Full text: St. Ingberter Anzeiger

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M 100. . u e 4 —ν— Samstaaq, den 2. Juli 3 .5, . 1 1870. 
— 4 i“ανν t: 
das Kolb'sche Neferat über das Militärbudget 
und die deutsche Frage. 8 
Schutze⸗ Deiithich dußerte füngst in seiner in Nürnberg gehaltenen 
zedt: „Der Kampf gegen die Mitität Wirthjchaft diide die Haupt⸗ 
ufgabe der deutschen Fortschritispartei in Preußen; dort sei das 
anontseld;nfalle“ der Militarismus in Preußen, so falle er in 
— 
iz Ziel ihrer“ Beftrebiungen, die Entwaffnung sich gesetzt und sie 
echne auf die Unterstützung des sunddeutschen Volkes.“ Nun da 
sabt ihr's, hoͤre ich aus volkepartenli hem Lager rufen, das ist die 
lanzendste Rechtfettigung für Kolb's Vorschläge! Mit Nichten. 
Derden wir wirklich, angenommen die Kolb'sche Anbahnung des 
PNilizsystems ginge in Bayern durch, damit unseren politischen 
jreunden im Norden“ eien Dienst erweisen? Wir werden das 
hegentheil damit, erreichen!“ Denn es ist“klar, daß nach den 
zolb'schen Vorschlägen das bayer. Heer nicht mit den norddeutschen 
kraften ebenbürtig in Aktion treten kann, ja es hätte nach den 
tedensarten det ultramontanen und Volkspartei⸗Blätter der baye⸗ 
ischen Armee nicht nur nicht als Bundesgenosse sich zu geriren, 
ondern als Feind dem Nordbund gegenüber zu treten. Werden 
un die Redner der vorgeschrittennen liberalen Partei in Preußen 
ei dem bevorstehenden Wahlkampf b im Volke mit ihrem Drängen 
iuf Entwaffnung viel Anklang fiaden? Wird das Voll von Preußen 
ind Norddeutschland, das Dank seinem trefflichen Heere 1866 
einen Feind auf seinem Boden sah und von Sieg zu' Sieg schritt, 
ucht sagen: Erst will ich gesichert jein, ehe ich entwuffne es lostet 
em Volle vielmehr Opfer, wenn ez den Feind in das Land her—⸗ 
in bekommt und besiegt wird, als“ wenn es jetzt die allerdings 
roße, jedoch bereits von 1815 dis 1870 bei trotzdem steigendem 
Dohlstand ausgehaltene Militärlast trägt. Und' die Folge wird 
ein, daß das Volk in Norddeutschland, so lange Süddeutschland 
At lauer Freund oder gar enva feindllich sich zeigt! zu den kon⸗ 
erdativen und national⸗liberalen Parteien seine Vertreter schickt 
ind es zeigt dabei blos politische Bildung.“ Es zeigt dabei 
ine großere politische Reife als das Volk von Bayern, 
ind als das Volk von Belgien. die beide bei den letzten 
Dahlen eine Mehrheit von Ultramontanen wählten; eine größere 
deife als die deutschen Provinzen in Oesterreich, wo blos die 
diassenwahl noch den förmlichen Sieg des Ultramonianismus, der 
hnedies sehr viel Terrain gewon nen hat, aufgehalten hat der aber 
rei direkten Wahlen, wie zum Reichssstag in Berlim, nirht ansge; 
lieben waͤre. Das ist dieser Popanz des Ultramontanismus, von 
em die Votkspartei zur Zeit der bayerischen Wahlen faselte. Die 
nahme der Kolb'schen Vorschläge in Bayern würden also in 
dreußen das Volk mit bestimmen, den konservativen und liberalen 
Nittelparteien seine Vertreter zuzusenden und statt einer Entlastung 
n Militärdruck wäre der eiserne Bestand vorläufig gesichert: das 
zäre der Rückschlag auf, den Nordbund. — Und was würo. das 
lusland, was vor. Allem Fraukreich für, eine Lehre ziehen ?. Die 
canzösischen Chauvinisten, die ebenso auf, der rechten, wie auf der 
nnken Seite des gesetzgebenden Rörpers sitzen, der kaiserliche Ma—⸗ 
eluf Lagueronniere und der unversöhnliche Ferry gehen da Hand 
n Hand, würden sofort fühlen und begreifen, daß die Spitze 
ines Votums der bayerischen Kammer für die Kolb'schen Anträge! 
egen Preußen gerichtet wäre, und die Kriegshetzereien fänden neue 
dahrung. Würde man doch für Fraukreich, wenn auch keines regulären 
aherischen Heeres, doch der nächtlichen Axt“ der Bauernvereine 
iher sicher sein; der allmäblich erstarkende Friedenszustand mit all' 
tinen Segnungen für das ganze Volk würde von Neuem in Frage 
estelt und schon die vor dem wirklichen Kriege eutstehenden Opfet 
vdürden glößer sein, als das Opfer eines hohen Militärbudgets — 
bas aber ist zunächst die Frage von Bayern? Das „baherische 
saterland,“ dieses edle Blott, das in französischen Zeitungen öfter 
uiirt wird, als in deutschen, hat die Stellung Bayers ganz richtig 
tbenvzeichnet. wenn es sagt: „Wir müssen mit Aenderung des 
dehrsystems durchgreifende Ersparungen einführen; Bayern ist un⸗ 
nqreifbars: Frankreich und Oesterreich wachen als Schutzengel über 
uns; daß uns keine preußischen Räuber in's Land fallen. Wir 
ind sicher. menn es keine Veräther im Lande gibt. die Volk und 
dand für preußissches Geld an die Preußen verkaufen, sicher, wenn 
vir, fulls die preußischen Räuber Miene machen, uns anzugreifen, 
uns unter den Schutz unserer Schutzengel, der enropäischen Gen⸗ 
armerie flüchten, die jeder Zeit auf unserer Seite sein wird, wenn 
wir nicht durch muthwillige und thörichte. Verstärkung unsden 
Unschein geben, als wollten wir die Macht der Räuber verstärken, 
jegen die sie uns in ihrem' wie“ in unserem Interesse schützen 
vossen.“ Welche Fülle von niedriger Gesinnung in der Verdächtig⸗ 
ing anderer Parteien, in⸗ dem Mangel von jedem deutschen Pa⸗ 
riotismus ist in diesen wenigen Zeilen enthalten? Solche Lektüre 
vird dem süddeutschen Volk geboten und es nimmt es als Evange⸗ 
lium an. Eine Stellung unter dem Schitzz des stets noch euf den 
hein lauerrden Frankreich; und; des Allenthalben bankerotten 
Desterreich wird dem Staat Bayern, wird dem König don Bayern 
ingeniuthet, während derselbe als angesetzenster Fürst nebn dem 
Bundesoberhaupte in dem zum deutsichen Bunde erweiterten Nord⸗ 
zund seine nationale Ehreupflicht erfüllen könnte, während zugleich 
im gemeinsamen Neichstag die Vertreter des bayerijchen Volkes 
mit denen Gesammtideutschlands tagen würden. Und wie wird man 
mit Bayern bei einem großen Kriege, der nach dem Wunsch der 
Bundesgenossen Kolbs unausbleiblich ist, verfahren 7 Lir haben 
eine Furcht, daß Oesterreich und Frankreich siegen, den Deatsch⸗ 
lands Sonne ist im Aufgang; aber würden nicht Oesterreich und 
Fraukreich Theile von Süddeutschland in ihrem æigenen Interesse 
jich annektiren müssen, selbst wenn Bayerns. Bauernvereine Ver— 
bündete wären ? Und würde nicht, wenn das junge Deutschland 
siegt, über Bayhern. ebenso, wie über Hannover, dem es einst 
Beunigsen prophezeite, zur Togesordnung übergegangen werden, 
wenn es nicht mit aller Opferbereitwilligkeit an der Seite seines 
norddeutschen Vundesgenossen gekänspft hätle?! Wir. schen, daß 
ine Abrüstung Bayerns auf allen Seiten Gefahren für Bayern, 
Befahren für den allgemeinen Frieden, wit sich briugt. Ein-r 
Abrüstung, einer Desorganisirung des bayerischen Heeres kommt 
iber neben anderen Anträgen die 8monatliche Präjsenzzeit Klolb's 
zleich. Mit 8 Monaten kann man nicht, zumal wenn man etwa 
noch, wie die Ultramontanen wollen, das siebente Schutjahr ab⸗ 
chafft, einen Soldaten heranbilden, der den Heeren des Norodeut- 
chen Bundes,“ Oesterreichs und Frankreichs ebenbürtig ift. — 
Wirst man damit die kaum in's Leben getretene Wehrverfussun 
vieder über den Haufen, so macht man Bayern zum willenlosen 
lusgleichsobjekt ver· Sieger. Das ist, der Grund, warum die 
ationalgesinnte Fortjchrittspartei Kolb's Anträge nach dieser Richt⸗ 
ing verwerfen muß, wenn sie auch sonst eine große Reihe von Erspar⸗ 
nissen für dringend nothivendig und für möglich hült; denn wir wün- 
chen bei einen Ansch luß an den Nordbund Bahyern als selbftständigen 
Zundesstaat dem deutschen Bunde eingeiügt, keinen preüßischdeutschen 
Fenheitsstaat. Das ist auch der Grund, warum die Utramontanen 
uicht alle mit Kolb stimmen wollen, weil sie doch soviel einsehen, 
»aß Bayern mit einem- wohlausgerüsteten, schlrafertigen Heere 
nächtiger ist, als mit einer im günstigsten Fall den Ktrieg in die 
dänge ziehenden und in das rigent Land die verheerenden Schlachten 
verfegenden Miliz. Gingen bei der Kanmer in München solche 
Borschläge durch, dann wären uns die 18 Milltonen; die Kolb, 
jür das Heer bewilligen will, noch viel zu viel; danu wollen wir 
ein Heer, dessen Rekruten höchstens nothdürftig zum pastlichen 
Zuavendienst vorbereitet werden, dann wollen wir wenigsiens, bis 
die schwerer Zeiten kommen, ohne Last und Bürden fröhlich 
n den Tag hinein leben. Lieber gar kein Heer, als ein 
ingenügendes, das, schließlich nur die meister Opfer an Blut 
ind Geld kostet, wie erst 1866 bewies. — Uber sollen 
wir“ dann den Kampf gegen, die Militärlasten, den Ver⸗ 
uch, das stts von Waffen starrende Curopa zur Abrüstung 
u. bringen, aufgeben!? Gewiß nicht! Aber nur getint mit unseren 
desinuungsgenossen, allen, deuisch und freigesinnten Männern im 
storden unjeres Vaterlandes. ist es möalich in dieser Sache etwas