Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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MIG 1370. 
zDSDeutfschland. 
ansen, 20. Ott. Die „Korresp. Hofmanm“ meldet 
der Minister des Aeußern, des Kriegs und der Justiz sind heute 
norgen zu Folge königl. Befehls über Stullgatt, Karlsruhe nach 
bersailles ins Hauptquartier abgereist zu Verhandlungen uͤber die 
xutsche Frage. Der Minister des Aeußern wird begleitet von dem 
lttache* Graf Hugo Lerchenfeld. 
„Berläin, 49. Olt. Das vielverbreiteie Gerücht, Meß habe 
apitulirt. ist vöslig grundlos. Der Abgesandte Bazaine's verließ 
as Haupiquartler underrichteler SacheGenera Burnside bot 
ꝛen Waffenstillstand unter der Bedingung an—. daß Preußen seine 
hige Positionen behalte, dagegen werde die Constituante sofort 
erufen, um derselben den deutschen Friedensvorschlag zu unter 
reiten. Jules Favre lehnte diesen Vorschlag ab (R. Fr. Pr.) 
Berlin, 19. Ott. Die Börsenzeitung“ meldet: Det 
general⸗ Adjutant Vazain's, General. Boyer, war im königl. 
szauptquartier und hat mit Moltke und Bismarck wegen der 
zapitulation von Mez verhandelt. Deutscherseits stnd die äußersten 
hedingungen, für fünf Tage bindend, festgesetzt worden. Boyer 
st damit gestern zu Bazaine zurückgekehrk, um dessen Genehmigung 
inzuholen. 
Aus dem Haupiquartier des Obercommandos der 3. Armee, 
Verfsailles, 9. Oll. wird gemeldet; Am heutigen 
Sonntag versammelten sich mehrere Hundert protestantische Sol⸗ 
aten um den Oberbefehlshaber der 3. Armee zur Andacht in der 
dirche des Schlosses zu Versailles. Der Eindrug dieser Versamm⸗ 
ung wurde noch gehoben durch die Gegenwart einet größeten An⸗ 
ahl von leichtverwundeten Kriegetn, denen ihr Zustand den kürzen 
gang aus dem im —AD erlaubt hatte. 
der Chor und die. Seitenschiffe waren von den Truppen einge 
ommen, der übrige Raum blieb für das Offiziers Corps, das den 
kronbrinzen auf dem Vorhofe des Schlosses erwartete und dann 
nit demselben die Kirche betrat. Die Feier begann mit dem Psalm: 
Lobe den Herrn meine Seele,“ der von einem Soldatenchor aus 
jefülhhrt wurde. Es folgte der Gesang der Gemeinde, von Militär⸗ 
nustt begleitet. Die Predigt entwidelte den Gedanken, daß die 
eutsche Armee nicht nur ein Volk in Waffen,sondern auch ein 
dolk von Gläubigen sei, das in der Strenge religiöser Zucht von 
rüh an die unbedinkte Hingabe an die Pflicht erlerne; jenen Ge⸗ 
zrsam der Treue, der den Vorzug und die Stärke des deutschen 
deeres bilde. J 
Versailres, 20. Okt. In der Nacht vom 19. zum 20. 
ilarmirte vor Paris der Feind durch heftige Kanonader aus den 
forts und wiederholte Vorstöße von Infanterie die preußischen 
dorposten in der Nähe von Cbevilw ohne diesseilige Verlufte 
. Podbielsti. 
Hamburg 19. Oct. Den „Hamburger Nachrichtent wird, 
ws Helgoland' vom 14. Okt. geschrieben? „Die franzostsche Flotte 
heint fich auf Caperer zu legen. Am 12. Oktober, am Tage 
iach ihrer Ankunft, nahm sie einen norddeutschen Schodner und 
ine Brigg. Beide Schiffe wurden in Schlepptau genommen und 
ingen Abends mit dem gesammten Geschwader, nach Weften. 
dachts zwang ein heftiger Sudoftwind die Flotte, weiter seewärts 
u gehen. Sie lag am: 13. Ott. Nachmittags, als der Wind 
uchgelassen hatte, 6 Meilen nordwestlich von Helgoland, ebenso 
ie am 12. gekom nene Brigg; der Schooner aber war nirgends 
u bemerken. Erstere ist heute ebenfalls verschwunden, vermuthlich 
uuden beide Schiffe nach Frankreich geschickt. Allabendlich geht 
ie Flotte nach Wasiem und kommt gegen 10 Ühr früh wieder in Sicht. 
Graktisch.) Angesichts der steten Angriffe auf unsere 
bosten in Frankreich hat ein Etappen⸗Commandant, Oberst von 
Nücher. die Anordnung getroffen, daß in jedem Abgangsort der, 
xüürgermeister dieses Ortes den Postwagen desteigen und denselben 
* zur nächsten Station begleiten muß. Seilvem ist keine Post 
ehr anfgehoben oder beschosfen worden. — 
Frankreich. 
Wie aus Tours berichtet wird, 
hat Gambetta dem 
Genetal Bourbaki das Obercommando über alle französischen Streit⸗ 
rräfte, die sich außerhalb Metz und Patis befinden, angeboten. Der 
Beneral hat sich bis jetzt geweigert, eine so große Verantwortlichteit 
auf sich zu nehmen. 
Der Correspondent der „Dailye News“ in Tonr 8, welcher 
von dort einen Abstecher nach Orleans machte und fast unmittel⸗ 
zat nach Besetzung der Stadt durch die Deutschen eintraf, gibt 
'n seinem Blaite einen längeren Bericht über den Kampf um Or⸗ 
rans, dem wir nachstehendes entnehmen Früh morgens griffen 
ie Preußen an; und trieben die Franzosen gegen die Stadt zuruck, 
ais sich der Rückzug schließlich in eine Flucht verwändelte. Am⸗ 
Morgen waren zwar Verstärkungen in Orleans eingetroffen, abr 
rotz des roslenden Kanonendonners blieven sie ruhig in der Stadi, 
ind die Offiziere — welche, wie fier sagtem ohne nalle Ordre 
oaren — faßen wie gewöhnlich im Cafe und spielten Karten, 
vährend die Mannschaften theils in den Straßen umherpolterten, 
heils betrunken oder schlafend auf den Trottoirs lagen. Sobald 
ann aber der Strom der Fliehenden sich durch die Straßen waͤlzte, 
hlossen diese Leute sich demselben an, warfen ihre Gewehre weg 
der zerbrachen sie, und suchten gleich den im Feuer Gewesenen 
iligst auf die andere Seite der Loire zu kommen. Die Mobil⸗ 
jarden hielten sih viel walkerer, als die Linientruppen, und selbst 
als die letzteren schon läugst das Feld geräumt hatten, hielten sie 
noch Stand und feuerten auf die heranrückenden Deutschen. Auch 
zie Fremdenlegion kämpfte mit ungemeinem Muthe und wurde 
ast gänzlich aufgerieben, am besien von allen aber fochten die 
»äpstlichen Zuaven, welche den Eingang der Stadt lange verthei⸗ 
digten. Auf der Rücktehr nach Tours sah der Berichterstatter 
ꝛine unbeschrelbliche Scene. Die Siille der Nacht war in Meung 
urch lange Reihen durchfahrenden Fuhrwerks unterbrochen, wäh⸗ 
send die Landbebölkerung sich rüstete, dem Feinde in geschlossener 
Leihe oder vereinzelt von gedeckten Punkten aus Widerstand zu 
eisten. Die Trommel schlug den Generalmarsch. die Glocken 
auteten Sturm und das Auge sah allenthalben nichts alẽ bewaff⸗ 
nete, vor Wuth bebende Männergestalten und händ eringende Wei⸗ 
»er, welche letzteren die allgemeine: Verwirrung unbeschreiblich ver⸗ 
nehrt n. Auf der ganzen Linie bis Tourz herrschte dieselbe Auf⸗ 
regung, dieselbe Verwirrung und — man sollte es kaum för möglich 
halten —als der erwähnte Berichterstatter in Tours eintr af, wußte 
ein Mensch — selpost nicht' einmal Gambettaä— etwas näheres 
ibher den Verlauf des Kampfes. 
Belgien. 
Brüfsfel, 20. Olt. Aus Paris sind Nochrichten vom 
14. d. eingelangt, wonach daselbst Mangel an frischem sowie ge⸗ 
atzenem Fleisch sich fühlbar zu machen beginnt und in Folge 
)essen vitle Pferde geschlachtet werden. 
V ——— England. IJ 
Londom, 21. Olt. Der Dampfer ,Cambria“ ist an der 
rischen Küste mit 170 Personen gescheitert. Der Untergang fast 
Aller wird befürchtet. — 
Amerikal 
Buffalo Mordamerika.) Die Siegesnachricht von Sedan 
st hier mit einem unbeschrelblichen Jubel aufgenommen worden, 
ind allgemein gab sich das Veriangen kund, zur Feier dieses glor⸗ 
xichen Sieges ein Freudenfest im Freien zu veranstalten. — Unser 
Turmwerein nahm die Sache in die Haud und am 19. September 
and die Feier statt. Die ganze Einwohnerschaft war von einem 
vahren Freudentaumel ergruͤfen. Am Morgen ließ der Gonberneur 
die Feier dem Abfeuern von 101 Kanonenschüssen eröffnen. Die 
—A angelegt; die Arbreit ruhte. die Läden 
ieben geschlossen. — Auf dem Festplatze war alles Freud und 
dust. Ein Monstreconcert. bei dem 8 Musikchöre mitwirkten, stei⸗ 
jerte die Begeisterung. Ueberall Gesang deutscher Nationalliedet 
ind Klänge deutscher Musik. Hochs auf das geeinigte Deutschland, 
nuf die siegreiche Armee und deren große Heerführer erschollen un— 
wfhörlich. — Daß mit dieser Siegesfeier auch eine Sammlutig 
zur Unterstützung für die deutschen Verwundeten verbunden war,