Full text: St. Ingberter Anzeiger

Rom, 13. Oct. Die Bewegungen der Insurgentenschaa— 
en daueru in den Grenzprovinzen fort, eine militärische Aktion 
i aber nicht stattgefunden. In Rom felbst herrscht fortwährend 
zollständige Ruhe. F 
Florenz. 12. Oct. Das römische Comite hat am 9. Oct. 
gie Leitung der rebolutionären Bewegung wieder übernommen und 
ne Einladung an die Bevölkerung Roms erlassen, die infurec— 
nelse Bewegung in den Provinzen zu unterst ützen. Eine Pro— 
samation Garibasdi's bequftragt seinen Sohn Menotti mit der 
zeitung der Unternehmung gegen Rom, bis er selbst werde an 
Itt und Stelle, erscheinen und die Führung übernehmen 
oönnen. In Rom werden fortwährend Verhaftungen bewerk 
jelligtc. 
Sis renz, 14. Oct. Die Vorposten Menotti Garibaldi's 
tehen por Nerola. Man versichert, Graf Pagliacci und andere 
ZFefangene seien in Rom füsilirt worden. 
Florenz, 15. Oct. Die päpstlichen Truppen haben Ne 
ola angegriffen, welches Menotti Garibaldi be,etzt hält, sie wur⸗ 
zen aber zurückgeworfen. Die Opinione vertheidigt die Haltung 
ler Regierung der römischen Frage gegenüber und sagt: Italien 
nüsse, trotzdem von anderer Seite mit einer Intervention gedroht 
vird, in das römische Gebiet einrücken, wenn die Interessen des 
Haterlandes und der Monarchie oder die Erhaltung der Ordnung 
m Lande es exrheischen. 
Türkei. 
Die „Allg. Ztg.“ berichtet: „General Langiewitz erhielt die 
Frlaubniß pom Sultan, alle Emigranten polnischer Nationalität, 
zie zerstreut in Frankreich, in Oesterreich und der Schweiz leben, 
jach der Türkei zu berufen, welche zwei Corps bilden werden, 
on denen das eine in Tultscha, das andere in Saktscha garniso⸗ 
ziren wird. Der Zweck derselben besteht darin, die Beziehungen 
wischen Rußland und den Bulgaren zu überwachen, beziehungs⸗ 
beise zu stören. 
Veremiscchte vs· 
4Webenheim, bei Blieskastel, 14. Oct. Gestern wurde un⸗ 
ere neue, mit einem Kostenaufwande von 80,900 fl. erbaute pro⸗ 
estantische Kirche durch Hru, Consistorialrath Moschel eingeweiht. 
Zowohl der letztere, als der Ortspfarrer Hr. Dahl sind hier ge— 
voren.“Der Bau der Kirche ist sehr gelungen. Das Fest war 
leider durch schlechtes Wetter getrübt. 1 
4.Zum Lot des Bundestages. Die in Darmstgdt erschei— 
nende „Mainzeitung“ theilt nachfolgende poetische Zeilen mit, 
velche bexeits in Jahre 1818 F. Lehne in Alzey unter dem 
Titei: „Die Roalfhsversammlung zu Querlegnitsch“ dem Gott sei 
Dank jetz seligen Bundestage gewidmet hat: 
goir brauchten Feit uns zu begrüßen 
Mit regem Mund und regen Füßen. 
Drauf aber haben wir beschlossen 
Rach vielen grundgelehrten Glossen, 
Die wir protokolliren ließen, 
Es sei, es sei — nichts zu beschließen; — 
Doch sehen wir es unverdrossen, *27 
Daß fernerhin die Reben sprießen, 
Daß fernerhin die Bäche fließen, 
And Gras noch wachse auf den Wiesen, 
Drauf haben wir einmal genossen, 
Die saure Arbeit zu versüßen, 
Denn wahrlich, es sind keine Possen, 
AUm nichts zu thun, berathen müssen. 
Dresden, 1. Oct, Schon der Dichter⸗Arzt Euricius Cor⸗ 
dus klagte: 
Drei Gesichter hat der Arzt. Kommt er auf Verlangen, 
Heißt man einen Engel ihn, hilft ex, — einen Gott. — 
Will er aber nach der Cur seinen Lohn empfangen,. 
Sieht er wie der Teufel aus, und wird ihm nur Spott. 
Diese alte Exfahrung, daß die Söhne Aesculaps, zumal wenn sie 
noch keinen großen Ruf haben, dvielfach theils schlecht, theils höchst 
(aumselig honorirt werden, hat jetzt in Sachsen zu einem eigen— 
hümlichen Project geführt. Es soll nämlich eine Bank gegründet 
verden, welche auf Verlangen jede ärztliche Liquidation mit 5 pCt. 
Ubzug baar auszahlt, den Betrag derselben aber unnachsichtlich 
don dem Schuldner einzieht, Dadurch wilrden die Aerzte eventuell 
nicht in die Verlegenheit kommen, selbst klagen zu müssen, und 
önnten auch boswillig schlechte Zahler kennen gelernt werden, um 
sie an die Armenärzte zu verweisen. 
4 Ein auf der Wieden bei Wien wohnhafter Fabrikarbeiter 
räumte vorige Woche die Nummern 76, 9, 88. Bevor er sich 
des andern Tages an die Arbeit begab, ging er zu seiner Gelieb— 
jen und gab ihr den Auftrag, die drei Nummern in die Lotterie 
u setzen. Diese vergaß aber darauf, und man denke sich ihren 
Schrecken, als sie am Mitiwoch de drei Nummernalß4 ge⸗— 
ogen angeschrieben fand. Sie kaunte den jähzornigen Chargkter 
7* 
hres Geliebten und schlief zwei Nächte bei einer Freundin, erst 
Freitag begab sie sich in ihre Wohnung. Wie sie es erwartete, 
d war es auch. Der Geliebte kam Abends nach der Arbeit zu 
hr und verlangte den Lotteriezettel. Als sie ihm darauf sagte, 
ie habe die Nummern zu setzen vergessen, da stand er einen Augen⸗ 
zlick wie gelähmt; endlich trat Schaum anf seine Lippen, und 
or Wuth zitternd, sprang er auf das Mädchen los, warf sie zu 
Boden, trat mit Füßen auf ihr herum, so daß sie ungsterfüllt 
nach Hülfe rief. Ihre Zimmerleute kamen herbeinund suchten den 
Wuͤlhenden zu bändigen, dieser sprang aber auf, und mit wirrem 
Auge und gräßlich verzerrten Gesichtszügen drang er mit seinem 
nzwischen gezogenen Taschenmesser auf die Helfer ein, und wenn 
nicht auf ihr Hülferufen mehrere Männer' herbeigeeilt wären, so 
vürden Beide von dem Rasenden ermordet worden sein. Man 
hand den Excedenten, der nun Alles mit sich geschehen ließ, et 
veinte und lachte, sang und scherzte, und der herbeigerufene Arzt 
rtannte sofort, daß der Mann wahnsinnig geworden war.n Man 
zrachte ihn in das Irrenhaus 
— Reisende, die in den letzten Tagen Luremburg besucht ha- 
zen, erzählen, daß mit Abtraguͤng der Festungswerke yier, sage 
pier Arbeiter beschäftigt sind. 
Eininternationales Bankett.) Es bereitet sich 
zegenwärtig auf der Pariser Weltausstellung ein großartiges Fest⸗ 
jelage vor, das selbst die pantagruelischen Genüsse des berühmten 
Hastnahles Frymalkion's, das Petronius in seinem Satyrikon so 
rrastisch schildert, hinter sich zurücklassen dürfte. Es handelt fich 
nämlich um ein internationales Bankett, das die Commissäre der 
remden Nationen zu Ehren der kaiserlichen Commission und des 
ranzösischen Commissariats veranstalten wollen. Damit diesem 
Fesie nichts fehle, was zu seiner Verschönerung beitragen kann, so 
sat man auch Damen eingeladen. Nicht allein die Speisen und 
zie Weine, sondern auch das Tafelgeschirr, Tischzeug u. sz w. 
vird von den fremden Nationen geliefert werden, und jedes Volt 
vird natürlich nach möglichst würdiger Vertretung streben. Eng— 
and wird das Wildpret zu diesem homerischen Gelage liefern, 
Schottland spendet Lachse, und das schwedische Rennthier wird 
jeben der tunesischen Gazelle vertreten sein z Ruͤßland bietet weiße 
Haasen; aus den Pyrenaen sind Gemsen geschickt worden; sogat 
zie hleine Republik von Andorra will nicht vergessen sein, sie läßt 
ich durch Forellen und weisze Rebhühner vertreten. Vor Allem 
aber spricht man von einem Riesenfische, der lebend gebrachk wor⸗ 
Jen ist und nun bis zum Feste, dem er, zum Opfer fallen soll, 
orglich gehütet wird; er ist aber so kolossal, daß man keine Schüs⸗ 
el hat finden können, die groß genug wäre, ihn zu fassen, man 
at demnach ein besonderes Gefäß bestellen müssen, das aus ver— 
ilbertem Metall gefertigt ist, unde die Form einer Pirogue: hat. 
Die Weine Griechenlands und Spaniens werden in böhmischen 
Blaͤsern perlen, der Tokgier wird mit dem Lacrymä Christiwett⸗ 
eifern, und der Constantiawein soll den Champagner ersetzen. 
Eine wahrhaft cosmopolitische Musik wird dem Gehör der Gäste 
allerhand Genüsse bereiten; Tyroler Jodler werden sich mit nea— 
politischen Piffergri abwechselnd vernehmen lassen. Kurz, es wird 
im eigentlichsten Sinne ein Gastmahl der Lucullus werden, das 
an die glänzendsten Gelage des antiken Roms erinnern wird; 
die fremden Kommissäre scheuen vor keiner Ausgabe zurück, und 
die ausgesuchtesten gastrouomischen Gesüsse aller Länder der Welt, 
werden jin Contribution gesetzt. —— 
4 Der „Figaro“ vernimmt aus Si. Petersburg, daß Fürst 
Hortschatoff, welcher 70 Jahre zählt, sich demnächst mit einer 
24jaͤr. von ihrem Manne geschiedenen Dame vermählen werde. 
Der Czar begünstige diese Verbindung, welche ganz Petersburg 
in Erstaunen setze, um einer Mesalliance eines Großfürsten vor— 
ubeugen. 
FParis, 12. Ott. Dem „Etendard“ geht ein Privat— 
Telegramm ans Saint-Etienne von gestern Abend 8 Uhr zu, 
velches meldet, daß in den dortigen Kohlengruben ein großes Un⸗ 
zlück vorgekommen ist, jndem durch die Entzündung von sogenann⸗ 
en schlagenden Wettern, ein Schacht perschüttetet wurde, in wel— 
hem eben gearbeitet wurde. Man kennt noch nicht genau die 
Zahl der Verunglückten. Siebzehn Leichen wurden bis jetzt her— 
orgeholt. Sieben Leute fehlen noch. Man gibt sich der Hoff⸗ 
nung hin, daß man sie noch lebend auffinden wird. 
7 In Mailand wurde eine angeblich sehr vornehmer Herr 
derhastet, welcher sich bald für einen Engländer, bald für einen 
Ruisen ausgah. Er ist aber ein großer Gauner aus Bayern, der 
in Chur einen bedeutenden Diebstahl verübt hat.. 
7 In Griechenland, namentlich in Messenien und Lalonien, 
anden vor einer Woche mehr oder weniger starke Erdstöße statt; 
die Stadt Gyttian (Maina) stand in Gefahr, von den Wellen ver— 
hlungen zu werden; an vielen Städten bildeten sich machtige 
erdjpalten. viele. Menschen wurden getödtet; auch in Patras, Chal⸗ 
3 und Athen wurde das Erdbeben verspürt.