Full text: St. Ingberter Anzeiger

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er St. Auglee—rer Anza i ger (und das mit dem Hauptblatte vecbundene Unterhaliungsblatt, mit der Dienstags⸗, Donnerrttags⸗ und Sonntago⸗ 
umer) erscheint wochentlich wnie ren al Dienttag, Donnerstag. Samsta g und Sanntag. Abonne nentspreis vierteljahrig 42 Kezr. oder 
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— 173. Ir * Dieustaa, e 1870. 
Deutschland. 
Mumnchen, 4. November. In den vor Paris stattgehab⸗ 
en kleineren Gefechten, Zusammenstößen und Vorpoftenplänkeleien 
mit Ausnahme der Treffen von Sceaur, Bagneux und am 18. 
Nober) daben die dortselbst stehenden Abtheilungen der dayerischen 
srmee (II. Armeecorps) bis jetzt einen Verlust von zusammen 
40 Mann gehabt; todt blieben 8 Offiziere (Major Esewein, die 
interlieut. Weiß und Renner,) 85 Unteroffiziere, 81 Soldaten; 
erwundet wurden 8 Offfriere, 8 Uateroffiziere und 90 Soldaten. — 
zor Bitsch blieben todt 8 Unteroffiziere, I1 Mann; verwundet 
urden 3 Offtziere, 6G Unteroffiziere, 44 Soldaten. — Vor Toul 
mirden 1 Unteroffizier, G Mann verwundet, 4 Soldaten blieben 
odt. — Im Etappendienste haben wir 5 Soldaten todt, 1 Un⸗ 
roffizier, 7 Soldaten verwundet. — Bei der Belagerung von 
ztraßburg hatte die dort verwendete Fußbatterie 1 Kanonier ver⸗ 
vundet und bei der Belagerung von Schlettstadt 2 Kanoniere 
odt, 1 Offizier (Oberstlieutenant von Neubeck) und 3 Kanoniere 
erwunden. 
Berlin, 7. Novbr. Die ‚„Pordd. 
Illgm. Ztg.“ ebenso die „Kreuzzeitung“ 
chreiben: „Die französische provisorische 
degierung hat den ihr angebotenen Waffen⸗ 
tillstand abgelehnt.“ 
Berlhin, 5. Nov. Heute Morgen wurden die gestern Abend 
ier eingetroffenen franzoͤsischen Adler der Armee von Mez feierlich 
Aas Zeughaus gebracht, Feldmarschall Wrangel, General v. 
anstein und die Generalität war zugegen. J 
Straßburg, 2. Nov. Der Civilkommissär im Elsaß, 
*Kühlwetter, veroffentlicht einen Aufruf zur Hilfe für Metz und 
imgegend, wo sich der Hungertyphus anmelde; Lebensmitiel zu 
haffen sei die nächste Aufgabe. Wer sie in Natura geben koönne, 
aöge sie an den Präfelten Grafen v. Hencel — Donnersmarck 
a Metz senden; zur Empfangnahme und Verwendung von Geld— 
ꝛeiträgen sei sowohl der genannte Praäfelt, als er selber bereit. 
General von Kummer hat folgende Proklamation an die 
linwohner von Mez erlassen: „Die Festung Mez ist gestern durch 
nie preußichen Truppen otkupirt worden und der Unterzeichnete isi 
rovijorisch der Befehlshaber der Festung. Ich werde unter den 
kruppen die bewährte preußische Disziplin aufrecht zu erhalten 
aissen. Diese persönliche Freiheit und das Eigenthum sind gewähr—⸗ 
eistet; die Lasten, welche in dieser Zeit den Einwohnern aufeirlegt 
verden, bevor die Verhältnisse vollständig geordnet sind, müssen 
ttragen werden. und ich werde erlennen, ob die Einwohner die 
lmstände zu würdigen wissen. Wo mir Ungehorsam oder Wider⸗ 
and entgegengesetzt wird, werde ich mit aller Strenge und nach 
en Gesetzen des Krieges einschreiten. Wer die deutschen Truppen 
Gefahr bringt oder ihnen durch verrätherische Handlungen 
dachtheile zufügt, wird vor den Kriegsrath gestellt; wer den fran⸗ 
jsischen Truppen als Spion dient, oder frauzösische/ Spione be⸗ 
erbergt, oder ihnen Beistand leistet; wer freiwillig den französi⸗ 
hen Truppen die Wege zeigt, wer deutsche Soldaten oder zum 
jefolge der Truppen gehörige Leute tödtet, verwundet oder be⸗ 
iubt; wer die Kanäle, die Eisenbahnen oder Telegraphenlinien 
zxftört; wer die Wege unbrauchbar macht; werr auf Munilions- 
er Proviantzüge feuert, endlich wer gegen die deutschen Truppen 
Vaffen ergreift, wird mit dem Tode bestraft. Befehl: 1) 
e Häufer in denen oder außerhalb derer Feindseligkeiten gegen 
dentschen Truppen verübt werden, werden als Kasernen ben zt. 
Mehr als zehn Personen dürfen auf den Straßen oder öffent 
jen Plähen nicht zusammenstehen. 8) Alle in den Händen der 
awohner befindlichen Waffen müssen bis Montag, den 31. Ott 
ühr Nachmittags, im Palais des Divisionskommandos, „Rue 
a Vrincerie“, abgeliefert weeden. 4) Im Falle eines nächt⸗ 
ichen Alarms müssen alle Fenster erleuchtet werden. Metz, 30. 
Olt. Der Divisionsgeneral und Kommandaut v. Kummer.“ J 
Wie man der „Allg.Ztg.“ aus Versailles schreibt, ist 
Beneral Moltke in Foige der Strapazen des Kriegs krant ge- 
vorden. Bis jetzt hat sich ein hitziges Fieber bei ihm gezeigt, 
velches indessen den Aerzten keine ernstlichen Besorgnisse einflößt. 
Ueber die Verhandlungen zu Versailles wegen der deut schen 
x*rage liegen heute mehrfache Nachrichten vor. So meldet das 
Südd. Corresp.Bureau“ aus München, ihm gehe von gut unter- 
ichteter Seite die Mittheilung zu, die Verhandlungen in Versailles 
eien soweit gediehen, daß die Südstaaten eine gemeinschaftliche 
Bertretung des deulsches Bundes annehmen. Baden, Württemberg 
vürden Post- und Telegraphenwesen an Deutschland abireten und 
zie Bahn-Fahrpläne den Bestimmungen des Bundes unterordnen. 
Bayern habe nur letzteres zugesagt. Ueber ein gemeinsames Par- 
ament, sowie das Verhältniß der deutschen Fürsten zum Bundes⸗ 
berhaupt, welches den Kaisertitel annehmen dürfte, jeien die Ver⸗ 
handlungen noch in Schwebe. 
Verfsailles. 4. Nov. (Offiziell.) Die Festung Belfori 
st nach mehreren kleinen siegreichen Gefechten seit 83. November 
pon diesseitigen Truppen cernirt. — Aus einer Mittheilung des 
ommandirenden Generals Zastrow ergibt sich, daß bis jetzt in 
Metz vorgefunden wurden: 53 Adler und Fahnen, 541 Feldge— 
chütze, Material für mehr als 88 Batterieen, gegen 800 Fest⸗ 
ungsgeschütze, 66 Mitrailleusen, gegen 300,000 Gewehre, Kürasse, 
Säabel ꝛc. in größter Anzahl, gegen 200 Militärfahrzeuge, sowie 
suicht verarbeiteles Holz, Blei, Bronce, in grotzen Massen, eine 
vollständig eingerichtete werthvolle Pulverfabrik ꝛc. 
VDer Erzbischof von Posen, BSraf v. Ledochowski, ist in Berlin 
ingetroffen und hatte mehrfache Besprechungen in verschiedenen 
Ninisterien. Wie die „Pos. Blätter“ melden, ist das Ziel der 
deise des Erzbischoffs das k, Hauptquartier Versailles und der 
3wed derselben sind die Angelegenheiten des Pabstes. (Wie der 
wiener „Presse“ aus Posen gemeldet wird, sei der Abreise des 
Bischofs eine mehrtägige Correspondenz mit dem Grafen Bismard 
vorangegargen. Der Erzbischof furgere als Vermitiler zwischen 
dem Pabjte und dem Berliner Hofe)“). 
Nach einem Londoner Telegramm der „Presse“ wäre die Ex⸗ 
niserin Eugenie deßhalb nach Wilhelmshöhe gereist, um ihren 
Bemahl zu bewegen, zu Gunsten ihres Sohnes abzudanken. Ets 
ioll ihr hiezu dringend gerathen worden sein. 
Die Wiener Blatter lassen dem Anerbieten des Grafen Bis⸗ 
narck an Hr. Thiers: 25tägigen Waffenstillsftand auf der Basis 
des militärischen status quo zut Vornahme der Wahlen der Kon⸗ 
tituante volle Anerkennung zu Theil werden. Die „N. Fr. Pr.“ 
agt: »Größere Konzessionen donnten von deutscher Seite doch 
vohl nicht gemacht werden. Nach einem Erfolge, wie bei Metz, 
teht fluge Mäßigung dem Sieger doppelt gut; hoffen wir, daß 
nan in Paris und Tours dies anerkennt, die zum Frieden dar— 
gebotene Hand nicht zurückweist. Denn die Haupischwierigkeiten 
ind noch zu ebnen; so günstig die Bedingungen (wenn mar dieses 
WVort überhaupt gebrauchen darf) sind, die Preußen für den Waffen⸗ 
tillstand stellt, don seinen Friedensbedingungen wird Graf Bismarck 
aum auch nur ein Jota nachlassen.“ Die „Presse“ meint, „da 
ille Nebenfragen über die Verproviantirung von Paris während 
»er Zeit des Waffenstillstandes über die Abstimmung in Elsaß und 
Lothringen in dem betreffenden Telegramm ganz unberührt geblieben 
ind/ dürfen wir wohl annchmen, daß hieruüͤber eine Einigung er- 
olgt ist. Auch wird es uns Ichwer, zu glanben, daß Bismarck 
und Moltke in einen derartigen Aufschub der Beschießung gewilligt, 
venn sie nicht mit Thiers über den wesentlichen Inhalt der 
Friedensbedingungen bereits einig waären. Aber Thiers ist nicht 
einmal Jules Faore, geschweige denn Gambetta oder Nochefort. 
Allas hängt mithin davon ab, ob die Wirkungen der Cernirung 
ich in Paris bereits stark genug geltend gewacht haben, um der 
Zevölkerung den Willen und die Kraft einzuflößen, deren sie noth⸗ 
vendig bedarf, iich von dem Terroris nus der Diktaloren in der