Full text: St. Ingberter Anzeiger

zesonders Elsässer, die über Basel und Neuenburg oder Genf zu 
eu französischen Fahnen eileennnn.. 
Türkei. 
stonstantinopel, 23. Rov. Von Seite der türkischen 
Regicrung ist dieser Tage der Befehl ergangen, daß die in der 
rürkei stark kursirenden russtschen Münzen nicht mehr angenommen 
verden sollen. 
—Konstankinopel, 80. Nov. Der Conferenzvorschlag 
t von der Pforte angenonmen; worden, die Einberufung der 
Redif's abbestellt. —7 
at Mußland. 
Petersburig, 29. Nov. Der Vorschlag, die bewußtt 
Angelegenheit durch eine in London zusammentretende Conferenz zu 
tegeln, hat hier eine sehr günstige Aufnahme gefunden. 
— — ——⸗ 
ssermun 
fF Trippstadit, 25. Nov. (Unglüdsfall) Der Tagner 
galob Weismann von Trippstadt, ein sehr braver“ und fleißiger 
Familiendater, war heute mit seinem Bruder in der Nähe des 
dangensohlerhofes mit Holzfällen beschäftigt und wurde von einem 
jallenden Baumstamme derart getroffen, daß er an Ort und Stelli 
wdt blieh. F— 
F Nach dem am 23. d. Mis. zwischen dem norddeutschen 
dunde und Bayern abgeschlossenen Vertrage zu Verfaibbes 
vird die Festung Landau unmittelbar nach dem gegenwäürtiger 
Zriege als solche aufgehoben. 
Zweibrücken, 29. Nov. Die gestrige General-Versamm⸗ 
sung der Actienbrauerei „Tivoli““ genehmigte alle Anträge des 
Berwaltungsrathes, bewilligte sodann eine Dividende von 12 Proec. 
und wählte schließlich die bisherigen Revisoren wieder. 
F Türkheim, 28. Nov. (Zum warnenden Beispiel!) In 
derflossener Nacht ereignete sich hier der höchst beklagenswerthe 
Fall, daß durch Eifersucht zwei gut beleumundete und befrenndete 
sunge Burschen mit Messern an sich geriethem und sich tödtlich 
zerwundeten. Der Eine bekam einen Stich in den rechten Ober⸗ 
chenkel, wodurch die Schlagader verletzt wurde, und der Andere 
in das Genick und auß den Kopf. Beide wurden nach dem Hos⸗ 
pital gebracht, der Erslere schon als Leiche. Die Verwundungen 
— 
Freignisses war eine unschuldigen Fastenbretzel, welche der Eine der 
Zeiden dem Mädchen des Anderen gekauft hatte, und welches Letz⸗ 
serer nicht leiden wollte. (D. A.) 
In Würzburg hat die Ausstellung einer eroberten Mi— 
railleuse 866 fl. zu Gunsten der Familien einberufener Landwehr⸗ 
männer eingetragen. 
f Bei einer am 24. Nob. abgehaltenen Jagd im Friedrichs— 
dorfer Stadtwald erschoß ein dort internirter französischer Offizier 
der Mobilgarde einen Treiber. Der Tod soll augeblicklich einge⸗ 
treten sein, da der Schuß durch den Kopf gegangen ist. Der 
Getödtete war Dienstmann im dortigen Institut. 
pNeustadt, 29. Nov. Soeben erfahren wir, daß Herr 
Oberförster Böhe als Forst⸗Inspector zu Lützelstein, Herr Ober— 
förstet Heiß in Neidenfels als Forst-Inspector zu Hagenau und 
Oberförster H. Schirmer in Waldleiningen zum Forst-Inspector 
zuu Zabern ernannt und an ihre resp. Bestimmungsorte bereits 
abgereist sind. 
F Als nach den Freiheitskriegem preußische Infanlerie und 
Dragoner Thionville 392 Jahr besetzt gehalten hatten, zogen sie 
unter dem Klange des Liedes „Freuet Euch des Lebeus“ am 24. 
Rovember 1818 aus der Festung, um sie den von Mezz heram 
rückenden Franzosen zu überlassen. Jetzt nach mehr als 50 Jahren 
ind durch Abschluß der Capitulation an demselben Tage die Stellen 
wieder gewechselt worden. U 
Wiesbaden, 30. Nob. Mac-⸗Mahon trifft heute hier 
ein und hat im Hotel Vietoria Wohnung gemiethet. 
Mau theilt der „Warte“ folgenden Auszug aus einem 
Briefe mit, den ein französischer Soldat — ein Elsässer aus an⸗ 
tandiger Familie, der die Ereignisse von Metz mitgemacht hat — 
aus der Kriegsgefangenschaft an einen Freund in Offenburg ge⸗ 
richtet hat: „Im elendesten Zustande kam ich nach Coblenz, abge⸗ 
magert, zerrissen, fast baarfuß, ich konnte wich kaum aufrecht haltem 
Du tannst Dir denken, zwei Monate lang bitteren Hunger leiden! 
Wir wußten nichts mehr von der Welt, denn wir waren umringt 
don Preußen. Wir aßen, ich sage Dir die Wahrhcit, wenn man 
die ganze Armee zusammennimmt, wohl 40,000 Pferde, die übri⸗ 
jen find zu Grunde gegangen; die armen Thiere fraßen die Rinde 
von den Bäumen. Aber uns armen Soldaten ging es noch hin⸗ 
derlicher. Kein Salz, kein Brod, denn täglich 100 Grammes 
Brod wilk wenig heißen. Dazu dente Dir, inimer auf der feuch—⸗ 
ren Erde liegen. Ich bin seit dem 16. Juli in kein Bett mehr 
zjekommen, meine Kleider hatte ich ununterbrochen auf dem Leibe, 
benso meine Schuhe; es war furchtbar. Der Hunger allein hat 
uns zur Capitulation geführt. Und dann noch weiter die vielen 
Schlachten, die gräßlichen und- mörderischen Gefechte, die ich mu⸗ 
machte Ich war bei der Schlacht am 140 August‘ von Mittags 
2bis Abends 10 Uhr, am 160August von Morgens 4 bis Nachts 
1Uhr, am 18. August aber kam bei Gravelotte die furchtbarste 
Schlacht, die je gewesen; von Morgens früh bis Abends spirt 
und dozu noch am 31. August' und 1. September und sonst noch 
viele kleine Gefechte;, von denen jedes fast 42000 -5000 Mann Todte 
und Verwundete kostete. Und ich bin trotz dem Allem noch da! 
Ich will Dir nur schildern, was ich aus der Schlacht von Gra⸗ 
delotte noch weiß. Am 17. August marschirten wir den ganzen 
Tag rasch übet Hügel und Berge und Felder, den Weg benutzten 
wir selten. Es war eine arge Hitze und wir beladen wie das 
Vieh; mein Tornister wog über 40 Pfund. Fast verschmachtend 
vor Durft, marschirten wir bis Nachts 12 Uhr, dann kamen wir 
an den Platz, der bestimmt war für die Metzelei. Die Preußen 
lagen von uns etwa 800 Schritt, man hörte von fern das Klirren 
ihrer Waffen. Wir legten uns nieder vnd bald bemächtigte sich 
der Schlaf unser Aller: Es war für manchen braven Soldaten 
die letzte Nacht; auch ith einpfahl meine Seele · Gott und weinte 
noch' lange, weik ich immer an meine arme Mutter denken: mußte. 
Morgens früh 5. Uhr weckten uns die Kanonenschüsser Es war 
ein wunderschöner Tag, als die Sonne prächtig aufging; aber 
schnell entwickelte sfich der Kampf. Der gauze Morgen verfloß un⸗ 
er furchibarem Kanonendonner, so daß die Leute haufenweife 
fielen; ich glaubte nicht anders, als die Preußen müßten 50 oder 
00 Kanonen neben einander stehen haben und aus uns feunern 
Jedesmal auß den Knall fielen ganze Bataillone zusammen, es 
var entsetzlich. So dauerte es fort bis gegen Abend, daun sollte 
für unser Regiment der furchtbarst« Augenblick kommen. Auf ein⸗ 
mal bliesen · unsere Trompeten Sturm, Bajoneite aus's Gewehr, 
und ehe man sich umsah, standen wir schon dicht aneinander. Die 
Preußen rannten wie wüthend auf, weis los, wir marschirten fest 
gegen sie; ich derlor die ruhige Befinnung und weiß heute noch 
nicht, wie ich herauskam, als ich mich zuletzt allein sah. Ich war 
swie wahnsinnig und hatte. dichten Schaum vor dem Mund.. Ach 
wie manchen armen Mann und- Familienvater habe ich vielleicht 
zusammeungestochen! Wir stachen eben hinein, wie es kam, es war 
ein ganzer Klumpen Franzosen und Preußen durcheinander, und, 
wir haben vielleicht auch manchen Franzosen erstochen. Ich sage 
Dir, es war schrecklich. Mein Regiment litt am meisten Noth, 
denn wir waren die ersten in der Linie, wir verloren ungefähr 
)00 Mann und 50 Offiziere, 3Z Commandanten, den Oberst, wir 
hatten fast gar keine Offiziere mehr. Meine Compagnie belief sich 
noch auf 25. Mann, und ich bin noch da. Die Nacht brach ein, 
der Schweiß lief von mir wie ein Bach. Ich sah mich um und 
sah 10 Schritt von mir 2 Kameraden und meinen Hauptmann; 
wir drückten uns still die Hände und weinten. Die Nacht brachten 
wir vollends auf dem Schlachtfelde zu. .. Ich bin jetzt an der 
Coblenzer Eisenbahn angestellt und habe auch ein Zimmerchen in 
der Stadt gemiethet; ich fange an, mich wieder ordentlich herzu— 
tellen. 
f Von manchem kecken und lustigen Soldatenstreich ist 
jolgender einer der hübschesten. Der Sergeant vom sechsten 
Pionier-Bataillon schlich sich Nachts aus dem Bivonak vor Straß— 
hurg durch sämmtliche französische Vorposten bis ans Thor. Da ange— 
kommen, sieht ex vor dem Thore einen Doppelposten stehen, kriecht 
langsam auf dem Bauche, ohne das mindeste Geräusch zu machen, 
an den Häusern eutlarg — bdis zur Wachtstube, macht dieselbe 
leise auf und sieht mit einem Fuße in der Stube, wit dem anderu 
draußen. Nachdem er sich überzeudt, daß Alles fest schläft, nimmt 
er von der Wand die dem wachthabenden Offizier gehörende Hose, 
Rock, Mütze und Säbel, schreibt, in das auf, dem Tisch liegende 
Wachtbuch seinen Namen, die Compagnie. und. Bataillon, bei dem 
er steht, und macht daß er fortkommt. Wie er bei dem Doppel⸗ 
posten wieder durchschleichen will, muß ex. mit dem Säbel irgendwo 
angestoßen sein. Die Posten werden aufmerksam, rufen an, und 
chießen, treffen ihn aber nicht, und so ist er wohlbehalten, den 
französischen Offizieranzug auf dem Arme, bei seinem Bataillon 
vieder angekommen. Die Geschichte wurde sofort dem Könige be—⸗ 
richtet, welcher den Sergeanten zu sich lommen ließ. Bei der Besetz 
ang; von. Straßburg wurde das Wachtbuch sofort in Em— 
pfang genommen, und soll zum- Audenken an diesen? Streich auf⸗ 
zewahrt werden. 
7 Christiania, 28. Nov. Ein Pariser Ballon mil zwei 
Passagieren, der Post und Zeitungen vom 25. No vember sowie 
mit“ Brieftauben, ist acht Meilen von Christiania niederge⸗ 
'allen. 
Waährend des letzten Quartals trafen im Newyorker Hafen 
51,197 Einwanderer ein, darunter 13,471. Deutsche. In San 
Francisko betrug die Einwanderung 3172 Personen, darunter 
2598 Chinesen. V 
F In Indien hat sich ein schrecktiches Eisenbahnunglüdck 
wugetragen. Eiwa 130 engl. Meilen von Madras entfernt über—