Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Samstag, den 8. Dezember — 1870. 
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Telegramme. 
München, 2. Dec. (Trlegramm an das Kriegsministerium.) 
gersailes, 30 Nov. Gestern hatte das Corps des Generals 
d. Tann ein glückliches Gefecht westlich von Orleans. 
Versaill'es, 30. Nov. Nachdem gestern das 6. Armee⸗ 
Forps mehrfache Angriffe des 1. Corps der 2. Armee von Paris 
jegreich zurückgewiesen, wurde während der ganzen Nacht von den 
Jorts ein ungewöhnliches heftiges Feuer unterhalten. Heute Morgen 
Atwickelte der Feind unter gleichzeitiger Demonstration auf 8 
chiedenen Punkten der Enceinte von Paris sehr bedeutende Streit⸗ 
räfte zwischen Seine und Marne und. griff mit denselben um 11 
hr unsere dortigen Positionen an. —— 
Es entspann sich ein sehr heftiger Kampf, von unserer Seite 
auptsächlich geführt durch die württembergische Division und dem 
jroßten Theile des 12. (böniglich sächsischeu), sowie durch Theile 
eg 2. und 6. Armeecorps. Der Kampf dauerte bis 6 Uhr 
Abends, zu welcher Stunde unsere siegreichen Truppen den Feind 
uf der ganzen Linie zurückgeworfen hatten. Weitere Details noch 
iicht bekannt. 
Unser Verlust in der Schlacht von Amiens beziffert sich auf 
4 Offiziere und 1300 Mann todt und verwundet. 
Die feindliche Nordarmee befindet sich in vollständiger 
leroute. 
Die Citadelle von Amiens hat heute nach kurzem Gefechte, 
n welchem der Commardant gefangen gemacht, capitulirt, 400 
Befangene, 11 Offiziere sowie 30 Geschütze sind in unsere Hände 
jefallen. 
General v. Werder meldet: Garibaldi's Rückzug ist in Flucht 
uusgeartet. v. Podbielsky. 
Versailles, 30. Nov. (Officiell.) Der Königin Augusta 
n Berlin. Gestern schlug das 6. Corps einen Ausfall südlich bei 
NHay siegreich zurück. Ueber 100 Gefangene, viele hundert Bles⸗ 
irse und Todte, wir 100 Mann Verlust. Heute bedeutender Aus⸗) 
all nach Osten gegen Württemberger und Sachsen bei Bonneuil 
ur Marne, Champagny, Villiers, die genommen und bis zur 
Dunkelheit mil Hilfe unserer 7. Brigade wiedergenommen wurden. 
Bleichzeitig nach Nordost bei St. Denis gegen Garde und 4. 
Forps nur leichte Ausfälle. Ich konnte Versailles nicht verlassen, 
im im Centrum zu bleiben. Es scheint der Feind anf einen! 
Sieg bei Orleans gerechnet zu haben, um dem Sieger ente 
jegenzugehen, was mißglückte. Wilhelm. 
Chateaule⸗Piple, 30. Nov. An den König von 
Württemberg. Die 2. und 8. Brigade waren heute in ernstein 
hefecht gegen den Ausfall einer Division Linientruppen gegen 
Mont⸗Mesiy. Derselbe wurde mit Hilfeleistung der 7. preußischen 
Brigade siegreich abgeschlagen. Die 1. Brigade hielt ihre Stellung 
zei Tonilliy und Villiers vom Morgen bis in die Dunkelheit e 
zen energischen Angriff einer feindlichen Division. Der Feind 
vurde auch hier zurückgeschlagen. Ueber 300 Gefangene sind ge⸗ 
nacht. Unser Verlust 6 Offiziere todt, 34 verwundet; 700 men 
odt und verwundet. Unter den Verwundeten befinden sich die 
Obersien Berger und Hügel, Obersilieutenant Link, Major Schäffer. 
dv. Obernitz. 
Unsre nicht französischen Feinde. 
Wer hätte es glauben sollen, daß — nachdem wir einen voll 
tandigen Sieg über die französischen Armeen errungen hatter, der 
iach allen Regeln der modernen und regulären Kriegführung 
xrankreich in die Lage versetzte, sich unserem Friedensdictat zu un⸗ 
erwerfen, — dies nicht allein nicht geschah, indem die über Nacht 
nufgetauchten republikanischen Stimmführer der Franzosen den aus 
njer cipilisirten Welt bereits verbanuten Volkskrieg gegen uns pro˖ 
lamirten; sondern auch eine nicht undedentende Menge von 
Abenteurern verschiedener Nationen nach Frankreich eilte, um in 
diesem französischen Vottskriege gegen uns mit bewaff neter Hand 
kheil zunehmen ?! — 
Man weiß, daß das Signal zu dieser Betheiligung von Nichte 
franzosen an dem Kampfe gegen uns von Niemand anders aus— 
zegangen ist, als von dem itali enischen Freischaarenführer Gea⸗ 
ribaldi. 
Der bedeutende Ruf, den sich dieser Mann durch die ersten 
dämpfe für die Einheit Italiens erworben hatte, war der Grund, 
zaß eine Menge von rebublikanisch gesinnten Italienern, denen sich 
nuch gfeichge finnte Spanier, Irländer, Amerikaner und sonstige Nicht- 
ranzosen anreihten, diesem Signale folgte, ohne im Geringsten zu 
dedenken, was sie eigentlich that, und welche Folgen ihr unüben 
legter Schritt für sie haben konnte. i 
Der gan ze Schritt Garibaldi's hatte für den denkenden Po⸗ 
iit iler eiwas unglaublich kindisches, ja einfältiges! 
Wir wollen, noch gar nicht einmal reden von der schmählichen 
Gesinnung, welche er dadurch gegen Deutschland, resp. Preußen an 
den, Tag legte, 
Garibaldi hatte für den höchsten Wunsch seiner Seele, die 
Finheit Italiens, nichts als den zweiten Schritt zu dessen Ver⸗ 
virklichung gethan, nachdem der Kaiser Napoleon III. durch den 
Isterreichischen Krieg von 1859 und den dadurch bewirkten Anfal 
dombardiens an das Königreich Sardinien den ersten vollführt. — 
der Einfall des kühnen Freischaarenführers in Sicilien, die Be⸗ 
itznahme dieser Insel und des Konigreichs Neapel war allerdings 
ein Werk. Allein es war nicht eine Eroberung, die er für das 
neue Königreich Italien machte, sondern nur eine Revolutionirung 
)es Königreichs beider Sicilien, die er zuwegebrachte. Er war ein 
lücklicher Rebolutionär geworden, aber kein Kriegsheld; und selbst 
Jas republika nische Princip, welches er spater und wieder jetzt zur 
Schau trägt, hatte er damals verleugnet, indem er die vor ihm 
evolutionirten Länder, anstatt in ihnen die Republik zu prokla⸗ 
niren, dem Könige Victor Emanuel treugehorsamst zu Füßen 
egte. 
Alle Anstrengungen, welche Garibaldi seirdem machte, um die 
voͤllige Einheit Italiens durch die Erwerbung Venetiens und Roms 
zu begründen, scheiterten; und die Verfuche dazu, welche mit steten 
Niederlagen des Freischaarenführers endeten, bewiesen es zur Ge⸗ 
züge, daß ihm das Talent zu einem wirklichen Kriegshelden fehlte. 
Italien sollte seine vollständige Einheit indirect nur den Waffen 
Preußens verdanken! 
Wenn man nun das jetzige Auftreten Garibaldi's in den 
steihen der Franzosen gegen Preußen belrachtet, so sollte man fast 
u dem Glauben kommen, der bereits an der Schwelle des Todes 
tehende Mann sei, anstatt von Dankbarkeit gegen das seinen Le⸗ 
»enswunsch erfüllende Preußen, von einem unversöhnlichen Ehren⸗ 
jeide und Hasse gegen dasselbe beseelt, weil es ihm den Ruhm 
er Begr ündung der italienischen Einheit vorweggenommmen. — 
Denn daß es nicht die Sympathie für die Republik ist, welche ihn 
nuf diese Bahn und in die Reihen der jetzt einmal wieder so kurze 
zeit republikanischen Franzosen geführt, geht ja wohl unwiderleg⸗ 
ich daraus hervor, daß er niemals auch nur einen einzigen 
-„chritt für die Republikanisirung seines eigenen Baterlandes ge⸗ 
han hat, selbst damals nicht, als er die Macht dazu hatte. 
Wir würden auf diese Handlunge weise Garibaldi's die uns 
richt den geringsten Schaden zufügt, da das, was er thut und 
pricht, ganz eben so gut von dem ersten besten französischen 
Zhrasenhelden gethan und gesprochen werden konnte, vielleicht gar 
ein Gewicht legen, wenn sie nicht die Veranlassung geworden wäre, 
aß so viele nichtfranzösischen Männer ohne allen Beruf sich dem 
rlende, ja dem Tode nutzlos preisgegeben haben. 
Das Kriegsgericht kann mit diesen Irregeleiteten eben so 
venig Mitleid haben wie mit dem Urheber ihrer Thorheit; und 
ies Kriegsrecht fordert, daß alle Nichtfranzosen, welche den deut⸗ 
chen Truppen mit den Waffen in der Hand entgegentreten, für 
den Fall ihrer Gefangennehmung eine noch weit empfindlichere 
zuße erleiden, als die Franzosen selbst. — 
Wenn. diese dafür, daß sie, ohne unter der Autorität einer 
ur Kriegführung berechtigten Regierung zu stehen, uns mit den