker vertraulicher Unterhand 
lungen wegen der nordschleswig'schen Frage anzunehmen. — Das 
Wiener „Tageblatt“ enthält ein Telegramm, wonach- außer den 
französischen Kundschreiben noch besondere berichtigende Noter 
Frankreichs und Oesterreichs bezüglich der Salzburger Zusammen 
tunft nach Berlin abgehen werden. 
Wien, 3. Sept. Gutem Vernehmen zufolge haben alle 
nichtungarischen österreichischen Bischöfe die Aufforderung erhalten. 
sich in Bruͤnn zu einer Versammlung einzufinden. Es heißt, Frhr 
o. Beust beabsichtige, die Kirchengüter zur Regelung. der Staats 
schuld heranzuziehen. J 
Flensburg, 3. Sept. Die Hadersl. Tidende“ und di— 
„Apenrader. Nachrichten“ melden Folgendes: Die Dänenpartei 
veranlaßte in Hadersleben und Apenrade tumultuarische Auftritte 
dieselben wurden von Polizeimannschaften, Gensd'armen und Mi— 
litärpatrouillen niedergeschlagen. Auch in den nordschleswig'schen 
Lauddistricten sind Wahlscandale vorgekommen. 
Frankreich. 
Par⸗is“, 31. August. Während die „Epoque“ noch immer 
die Ausbreitung des Aufstandes in Spanien behauptet, sagt 
die, Correspondenz „Havas“: „Die vielverdächtigten Telegramme 
welche Ungünstiges über den Verlauf des Aufstandes berichteten, 
scheinen doch der Wahrheit näher gewesen zu sein als gegentheilige 
Meldungen einzelner Blätter; die im Ministerium des Innern 
eingegangenen officiellen Rapporte bestätigen die Ankunft der Ge 
nerale Pierrad und Coutreras sowie einer großen Anzahl spani— 
scher Insurgenten auf französischem Gebiete.“ Die „Liberte“ will 
wissen, daß in Madrid ein Ministerwechsel bevorstehe, nachdem die 
Königinwittwe Christine den General Prim gewonnen und ihre 
Tochter: vermocht habe, den Progresfisten unter Espartero das 
Staatsruder zu übergeben. 
Paris, 1. Sept. Die gestrige Börse war über die 
Rede- vonn Amiens sehrentzückt, und der „Constitutionnel“ erklärt 
dieselbs für die „Kronung“ der Reise, in der sich der kaiserliche 
Gedanke in voller Schärfe und Macht kundgebe. — Gestern Abend 
versammelten sich die hiesigen deutschen Vereine, um unter 
sich ein freundschaftliches Verhältniß und ein gemeinsames Zusam⸗ 
menwirken zunächst⸗ bei öffentlichen Feierlichkeiten nationaler und 
localer Natur anzubahnen. — Nach einem Telegramm aus 
Madrid vom 31. August Abends hat die dortige Regierung be— 
tannt gemacht, daß, da alle Gefahr vorüber wäre, sie die über 
die aufständische Bewegung einlaufenden Depeschen nicht mehr 
öffentlich anschlagen lassen werde. Trotzdem wollen wir bemerken, 
daß portugiesische Blätter in bis zum 28. gehenden Correspondenzen 
nur vom Wachsen des Aufstandes zu berichten wissen. — Der 
französische Kriegsminister hat die Aufhebung des Lagers von 
Chalons am 1. September und die Rückkehr der Truppen in ihre 
Garnisonen angeordnet. 
Paris, 2. Sept. Der Kaiser empfing gestern in den 
Tuilerien Djemil Pascha, welcher beauftragt war, einen Brief des 
Sultans zu überreichen, worin derselbe sich für die ihm gewährte 
Gastfreundschaft bedaukt. — Der Kaiser und die Kaiserin empfin⸗ 
gen die Königin von Württemberg und den Prinzen Otto von 
Bahern mit Ceremoniell. — Der Kaiser empfing den Patriarchen 
von Antiochien. 
Paris, 2. Sept. Der „Liberte“ gehen Nachrichten aus 
Spanien zu, denen zufolge in der Umgegend von Saragossa ein 
sehr ernsthafter Kampf stattgefußgden hat. Man erwariete die Ein— 
nahme von Saragossa. Die Stadt Bijar soll ihrerseits der Em 
dörung beigetreten sein. 
Ueber den Luxus und die Armuth in Paris schreibt der 
„Nürnb. Anz.“: „Ein Journal glänzender Feste, ein Wettstreit 
strotzender Tafeln und üppiger Gelage bewegte und berauscht noch 
in diesem Augenblicke die hohen und höchsten Kreise der Weltstadt 
Unvetantwortlich wird üßerhaupt mit den Geldern der Stad 
Paris umgegangen; allein nichts ist verletzender als die Prasserei 
einer Behörde (des Magistrats), die nicht von den Bürgern ge— 
wählt, sondern von dem Kaiser eingesetzt ist, um die Stadt zu 
regieren. Allein die armen Pariser durfen nur zahlen, zählen aber 
auf ihrem eigenen Boden gar nichts. Der Luxus, der in Tafel⸗ 
geschirr, Ausschmückung der Säle und Vorhallen bei Gelegenheit 
der Anwesenheit der Kaiser und Könige und sonstiger Feinschmecker 
entfaltet wurde, grenzt ans Fabelhafte und erinnert an die fetten 
Tafeln der römischen Kaiserzeit. Die Zeitungen erzählen, daß 
sogar Botaniker nach Sicilien und Afrika geschickt wurden, um 
Palmen und sonstige Südgewächse zum Schmuck der Treppen und 
GBallerien des Stadthauses massenhaft herbeizuschaffen. Hundert⸗ 
tausende sind dafür verausgabt worden. Würde man am Schluß 
seder dieser zauberhaften Festivitäten der hohen und allerhöchsten 
Herrschaften die 40,644 inscribirten Proletarier⸗Familien der Stadi 
Paris (105,419 Köpfe stark! vorführen und vom Stadthaus bis 
zu den Tuilerien Spalier bilben lassen, so müßte auch der extra⸗ 
„aganteste Aubetet des Gottesgnadenthums zur Ueberzeugung ge⸗ 
langen, daß all der Glanz und all die Herrlichkeit nur Trug und 
Lüge. Wo die Paläste der Herrscher am luxuriösesten ausgestattet. 
ist das Elend der Volker am größten. Außer jenen 105,000 
nscribirten Armen, die der Commune eine jährl. Ausgabe von 
3 Mill. verursachen, leben in der Hauptstadt der großen Nation 
noch beiläufig 400,000 Arbeiter (Frauen und Kinder inbegriffen), 
die ein kümmerliches Leben fristen und ohne die Privat-Wohlthä⸗— 
tigkeit nicht existiren könnten, denn die Miethe ist um das Zfache, 
alle übrigen Lebensbedürfnisse sind um das Doppelte gestiegen. 
In dem 13. Stadtbezirk (des Gobeliers) zählt man auf je 6 Be— 
wohner einen Armen, im 14. auf 9, im 20. auf 10, im 53. auf 
12. Bezeichnend für die Weltstadt ist nach Angabe offizieller sta— 
istischer Erhebungen der Umstand, daß jene 40,644 Proletarier⸗ 
Familien nur 40,131 Zimmer bewohnen — mithin kommt weni⸗ 
gzer als ein Zimmer auf die Familie. In 9600 Zimmern stehen 
2 Schlafftellen, in 5422 stehen 3, in 17704, in 142 5 und 
in einigen wenigen selbst 7. Was vermögen gegen diese massen 
hafte Verarmung die in der Weltausstellung auf dem Champ de 
Mars erbauten Musterhäuser, von denen jedes auf 6000 Fr. zu 
stehen kommt? Was die sanitätspolizeilichen Vorschriften und Ver— 
ordnungen, bei so ungesunder und unsittlicher Anhäufting einer Bet 
völketrung die größtentheils in unfauhere Lumpen eingehüllt? Das 
sind künstliche unnatürliche Zustände, eine Schmach und Schande 
unserer vielgepriesenen Civilifation!“ 
Spanien. 
Madrid, 2eSept. Die Regierung hat den Eingang aller 
fremden Journale, welche; die Frage der spanischen Insurrection 
unter günstigen Erwartungen für die letztere besprechen, verboten. 
Man fürchtet neue revolutionäre Erhebungen in den während dieses 
letzten Aufstandes ruhig gebliebenen Provinzen. 
England. 
London, 1. Sept. Aus Hongkong wird vom 12. August 
die Gefangennahme von 70 eingeborenen Christen ihrer Religion 
wegen gemeldet. — In Southampton ist der Dampfer Shannon 
aus Brasilien eingetroffen. 
Ricciotti Garibaldi weilt gegenwärtig in England. Der Globe 
hält es für wahrscheinlich, daß der Sohn hier sinanzielle Zwecke 
verfolge, welche zu des Vaters Planen in der römischen Frage iu 
Beziehung ständen. 
London, 2. Sept. Der „Globe“ erklärt das Gerücht: 
Aegypten werde England 5000 Kameele für die abyssinische Er⸗— 
pedition liefern, für unbegründet; alle Kameele werden von Eng— 
land anderweitig beschafft. 
Belgien. J 
Brüssel, 1. Sept. Auf Ersuchen des Königs begibt sich 
der ehemalige Justizminister Tesch behufs Regulirung der Nach— 
lassenschaft Maximilians nach Wien. V 
Luremburg, 30. August. Die preußische Garnison wird 
bis zum 9. Sept. unsere Stadt vollständig geräumt haben. 
Schweiz. 
Bei dem vom 9.-12. Sept. in Genf tagenden int er na⸗ 
tionalen Friedenskongresse kommen nachstehende drei 
Fragen zur Verhandlung: h) Ist die Errichtung eines Friedens⸗ 
reiches, nach welchem die Menschheit sich sehnt, als nach dem End⸗ 
ziel der Civilisation, vereinbar mit jenen großen Militärmonar⸗ 
hien, welche den Völkern ihre lebenskräftigsten Freiheiten entrei⸗ 
ßen, gewaltige Heere unterhalten und darauf ausgehen, die klei⸗ 
nen Staaaten zu Gunsten despotischer Centralisation zu unterdrü⸗ 
scken? Oder ist nicht die wesentliche Bedingung eines dauernden 
Friedens unter den Nationen die Freiheit der einzelnen Völker und 
in ihren internationalen Beziehungen die Errichtung einer Conför⸗ 
deration freier Democratien, welche die vereinigten Staaten Euro⸗ 
pa's bilden? 2. Welches sind die Mittel, eine derartige Conför⸗ 
deration der freien Volker anzubahnen und zu beschleunigen? 
Hiezu müssen wir zurücktehren zu den großen Prinzipien der Re⸗ 
dolution, welche endlich zur Wahrheit werden sollen; wir müssen 
jämmtliche iudividuellen und politischen Freiheiten wieder erringen; 
wir müssen an jede sittliche Thattraft apelliren, das Bewußisein 
wecken, den Volksunterricht verbreiten, die Vorurtheile der Race, 
der Nationalität, der Sekte, des Militärgeistes u. s. w. müssen 
ausgerottet, die stehenden Heere aufgehoben, die ökönomischen In— 
terressen durch die Freiheit in Uebereinstimmung miteinander, Po— 
litik und Moral in Einklang gebracht werden. 3. Welches möch— 
ten die besten Mittel sein, die Wirksamseit des internationalen 
Tongresses permanent und durchgreifend zu machen? Organisation 
einer dauernden Association der Freunde der Demokratie und Frei—