Full text: St. Ingberter Anzeiger

r einen Tadel wegeu des Art. 2, der von ihm in Frenois mit 
dem General von Moltke abgeschlofsenen Convention, wonach die 
fran zͤsischen Offiziere ihren Degen und ihre perjonlichen Effekten 
behalten sollten, wern fie sich mit Ehreuwort verpflichteten, in diesem 
Kriege nicht mehr gegen Deutschland zu kämpfen. Der Untersuch⸗ 
ungsrath hat ferner in einem modifirten Gutachten die Haupischuld 
an dem Unglück von Sedan der Unthätigkit des Kaisers einer⸗ 
und den verderblichen Befehlen der Regentschaft, welche die Wirk⸗ 
sammkeit des Ober⸗Commandos lahm legten, andrerseits zugeschrie⸗ 
hen. Jetzt sind die Verhandlungen bezüglich der Capitulation von 
Metz im Gange. 
Der Abgeurdnete Jeen Brunet, welcher in der Sitzung 
der Nationalversammlung vom 14. ds. den sel samen Antrag ein⸗ 
brachte, Frankreich unter den Schutz Jesu Christi zu stellen, war 
urjprünglich Art llerieofsizzier; der Staatsstreich vom 2. Dezember 
hatie seine militärische Carriere unterbrochen. Wer ihn nöher 
jannte, zweifelle schon lange nicht mehr an dem Zustande seines 
Behirns. Daß er 1845 bereits eine Sammlung für den Kirchen⸗ 
gebrauch bestimmter geistlicher Gesaänge herausgab, welche auf Me⸗ 
sodieen von Verdi, Donizetti, vielleicht selbst schon Offenhach zurecht 
gemacht waren, das mag ihrn vielleicht noch als Seltsamk:it des 
deschmackes hingehen. Bedenklicher wurde es schon, als im Jahre 
1866 Brunet dem König von Bayern einen Feldzugsplan einschicte, 
der die Preußen unfehlbar vernichten sollte. Der Plan blieb un— 
benützt, die Preußen wurden bekanntlich nicht vernichtet, aber 
Molite soll, wie Brunet behauptet, ausgerufen haben: Hätten die 
Alliirten auf Bruuet gehört, so wäre ich verloren gewesen. Wäh 
rend der Belagernng von Paris schrieb Brunet einige fachmäunische 
und scharfe Artikel gegen Trochn. Wer damals über Trochu 
schimpfte, wurde leicht populär und so kam es, daß der halbver⸗ 
rückte Jean Brunct zum radikalen Abgeordneten von Paris ge⸗— 
wahlt wurde. 
Eioe nette Enthüslung macht der Patiser „Temps“: Als der 
staiser sich in Mietz aufhielt und ganz Frankreich noch in 
den stärksten Illusionen über Saarbrücken und Weißenburg lebse, 
berieht man am Hoflager bereits sehr ernsthaft den Triumz heinzug 
in Paris. Der Kaiser hatte bereits das Programm entwerfen 
assen, die mächtigen Detorationsstücke waren bereits in Arbeit und 
im Gardemeuble hat sich ein ganz neuer Thronhimmel von gold⸗ 
gestickter Seide vorgefunden, unter welchem Napoleon, der neue 
Aiexander und König der Köͤnige, in die Rotredame schre iten wollte 
dort das Tedenm zu hören. 
Der „Temps“* schreibt: Angesichts der Absicht der preußischen 
egierung, eine Concurrenzbahn längs der Mosel zu bauen, mußte 
sich die Luremburger Regierung bequemen, ihre Staatsbahnen gegen 
Barantie eines Minimalerträgmisses einer deutschen Gesellschaft zu 
bberlassen. 
Berfailles, 14. Jan. Der italienische Minister des 
Aeußern, Visconti ˖Venosta, hat an Herrn von Rrmusat, wie an 
zingeweihter Stelle versichert wird, ein Schreiben gerichtet, welches 
n enischiedenster Forn die Maßlosigkeiten des beim heil. Stuhle 
ꝛeglaubigten Gesandten Grafen d'Harcourt darlegt und dessen Ab⸗ 
berufung fordert. 
In Versailles weilt gegegenwärtig ein Herr Le Faucher 
als Abgesandter des Königs von Cambodscha. Dieser Souverein 
will sein Königreich unter das Protectorat Frankreichs stellen, 
anter der Bedingung, daß man vorher ihm, der bereits Großoffi— 
ier der Ehrenlegion ist, das Großkreuz dieses Ordeus verleiht. 
Präsident Thiers will in dieser. Angelegenheit erst dann eine 
kntscheidung treffen, nachdem er den Ministerrath darüber be— 
fragt hat. In der betreffenden Unterhaltung nannte der Cam— 
odscha'sche Gesandte u. A. Hrn. Thiers den berühmtesten Mann 
Furepa'ss? 
IJ England. 
London, 17. Jan, Wie der „Times“ gerüchtweise aus 
Paris gemeldet wird, trat Thiers in Unterhandlungen mit Rothschild 
in Paris, Thomas Globs und Comp. in London, Sina in Wien 
und einem Peiersburger Hause ein, behufs Contrahirung einer 
Anleihe im Betrage von dret Milliarden Francs effectiv. Dieselbe 
oll als 5procentige Rente zu 8715. pCt. emittirt werden und am 
l. Mai 1873 zur Ausführung gelangt sein. Die „Times“ fügt 
ninzu, diese Nachricht bedürfe noch der Bestätigung. 
London, 18. Jan. Ein in Mansionhouse abgehaltrnes 
Meeting beschloß eine Resolution zu Gunsten des Dezimallystems 
sür Maß, Gewicht und Münze. 
Wie die „Times“ erfahren, beabsichtigt die kana dische Regie⸗ 
uing, eine Eisenbahn durch das britische Gebiet bis zum stillen 
Dcean zu erbauen. 
Italien. 
Rom, 16. Jan. Pater Hyacinthe ist hierher zurückgelehrt, 
am sich an der Herausgabe eines aittatholischen Blattes zu detheilgen. 
J Amerika. 
Im freien Staate JIIlinois haben die Temperenzler alias 
Wassermucker einen großen Sieg davon getragen. Mit 38 gegen 
1 Stimmen hat der Senat ein Gesetz angenommen, welches be⸗ 
timmt, daß Verkäufer geistiger Getränke, welche dazu Veranlossung 
zeben, daß Jemand sich betrinkt, den Angehörigen des Betruntenen 
ne derhältnißmäßige Entschädigung schuldig sind. Dieses Geseß 
vird zu den fonderbarsten Prozjessen Veranlassung geben und es 
vird an spekulativen Aöpfen nicht fehlen, die darauf einen neuen 
Frwerbszweig gründen, Das ist sehr einfachz man geht in ein 
Wirthehaus, trinkt einige Kümmel, stellt sich dann betrnnken, 
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2 Dollars per Tag Entfchädigung zu verlangen. — Die Frau 
kann auf ihren eignen Namen, ohne Wissen und gegen den Willen 
des Mannes eine Entschädigumgsklage stellen. Was würde man 
in unserem monarchischen Deuischland zu tyrannischen Gesetzen sagen, 
vie sie ir der amerikanischen Republik geschaffen werden. 
—V —— 
In Mannheim sind sämmtliche Specereihändler überein— 
Jekomnmen, daß fie ih e Geschäfte von Abends 9 Uhr und jeden 
Sonntag von 1 bis 6 Uhr Mittags schließen. — 
Leipzig, 12.0 Jau. Gestern Rochmittag kam von Berlia 
ein nach München bestimmter Extrazug mit einer sehr werthvollen 
dadung hier burch; letztere bestand aus 10,000 Pfund Goldbarren, 
velche das Reichskanzieramt der bayerischen Regierung zu den von 
der königlichen Haupimänze in München zu prägenden neuen Gold⸗ 
münzen zur Verfügung gestellt hat, außerdem aber aus Silber- 
»arxen und gemünztem Gelde im Gewicht von 27,600 Pfd. 
* Auf dem berliner Bahnhofe der königl. Ostbahn ereignete 
ich am Montag Abend ein recht bedauerlicher Unfall. Als nämlich 
hald nach 8 Uhr der Lotomotipführer Zimmermann mit seiner 
Maschine vom Maschinenschuppen nach dem Personenbahnhofe ein⸗ 
uhr, um die Lokomotive vor den um 210 Uhr nach Königsberg 
gehenden Peesonenzug zu legen, wurde er bei der Wärterbude Nr. 
2 gewahr, daß irgend ein Gegenstand auf dem Schienenftrange 
iege, den die Maschine nur mit Mühe überwand. Auf dem Pex⸗ 
onenbahnhofe augekommen, machte er dabon sofort Meldung bei'm 
Ztationsborsteher, welcher unverzüglich die Strede recherchiren lirß. 
Bei der Wärterbude Nr. 2 bot sich dem Beamten ein schrecklicher 
Anblick: der Hülfsweichensteller Karl Knispel lag als formlose 
Pdasse in einer gewaltigen Blutlache zwischen den Schienen, die 
Maschine war ihm dicht unter den Schultern über den Rücken ge⸗ 
ahren nund hatte den Rucken vollständig durchschnitten, so daß 
dopf, Schultern und die beiden Arme auf der einen, der übrige 
Theil des Rumpfes mit den beiden Beinen auf der andern Seite 
des Stranges lagen. 
f Der französische Botschafter hat fein Palais am Variser⸗ 
platz — wie ein Correspondent der „Weserztg.“ aus zuverlässiger 
Quelle erfahren haben will — noch nicht bezogen, weil er entdeckt 
hat, daß dte Windfahne, wefche sich auf dem Dache befindet, einen 
preußischen Ulanen darstellt, unter bessen wetterwendischem Schutz 
also sein Vorgänger, Graf Benedetti, lange Jahre zugebracht hat. 
Angesichts der Rolle, welche die preußischen Ulanen im letzten 
Kriege gegen Frankreich gespielt haben, derdient dieser Witz der 
Weltgeschichte alle Aneckennung. 
FCer verschneite Bauer.) In den oberbayerischen Bergen 
liegt eine ungeheure Masse Schnee. In der Jachenau hat sich ein 
Bauer von seinem ganz eingeschneiten Hause zwei Gänge unker dem 
Schnee gegraben; der eine führt zur Kirche, der andere zum 
Wirthshause. 
Bereits im Vorjahre hatten wir Veranlassung, auf das von 
E. Stöchhardi (Süddeutsche Auncncen-Expedition Stuttgart) 
her ausgegebene „Geschäftstagebuch und Insertions-Kalender“ guf⸗ 
merksam zu machen. Nachdem wir nunmehr in den Besitz des zweiten 
Jahrganges für 1872 gelangten, können wir uns nicht enthalten, 
gen. Unternehmen als ehenso sorgfältig und correct ausgearbeitet, 
wie praktisch und geschmackvoll ausgestattet zu nennen. Abgesehen 
von dem reichen geschäftlichen Inhalt, welcher sich namentlich durch 
die neuesten Bessimmungen aus dem Reichs-Verkehrswesen ausge- 
zeichnet, enthält dasselbe für jeden Inserenten werthvolle Notizen 
dausnahmslos authentissche Angaben!), während der „Notiz⸗ 
und Schreibkalender für alle Tage des Jahres“ Jedermann nur 
eine angenehme Beigabe sein taun. Das 17 Bogen starke Werk, 
auf feinstem Schreibpapier gedruckt, wird vom Herausgeber alleu 
Geschaftsfreunden gratis überlassen, so daß dieselben durch Ertheil ⸗ 
ung eines größeren Auftrages nicht nur die mancherlei Vortheile 
genießen, welche die Süddeutsche Annoncen⸗Expedition ihnen zu bicten 
verman, sondern außerdem eia sehr gut verwerthbares Geschäfts⸗ 
handbuch, welches zugleich ein unentbehrlicher Rathgeber für jeden 
Inserenten ist, gratis erhalten. — Im Uebrigen wird das Gee⸗ 
schaftstagebuch nur gegen Einsendung von 45 kr. abgegeben, 
rein Preis, welcher übrigens auch in keinem Verhäliniß steht zu 
dem Gehotenen.