Full text: St. Ingberter Anzeiger

Alnterhaltungsblatt 
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St. Ingberter Anzeiger.— 
Xr. 6o. J Donnenstag, den 18. Mai I 7714. 
Ddie Brüder.— 
Original-NRovelle von Ewald August König. 
J Gortsetzung.) 
Ich gebe zu, daß dem so ist, berechtigte 
dies aber Sie, darüber zu spotten?“ entgeg⸗ 
nete der Baron schaaf. 
„In gewisser Beziehung ja! Sie mußten 
wissen, daß sie durch ihre saure Miene die 
Gesellschaft störten und deshalb fortbleiben. 
Sie thaten dies nicht, Sie griffen störend 
ein, indem Sie Ihrem Freunde zuredeten, er 
solle nicht weiter spielen, deshalb erlaubte ich 
mir, Sie auf das Unschickliche dieses Beneh⸗ 
mens aufmerksam zu machen. Ich an Ihrer 
Stelle würde den Vorwurf schweigend einge⸗ 
steckt und mich eutfernt haben, die Worte als 
eine Beleidigung aufzunehmen, die nur durch 
Blut abgewaschen werden kann, wäre mir 
nicht in den Sinn gekommen. Ueberhaupt 
finde ich nichts lächerlicher, als ein Duell um 
solcher Lappalien willen; ich gebe zu, daß 
das Verhängniß uns einem Menschen zuführen 
kann, neben dem wir auf dem Erdenball 
keinen RNRaum haben, wohnke er auch am 
Nordpole, wie unten an der Südspitze Afrikas. 
In einem folchen Falle lasse ich den Zwei⸗ 
kampf auf Leben und Tod gelten. Aber ich 
frage Sie, mein Herr, könnten Sie sich nicht 
überwinden, in diesem Augenblick neben mir 
an einer wohlbesetzten Tafel Platz zu nehmen? 
Was mich betrifft, ich würde keinen Augen⸗ 
blick zögern, und ich denke, wenn das Alter 
die Hand zur Versohnung bietet, hat die 
Jugend nicht das Recht, sie ꝓnückzuweisen.“ 
Der Freiherrhatls seine. Jagdmühze ab⸗ 
zenommeu, die ersten Strahlen der aufgehenden 
Sonne fielen auf sein ergrautes Haupt und. 
das ehrwürdige Antlitz. 
„Sie haben Recht, ganz Recht,“ rief der 
Baron, durch den Edelsinn des alten Herrn 
hingerissen, indem er die Hand des Freiherrn 
nit herzlicher Wärme drüchte. — „Lassen Sie 
Aus Freunde sein.“ 
„Von Herzen gern!“ erwiderte der Frei⸗ 
herr. Er bedeckte sein Haupt wieder und 
vinkte dem Förster, ihm das Pistolenkästchen 
zu bringen. „Damit Sie nicht später in 
inem nüchternen Augenblick glauben, der 
Muth sei meine schwächste Seite, so will ich 
Ihnen den Beweis des Gegentheils geben. 
Ich als Geforderter hatte den ersten Schus. 
Sehen Sie dort das welke Blatt am äußersten 
Ende des Eichenzweiges, welcher über den 
Weg hinüberhängt? Die Entfernung von hier 
aus mag zehn Schritte betragen, ireten wir 
noch fünf Schritte zurickẽ. — 
Der alte Herr erhob das Pistol, zielte 
ind drückte ab. Kraus, welcher unter der 
Eiche stand, hob das Blatt auf, fein Herr 
hatte die Spitzedes Astes dicht üder jenem 
Blatte getroffen. 
„Meisterschuß!“ versetzte der Baron, „ich 
zestehe ehrlich, es mit Ihnen in dieser Be— 
iehung nicht aufnehmen zu können.“ 
„Jetzt, meine Herren, kommen Sie mit,“ 
agte der Freiherr, nachdem er das Pistok 
dem Förster zurückgegeben hakte, „mein Gut 
iiegt kaum eine Viertelstunde von hier entfernt, 
erzeigen Sie mir die Ehre, dort das Frübstück 
inzinehmeu. J· *