Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Anterhaltungsblatt 
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St. Ingberter Anzeiger. 
1 
Dieussstaz. den 8. Juauar 
717587 
Gerettet. 5 
Novelle von Andre Hugg. 
— —— 
(Fortsetzung h. 
Aus diesem Umst ande schloß man 2. und 
Biele meinten nicht ganz mit Unrecht — daß 
wohl ein verborgener Liebeslummer an ihrem 
Herzen nagen müsse. daß dieser den Grund 
ihrer Zurückgezogenheit bilde. 
Der klein⸗ Kreis von Männern, den sie 
wöchentlich einige Mal um sich sah, bestand 
aus dem Pastor des nahen Dorfes und den 
heiden Fösstern der angrenjenden Waldungen. 
Helenen's Freundlichkeit — denn als diese 
wird der Leser die „schwarze Dame des Epheu⸗ 
hauses“ jedenfalls bereits erkannt haben — 
und ihre Zuvorkommenheit hatte zuerst deu 
greisen Pastor gefefselt, der ihr jeßt in allen 
Stücken, wie ein liebevoller Vater, zur Seite 
stand und sogar ihr nicht unbeträchtliches Ver⸗ 
moögen, das sie durch den Verkauf der Edel⸗ 
steine erworben hatie, verwaltete, so daß aus 
dem ursprünglich rein freundschaftlichen Ver⸗ 
zältniß ein Zusammengehen wie zwischen Va⸗ 
ler und Tochter eutstanden war. Die gefell⸗ 
schaftlichen Schranken der Aurede waren deß 
halb auch zvischen den Beiden gefallen, indem 
sich Helene von dem Pastor das ,„Du“ aus— 
gebeten hatte. Dann hatten sich die deioden 
Förster dem Bannkreise ihrer Liebenswürdigkeit 
genähert und konnten, einmal eingetrejen, au 
demselben sich nicht wieder loßreißen“ Er 
varen beide Männer von derben Ansishten, 
ie, nicht nach der modernen W.elt gerathen, 
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den unverfälschten Ste pel der Eyrlichkeit und 
Wahrheit an sich truzgenn. 
Aus diefen drei Männern und Helene be⸗ 
stand die nicht seltene Gesellschaft in Epheu⸗ 
hause. Austausch der verschiedenartigsten An- 
ichten über das Thun uad Treiben derselben 
und dergleichen Denge baldeten die stetuͤ 
Unterhaltungsgegenstände, wenn die Gesellschaft 
ooslzählich war. Waren dagezen die Biäden, 
der Pastor und seine „Pflegetochter,“ wie sich 
derselbe scherzweise auszudrücken pflegte, allein 
zusammen, saßen sie stundenlang an dem Ufer 
des See's, der seine plätschernden Wellen bis 
au den Garten Helenen's trug, so e streckte 
sich die Unterhaltung mehr auf Vergangenes, 
Erlebtes. —— 
Die Resultate, die ein derartiger Umgang 
nothwendigerweise mit sich bringen mußte, waren 
auch nicht auszeblieben. Helenen's frühere 
Melancholie und Abgeschlossenheit war nach 
und nach, wenigstens äüußerlich. wir wollen 
nicht sagen, einem heileren. wohl aber einen 
jufriedeneren, froheren Sinn gewichen, der 
auf die ganze Gestalt aꝛd Ecscheinung üͤber⸗ 
fra gen, derselben ein harmonisches Etwas au⸗ 
ha achte, das selbst den oberflchlichsten Beobach⸗ 
ter fesseln mußte. 
ue 
Es war ein heißer Som nerabend. Die 
Luft ziemlich schwül. wurde von keinem Wiud⸗ 
hauche b'wegt; die Häuser ringzan waren 
wie aus zestorben; nur hie Und da ließ noch 
ein gesiedecter Säuget sein schmetterudes Lied⸗ 
chen in die warnie Sommerluft hinaustönen, 
um die heimische Stile sekandenlang zu unn. 
—F