Full text: St. Ingberter Anzeiger

— VUeberkraa 1,000,000,000 
Zerstörle und wieder zu errichtende Befestigungqz ··· 
werle.. ,500, 000, 000 
heschütze, Gewehre, Kriegsmaterial, das von den 
Deuischen erobert oder zerstört worden ist 31,500,000,000 
Zerstörung von Gebäuden, Verheerung der Fel⸗ ——— 
der ⁊c. durch die Franzosen oder durch den Feind 2,000,000, 000 
Berluste der Industrie, Grundzinsrenten 2)c.., 1,oo,ooo, ooo 
Fernere Verluste in Folge der gegenwärtigen Nie⸗ 
derlagen.. . —2500, 000, 000 
n Summe 10, Odo doo. odo 
Diese summarische Schaͤtzung dürfte in Wirklichkeit noch zu 
zering sein. Schon allein der Ruin von Paris ist unberechenbar. 
htan sagt, Hr, Thiers habe im vorigen Monat bet Autritt seiner 
diplomatischen Rundreise das Wort gesprochen: „Was kommt's da⸗ 
rauf an,' ob der Krieg ein wenig länger oder kürzer dauert Wir 
ind ja schon völlig ruinirt.“ Seit sechs Wochen jedoch ist das 
Tonto des Ruins noch in furchtbarer Proportion vermehrt worden, 
und wenn dasselbe offen bleibt, so mag Gott wissen, wo es enden 
wird. Die Franzosen können nicht den Gedanken ertragen, daß 
hr Vaterland zu einer Macht zweiten Ranges reduzirt werde, und 
ie bemerken nicht, daß, wenn Frankreich zu diesem Range herab⸗ 
siukt, es sich selbst dahin gebracht hat; es wird die Quellen sei⸗ 
jer Macht ousgetrocknet haben, indem es sich mit seinen eigenen 
händen ein bodenloses Defizit gräbt. Man kann berechnen, daß 
zer jezige Krieg und seine Folgen die franzoͤsische Staatsschuld 
olchergestalt vermehren müssen, daß die Dreiperzentigen statt 74 
Francs (wie der Zinsfuß vor dem Kriege war), nur noch einen 
NLormalwerth von 45 haben werden. Bei diesem Zinsfuße wer ˖ 
zen die Anleihen derderblich, wenn nicht gar unmöglich. Schon 
vor drm Kstriege mußte Frankreich von seiner jährlichen Einnahme 
27 -29 Perzent vorwegnehmen, um die Zinsen seiner Staats⸗ 
chuld zu bezahlen, während in Preußen dazu nur 7 Perzent er⸗ 
orderlich waren. Niemand in Paris schien diesen enormen Nach—⸗ 
heil Frankreichs zu bemerken. Heutzutage, wohlverstanden, existirt 
die ökonomische Frage gar nicht für die Partei, welche am 4. 
Zeptember sich die Aufgabe gestellt, Frankreich zu retten. Die 
herren haben die Milliarde in sechs Wochen aufgezehrt; aber das 
Renungsbrett der Banknoten bleibt ihnen noch. Als Finanzmänner 
und Staatsbkonomen sind Hr. Jules Favre und seine Collegen 
ingefähr eben so viel werth, wie jene Pariser Kanoniere, welche 
u. ihrem Vergnügen käglich so und so viel Granatenschüsse ab⸗ 
euern, deren jeder, we man sagt, auf 300 Francßs zu stehen 
ommt. Eine Rechnung ohnegleichen in der Geschichte wird, die 
Bilanz der dritten französischen Republik sein 5 
Die , France“ (Departements-Ausgabe) will wissen, daß die 
Preußen in Metz nicht nur keine 40 Millionen, sondern In ur 
ehr wenig Geld“ gefunden hätten; die Succurfale der Bank von 
rxtankteich habe am Tage vor der Uebergabe alle ihre Billets ver⸗ 
rannt und der Feind habe blos 112,000 Fres gefunden, wovon 
30,000 Fres. in dec General⸗Receptur und 32,000 Frces. in der 
—XR I 
Tours, 16. Nov. Die Regierung läßt Folgendes verbreiten: 
Die Preußen haben mit 12000 Mann Dijon wieder beseßt. Me⸗ 
ieres ist von den Preußen fast vollständig eingeschtossen. Französische 
Truppen besetzten Dreux. 
Das „Echo du Parlament“ schreibt: Der Eisenbahn⸗Viaduct 
on Beaugency, welcher von den Preußen zerstoͤrt worden war, ist 
zurch einen Holzbau wiederhergestellt worden. Die Züge fahren 
ereits wieder bis Orleans. — Am 9. Mittags wurde Orleans 
on den Preußen geräumt, Ihr Rückzug fand in guter Ordnung 
att und man berichtet uns namentlich, daß das lezte Bataillon, 
nstatt zu suchen, rasch auf den Voulevard und die Sraße nach 
tampes zu gelangen, tambour battante durch die Straßen Jeanne 
Arc und Banin marschirte, als wenn es eine militärische Prome⸗ 
ade mache. 
Nachrichten aus Paris vom 10. d. melden: Die Franzosen 
tbauten eine neue Redoute bei Villejuif, welche mit 20 Kanonen 
roßen Kalibers armirt ist, und eine zweite zwischen Villejuif und 
zitrh. Vor beiden befinden sich Laufgräben, ähnlich jenen von 
ʒebaustopol. — Die Armee des Generals v. d. Tann wird wit 
en zu ihr gestoßenen Verstärkungen auf 70,000 Mann geschätzt. 
Belgien. 
Brüssel, 16. Nov. Girardin proponirt in der „Libertoͤr 
ne Copstituticn vom 4. Novemver 1848 wieder herzustellen, die 
ine Transaktion eröffnen werde. Von dem Frieden werde eine 
requläre Regierung für Frankreich resultiren. — Aus London 
vird gemeldet: Die englische Regierung rüstet ernstlich und ist ent⸗ 
chlossen zu einer Kriegserklärung, falls die verlangten Erklärungen 
ein befriedigendes Resultat ziefern. Mit Oesterreich, der Pforte, 
Ralien und Dänemark ist ein Einvernehmrn in dieser Frage 
Rzielt. (Fr. J.) — 
Br'üsel, 16. Nob. Der enalische Vorschlag eines Kollek⸗ 
ripschrittes von Oesterreich, England, Italien und der Pforte in 
Form einer identischen Rote an das Petersburger Cabinet ist 
wieder fallen gelassen worden, weil ein solcher Schritt die Lage 
noch mehr verwickeln könnte. Man einigte sich also dahin, daß 
jede Macht für fich eine Antwortnote erlasse. (N. fr. Pr.) ux 
England. 
London, 16. Novb. (Allg. Zig.)“ Lord Granville hat an⸗ 
geblich mehreren sdiplomatischen Agenten gegenüber ertlärt, daß 
ẽrẽnglaud eher zu den Waffen greifen als die Neutralis ation“ des 
Schwarzen Meeres zugeben werde. 
Vondon, 16. Nov. Die „Times? sprechen sich bezüglich 
der theilweisen Auftündigung des Pariser Vertrages dahin aus 
daß England dieselse nicht acceptiren könne, wofern die Türlkei 
Widerspruch erhebe. Die „Morning Post“ hofft, England und 
Defterreich werden auf der Einhaltung des Vertrages bestehen. 
Die englische Regierung wird schwerlich so hitzig sein, wie die 
englische Pressed) I 
—VLondorn, 17. Nov. Graf Granville hat unterm Gestrigen 
die russische Note beanlwortet; er protestire gegen die neue russische 
Doctrin, wilche eine Zerstörung all er Ver träge waäre, und sagt, daß 
Ingland einer Revision des Pariser Vertrages nicht entgegen ge⸗ 
wesen sein würde. 
—London, 17 Nob. Aus Geraf-Amison wird gemeldet, 
zie norddeutschen Llohyddampfer „Hansa“ und „Leipzig“ wurden 
gelapert; die Hansa hatte 78, Leipzig 20 Passagiere an Bord. 
— Echweiz. 
Bern, 15. Nob. Der „Bund“ meldet aus Pruntront 
om Dienstag: Heute fand eine heftige Kanonade bei Belfort statt. 
Die Forts Justice und Grandes Perches feuern ununterbrochen. 
das Dorf Bezelois ist von neuem in Brand geschossen. 
Genf, 14. Nov. Aus Besancon wird gemeldet, daß Gene⸗ 
ꝛal Premondille die Einmohner aufgefordert“ hat, alle Vorberei⸗ 
ungen zu treffen, die bei einer Belagerung geboten erscheinen. 
Vermisschte«. 
Der Landauer ,Eilbote“ schreibt aus. St. Ingbert, 
15. Rop.: Kürzlich zog eine Abtheilung bayerischer Landwehrmänner 
urch ein benachbartes Dorf, das seit undenklichen Zeiten keine 
olche Anzahl Soldaten und noch dazu in voller Ausrüstung ge⸗ 
‚hen hatte. Die liebe Jugend sammelte sich da natüurlich in hellen 
zaͤufen um die Vaterlandsvertheidiger. Die, Ausrüstung: Säbel, 
hewehr. Patrontasche und ganz ˖ besonders der Hetm ahmen dit 
Aufmerkjamkeit der Dorfbuben in Anspruch. Einige der Landwehr 
naͤnner hatten noch die alten Helme mit dem MA aus der Zeit des 
cligen Koönigs Mar, die meister aber die neueren Helme mit dern 
Da jerbrachen sich denn einige Buben die Köpfe, was dieset 
A und dieses F wohl bedeute. Ploößlich rief zin kleiner Knirps 
mit fuchsroihem Haar und pfiffigem Gesichte: 5Id hab's !Die 
nit dem Fodes fin ledige Leit' und die mit dem A des sin 
Männer, die wu verhe'roth fin.“ — Und dem Haufen leuchtete 
as sehr ein und man bewunderte den Scharfsinn des rothköpfigen 
Zpielkameraden. 
pLandau, 17. Nob.'Vor einigen Tagew saßen: in Linem 
ziefigen feinen Wirthschaftslocale beim „Federweißen? eine Anzah 
unger Leute rund sprachen von „Krieg und Kriegsgeschrei.“ Untet 
enselben befand sich auch ein so eben angelangter, äußerst —8 
ekleideter junger Herr, in dem man auf den ersten Blick den 
vommis voyageur erkennen konnte. Besagter Herr hatte für die 
nterressante Uitterhaltung kein Ohr,desto mehre Kuge aber für 
ie in seiner Nähe stehende, allerdings sehr schmucke -Kellnerin. 
der Jünger Merkurs vertiefte sich derart in den Andlick des an⸗ 
nuthigen Femininums, daß er plötzlich gluthvoll ausrief.:.. Wenn 
ch von der da einen Kuß erhielt, würde ich jumf Gulden für die 
—E — 
Hes Mädchen, hoͤrte diesen Stoßseufzer, mit raschem Entschlusse 
rat sie auf den Schwärmer zu, küßlte ihn und sagte?, Jeßt 
seraus mit den fünf Gulden für unfere braven Krieger!“ — 
inter ungeheurer Heiterkeit zog der ploͤtzlich so kühl drein⸗ 
chauende Liebling Merkurs seine Börse und legte langsam den 
netrag „auf den Altar des Vaterlandes,“ das heißt in die Hände 
eines Bürgers, der die 5 fl. an den richtigen Ott zu bringen ver⸗ 
prach. Und das parttiotische Maädchen, dem man von allen Seiten 
ujubelte, meinte schelmisch lächelnd: „Für solchen. Preis und 
olchen Zweck stehen fernere Küsse zur Disposition!“ Ehre der 
zraven Patriotin. 
4 Die „Insterburger Zeitung“ enthält folgende Mittheilungen: 
„Wir sind jeht in der Lage, über das“ Mädchen, welches den Feld⸗ 
ug in Frantteich mitgemacht hat und mit dem Eisernen 
dreuz decorirt ist, Näheres mitzuthe'len. Dieselbe heißt Bert ha 
Wei ßß, ist aus Schöneberg in Golday gebürtig und wurde in 
inem achtbaren Hause in Ragnit erzogen. Frühzeitig jedoch schon 
scheint sie einer eigenthümlichen Vorliebe für die männliche Tracht